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Monthly Archives: Dezember 2015

Tätigkeitsnachweis und Ausblick

In Zeiten größer werdender Insurgenz, nein, Intransigenz? Quatsch! Inkontinenz? Nein: Intransparenz, ist es mir wichtig und ein Anliegen, die über meinem an sich eher engen Tätigkeitsfeld liegenden Schleier möglichst zu lüften und bis hin zur Belästigungsschwelle zu klarifizieren, was ich eigentlich so treibe, wenn ich mal nicht Anfragen auf allen möglichen Social Media Kanälen beantworte, sei es wegen Transvasage in der Champagne bei bestimmten Flaschenformaten (ab 3 Liter erlaubt und tunlich), den heißesten Tips für importinteressierte Händler (Savart kam bereits in gute Hände, Horiot, Brochet, Valerie Frison sind ebenfalls versorgt, Tristan Hyest ist auf dem besten Wege, Charlot-Tanneux ist eigentlich viel zu klein, könnte aber noch einen Abnehmer in Deutschland vertragen. Und, Händler/Importeure (auch kleiner Mengen), hergehört: wenn Solemme, Thomas Perseval und Guillaume Sergent noch einen Importeur in Deutschland finden, ebenso wie beispielsweise Aurelien Lurquin und Agnes Corbon, dann ist mein Werk zwar längst nicht vollendet, aber ein gutes Stück vorangekommen) oder weil in irgendeinem Weinfreakforum eine bestimmte Détailfrage streitig ist.

 

Am publikumsträchtigsten ist immer die Verkostungstätigkeit in echten Publikationen mit professionellem Layout und Leuten, die sich um Inhalte wirklich kümmern, also nicht unregelmäßig über das Jahr verteilt immer wieder mal ein paar Zeilen abwerfen, die sich aus dem Handy oder einer Kugelschreiberkritzelei noch so eben rekonstruieren lassen. In den letzten Wochen und Monaten waren das bei mir vor allem:

 

Sternefresser Bubble Tank: http://www.sternefresser.de/index.php?id=bottletank-3-champagner

 

Enos Champagner Verkostungsreport: http://www.enoworldwine.de/degustation/verkostungsreport/champagne-superstar

 

Meiningers Weinwirtschaft Große Champagnerverkostung: https://www.meininger.de/de/weinwirtschaft/ausgabe-232015

 

Fernab davon bewegt sich mein Ginengagement: http://www.sternefresser.de/cooktank/bottletank2/

 

Vom Sherryengagement ganz zu schweigen.

 

Bis zum Jahresende werde ich wohl oder übel noch einige Champagner vertilgen müssen, über einige davon wird man an dieser oder an anderer Stelle noch zu lesen bekommen, über einen anderen Teil werde ich den Mantel des Schweigens breiten, was verschiedene Gründe haben kann und nicht fehlgedeutet werden sollte. Meistens berichte ich von einem Champagner nicht, wenn er mir nicht geschmeckt hat (beredtes Schweigen) oder wenn ich mir vorstelle, dass eine Nachverkostung nötig ist, bevor das – sowieso stets nur vorläufige, momentane – Verdikt gesprochen oder vielmehr getippt wird. Oft schreibe ich aber auch nichts, wenn es ganz einfach nichts neues zu sagen gibt, bei Pol-Roger habe ich mir das als erstes angewöhnt, bei Bollinger ist es oft so, aber auch bei Jacquesson, Larmandier-Bernier und den gängigen Gastro- sowie den meisten Großhauschampagnern. Immer, wenn sich ein kleines "s.i." in meinen Notizen findet (für die Kiebitze), hat sich an meinem Eindruck gegenüber dem letzten Mal nichts groß geändert.

 

Was bringt 2016? Schon so einiges. Die Verkostungsreihe "Sekt trifft Champagner" nimmt Fahrt auf. Der erste Termin wird bei Griesel stattfinden, es folgen heiter-ausgelassene Abende ähnlichen Kalibers bei Barth (mit kleinen Kaviarschweinereien) und Graf Schönborn im Rheingau. Mainz wird eine Neuauflage des "Champagner pêle-mêle" erleben, mit Klassikern von der ersten Pommery Louise (1979) bis zum Louis Roederer Cristal Rosé 2000. Natürlich wird das Austernfrühstück wiederholt und ich begleite die Geburt einer Zéro Dosage Cuvée. In Düsseldorf stehen die größten Champagner des Jahrgangs 1996 zur Verkostung an, rares Zeug wird es da geben, von Selosse und Krug, in weiß und rosé, was das Herz begehrt. Reifer Champagner wird 2016 insgesamt nicht zu kurz kommen, ein Florens-Louis Heidsieck 1969 zum Beispiel steht, bzw. liegt bei mir nutzlos im Keller herum und wird bald endlich in die Ewigkeit eingehen, begleitet von angemessenem Gefolge. Und wenn ich schon bei Heidsieck bin, darf ich schon jetzt freundlichst auf einen Artikel im Magazin Schluck! hinweisen, der sich mit dem Namen und seinen Marken beschäftigen wird. Soviel zur ersten Januarwoche. Nein, Joke. Natürlich. Aber das sind die aufziehenden ersten Höhepunkte des Jahres, von denen ich gewiss getreulich berichten werde.

Champagne Henri Giraud

Die in Deutschland anzutreffende Eiche, so habe ich von jemandem vernommen, der es wissen muss, eignet sich zum Möbel- aber nicht zum Weinausbau. Von der Spessarter Eiche abgesehen, seien die deutschen Eichen zu dicht, zu kleinporig und taugten nicht für die Küferei. Was ein Glück für die Champenois, dass sie den Argonnerwald direkt vor der Nase haben. Die dortigen Eichen eignen sich nämlich sehr gut zum Fassbau; Troncais eben. Claude Giraud, der schon immer eine gewisse Sonderstellung unter den Champagnererzeugern einnahm und in den letzten fünf Jahren mit besonderer Agitationskraft hervorgetreten ist, weiß das und er weiß, von diesem Wissen, das er sich höchstens noch mit den Jungs von Château Latour teilt, Gebrauch zu machen. Zwar findet sich bei ihm auch das eine oder andere Betonei, aber vor allem der Wald hat es ihm angetan. Seine Champagner sind merklich davon beeiflusst.

 

Seit ich mal eines seiner Ateliers besucht habe, versuche ich verstärkt darauf zu achten, was nicht immer leicht ist, denn die Giraud-Champagner sind alle von hypnotischer Überzeugungskraft, jedenfalls sofort an allen Schaltstellen des Bewusstseins präsent, was eine ungetrübte Wahrnehmung sehr erschwert. Bemerkenswert außerdem: sie entziehen sich der derzeitigen Dosagediskussion ebenso wie sonst nur noch die Weine von Laurent Champas aus dem Hause Vilmart, der, wenig verwunderlich, ebenfalls ein großer Holzspezialist ist.

 

Die Annäherung an Ay-Pinot ist ja schon schwer genug. Dieser Ort ist einer der prominentesten in der Champagne und automatisch einer, dessen guter Name zum önologischen Schindludertreiben verführt. Dass es in Ay wenig bis keine ausgesprochen schwachen Erzeuger mit eigener Marktpräsenz gibt, erfreut dafür umso mehr und spricht für die Selbstreinigungskraft der Region, wobei nicht ausgemacht ist, dass nicht vielleicht doch sehr viel schwaches Grundmaterial in größere Kellereien abfließt. Wobei ich auch da skeptisch bin, denn auf Käuferseite wird in der Champagne nicht minder scharf hingesehen, als im Kreise der Selbstvermarkter. 

 

Was macht den Ay-Pinot aus? Er ist eher kleinbeerig und bringt gern Veilchennoten mit, würde ich sagen, ohne damit ganz allein zu stehen. Und was macht das Argonner Eichenholz aus? Nun, das hängt von den verschiedenen Holzterroirs ab. Claude Giraud führte das ganz eindrucksvoll anhand desselben Weins vor, den er in zwei unterschiedliche Holzarten steckte. Im Gaize-Wald mit Chatrices, Haut Bati und Controlerie bilden sich sehr typisch holzfassige Noten aus, Vanille vor allem. Salz und Säure haben hier gute Chancen für ausgiebige Selbstdarstellung. Im Beaulieu-Wald kommt die Säure nicht so sehr durch, der Wein oxidiert stärker und wird etwas bulliger, dafür kürzer angebunden im Mund.

 

Chardonnay verhält sich bei unterschiedlicher Holzherkunft wieder ganz anders. Chatrice fördert Orangenblüte, lackierten Knusper-Schweinebauch, Haut Bati macht den Chardonnay, waldiger, dunkler, mehr wie kalte Butter mit weicher Säure und sanfter Oxidation, während Controlerie den Wein zwischen Pflanzennoten, Röstigkeit und Feuerstein pendeln lässt.

 

Das alles dient als Vorspiel für die Zubereitung der Cuvée Argonne, Basis 2012, die mit 75PN 25CH einmal in einem Fassmix aus Controlerie und Chatrice, einmal aus Controlerie und Haut Bati jeweils völlig anders schmeckt. Die erste Version ist elegant, rassig, mit vor allem viel Veilchen und Salz, also genau den Kernelementen, die für Pinot und Chardonnay eine tragende Rolle beim Giraud-Champagner spielen. Die zweite Version ist süßer, süffiger, leichter zugänglich und schneller wieder vergessen. Nach zehn bis zwölf Jahren auf der Hefe dürfte der erste Mix also den Vorzug verdienen und mir war das Ganze mal wieder ein weiteres wichtiges Verstehenserlebnis, eine ganz wichtige Hilfe auch beim Verständnis von Champagnern wie sie Benoit Dehu mit der Rue des Noyers oder Pythie macht und dank der großzügigen Gastfreundschaft Claude Girauds ein Besuch, der in Erinnerung bleibt und von dem ich bis heute zehre.