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Tag Archives: ambonnay grand cru

Die Blanc de Noirs Nacht

 

1. Wilhelmshof, Blanc de Noirs Brut 2007

20 Monate Hefelager.

Der erste Wein in einer Verkostung sein zu müssen, ist immer mit Schwierigkeiten behaftet. Der Gaumen mancher Verkoster ist vielleicht noch nicht recht kalibriert, die Begeisterungsschwelle noch nicht alkoholbedingt gesunken. Der Wilhelmshof musste als leicht zu enttarnender Pirat diese undankbare Einsteigerrolle übernehmen. Für den bekanntermaßen exzellenten und vielfach dekorierten deutschen Sekterzeuger mit der hohen Champagneraffinität war die Pole-Position leider besonders ungünstig, denn Sekt und Champagner lassen sich nur ganz schwer in einer Probe, bzw. in einem flight unterbringen. Hinzu kommt noch, dass der konkret verkostete BdN mit einem unangenehmen Sauerkrautstinker nicht auf Anhieb begeistern konnte; besser wurde er dann zu allem Unglück auch nicht mehr. Keine Spur von der sonst vom Wilhelmshof bekannten Sekt-Noblesse, keine betörende Frucht, zwar ein angenehmes Mundgefühl, aber letztlich zu wenig von allem.

2. Marie-Noelle Ledru, Ambonnay Grand Cru Brut

80PN 20CH, mit ca. 8g/l dosiert.

Von Viticultrice Marie-Noelle Ledru ist mir die Spitzencuvée de Goulté sehr ans Herz gewachsen. Ihre anderen Champagner kenne ich nicht so gut und so war es für mich schwer, mich dem Champagner blind zu nähern. Hochwertiges Lesematerial konnte man vermuten, dafür gaben Struktur und Gewicht des holzlos ausgebauten Weins genügend Anhaltspunkte. Die deutlich schmeckbare Wildkirsche kam mir allerdings allein etwas zu simpel vor, Nebenaromen konnte ich kaum ausmachen.

3. Roger Brun, Cuvée des Sires, Grand Cru "La Pelle" Extra Brut 2002

100PN aus südlich exponierter Einzellage; in kleinen Holzfässern vinifiziert. Unfiltriert, mit 3 g/l dosiert.

Kräftig, reif, vollmundig, dabei etwas pektinig und ganz leicht trocknend, daher an der Gaumenmitte vielleicht nicht gerade ein Loch, aber eine dünnere Stelle. Ich dachte wegen seiner verschwenderischen Fruchtnase (Kirsche, Banane, Bratapfel) zuerst an eine noch ganz junge Cuvée des Signataires von Régis Fliniaux, den ich erst kurz zuvor noch besucht hatte. Zumindest was den Ort betrifft, lag ich also richtig. Ein schöner Champagner, der wegen seiner durchdringenden Aromatik nicht an einen 2002er denken lässt und gut zum Essen passt.

4. André Clouet, Un Jour de 1911 Multi Vintage (2002, 2001, 2000 (?))

100PN aus Bouzy Grand Cru.

Ein langgehegter Wunsch ging in Erfüllung: mal eine etwas reifere Flasche vom 1911er trinken. Bisher habe ich diesen Champagner immer viel zu jung getrunken. Mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Denn schon in seiner Jugend schmeckt er famos, bei mir ist er als Burlesque-Champagner abgespeichert. Doch ist mir bei früheren Flaschen stets sehr schmerzlich bewusst gewesen, wie viel Potential er hat. Köstlich war der Mix aus weichen, sämig-fruchtigen Aromen vollreifen Beeren, die behutsam daruntergewobene Vanilligkeit, die unverpampte Textur. Die sehr scharf umrissenen Konturen von Goji-Beere, Cranberry und Zitrusfrüchten jüngerer Flaschen sind jetzt nicht verschwommener, aber gaumenfreundlicher, nicht mehr so dichtgedrängt und quirlig. Dieser Reifezustand entspricht seinem wärmenden Naturell – vielleicht schaffe ich es jetzt, dies Flaschen länger unangetastet zu lassen.

