Back to Top

Tag Archives: de marne frison

Halloween-Roséchampagner im Restaurant Reuter’s, Frankfurt

Wer alle Achttausender der Welt erfolgreich besteigen will, muss grundlegende Akklimatisierungstechniken beherrschen. Eine der wichtigsten ist: "hoch steigen, tief schlafen". Um den Gipfel der Lust, bzw. des Champagners zu erklimmen, muss man es ganz ähnlich halten. Um sich an einen hochsteigenden flight heranzutrinken, nützt es, vorher einen soliden, leicht verständlichen Ausgangsflight zu trinken. Das sollte die Technik des Abends werden, begleitet von der dazu abgestimmten Küche von Franco Scavazza, der so freundlich war, für meine Übungen eine Hälfte seines halbmondförmig gebogenen und ob seiner Lage von vielen Frankfurtern noch gar nicht richtig ausgekundschafteten Restaurants zur Verfügung zu stellen. 

Opener

O.1 Adrien Redon l'R du Temps Extra Brut Rosé d'Assemblage

O.2 Grongnet Carpe Diem Rosé de Saignée Extra Brut

O.3 Bourdaire-Gallois Rosé

Adrien Redon aus Trépail gehört zu den jungen Winzern, seine Champagner sind dementsprechend weniger behäbig und weniger oxidativ als man es von den Ahnen kennt. Sein Rosé aus zwei Dritteln Chardonnay und einem Drittel Pinot Noir ist unter Zugabe von 15% Rotwein entstanden. Die Carpe Diem Champagner von Grongnet sind vom Stil her ähnlich winzerig wie die von Adrien, nur dass sie aus einer ganz anderen Ecke der Champagne kommen. Der Assemblagerosé wirkte großzügiger, voluminöser, bauchiger und gefiel mir etwas besser als der sonst so gern getrunkene Carpe Diem, wobei ich zugeben muss, dass ich den am liebsten in der weißen version trinke, weil er da noch ausgeprägter und typischer ist. Im Gefolge der beiden hatte ich noch einen Meunierrosé zum Kalibrieren eingebaut, weil ich nach meinem letzten Besuch in der Champagne unter anderem die beachtlich große und beachtlich gute Auswahl von David Bourdaire kennengelernt habe und mich schon drauf gefreut habe, einige seiner Champagner in verschiedenen Proben sich schlagen zu sehen. David, der 2002 mit seine ca. 4,8 ha die örtliche, von seinem Großvater einst gegründete Kooperative verlassen hat, öffnete vom Jungfernjahrgang bis zu den jüngsten Ernten alles, was da ist und wird in Zukunft sicher die Aufmerksamkeit einer ganzen Reihe von Champagnerfreunden für sich in Anspruch nehmen können. Dass es sich bei diesem Rosé um einen reinen Assemblage-Meunier handelt, hätte wahrscheinlich keiner gedacht. Dessen Herkunft von sandigen Untergrund machte eine Identifikation bsonders schwer und als Einstieg in den hochklassigen ersten flight war mir das gerade recht.

I. Römischer Schinken auf Belugalinsensalat


I.1 Pommery Louise Rosé 1996


I.2 Dom Ruinart Rosé 1996

Die Louise, als Rosé und vor allem aus diesem Jahrgang eine echte Rarität, hatte Mühe, sich unverfälscht und offen zu geben, leider wirkte der so hoffnungsvoll erwartete Champagner in meinem Glas leicht gehemmt und nicht so unbeschwert, wie geplant. Der Dom Ruinart trällerte dafür ein umso himmlischeres Liedchen, die ganze Wucht des Jahrgangs entlud sich in mehreren schweren Ergüssen und umschäumte die Linsen, den Schinken und den leichten Sud mit gewaltigen Wellen. Klarer Sieger war hier der Dom Ruinart, der eine nicht zerstörte, aber verwirrte Louise zurückließ.

II. Geräucherte Entenbrust mit hausgemachtem Apfel-Rilette, Feldsalat, Schnittlauchblinis

II.1 Tristan Hyest Rosé Grapillère

II.2 Jacques Lassaigne Rosé de Montgueux

Ein ähnliches Match wie im ersten flight hatte ich für den zweiten flight vorgesehen. So wie der Dom Ruinart ein Rosé mit weißer Chardonnayseele ist, ist auch der Rosé von Lassaigne ein Produkt, das man vor allem vor dem Hintergrund mächtiger Montgueux-Chardonnays erklären muss; 80-85CH, 15-20PN standen den 40CH von Tristan gegenüber, der wiederum ein ausgemachter Roséspezialist ist, während Emmanuel mit seinem Rosé eher einen lässigen vin de soif in die Weinwelt geworfen hat. Der vertrug sich vor allem mit der milden Schnittlauchschärfe gut, während der Einzellagenrosé von Tristan sich mit der Ente vereinigte. Mit dem Apfelrilette kamen beide Champagner gut klar und so ergab sich ein schöner Gleichstand.

Einschub: Laurent-Perrier Cuvée Alexandra Rosé 1982

Von der Plateauphase der Vorgänger, dem letzten Basislager bevor es in Richtung Gipfel ging, brach die Runde jetzt durch die Wolkendecke. Die Alexandra 1982 gehört schlicht zum besten, was das Jahr und was der Champagnermarkt zu bieten hat. Wunderbar gereift, ist dieser 50 PN/50CH Mazerationsrosé eine der schönsten Roséprestigecuvées überhaupt. Über Jahre hatte sich Fürst Nonancourt den Kopf über diese Cuvée zerbrochen, die er 1988 zur Hochzeit und zu Ehren seiner Tochter Alexandra der Öffentlichkeit vorstellte und die bei Laurent-Perrier bis heute nur zu hohen Anlässen geöffnet wird, im Jahr 1982 fiel die Entscheidung – zu Gunsten eines Jahrgangs, was an sich schon ein Ausbrechen aus der Multi-Vintage Philosophie des Hauses ist. Der Erfolg ist die schönste Bestätigung und eine, die bis heute andauert. Vibrierend, ätherisch, ja metaphysisch, die Abstraktion des reifen Rosés. Großartig.

III. Lauwarmer Muschel-Wirsing-Salat mit Champagner und Blauschimmelkäse

III.1 Dom Pérignon Rosé 2000

III.2 Jacques Selosse Rosé Brut

eigentlich hätte jetzt nach der Bergsteigertechnik ein deutlicher Rückschritt kommen müssen, aber das hielt ich für unzumutbar. Vom einen Gipfel auf den anderen Gipfel zu hüpfen kann wiederum ein mörderisches Unterfangen sein, wenn der Gaumen bereits geschwächt oder immer noch ganz überwältigt ist. Also habe ich mich eines Tricks bedient. Muschel, Wirsing und Blauschimmel führten die Geschmacksnerven in eine ganz andere Richtung, wo sie vom reifen und auf Muscheln spezialisierten 2000er Dom Pérignon Rosé erwartet, abgeholt und fortgeführt wurden. Staffellaufmäßig übergab der Dom an den reifen, schon vor sechs Jahren degorgierten, mächtigen, drängenden Selosse-Rosé, der wie ein verstärktes Echo auf die Alexandra 1982 antwortete und den Gipfelhüpfer kunstvoll abschloss.

IV. Hasenragout nach Art der Försterin mit Cognac, Pappardelle

IV.1 Benoit Lahaye Rosé de Maceration

IV.2 Laurent-Perrier Cuvée Alexandra Rosé 1998

Der Rosé von Benoit Lahaye hatte danach keine leichte Aufgabe, da er zwischen zwei so überragenden Champagnern wie eingeklemmt wirken musste. Aber der Scxhlawiner aus Bouzy erledigte seinen Auftrag sicher und gekonnt. Der Hase war eine gute Schützenhilfe und erleichterte den Übergang vom nachklingenden Selosse zum pikanten, feinen, ironisch das Haselnussterroir von Bouzy brechenden Champagner von Benoit Lahaye. Der verstand sich nicht nur als Durchgangsstation zur 98er Alexandra, die wie ein hyperintelligenter Teenager, jedoch ohne Hochnäsigkeit oder Sonderlingsgehabe vor allem den Cognac als Partner begriff.

V. In Balsamico und Chipotle geschmorte Spanferkel-Bäckchen mit Rotkrautsalat und Pfeffer-Gnocchi

V.1 deMarne-Frison Cuvée Elion Rosé de Saignée Brut Nature

V.2 Leclerc-Briant Cuvée Rubis de Noirs Millésime 2004

Die logische Folge auf den letzten flight wäre für viele Sommeliers wahrscheinlich eine Rotweinbegleitung zum Spanferkel gewesen. Aber das sollte nicht sein. Warum auch, wenn es Champagner wie diese gibt, Champagner mit der ganzen Weinigkeit burgundischer Pinots und dem unbeschwerten Gemüt des Schaumweins. Wobei ich zugebe: allein mögen diese Champagner mehr als schwierig zu trinken sein, auf den ungeübten Trinker sogar untypisch bis seltsam wirken. Ihre Stärke zeigt sich eben erst zum Essen. Zu Pfeffer, zu Chipotle, zu Rotkraut, Balsamico und zum Schwein, auch oder gerade wenn es Wildschwein gewesen wäre. Die seltene Cuvée Elion von Valerie Frison ist haarscharf am Rotsekt vorbeivinifiziert und wenn man sie trinkt fühlt man sich wie ein Beifahrer, der vergebens auf die imaginäre Bremse tritt, während sich das Fahrzeug des unbeirrt quasselnden Fahrers mit hoher Geschwindigkeit auf die Rückseite eines vorausfahrenden LKW zubewegt. Doch der Wagen kommt rechtzeitig zum Halten und der Champagner schafft es trotz aller Rotweinseligkeit Champagner zu bleiben. Eine nervenaufreibende Erfahrung. Ähnlich ist es beim Leclerc-Briant, der ohne Umwege mitteilt, er habe es nicht nötig, wie ein normaler Roséchampagner zu sein. Mit ausgeprägtem Selbstbewusstsein und der Würde eines reichen Jahrgangs nimmt er den Gaumen in Beschlag und führt sich dort wie ein langjähriger Hausherr auf, so dass kurzzeitig der Eindruck entsteht, der eigene gaumen gehöre jemand anderem. So ist es natürlich nicht, aber der Rubis mit seiner Schokoladigkeit, den ätherischen Noten und seiner Kräuterwürze vermag heftig zu irritieren. Aber was soll's, das hier ist Schach und nicht Dame.

Abschluss:

A.1 Pommery Louise 1999

A.2 Ulysse Collin Blanc de Noirs Extra Brut

A.3 Bollinger Grande Année 2000

A tergo gab es noch ein Stelldichein der nicht ganz so rötlichen Champagner. Die Louise war schwebend leicht, wie mittlerweile schon gewohnt und wie ich es mir bei der 96er Louise Rosé gewünscht hatte. Der Balnc de Noirs von Ulysse Collin war laut Etikett kein Rosé, aber die Farbe strafte das Etikett Lügen. Der Geschmack ist bei diesem ersten Blanc de Noirs von Olivier ganz eigentümlich. Eine alkoholische, schläfrige Süße, Hustenmedizin und Möbelpolitur, dann wieder Schattenmorelle, Himbeerbrause und Ingwer, keine Leichte Kost also, aber ein guter Schließer nach einer aufregenden Tour. Die hätte mit Leichtigkeit der Bollinger 2000 übernehmen können, der sich in guter Form zeigte und dessen feines Holz jedes noch so champagnerkritische Gemüt besänftigt und versöhnt. Nicht, weil es einen bewusstlos schlägt, sondern weil es so natürlich, so selbstverständlich und ausgleichend wirkt.   

ProWein 2014 – Die besten Champagner und Schaumweine

Die Prowein begann für mich am Samstag unter anderem mit einem sehr seltenen Champagner: de Marne – Frison Cuvée "Elion" Rosé. Von de Marne -Frison habe ich schon verschiedentlich berichtet und dabei letzthin leider auch erwähnen müssen, dass die Zukunft des 6,5 Hektarguts in Ville sur Arce (Aube) ungewiss ist. Aber Valerie Frison macht allein weiter, nachdem ihr Mann Thierry sich in den Süden Frankreichs verabschiedet hat. Die Zukunft ist also sicher und weil ich hoffe, dass sie auch rosig ist, kam der rare Rosé ins Glas. Der ist eher dunkel und so granatenfruchtig, so voller Granatapfel, dahinter Banane und Kirsche und ein etwas ungemütlicher Gerbstoff, dass mir um die Zukunft dieses sympathischen Kleinerzeugers nicht bang ist. 

Der Eröffnungssonntag brachte verschiedene schöne Schäumer ins Glas. Lanson öffnete beispielsweise aus der spätdegorgierten Jahrgangscollection (alles Magnums) ein paar Exemplare. Mir gefiel der ausdrucksstarke, einerseits sehr frische, andererseits gediegen-reife 1976er, dég. im Februar 2014, am besten.

Zuvor hatte Cyril Janisson aus seiner Einzellagen-/Einzelrebsortenserie den von "Chemin de Conges" in "Conges" umbenannten 2006er Meunier ins Glas gebracht und meinen Beifall geerntet. Der neue Jahrgang ist etwas niedriger dosiert, was ihm unheimlich gut steht und mehr Durchzugskraft verleiht. Der Champagner ist rassiger, klarer definiert, sportlicher und um Nummern forscher, als sein Vorgänger. 

In der nämlichen Champagnerlounge, die letztes Jahr erstmals oberhalb der Österreicher in Halle 7.1 zu finden war und heuer nicht so verdruckst im Halbdunkel, sondern in überwiegend strahlendem weiß vorzufinden war, schenkte Montgueux-Winzer Vincent Couche seinen Sensation 1997, dég. 12. April 2012, aus. Das ist seine Antwort auf den Trend zum verlängerten Hefelager und gefiel mir schon als 1995er sehr gut. Diesmal war eine Spur mehr Eleganz und Finesse, etwas weniger Oxidation und daher sogar mehr Trinkvergnügen als erwartet in der Flasche.

Von 1995 zu 1997 zurück zu 1995: Bruno Paillard, der zum Jahrgangsvergleich seiner aktuellen 2004er Vintages geladen hatte, überzeugte mal wieder mit seinem 1995er Assemblage, der sich bei mir wegen seiner perfekten Reife noch vor dem 2004er Blanc de Blancs, dem 2004er Cuvée und dem 1995er Blanc de Blancs platzieren konnte. Und das will was heißen, denn der 1995er Blanc de Blancs war in einer ähnlichen Vergleichsprobe mit den Jahrgängen 1989, 1995, 1999 Anfang des Jahres in Berlin noch mein klarer Favorit.

Die jungen Aube-Player Tendil & Lombardi mit dem verblüffend an Dom Pérignon angelehnten Etikett konnten vor allem mit ihrem Blanc de Noirs punkten, Piper-Heidsieck setzte sich mit dem 'gewöhnlichen' 2006er Vintage positiv nach oben vom sehr guten und mancherorts (FINE Champagne Magazine Nummer 1 der 100 Best Champagnes for 2011) für überragend gehaltenen Rare 2002 ab. Den sehe ich erst in der Spitzenriege, wenn der Babyspeck abgeschmolzen ist.

Bei den englischen Sparkling Wines ('Méthode Anglais') hat Gusbourne die Nase vorn; dort hat man sich Verstärkung geholt: Charlie Holland, der von Ridgeview kommt und Christian Holthausen, der vor gar nicht so langer Zeit von Piper-/Charles Heidsieck zu Nyetimber gewechselt hat. Während ich tüchtig mit Charlie probierte, schlürfte Christian übrigens den eben erwähnten Conges von Janisson-Baradon, was ich ihm von Herzen gegönnt habe. Schon länger im Auge habe ich von Camel Valley den Annie's Anniversary Brut, ein sagenhaft flottes Gerät mit quiekend frischer Säure, Boskoop und Lemon Curd, also allen Attributen, die man sich nur wünschen kann, um den eingestaubten Gaumen freizubekommen. Balfour hatten nur zwei Sparkler da, aber die waren ebenfalls sehr gut und hatten mir schon im letzten Jahr sehr gut gefallen. Die Präsentation war von der knorrigen Art und mit einem Humor, der den anhaltenden Kriegserfolg des Empires erklären hilft. 

Aus deutschen Landen habe ich leider nicht sehr viel probieren können, weil jeder Aufenthalt in der Deutschlandhalle selbst den ehrgeizigsten VKN-Produktionswillen unterminiert und zunichte macht. Vor lauter Begrüßung und Wiedersehen kommt man kaum zum probieren. Geschafft habe ich deshalb nur ein paar Flaschengärer wie Madame Bettys Rheingau Riesling Brut vom Sekthaus Solter, das auf den Etiketten witzigerweise und quasi im Anschluss an die Engländer (oder umgekehrt) die 'Méthode Allemande' für sich reklamiert. Aus der Raumland-Kollektion gefielen mir am besten Marie-Luise und Blanc et Noir, das Triumvirat muss noch ruhen, bevor es sich zum Gaumennahkampf rüsten soll. Vor allem optisch positiv aufgefallen ist mir außerdem mal wieder der Winzerhof Stahl aus Auernhofen, der in Würzburg die "Edel Stahl Brause!" versekten lässt. Dieser Riesling Brut Sekt ist mir eigentlich zu hoch dosiert und schmeckt verdächtig nach Aromahefen, aber wer partout keinen Champagner anrühren will, wird sich leicht mit diesem Frankensekt versöhnen und im Idealfall natürlich verwöhnen können.     

Aus Spanien drang lediglich eine Cava zu mir durch, die sich aber wegen des Chardonnayanteils darin selbst zu später Stunde noch mit Freude trinken ließ. Ausgeschenkt wurde sie von Hauptstadtwinzer Daniel Mayer, der für die spanischen United Wineries als Sales Director Deutschland fungiert. Eben diese United Wineries haben übrigens auch beim Sieger der italienischen Euposia Challenge unter den Rosé-Schäumern ihre Finger im Spiel. Denn der italienische Trento-DOC Erzeuger Cesarini Sforza, von dem der nicht zuletzt unter meiner Mitwirkung aufs Siegertreppchen gehobene "Tridentum Rosé" stammt, gehört den Spaniern.

Der Proweinmontag sollte Großes bereithalten. Nämlich die Party auf der Party: die Caractères et Terroirs de Champagne Single Vineyards Probe in luftiger Höhe. Jörg Kalinke hatte extra und dankenswerterweise höchst bereitwillig seine Bar M168 im Düsseldorfer Rheinturm zur Verfügung gestellt. So konnten gottlob 15 Champagnerwinzer ihren Stoff und seine Wirkung auf den menschlichen Organismus vorstellen. Champagne Aspasie brillierte mit den Cépages d'Antan und einem sehr gelungenen Brut de Fut, von Meunierspezialist Michel Loriot gefiel mir die Monodie, die mir aber neuerlich zu hoch dosiert vorkam. Über den modern gehaltenen Chétillons 2007 von Pierre Peters und die Cuvée des Grands Vintages muss ich glaube ich nicht viel sagen, die beiden haben ihren guten Ruf völlig zu recht, wenngleich sie völlig unterschiedliche Geschmäcker ansprechen. In Richtung des Chétillons ging auf der Caractères-Veranstaltung sonst nur noch die Einzellage "Les Fervins" von Penet-Chardonnet, der mit viel Energie den Markt aufrollt. Dass Eric Rodez auch mit Chardonnay umgehen kann, wissen mittlerweile selbst die erkenntnisscheuesten Typen. 

Daher überrascht es nicht, wenn ich bekenne, dass auf der Meiningerprobe von Sascha Speicher am Dienstag der Blanc de Blancs von Rodez zu meinen Favoriten unter den vorgestellten Chardonnays gehörte. Einhalt gebot dem erst der letzte Champagner der Verkostung, Ruinarts großartiger Dom Ruinart 2002. Dazwischen gab es mit der Cuvée des Caudalies von de Sousa, Emmanuel Lassaignes Le Cotet, Rafael und Vincent Bérèches lange auf der Hefe gebliebenen "Côte" sehr starke Mitbewerber und selbst Taittingers Comtes de Champagne 2005 schaltete sich kurz vor Schluss noch kurz ein, konnte aber nicht als game changer reüssieren. Denn für mich waren die Sieger klar: Rodez und Ruinart. Jacquesson, Bollinger, Gosset und Pol-Roger gerieten mir auf der diesjährigen ProWein etwas aus dem Fokus. Sie werden es verkraften, denn es ist kein Ausdruck von Missbilligung, sondern vielmehr so, dass diese guten und stabilen Erzeuger gerade nicht meiner ständigen Aufsicht bedürfen.   

Jerome Coessens' Champagner habe ich erst kurzem wieder lobend erwähnt, daher spare ich mir hier weitere Ausführungen. Hinweisen möchte ich an dieser Stelle sehr gerne noch auf die Champagner des jungen Thibaud Brocard von der Aube, der als Winemaker bei Champagne Brocard-Pierre eine köstliche Cuvée mit dem Namen Limited Edition Blended zu verantworten hat. Das ist Champagner, wie man ihn sich von einem Talent der jungen Champagne-Avantgarde wünscht. Deutlich weniger weitläufig und fassnah angelegt ist die wagemutig gestaltete Cuvée Lady Style von Champagne Malard, Lieferanten des Hauschampagners von "Nicolas", dem französischen Pendant zu unseren Jacques' Weindepots. Die Cuvée Lady Style ist Extra Brut und aromatisch eine etwas unterkühlt wirkende Schönheit vom Typ der eiskalten osteuropäischen Spionin aus James Bond und anderen Agentenfilmen. An dem Cliché ist hier sogar etwas dran, denn Leitfigur ist die bildhübsch in Szene gesetzte Ehefrau des rugbyspielenden Hausherrn, Model und Volleyballspielerin Natacha Malard, die gebürtig aus der Ukraine stammt.  

Aube-Intermezzo mit Champagne Drappier

 

Die Champagner von Drappier und ganz besonders die Grande Sendrée galten lange Zeit als die mit Abstand besten Aube-Champagner. Das war freilich in einer Zeit, als von der Avantgardetruppe um Cedric Bouchard, Jacques Lassaigne, Bertrand Gautherot usw. nur in einem sehr kleinen Kreis die lobende Rede war. Heute muss sich Platzhirsch Drappier zwar nicht mühevoll, aber doch in einem Feld sehr guter bis überragender, teilweise ultraindividualistischer Champagner mit höchsten Ansprüchen an sich selbst behaupten. Ich denke, das tut ihm eher gut als weh. Plaudern konnte ich mit Michel Drappier diesmal leider nicht sehr lange, sonst hätte ich ihn gern dazu befragt

I. Carte d'Or

90PN 5CH 5PM

Sonniger Champagner mit massenkompatibler Dosage, kann man aber auch als Champagnerpurist noch ok finden.

II. Quatuor, dég. Januar 2011

Je ein Viertel CH, PB, Petit Meslier und Arbane, 07er Basis, mit 8,5 g/l dosiert.

Fand ich im Frühjahr kräftiger und fetter, auch wuchtiger, diesmal kam er mir eher vor wie ein richtig gutes Sektsorbet.

III. Grande Sendrée 2004, dég. Januar 2011

55PN 45CH.

Die aktuelle Grande Sendrée ist mittelgewichtig, aber nicht schmächtig; leider befindet sich die ähnlich gebaute Grande Sendrée 2002 gerade in einer Verschlussphase, daher ist ein Vergleich zwischen beiden nicht sehr fruchtbringend. Die Grande Sendrée gehört zu den Champagnern, bei denen ich immer eine gewisse Ähnlichkeit mit dem Chef des Hauses finde. Sanft und distinguiert, sehr präsent und hellwach, die Neigung zu einer halsbrecherischen Autofahrweise würde man bei Michel Drappier gar nicht vermuten, ebenso nicht die wollüstige Entwicklungsfreude der Grande Sendrée, wenn sie die Möglichkeit zur Reifung hat. Nach einem doppelten Espresso zum Abschluss eines großen Mahls gibt es nichts schöneres, als eine frische und vorzugsweise junge Grande Sendrée wie eben diesen 2004er für die inoffizielle Hälfte des Abends zu öffnen.

IV. Grande Sendrée Rosé 2005, dég. Januar 2011

Etwas schwermütiger, melancholischer Rosé mit einem an smoothies erinnernden Früchtemuscharakter. Relativ wenig Säure und ein Schlußpunkt, der die Ballade stimmungsvoll und für mich ein wenig rätselhaft beendet.

Champagnernacht in Dorsten

 

I.1 Raumland, Blanc et Noir Brut Nature 2005

Umgeben von Champagner fühlt der Raumland sich wohl, was für den Sekt ebenso gilt, wie für seinen Schöpfer, dessen Sekte im Laufe des Abends noch einige Auftritte hatten und den ich in Person zwei Tage später wie durch Zufall in der Champagne traf. Der Blanc et Noir ist erkennbar kein Champagner, ohne dass er dadurch jedoch deplaziert wirkt, zumal wenn es der Auftaktsprudler einer Probe ist. Der Sekt war ruhig, souverän, mit Beerenobst dekoriert und einer aus dem Lesegut selbst stammenden Fruchtigkeit und Süße, die Dosagezucker entbehrlich werden lässt.

I.2 Gimonnet-Henry, Blanc de Blancs Cuis Premier Cru

Mit 8 g/l dosiert.

Im Gegensatz zum Raumland war der von Pierre Gimonnet gefertigte Champagner als solcher erkennbar, mit der Erkennbarkeit von Cuis habe ich dagegen meine Probleme, weil mir dafür einige wichtige Marker fehlen. Weder ragte eine besondere Feinheit, Nervosität und tänzelnde Unruhe heraus, noch die für nördliche Crus kennzeichnende Exotik oder die typisch südliche Mineralität. Wenn dieser Champagner eine Eigenschaft hat, dann die, dass er zwischen all diesen Eigenschaften liegt.

II.1 Leclerc-Briant, Les Chèvres Pierreuses

Sehr süß, sehr fortgeschritten und sogar etwas plump kam der sonst so phantastische Chèvres Pierreuses ins Glas. Kochbanane, mehlige Textur, überreifer, kopflastiger Charakter, so kannte ich das Meisterwerk von Leclerc-Briant gar nicht und bin deshalb sicher, dass mit der Flasche etwas nicht stimmte.

II.2 deMarne-Frison, Cuvée Goustan Brut Nature

Dass wir von Thierry und Valerie de Marne-Frison noch viel Gutes hören und trinken werden, scheint mir gewiss. Von Beginn an habe ich deren Grundweine probieren dürfen und der einnehmende Gesamteindruck bestätigte sich mit dieser erstmals vermarkteten Jungferncuvée auf hohem Niveau. Schlank, rasant, nervös, wie poliert, platinartig dunkel schimmernd, der Silver Surfer – und damit meine ich nicht die älteren Herrschaften unter der Internetbenutzern – des Abends. Heute gegenüber seiner Schwester im Vorteil, ich habe sonst immer den umgekehrten Eindruck gehabt; auch das ein gutes Zeichen für den sportlichen Ehrgeiz der beiden.

III.1 Ayala, Brut Majeur

Einen guten, straff gefederten Eindruck vermittelte der Standardbrut von Ayala, der mir im Vergleich zum großen Bruder Bollinger vorkam wie ein 3er BMW mit M-Paket gegenüber einem mäßig durchzugsstarken Serien-5er: bisschen assiger, aber mehr Fahrspaß.

III.2 Bollinger, Special Cuvée

Behäbig, nicht ganz so ausdrucksvoll und pinotkräftig wie ich ihn erst kurz zuvor bei Bollinger getrunken habe, wirkte die eigentlich zuverlässige Special Cuvée. Oder vielleicht war das auch das Problem: er wirkte eben allzu zuverlässig und unaufregend.

IV.1 Dönnhoff, Pinot Brut 2004

Schwach war der Dönnhoff-Sekt, Fenchel und Anis im Vordergrund, gefolgt von gähnender Leere am Gaumen und einem zehrenden, etwas stechenden Trigeminalgefühl. Volker Raumland räumte zwei Tage später ein, dass er damals schon mit dem Grundmaterial nicht völlig glücklich war. Schade, vom 2004er Dönnhoff hatte ich mir im Vergleich mit dem laut Gault Millau besten deutschen Sekt mehr erwartet.

IV.2 Ökonomierat Rebholz, R – Pi No Gold Brut 2004

Schon im letzten und vorletzten Jahr hatte mir dieser Sekt gut gefallen, blind erkannt hätte ich ihn allerdings nicht – damit teilt er freilich dasselbe Schicksal wie fast alle Schaumweine, was nicht an deren bemängelnswerter Qualität liegt, sondern an meinen begrenzten Verkosterfähigkeiten. Dem namengebenden Pi No Gold machte der Sekt alle Ehre, Farbe und Mundgefühl ließen an sich keinen Raum für Chardonnay, der folglich strukturbildend im Hintergrund wirkte und dort, wo sonst vielleicht die Frucht allzudick aufgetragen wirken könnte, eine korrigierende Säure bereitstellte und so dem Sekt seine vorbildliche Balance verlieh.

V.1 Larmandier-Bernier, Blanc de Blancs Premier Cru Extra Brut

Chardonnay aus Cramant, Avize, Oger, Vertus, 2007er Basis.

Sieht man sich an, aus welchen Örtchen die Trauben kommen, kann man schon erahnen, dass es sich selbst bei kleiner Dosage nicht um ein Säureungeheuer handeln wird, sondern um einen Champagner, der mit dem Terroir seiner Herkunftsgemeinden spielt, wenn nicht kokettiert. Kaum verwunderlich, wenn sich das im Glas bewahrheitet und keinerlei aggressive Säurespitze den Rachen aufreißt, sondern kalkiges, zerstoßenes Gestein die gediegene Mineralität von Grand Crus der Côte des Blancs repräsentiert, darübergegossen eine feine Crèmeschicht und locker auch darüber noch gestreut appetitanregende Vertus-Frucht.

V.2 deMarne-Frison, Blanc de Blancs Brut Nature Cuvée Lalore

Mit Larmandier-Bernier hatte die schon in jungen Jahren selbstbewusste Tochter des Hauses de Marne ihre Schwierigkeiten. Im direkten Vergleich ist ihr Chardonnay der aufgekratztere, exotischere und trotz der relativen Zurückhaltung des Larmandier-Bernier nicht ganz so säurehaltige. Das wiederum zeigt, wieviel versteckte Säure die Chardonnays aus der Côte des Blancs haben und wenn man das mal so deutlich wie hier vorgeführt bekommt, weiß man auch, warum die Crus der Côte des Blancs so phantastisch reifen (können). Meine hohe Meinung von der Lalore bleibt davon unberührt, schließlich sind nicht alle Blondinen gleich und ob man es mit Drew Barrymore oder Catherine Deneuve zu tun hat, spielt im Dunkeln ja auch nicht unbedingt die führende Rolle.

VI.1 Alfred Gratien, Blanc de Blancs

Ein gutes Match lieferte die jüngste Cuvée von Alfred Gratien. Das mittelgroße Haus aus Epernay ist bekannt für seine konservative Vorgehensweise mit viel Holz, ohne BSA und den Einsatz von Pinot Meunier bis hinein in die Spitzencuvée. Der Blanc de Blancs war nicht der logisch zwingende nächste Schritt bei der Weiterentwicklung des Portfolios, aber da man sich offenbar dazu entschlossen hat, muss er zumindest wohlüberlegt gewesen sein. Expertise im Umgang mit Holz und BSA sind insofern gute Voraussetzungen. Unter diesen Umständen hätte ich erwartet, einen wenn nicht burgundischen Typ, so vielleicht doch einen irgendwie charakteristischeren Chardonnay vorzufinden. Der Blanc de Blancs entzieht sich aber jedem Kategorisierungsversuch. Verwandtschaft mit der Côte des Blancs sehe ich überhaupt keine, mit Burgund wie gesagt auch nicht und mit den wenigen reinen Chardonnays aus der Montagne de Reims gibt es wenn, dann nur eine sehr entfernte Verwandtschaft. Dass er sich nicht schubladisieren lässt, macht ihn wohlgemerkt nicht gut oder schlecht. Womit er aufwarten kann, ist eine reife, milde, nicht sehr säurebetonte, bzw. nur untergründig säurehaltige Komposition, die sich zwischen Frucht und Mineralität noch nicht recht entschieden hat. Wenn diese Entscheidung mit zunehmender Flaschenreife einmal fallen wird – womit ich rechne -, dürfte sich die Nachverkostung lohnen.

VI.2 Diebolt-Vallois, Blanc de Blancs Prestige

Seit Jahren der unangefochtene Meister des Terroirs von Cramant. Weißes und gelbes Fruchtfleisch, Apfel, Honig, Birne, Pfirsich, Blütenduft, stimmige Säure, fließende Übergänge, Beherrschtheit und Entspannung wie beim Tai-Chi.

VII.1 Paul Bara, Special Club Grand Cru Brut 2002

70PN 30CH

Dunkle Früchte prägen das Bild, Haselnüsse und feiner, schmiegsamer Gerbstoff unter dem elegant geschwungenen Jahrgangsdach des 2002ers.

VII.2 Marie-Noelle Ledru, Grand Cru Brut Nature 2002

Im Vergleich zum schwerpunktmäßig feinnoisettigen reinen Bouzy-Champagner von Paul Bara ist Viticultrice Mme. Ledru bei ihrem Grand Cru Brut Nature 2002 mit Trauben aus Ambonnay und Bouzy darüber hinaus im Bereich der erdigen, kräftigen und würzigen Aromen anzutreffen. Der Champagner ist noch immer jugendfrisch, verliert aber langsam seine Ungebärdigkeit, seine manchmal unbeholfenen und eckigen Bewegungen werden geschmeidiger, harmonischer und ansehnlicher, neben der in frühen Stadien ungewöhnlich mächtig wirkenden Säure schälen sich jetzt ebenbürtige Frucht- und Nussaromen heraus.

VIII. André Clouet, Silver Brut Nature

100PN

Auch Clouet besitzt Reben in Ambonnay und Bouzy, dort sogar in Nachbarschaft zu Bollinger. Die Nähe ist nicht allein räumlich, sondern auch aromatisch nachvollziehbar. Der Silver Brut Nature ist wie eine Special Cuvée auf Dope.

Marco Henschel vom gleichnamigen Dorstener Restaurant brachte dann noch auf den Tisch:

IX. Georg Breuer, Brut 2002 (mit Kachel)

Spätburgunder, Weißburgunder, Grauburgunder

Ausbau teilweise im kleinen Fassl, Dosage mit Riesling-Auslese. Starker, eigenständiger Sekt und der einzige nicht von Volker Raumland hergestellte Sekt des Abends. Tatsächlich war es hier noch Georg Breuer selbst, der das Ruder führte. Weißer Pfirsich, ankaramellisierte Apfel, Lindenblüten, ein Hauch Bittermandel, ein touch Anisette, ohne dass ich den Eindruck hatte, dieser Sekt würde in die Niederungen zehrender Lakritznoten abrutschen, die sich nämlich bei Brut oder noch geringer dosierten Sekten so ähnlich ankündigen und für mich zu den unschönen Sektnoten gehören.

X. Dom Pérignon 1995

52CH 48PN.

Einer der stärkeren Doms der letzten Jahre und zur Zeit zusammen mit gesunden Exemplaren vom 1996er wahrscheinlich der beste "normale" Dom Pérignon, den man oft sogar noch zu recht vernünftigen Preisen bekommen kann. Hier gab es noch nicht die überhandnehmende Jodigkeit, Strenge und Mineralität der 1998, 1999, 2000, die für mich bestenfalls Ausdruck einer Japanisierung des Dom-Geschmacks sind – und weniger schmeichelhaft formuliert: eine marketingbedingte Qualitätsinflation. Leichtigkeit und Mühelosigkeit spielen bei diesem klassischen Dom tragende Rollen, unter den Elementen würde man ihn der Luft zuordnen; ein gut gedeckter Frühstückstisch im Garten eines Manoir tief in der sommerlichen France profonde duftet so, Croissant, Kaffee, Sahne, Butter, verschiedene Marmeladen, Blütendüfte vom Gras und vom Laubwerk der Bäume, der Duft von frischem Obst und Honig kommt noch dazu und alles changiert und schwebt munter über der Tafel.

Champagner Boot-Camp

Die vielbelächelte, aber landschaftlich malerische Aube habe ich lange vernachlässigt. Deshalb führte mich meine letzte Sauftour Erkundungsreise in die Gegend zwischen Troyes und Bar-sur-Seine, in eine Region, die schon Voltaire und Charles de Gaulle für bewohnenswert hielten. Wegen der verzweifelten Kürze der mir zur Verfügung stehenden Zeit und weil ich dort meine Winz-Allokation reserviert hatte, sollte es hauptsächlich zu einem Newcomer-Pärchen gehen und einigen Entdeckungen am Rande bin ich sowieso nie abgeneigt. 

0. Opener:

1. Husson-Joliet Rosé

Kleiner Erzeuger aus Boursault, dem Örtchen, das am, hinter und neben dem Château der Veuve Clicquot am Berg klebt. Solo und zur rustikalen Ententerrine war der Champagner ok, kam mir nur etwas einfach und eine Spur zu alkoholisch vor, besonders schlimm war das aber noch nicht, denn immerhin konnte er bei aller Einfachheit mit einer beeindruckenden, wenn schon nicht komplexen Fruchtfülle aufwarten. Das war zur Schweinelende sein entscheidender Trumpf, in Verbindung mit Fleisch und Sauce zogen sich nämlich die etwas unbalancierten Aromenverhältnisse wie unter dem Einfluss eines Katalysators gerade.

2. Michel Marcoult Blanc de Blancs Cuvée Francis

Noch südlich von Sézanne liegt Barbonne-Fayel, wo Michel Marcoult seinen Champagner erzeugt. Der ist mit seinen buttrigen Aromen und seinem zurückhaltend-milden Auftritt weder besonders gut, noch besonders schlecht und war für mich gerade recht, um eine handvoll schwarzer Oliven nebst Käsewürfeln runterzuspülen.

I. Thierry de Marne – Frison

Bei diesem sympathischen Winzerehepaar habe ich vergangenes Wochenende die allerersten Flaschen der allerersten Allokation des Jungfernjahrgangs, dégorgiert im Oktober 2010, abgeholt. Verkauft werden die Cuvées "Lalore" und "Goustan" erst seit dem genau 1. Dezember 2010. Unweit von Bar-sur-Seine an der Aube liegt Ville sur Arce, manchen vielleicht bekannt vom dort alteingesessenen und tatsächlich nicht ganz unbekannten Champagnererzeuger Remy Massin. In Villes sur Arce ist der Erzeuger nicht leicht zu finden, wie so oft in der Champagne sind Straßenschilder nur sehr sparsam und etwas beliebig im Ort aufgestellt, auf das – noch junge – Haus de Marne weist auch am Haus selbst nichts hin. Hergestellt wird der Champagner auch gar nicht dort, sondern einige Meter weiter in einem kleinen Hallenkomplex, wo die Fässer (von der Chablisienne) und Stahltanks stehen, wo abgepresst und konfektioniert wird. Thierry lässt sein Bio-Lesegut nach Parzellen getrennt im Fass vergären und ca. ein Jahr auf der Feinhefe liegen, den BSA vermeidet er, wenn nicht widerspenstige Bakterien selbst bei kühlen 5° C sich weigern, den Betrieb einzustellen – wie es bei meinem Besuch gerade der Fall war. De Marne kann man neben dem ihm befreundeten Bertrand Gauthérot (Vouette et Sorbée) aus Buxières-sur-Arce, Cedric Bouchard und Jacques Lassaigne zur neuen Winzer-Avantgarde der Aube zählen.

1. Les Cotannes 2010 (Lalore)

Mit 11% vol. alc. schon sehr alkoholisch für einen Grundwein, merkte man ihm dieses Gefahrpotential nicht an. Mit einer ähnlichen Problematik hat ja Olivier Collin zu kämpfen, dessen 2006er Blanc de Noirs greift nach den 15% vol. alc, schmeckt aber trotzdem nicht hitzig oder spritig – man kann das also händeln. Ganz so arg ist es ja bei Thierry momentan auch nicht und die Substanz im Glas war mir zwar mit einer etwas verdächtigen Herbe ausgestattet, konnte das aber mit einer prallen Frucht aufwiegen.

2. Clos de la Côte 2009 (Goustan) aus dem Barrique

Der Banana Joe unter den Weinen von Thierry. Über die Primärfrucht hinaus blitzeblank und fein strukturiert, was ich trotz der Kälte (5° C) feststellen konnte.

3. La Chevètrée 2010

Fruchtarm, karg und am ehesten noch mineralisch muss man diesen Wein nennen. Im Mund ungeheuer lang und spritzig, mit tollem, von den drei bis dahin verkosteten Weinen wohl sogar der mit dem meisten Potential.

4. Clos de la Côte 2010 aus dem Stahltank

Anders als der fassausgebaute Genosse viel weniger Frucht, dafür alkoholischer, dennoch ein sehr präziser Wein.

5. Cuvée Lalore 2009 still

Erinnerte mich von der Stilistik an manche von den Rheingauer Großen Gewächsen, etwa Georg Breuers Nonnenberg, hart aber herzlich, erdig, würzig, mit gnadenloser Säure.

II. Bérèche et Fils

Rafael Bérèche aus dem Premier Cru Ludes, genauer Craon de Ludes, habe ich auf dem Rückweg besucht. Auch er war unter denen, die ich 2010 nicht mehr zu besuchen geschafft habe. Er gebietet nicht nur über drei sehr ernstzunehmende Hofhunde, sondern auch über jährlich 90000 Flaschen, also über gar nicht mal wenig. Trotzdem sind seine Champagner immer schnell ausverkauft und sein Chardonnay "Les Beaux Regards" ist ebenso wie der "Reflets d'Antan" ab Hof auf drei Flaschen pro Käufer limitiert. Irgendwas muss er also richtig machen. Dieser Eindruck bestätigt sich sofort, wenn man seine Verkostungsgläser in die Finger bekommt. Nobles Zaltomaterial!

1. Brut Réserve, 08er Basis mit 30% Reservewein, 9 g/l

Rötliches Schimmern, in der Nase aufgeladen, im Mund straff, lang und gut. Für eine Basiscuvée sehr einnehmend.

2. Brut Rosé, 07er Basis, dég. von Hand im Oktober 2010, mit 4 g/l dosiert, 45 mg/l SO2 total

35PN 35PM 18CH, Stillweinzugabe aus PN/PM

Ingwercookies, Blutorange, Pomelo und Mandarine locken die Nase tief in den Champagner hinein, mit jedem Schluck wird das Verlangen rauschhafter, Opiate können nicht sinnesbetäubender wirken.

3. Instant "Le Cran" 2004

50CH 45PN 5PM

Herbe Nase, nasse Kreide, etwas Holz, kaum Frucht. Im Mund legt der Champagner sich mächtig ins Zeug. Der verschlossene Naseneindruck weicht einem strahlenden Aromenaufgang, der sich rasend schnell abspielt und einem kaum Zit lässt, die einezelnen Aromen zu identifizieren. Bei jeden Schluck wandelt sich der Champagner und zeigt neue Facetten seiner kraftvollen Persönlichkeit. Stets merklich ist noch das Holz, aber anders als bei Vilmart spielt das Holz hier offenbar gerade keine tragende Rolle, sondern soll sich gleichberechtigt zu den anderen Aromen fügen, wenn die in einigen Jahren so weit sein werden, dass der Champagner die 90 Punkte deutlich hinter sich lässt.

III. Yves Ruffin

Thierry Ruffin ist leider kürzlich verstorben, seine Frau führt den Ecocert-Betrieb deshalb allein. Hilfe erhält sie dabei von Laurent Chiquet, einem der beiden Chef-Brüder von Jacquesson aus Dizy, ein guter Freund ihres allzu früh verstorbenen Mannes – der Ort hat mit Poul-Justine übrigens noch einen weiteren wichtigen Winzer verloren, dessen Spezialität waren die Solera-Champagner. Derzeit gibt es bei Madame Ruffin holzfassausgebaute Champagner in Brut und Extra Brut, einen Demi-Sec, einen Rosé, einen Jahrgang und eine Cuvée, die Thierry komponiert hat, bevor er verstarb. Über deren Schicksal ist entschieden: es wird eine Hommagecuvée à Thierry. Die beiden fassausgebauten Champagner werden voraussichtlich im Programm bleiben, was mit Rosé und Jahrgang passiert, ist noch unklar. 

1. Brut Premier Cru aus dem Eichenfass

75PN 25CH.

Fruchtig, herb und frisch, mit gut integriertem Holz. Kräftige, etwas wilde Säure. Kunstvolles Früchtepanorama und gekonnter Holzeinsatz.

2. Extra Brut Premier Cru aus dem Akazienholzfass

Behäbiger, weicher, mürber, etwas sandiger auch als der eichenfassausgebaute Ruffin. Nicht so sehr mein Fall.

3. Cuvée Thierry Ruffin

Hochaufgeschossen, schlank, schnittig, mitreißende Säure, noch arg jung und in alle Richtungen auseinanderstrebend, ohne dass man den Eindruck hat, der Champagner würde aromatisch auseinanderfallen. Stattdessen wirkt er, als hätte er einfach nicht genug Platz im Mund. Vielversprechend.

4. Rosé

Fruchtig, nicht zu hoch dosiert, mild, beerig, sahnig, aber nicht übertrieben laktisch.

IV. Danach noch zwei Rosés:

1. Remy Massin, Ville-sur-Arce, Brut Rosé

Weiche Süße, üppige Beernfrucht, dabei nicht kitschig oder eindimensional, etwas breiter dimensioniert als der Rosé von Bérèche.

2. Xavier Leconte, Troissy, Brut Rosé

In der Nase angenehm, zurückhaltend, distinguiert. Im Mund herb, kantig, karg, verschlossen. Deutlich geringer dosiert, als der Aube-Kollege. Erst mit sehr viel Luft geringfügig freundlicher, aber keinesfalls ein Spaßchampagner. Auch als Speisenbegleiter nicht ohne weiteres zu empfehlen. Hat einen eigenwillig intellektuellen Charakter, der zum hageren und mürrischen Winzer passt.