Im Obergeschoss der bewährten Gesellschaft Harmonie in Bochum zog Uwe Bende die Flaschen auf und Daniel Birkner lieferte das Menu dazu. Vielen Dank beiden dafür!

Opener: ein 43er Bordeaux mit ausgefallener Farbe und ein Vieille Julienne Côtes-du-Rhône Blanc "Lieu dit Clavin" 2006

Der 43er Bordeaux war nicht nur anstrengend, sondern auch korkig, aber nicht so arg. Und umgekehrt. Ein gewaltiger Vorteil dieses Weins war der, dass nach jedem reinschnuppern dort die Vieille Julienne umso besser duftete. Orangenwässerchen und Verbene, die mich ja beide ziemlich anmachen vermochte ich wahrzunehmen und schnupperte deshalb sehr lang am Glas. Mit dem trinken tat ich mich schwerer. Ziemlich dichtes Zeug, leicht buttrig, eine Handvoll Kräuter, ölig und sämig. Sattmacher und trocken obendrein – wo ich mich eigentlich bei den Weißen nur für Mosel-Kabinettche begeistern kann.

I.1 L'Arrosée 1970, St. Emilion

Malzig, kirschig, erinnert mich an belgisches Kirschbier, mit kaltem Rauch und Speck. Im Mund leider nicht so speckig, sondern eher dünn bis mager. Für mich kein Ausdruck von Eleganz; baute dann zwar nicht wahnsinnig schnell ab, lieferte aber auch nichts mehr, was mich begeistern konnte.

I.1 L'Arrosée 1967, St. Emilion

Das war die Aufgabe des famosen 67ers. Nach einer Algenschlammnase kam im Mund ein konzentrierter, griffiger, spielfreudiger, wenn nicht sogar angriffslustiger Wein aus der Deckung und tobte sich mit Luft über bequem zwei bis drei Stunden aus, was nur ich weiss, weil ich mir den Rest der Flasche gesichert hatte. Kirsche, Minze, reifes, süsses Tannin, ganz gegen Ende dann noch frisch gemahlener Kaffee, eine Wucht, dieser Wein und für mich eine enorme Überraschung.

I.1 Pontet-Canet 1964, Pauillac

Dünn, wässrig bis allenfalls noch milchig, eher noch metallisch. Durchgängig, glatt und sauber, aber keineswegs überragend und vom Kultstatus noch weit entfernt.

Zander auf Risotto mit Selleriegemüse, dazu Muscadet 1958. Wer hätte einen Muscadet dieses Alters für so langlebig und dann auch noch gut gehalten? Statt wie eine tote Muschel auseinanderzuklappen war hier noch richtig Zug drin, sekundiert von einer ungewöhnlichen und sehr pikanten Süße. Auch ein Überrascher an diesem Abend und meiner Meinung nach für den schon behrzt gewürzten Zander zu kräftig und intensiv.

II.1 Bel-Air 1952, 1er Cru, Haut-Neac, Pomerol

Dicker, eingekochter Bratenfonds, Liebstöckel, später Graphit. bei diesem Wein waren Nasen- und Mundentwicklung nie in gegenseitiger Sichtweite. Während die Nase immer weiter auftat und sich noch das letzte Quäntchen Duftreiz abzuringen mühte, flachte der Wein im Mund deutlich und in Wellen ab. Gequollener Dinkel, Roggenmehl und Cola in der Nase fanden kaum eine adäquate Entsprechung am Gaumen.

II.2 Thibaut-Maillet 1953, Pomerol, ts
Zu Beginn schüchtern, dünn und leicht milchschokoladig, erst mit Luft kommt Frische und Griffigkeit in den Wein. Das Resultat ist kirschig und eher schlank. Bis dorthin dauerte es eine ganze Weile. Interessant war das Wettrennen zwischen dem Thibaut-Maillet und dem de Sales. Thibaut-Maillet hatte lange die nase leicht vorn und musste sich erst ganz zum Schluss geschlagen geben, als de Sales einfach das breitere Spektrum, mehr reserven offenbarte.

II.3 de Sales 1953, Pomerol, into neck

Auch ein langsamer Wein, dessen intensive, konzentriert karamellige Nase erst gar nicht zeigen wollte, was noch alles unter der Oberfläche sass. Orangeat und Brausepulver konnte ich wahrnehmen, am Ende dann auch eine weiche, runde, noch sehr gut trinkbare Beerenaromatik, die der etwas profanen Kirsche des Flightpartners überlegen war. Auf 90 Punkte hätte ich den ohne schlechtes Gewissen gesetzt.

Grüner Spargel mit Parmaschinken und Salat, dazu Paul Anheuser, Schlossböckelheimer Königsfels Riesling Spätlese 1959. Der Anheuser mit erstaunlich frischer Waschmittelnase, danach verstärken sich die reifetöne. Ließ sich gut trinken und obwohl ich Spargel nicht gern in Verbindung mit Riesling habe, war die Kombination ganz gut.

III.1 Pichon Longueville Comtesse de la Lalande 1989, 2ème Grand Cru Classe, Pauillac
Noch jung, aber schon sehr aufregend. Warm, buttrig, minimal vanillig, mit Luft zunehmend Graphit, vermischt mit Zuckerwatte, Cassis und Schlehe.

III.2 Pichon Longueville Comtesse de la Lalande 1978, 2ème Grand Cru Classe, Pauillac
Zunächst viel rote und grüne Paprika, die sich über Kernseife, Verbene und Zitronenmelisse hin zu einer eleganten, kirschig-minzigen Aromatik mit Graphiteinsprengseln entwickelt und eine saubere Punktlandung hinlegt. Spannungsvoll und sehr dicht.

III.3 Pichon Longueville Comtesse de la Lalande 1950, 2ème Grand Cru Classe, Pauillac

Ätherisch, dabei reif, mit einer etwas nervös vibrierenden, dennoch dichten Aromatik, die vielleicht das langsame auseinanderfallen ankündigt. Noch ist der Wein jedoch stark, glatt und von seidiger Geschmeidigkeit, etwas flüchtige Säure und röstige Noten verbinden sich mit rosinierten Tönen.

Lammcarré mit Ratatouille und Kartoffelroulade, dazu passte die 89er Comtesse sehr gut, sie hatte die meiste Kraft, um gegenüber Lammfleisch und Ratatouille ein adäquates Gegengewicht aufzubauen. Die 78er Comtesse gefiel mir auch noch ganzn gut dazu, die 50er schon nicht mehr.

IV.1 Canon 1986, 1er Cru, Saint Emilion, en Magnum

– Kork –

V.1 Lafite-Rothschild 1943, 1er Grand Cru Classé, Pauillac

Delikat! Maulbeere, Saft, Grillaromen, dunkler Honig, Nüsse und Graphit, im Hintergrund einige lauernde Ketone, aber insgesamt ein vollmundiger, reifer, saftiger, spielfreudiger und lebhafter Wein, der mir wesentlich jugendlicher vorkam, als der Jahrgang vermuten ließ. 94+

V.2 Lafleur-Gazin 1961, Pomerol, ts

Am Anfang standen Waldbeermischung und ein an Kühlschrank erinnernder Duft ziemlich zusammenhanglos neben Pfeffersalami, eingelegtem grünen Pfeffer und Erdbeerdessert. Mit Luft vermählte sich das ganze zu einer sehr frischen, jugendlichen, aromatisch so intensiv schmeckenden Mixtur, wie die einzelnen Zutaten es vermuten lassen. 92 Pkte.

VI.1 La Mission Haut-Brion 1981, Pessac-Leognan

Auf den Punkt genau richtig geöffnet wurde auch LMHB 81. Pfeffer und Graphit, Zigarrenkiste und eine kühlende, balsamische, an Eukalyptus-Menthol-Bonbons erinnernde Note zusammen mit einem runder werdenden Tannin zeigten, dass bei diesem Wein die Entwicklung noch in vollem Gang ist.

VI.2 Léoville las Cases 1983, 2ème Grand Cru Classé, Saint Julien
Wachsige Oberfläche, darunter etwas diffus Kirsche und Cassis. Fest, sehr dicht, aber auch unfreigebig, mir im Ergebnis zu nichtssagend. Daran änderte auch eine später sich entwickelnde Mandelkrokant- und Frankfurter-Kranz-Aromatik nichts.

VI.3 Troplong-Mondot 1983, Grand Cru Classé, St. Emilion

Brombeer-Cassis, Schwarztee und Walnusslikör. Kräftig, zugänglich, warm und mollig. Schlampenwein. Gefiel mir besser als LLC.

VII.1 Cellier des Princes 1967, Châteauneuf du Pape

Sehr weiches, vollreifes, süßes Beerenobst, fein, elegant und schlank mit leicht röstiger Nase. Wirkte bisschen wie ein alter Charles Heidsieck. Ich hielt den Wein schließlich für einen roten Beaumes de Venise und Uwe hat völlig recht, wenn er alte Châteauneufs in Proben mit gleichalten Bordeaux als die Weine mit dem Vorteil überlegener Sexyness ansieht. Aufgrund seiner sehr hellen Rotfärbung klar als odd man im flight zu erkennen.Cantemerle 1989, 5ème Grand Cru Classé, Haut-Medoc

VII.2 Mouton Baronne Philippe (d'Armailhac) 1988, 5ème Grand Cru Classé, Pauillac
Der letzte Baronne Philippe, bevor das Château seinen neuen alten Namen, allerdings ohne das früher übliche 'q' am Ende wiederbekam. Kantig, schrundig, mit rausgebrochenen Ecken.

VII.3 Cantemerle 1989, 5ème Grand Cru Classé, Haut-Medoc

Vollmundig, geschliffen, glanzvoll, rund fein und groß dagegen der 89er Cantemerle. Frisch gesoßter Tabak, dunkles Beerenobst, süßes, schmeichelndes Tannin, minzig, mit herber Schokolade und Kaffee. Es gibt elegantere Weine, aber im Haut-Médoc dürfte es schwer werden, die zu finden.

Dessertvariation: Weiße Schokoladenmousse, Crème brûlée, Pfirsicheis, danach Forstmeister Geltz-Zilliken, Saarburger Rausch Kabinett 2007. Klar, saftig und frisch, nicht sehr schwergewichtig und mit dem Dessert überfordert war der Geltz-Zilliken. Solo ein schöner, klassischer Saar-Riesling.

VIII.1 Leoville Barton 2002, 2ème Grand Cru Classe, St. Julien

Leicht süßer, etwas holziger, noch unfertiger, aber trotzdem schon seltsam schmockiger Wein. Könnte von allem etwas mehr zeigen, wurde neben dem Holz vor allem von Blütentönen und vegetabilen Noten nebst einigen Kräutern geprägt. Derzeit nicht so sehr mein Fall.

VIII.2 Pichon Longueville-Baron 2001, 2ème Grand Cru Classe, Pauillac
Tiefgründig, stoffig und dicht. Speck, Erde, Kräuter, Cassis und Tabak, ein Füllhorn an Aromen, ein buntes Durcheinander von Kraft, Säure, Frucht und Gewicht. Lockere 93 Punkte.