5. Jérôme Prévost, La Closerie, Rosé Brut Nature "fac-simile" (2007er), #58/2800, dég. Dezember 2009

100PM davon 11% Meunier Stillweinzugabe. Ausbau in jungen und alten Barriques.

Ich meine ja, dass längst nicht jeder der mal bei Anselme Selosse ein Praktikum gemacht hat, gleich ein Selosse-Schüler ist. Jérôme Prévost ist aber doch einer. Zu Hause ist er in Gueux. Das ist ein beschauliches Nest westlich von Reims, an der A4 Richtung Paris, IKEA-Freunde wissen, wo. Das Aufsehenerregendste in Gueux ist die freundlich-geschwätzige Verkäuferin im Tante-Emma-Eckladen, aber rein äußerlich gewiss nicht das Prévostische Anwesen. Daran fährt man schnell mal vorbei, denn Monsieur Prévost bewirtschaftet nicht zig Hektar und residiert nicht wie die großen Herrschaften. Über eine unscheinbare Bimmel kündigt sich der Besucher an, wenn er Einlass begehrt und wird freundlich aber bestimmt abgewiesen, wenn es nichts zu verkaufen gibt, was der Regelfall ist. Sein Champagner mit dem außergewöhnlich schlichten Etikett kam hell-zwiebelschalenfarben ins Glas. Kaum zu greifen war die Aromatik dieses noch ganz blutjungen Champagners, von dem man sich nur wünschen kann, dass er in Zukunft mehr Zeit auf der Hefe verbringen darf. Mineralisch, dicht, wandlungsfreudig. Beerig, vegetabil, mineralisch. Wispernd und leise, aber nicht vernuschelt. Kompromisslos und bestimmt, mit hoher Kraftreserve und viel Potential, allerdings von völlig anderer Machart als der 1911er in seiner Jugend. Sehr schön dürfte dieser ultrarare Champagner derzeit zu sparsam gewürztem Fisch mit hoher Eigenaromatik schmecken, noch viel schöner in fünf Jahren solo.

6. Jacquesson, Rosé, Dizy Premier Cru Extra Brut "Terres Rouges" 2003, mise en bouteille 14. Mai 2004, dég. 1er Trim. 2008

83PM, gepflanzt 1971 und 17PN, gepflanzt 1993; Mazerationsrosé mit 12 Stunden Schalenkontakt. Vinifikation im Fuder, dosiert mit 3,5 g/l.

Mit diesem Champagner kam das genaue Gegenteil des Prévost ins Glas. War der eine schon fast zu hell für einen Rosé, so war dieser hier meiner Meinung nach zu schon wieder sehr sehr dunkel und hätte ebensogut als – unzulässiger – Rotchampagner eingeordnet werden können. Dem 1959er Bourgogne Mousseux Méthode Champenoise vom Wochenende zumindest in der Farbe sehr ähnlich. In der Nase konzentriert, schwere, aber nicht bordellige Duftschwaden. Intensiv erdbeerig, mehr noch kirschig und mit viel Bodenhaftung – kein bloßer Früchtchenchampagner, sondern merklich enge Verwandtschaft zu Burgund. Sehr reif, säurearm. Überaus stark in Kombination mit Schinken, Salami, Pfeffer, Edelschimmelkäse. Faszinierend.

7. Xavier Leconte, "Les Vents d'Anges" 2005

100PM.

Nach dem Roséflight und ganz besonders nach dem mächtigen Jacquesson hatte es dieser weiße Meunierflight nicht leicht. Die Champagner von Xavier Leconte aus Troissy gehören zu den eleganteren Vertretern aus dem Marnetal. Von bäuerlicher Unbeholfenheit und trampelnder, etwas unsauberer Fruchtigkeit bei ihm keine Spur. Die Rebsortenchampagner aus seiner Serie "Les Vents d'Anges" gefallen mir alle gut, am besten gefallen mir Chardonnay und Pinot Noir. Den Pinot Meunier habe ich bei dieser Gelegenheit zum ersten Mal geöffnet. Grapefruit und Birne, reif, aber nicht überreif. Schlanker Wein ohne störende Holzeinflüsse.

8. Leclerc-Briant, Cumières Premier Cru Les Authentiques "La Ravinne"

2006er und 2005er, Blanc de Noirs von Pinot Meunier aus Verneuil. Mit 5 g/l dosiert.

Von der Frucht her dem Leconte sehr ähnlich, lediglich mit einer Spur mehr frischer Säure und einer etwas breiteren Bauart.

9. Egly-Ouriet, Blanc de Noirs Grand Cru Pinot-Noir Vieilles Vignes "Les Crayères", dég. nach 54 Monaten im Januar 2008

Erste Gärung im Holzfass (kennt man sonst noch von Krug oder Alfred Gratien). Ungeklärt, ungeschönt, ungefiltert. Kein BSA. Mit 2 bis 4 g/l dosiert.

Ein klarer Schritt nach oben und gelungener Abschluss eines schönen Blanc de Noirs Abends war der Crayères von Egly-Ouriet. Sattes Gold kündigt reife Aromen an, aber auf das dann kommende Erlebnis sollte man vorbereitet sein. Der erste Schluck ist, als würde man in eine bereits fahrende Achterbahn einsteigen. Temporeiche Entwicklung, mit Beerenfrüchte, Zwetschgenkuchen, pikant holziger Minzigkeit, die entfernt an amerikanische Eiche erinnert und ganz dezenter Hefe. Anders als in der Achterbahn rutscht man hier nicht auf einer glatten Sitzbank hin und her, sondern hat in phantastischen Sportsitzen jederzeit perfekten Halt. Völlig zu recht ein weithin begehrter Champagner.

10. Zoémie de Sousa, Blanc de Blancs, Cuvée Precieuse

Chardonnay aus Chouilly, Cramant, Avize, Oger und Le-Mesnil.

Der große Erfolg der Winzerchampagner von Erick de Sousa führte dazu, dass er den Status des négociant erwarb und begann, unter dem Namen Zoémie eine Champagnerlinie zu kreieren, bei der er Trauben zukauft. Das gelingt ihm ganz gut, denn an den Prinzipien der Weinbereitung wird dabei nicht gerüttelt. Die Vinifikation findet in 400-Liter Eichenfässern statt, es folgt ein dreißigmonatiges Hefelager. Autolytische Aromen, rote und grüne Äpfel prägen das Geschmacksbild.

Grillen und Roséchampagner

1) Legras & Haas Rosé de Riceys
Reichlich dunkel, zum Rand hin aufhellend, ziegelrot, erinnert ein wenig an Sherry, dieoxidative Nase bestätigt das anfangs, wird mit viel Luft aber leichtfruchtig, etwas holzig, behält eine schwach gemüsige Note bei, entpuppt, sich, wenn man keinen Korkschleicher unterstellt, als ziemlich leichter, mittellanger Wein mit lustiger, anregender Frische und interessantem Eukalyptuston; kein Schwergewicht, insgesamt kaum mehr als eine interessante Erfahrung, vor allem, da die Still- und Roséweine der Champagne zwar schon seit hunderten von Jahren keine überragenden Ruf mehr genießen, aber immerhin eine vom aussterben bedrohte Spezies sind.

2) Eric Rodez Grand Cru Rosé, Ambonnay
Einer der beiden stärksten Weine des Abends. Sehr hell, reichperlend mit üppigem Cordon und Kirschbananennase. Sehr verführerisch die fruchtige, reife rote Beerenfrucht, verspielte, lebhafte Säure mit genügend Körper drumherum, bestens balanciert, mittellang mit sauberem Abgang, paßt zu (Nudel-)Salaten besser als zum Grillgut

3) Yves Delozanne, BdN Rosé (sic!), Serzy et Prin
Der Spezialist für's Bäuerliche mit einem überraschend guten Champagner. Helles Kupferrot, lebhafte Perlage, sehr schöner Cordon, ausgesprochen weiniger und runder Charakter bereits in der Nase, außerdem Mandelaromen und Rosenwasser, Marzipan, Pistazieneis. Im Mund dann druckvoll, unaufdringliche, sehr präsente Säure, die sich zum Schluß noch einmal mit einem kecken Hüpfer blitzsauber verabschiedet. Außergewöhnlich hoher PM-Anteil, Jahrgangscharakter. Eigentlich auch eher ein Solist, paßt aber auch zu Geflügelwürstchen, wenn man nicht gerade dazu neigt, sich sehr viel Sauce auf den Teller zu kleckern.

4) Charles Lafitte Rosé
Helles Rosé mit langsam aufsteigenden Perlen, wenig Cordon. Wilder, animalischer anmutende Nase, die mit etwas Luft abflacht und sich in ein fleischiges, mit röstigen Noten durchsetztes Bouquet verwandelt. Insgesamt sehr runder, ausgewogener, unaggressiver Wein von mittlerer, aber eher kurzer Standzeit und milder Säure. Weniger Malo wäre hier vielleicht mehr gewesen. Für einen Vrankenchampagner aus dem Massenprogramm immerhin sehr gut. Aufgrund seiner bäuerlich zupackenden Art ein guter Grillbegleiter.

5) Tsarine Rosé 1999
Zarthell, fröhliche, mittelgroße Perlage, souveräne Cordonbildung. Volle, sehr elegante Nase, weinig, hefig, rund. Darunter eine feinverwobene Schicht bananiger, exotischer und leicht amylischer Noten, Cantuccinicharakter; mittellang, als Solist vielleicht sogar etwas länger nachzuverfolgen, beim Grillen zu kurz. Wegen seiner zarten, beinahe femininen Art insegsamt leider kein besonders guter Grillchampagner.

6) Charles Heidsieck Rosé 1996
Helles, ins rötliche gleitendes, sattes Kupfer, mittelgroße Perlage – wirkt fast etwas zu früh von der Hefe genommen, kann aber auch glasbedingt gewesen sein. Schöner Cordon, fleischige, röstbrotige Nase, volle, hefige Jungweinnase, Jahrgangscharakter. Auch im Mund stramme Säure und hefig abgepolsterte Fruchtnoten, beginnt jetzt, Spaß zu machen, kann aber bequem noch länger. Mit Luft zusehends feiner, mit würziger Cassisnote und warmen, holzigen Anklängen. Ein sehr schöner Grillchampagner.

7) Bollinger Grande Année Rosé 1996
Schönes sattes Kupferrot, mittelschnell aufsteigende, feine Perlage, üppiger Cordon. Fette, animalische, würzige-weinige Nase, dicht, erdig, ein wenig fruchtarm. Auch im Mund kommt erst nach dem Steinebeißen die Frucht ins Spiel, vermischt mit reichlich heißer Butter. Harte, rasante Säure, im Abgang dampft noch etwas Schokolade aus. Eigentlich viel zu jung getrunken, zum Grillen aber gerade recht. In drei Jahren sicher kein Grillchampagner mehr, sondern ein distinguierter, sehr vorbildlicher Vertreter der 1996er Prestigerosés.

8) Gosset Celebris Rosé 1998
Leider war es schon etwas dunkel, die Farbe war aber eher zartaltrosa als schreiend pink. Reicher, weiniger, schon sehr harmonischer Champagner mit dickstoffiger, samtiger, blumigfrischer Nase und hauchfeinen Toffeenoten, die mich immer ein wenig an Haferflocken mit braunem Zucker erinnern. Honig, Säure, Holz und Frucht in schönster Eintracht. Geschmeidiger Wein, der zu den gereichten Erdbeeren besser als zum Grillgut paßte.

9) Laurent Perrier NV Rosé
Buttrig, fett, sauber, stoffig. Rosenwasser und Mandeln, dazu ein angenehm mürbes haut goût, das aber flott wieder von Fruchtnoten eingefangen wird, bevor es aufdringlich wird. Gelungener Schlußwein mit reichlich Druck, um auch den strapazierten Gaumen noch anzusprechen, ohne ihn zu überfordern.

Fazit: Die Champagner für sich genommen waren alle sehr gut, das Grillgut auch. Die Kombination war nicht immer optimal, was aber auch daran gelegen haben mag, daß die einzelnen 2er Flights nach dem Rosé de Riceys sehr viel Aufmerksamkeit beansprucht haben und die Kombination mit dem Grillgut – zumindest bei mir – darüber ins Hintertreffen geriet. Die etwas grob gewirkten, derberen Champagner oder auch die ungestümeren mit reichlich Druck paßten gut, während elegantere Weine oft untergingen. Ob sich nicht vielleicht auch manche BdBs geeignet hätten ist schwer zu sagen, ich denke mit Geflügelwürstchen und Salat sicher, bei den dunkleren Fleischsorten ist dann doch Roséchampagner zu bevorzugen. Der Rosé de Riceys war wenn überhaupt, dann nur mit viel Luft und zum Gegrillten trinkbar, allein machte er eine etwas schwache Figur, was mich nicht besonders erstaunt.

Black & White Probe: Blanc de Blancs und Blanc de Noirs

I.1 Victor Clicquot 1959 Extra Brut
Altersangemessene dunkle Goldfärbung, lamgsam aufsteigende, vereinzelte Perlage, kein Cordon; intensive, grobkörnige Honignase, oxidative Töne. Im Mund wieder grobkörniger alter Honig, milde, etwas flache Säure, die immerhin mitellang ausklingt und die spärliche, aber für einen doch schon beachtlich alten Champagner aus exzellentem Jahr und kleinem Haus beachtliche Aromatik gut trägt. Eine kleine Überraschung, die Flasche hätte auch mit 55 ./. 45 umgekippt sein können. Schöner Start in die Probe.

I.2 Raumland, I. Triumvirat 2001, mittleres hellgelbgold, langsame, ordentliche Perlage, sehr feine Nase mit Aromen von Zitrusbonbons, Stachelbeeren und Apfelkompott, im Mund derselbe Eindruck, zusammen mit einer zugunsten deutlicher Mineralik etwas schmal geratenen Säure, mittellang, aber durchweg homogen und feinziseliert; erkennbar kein Champagner. Nach dem überraschend schweren und guterhaltenen Victor Clicquot sicher nicht ganz einfach, zu bestehen, aber immerhin auch ein guter Auftakt.

I.3 Schramsberg BdB 1998, ziemlich helles Äußeres, hübsche Perlage im ganzen Glas, sehr sauberer Cordon, erkennbar kein Champagner; rotbeerige Nase, buttrig abgefedert. Trinkt sich sehr bequem, fast einfach, insgesamt eher säurearm, "europäische" Stilistik (mein unbelegter Eindruck), ich hatte in meiner Not auf Chenin Blanc getippt. Mittellang, milde, sollte man mal getrunken haben. Ebenfalls ein sehr schöner Starter und der erste BdB, somit ein optimaler Übergang.

II.1 Philippe Gonet (Le-Mesnil) BdB GC NV, festes Gold, saubere Perlage, ordentlicher Cordon, dynamisches Auftreten, appetitanregende apfelige Nase, die zwischendurch etwas ins staubige, vielleicht salzig-jodige neigt. Im Mund wieder Apfeltarte, vanillig begleitet, für Le-Mesnil ungewohnt milde Säure, wieder etwas salzig/jodig, letztlich ein bequem trinkbarer BdB.

II..2 Soutiran (Ambonnay) BdN GC NV, unauffällige Farbe, äußerlich kaum Unterschied zum BdB. Die Nase eher zurückhaltend, dabei ziemlich geschmeidig, entwickelt mit der Zeit herb-nussige Töne, dasselbe im Mund, hier etwas voller als der BdB von Gonet. Gleichfalls wenig Säure, mittellang, mit Zuckerschwänzchen, das aber ziemlich allein übrigbleibt und deshalb eigentlich nicht nötig gewesen wäre.

III.1 A.R. Lenoble BdN 1998, reichlich Perlage und schöner Cordon, sattes Gold, brotige, röstige Nase mit eine Hauch geschmolzener Butter und ganz wenig Honig. Erdige Töne kommen mit der Zeit dazu, im Mund dann ansprechende, noch nicht wachrüttelnde, aber ziemlich deutlich spürbare Säure mit leicht gerbender Wirkung. Trocken-erdiger Abgang mit etwas wenig Frucht. Wurde ziemlich schnell als Jahrgangschampagner erkannt.

III.2 Paul Michel BdB GC 1999, helleres Gelbgold, typische Perlage und Cordon. Unter einer etwas dumpf-sauerkrautigen Nase kommt der gewohnte frische Apfel mit Limette zum Vorschein, von den Caipirinhanoten der ersten Zeit ist jetzt -nach ca. 2 Jahren- nicht mehr so viel spürbar. Auch hier wurde der Champagner schnell als Jahrgangschampagner erkannt. Beibehalten hat dieser Champagner seine Luftnot, d.h. seine Eigenschaft, erst mit reichlich Luft zu sich zu kommen. In Mund und Nase zeigen sich erst relativ spät Limette und Grapefruit, Mandarine und Orange in einer würzig-pikanten Kombination, von Sauerkraut keine Spur mehr. Sollte man im Auge behalten.

IV.1 De Venoge (Epernay) BdN, ordentliches Äußeres, sanftes, etwas fahles Gold, weinige, pinottypische satte, saftige Nase, etwas fleischig. Im Mund rund, angenehme Säure, mittellang, wieder deutlich weiniger, beeriger Charakter, kann sich noch zum besseren entwickeln. Insgesamt eine brauchbare Leistung von einem Haus, das nun hoffentlich in ruhigere Fahrwasser (BCC) gekommen ist.

IV.2 Robert Charlemagne (Le-Mesnil) BdB GC 1998, unauffälliges, typisches Äußeres, helles Chardonnaygelbgold mit grünlich glänzenden Reflexen. Spritziger, frischer Eindruck mit Gummibärchennase, Birne, später eher reifer Apfel. Im Mund erneut spritzig, stramme Säure, dafür etwas zu einfache Fruchtnote, vielleicht noch zu früh getrunken. Insgesamt etwas zu zurückhaltend.

V.1 Diebolt-Vallois, Fleur de Passion 2000, typisches Champagneräußeres, deutlich erkennbares Chardonnaygelbgold mit auffällig prägnanter, blitzeblanker und tiptopsauberer Nase, urtümliche Apfelsorte von der Streuobstwiese mit prickelnder, aufmunternder, mitreißender Säure und saftiger Bissigkeit. Noch zu jung, Anfänge sich bildender Geschmackskomplexität und des typischen Passionsfruchtdufts sind überall spürbar, aber eben noch nicht ausgebildet. Leider habe ich keine 99er mehr, die wäre sicher noch etwas interessanter gewesen.

VI.1 Soutiran (Ambonnay) Rosé 100% Pinot Noir, saftiges blutorangenrot, ansprechend fruchtige Nase mit Schokolade und reifen Erdbeeren, erinnert an deutsche Spätburgunder. Im Mund neben den schokoladigen Aromen ein dauernder Wandel von Erdbeere über gequetschte, vollreife Himbeeren zu Kirsche und zurück, saftig, lecker, gut. Für kleines Geld ein angenehmer, wenn auch nicht zu allem passender Rosé älterer Machart.

VI.2 Taittinger Comtes de Champagne Rosé 1997, 100% Pinot Noir, helles kupferrot, zurückhaltend, etwas stinkig, darunter liegen aber sehr verführerische rote Beerenfrüchte, geröstete Brotrinde und ein Hauch von Zitrus umweht das Ganze. Es erscheint mühsam, auf diese Aromen zu achten, wünschenwert wäre eine deutlichere Ausprägung gewesen. Buttrige Noten erschwerten übrigens eine bessere Zuordnung der Aromen. Dennoch sehr gut zu trinken, wenn man sich etwas Zeit und Aufmerksamkeit nimmt, den Primäraromen nachzuspüren; für Freunde gereiften Champagners erst in ein bis zwei Jahren zu empfehlen.

Unabhängige Winzer unter der Lupe – Montagne de Reims: Eric Rodez, Ambonnay

Eric Rodez, Ambonnay

Alle Champagner von Eric Rodez stammen von etwas mehr als 6 ha aus Ambonnay Grand Cru. Ecocert. Im September 2010 wird es erstmals einen Dosage Zéro auf Basis des 2004er Jahrgangs von Eric Rodez geben, auf den man sehr gespannt sein darf.

1. Cuvée des Crayères

45CH 55PN, Basisweine stammem mit 51% aus 2006, 29% sind 2005er, 8% 2004er, 9% 2002er und 3% 2001er. Tirage 2007, dégorgiert April 2010. Das Durchschnittsalter der Reben liegt bei 29 Jahren. Ausbau zu 80% im Stahltank und zu 20% im Holzfass, 80% ohne BSA, mit 6 g/l dosiert.

Von Hunden und ihren Haltern sagt man oft, dass beide sich mit der Zeit immer stärker zu ähneln beginnen. Bei manchen Champagnern ist es ähnlich. Die Cuvée des Crayères von Eric Rodez und einige seiner anderen Champagner transportieren einen Hausstil, der viel von der Person des Winzers selbst trägt. Hinter der Halbrahmenhornbrille von Kenzo steckt ein nicht besonders groß gewachsener Typ mit kurzem Haar, eher kompakt als hager, rundlich statt eckig, intelligent, scharfsinnig, hellwach, aber nicht quirlig oder nervig sondern konzentriert und jemand, der in langen Zeiträumen zu denken gewöhnt ist, ohne darüber träge zu werden. Einer, der ohne viel Aufhebens drum zu machen anpackt, was er unter anderem bei Champagne Krug und als Bürgermeister des Örtchens Ambonnay getan hat. Eine angenehme, ruhige, weiche Stimmlage und ein für französische Winzer schon schwindelerregendes Sprachtalent runden den positiven Eindruck, den der sympathische Winzer vom ersten Moment an macht, stimmig ab. Die Cuvée des Crayères zeichnet das gut nach. Empfehlenswert!

2. Blanc de Blancs

Basisweine stammem mit 55% aus 2005, 15% sind 2004er, 15% 2003er, 6% 2002er, 7% 2001er, 6% 2000er und 2% 1999er. Tirage 2006, dégorgiert April 2010. Das Durchschnittsalter der Reben liegt bei 30 Jahren. Ausbau zu 35% im Stahlstank und zu 65% im Holzfass, 25% ohne BSA, mit 5 g/l dosiert.

Reinsortiger Chardonnay aus diesem ausgemachten Pinotflecken in der Champagne ist selten. Klar, Gaston Chiquet und Regis Fliniaux machen auch einen Blanc de Blancs d'Ay, Billecart und Philipponnat wagen sich damit gleichfalls auf den Markt, doch selbstverständlich ist das nicht. Chardonnay, so weiß doch jeder, wächst am besten nur in der Côte des Blancs mit ihrer knalligen Morgensonne und der mächtigen Kreide, die schon nach wenigen Zentimetern suchende Wurzelspitzen bewillkommnet – selbst die Crus in der Montagne de Reims werden ja gemeinhin nicht mehr für voll genommen. Umso gewagter also, einen reinen Chardonnay ausgerechnet aus Ay, Bouzy oder eben Ambonnay zu vinifizieren. Umso schöner jedes Mal, wenn das Wagnis gelingt und der Champagner abseits des oft geradezu eintönigen Chardonnayeinerleis von der Côte des Blancs brillieren kann. Ich frage mich dann immer: ist das reiner ennui? Bin ich nur zu faul, an der Côte des Blancs die richtigen Perlen zu suchen? Sind die Exotenchardonnays wirklich mehr als nur buntgefleckte Wundertiere? Meist wische ich diese und ähnliche Fragen sorglos weg und spüle sie mit einem weiteren Schluck reinsortigen Chardonnays runter, wenn er denn gut ist. So wie dieser hier. Aprikose, Pfirsisch, Marillenkernöl künden von hochreifer Frucht und lassen fast kalifornische Verhältnisse vermuten. Mandeln, Blütenaromen, mit Luft eine Andeutung von frischen Champignons und Kräuterkruste bieten so viel Gesprächsstoff, dass bange Fragerei nach dem pro und contra dieser Weine gänzlich in den Hintergrund tritt und bedeutungslos erscheinen muss.

3. Blanc de Noirs

100PN, Basisweine stammem mit 49% aus 2005, 22% sind 2004er, 18% 2002er, 9% 2000er und 2% 1999er. Tirage 2006, dégorgiert Februar 2010. Das Durchschnittsalter der Reben liegt bei 31 Jahren. Ausbau zu 25% im Stahltank und zu 75% im Holzfass, 35% ohne BSA, mit 5 g/l dosiert.

Kraftvoll und im vollen Bewusstsein seiner Typizität tritt der Blanc de Noirs auf. Eine mächtige, ich will nicht sagen apotheotische, aber jedenfalls überlebensgroße Herausarbeitung der Pinotanteile, die sich schon in der Cuvée des Crayères so bemerkenswert rund, fein und geschliffen präsentierten. Nach meinem Eindruck war der Chamapgner dafür jedoch etwas kurz geraten, ein Säureschwänzchen hätte ihm etwas mehr Balance verleihen können.

4. Millésime 2002

50CH 50PN, Tirage 2003, dégorgiert März 2010. Das Durchschnittsalter der Reben liegt bei 31 Jahren. Ausbau zu 10% im Stahltank und zu 90% im Holzfass, 25% ohne BSA, mit 5 g/l dosiert.

Weich, elegant, sehr würdevoll, stellenweise leicht mürbe und ganz der Bürgermeister in seiner nur auf den ersten Blick altertümelnden Amtstracht. Punktuelle Säurespitzen zeigen, dass das Lesegut reif, aber nicht überreif war, feine Kräuternoten, Zitronenmelisse, Verbene und ein gönnerhaft im Hintergrund bleibender Holzton veredeln diesen an sich schlanken, langsam sich entwickelnden Jahrgang.

5. Cuvée des Grands Vintages

38CH 62PN, Basisweine stammem mit 35% aus 2002, 14% sind 2001er, 14% 2000er, 18% 1998er, 5% 1996er, 7% 1995er, 5% 1993er und 2% 1992er. Tirage 2003, dégorgiert Juni 2009. Das Durchschnittsalter der Reben liegt bei 31 Jahren. Ausbau zu 100% im Holzfass, kein BSA, mit 5 g/l dosiert.

Frisch und jugendlich betritt dieser Held die Bühne. Die guten Anlagen mehrerer Jahrgänge, darunter einige, die allein zu vinifizieren sicher schwierig gewesen wäre, hat er im Gepäck. Den kräftigen Rücken für die Last des Alters stützt eine gesunde Säure, die sich wie ein dünner, hochliquider Film über die Zunge legt, ja mehr schlängelt als legt. Bei diesem Champagner macht sich das entgegengesetzte Konzept zum 2002er bemerkbar, eine auf den Stärken verschiedener Jahrgänge beruhende Struktur, