Wenn man über Rosé spricht, meint man meistens irgendwas zwischen Listel Gris und Miraval vom Winzerduo Brad Pitt/Angeline Jolie. Manche meinen mit Rosé auch so etwas wie Portugieser Weißherbst. Tavel oder Rosé de Riceys (der in meinen Augen eigentlich gar kein richtiger Rosé ist) sagt schon nur noch wenigen Menschen etwas. Symptomatisch. Denn niemand hat Muße, sich eingehend mit diesem irrlichternden Zwitterprodukt zu befassen, Roséwein hat mehr ausgesprochene Feinde als bekennende Freunde.

Im Restaurant erzeugt der Sommelier weniger Verwunderung und Widerspruch, wenn er einen Syrah zum Seeteufel anbietet, als wenn er mit einem egal wie guten Rosé an den Tisch kommt. Wann also trinkt man Rosé? Denn getrunken wird er ja, da beißt die Maus keinen Faden ab. in gehöriger Menge sogar. Tja. Vielleicht trinkt man Rosé, wenn die Weddingplannerin es zu gut gemeint hat oder wenn das Partymotto "Flamingo" lautet. Wenn nichts anderes mehr da ist oder der Wein wirklich sehr gut gekühlt an Pool oder Liegestuhl geliefert wird und sowieso schon alles egal ist. Zum pinken Hibiskustaboulé mit Crevetten in Pomelogelée von Emmanuel Renaut? Denkbar. Oder zur Küche von Anne-Sophie Pic, meinetwegen zum pochierten Ei mit Tomaten-Galgant Chutney (schmeckt super!) oder zu ihrem Suprême de Poulet mit Crémeux de Mozzarella? Warum nicht.   

Meinen letzten Londonausflug habe ich in Vorbereitung eigentlich völlig anderer Fragen mit Rosé begonnen und begossen. In Searcys Champagnerbar im Obergeschoss von St. Pancras, wohin ich meine Schritte nicht nur wegen der gepflegten Toilettenanlage stets ohne schuldhaftes zögern lenke, gibt es eine erkleckliche Auswahl an heimischem und französischen Blubber. Erquickend und labend ist der Balfour Brut Rosé aus dem Garten Englands, der Grafschaft Kent. Schnittig wie ein Ubootjäger, mit viel Verbene, Zitrus, wenigen grünlichen Aromen und verblüffender Nähe zum Champagner. Ein viel schwereres Geschoss ist der Rosé aus dem Hause Henri Giraud. Da merkt man den ungenierten Einsatz von Holz, langem Hefelager und aller überbordenden Pinotfülle, die ein Grand Cru wie Ay in Erinnerung an die Zeiten Henri IV. aufbringen kann. Diese beiden schwerstverschiedenen Roséschäumer kann man kommentarlos und unbegleitet trinken, man kann sich dazu noble Burger mit gutem Wagyurind und Trüffelmayonnaise zubereiten (lassen), der Balfour Rosé geht auf die Dauer auch prima als Ersatz für Whisky Sour durch, während der Giraud ein aufkommendes Hungerfühl leicht im Zaum halten kann, wenngleich nicht unbegrenzt. Ganz am Ende wird man um einen Happen zumindest aus der kalten Küche (sehr gern: Bratenreste oder Ochsenschwanzragout) nicht herumkommen, aber bis dahin ists noch ein langer Weg. 

Wann also trinkt man am besten Rosé und welchen? Meine Antwort ist einfach. Im schweren Clubsessel und dann am besten zwei wie diese. Dann ist alles andere egal.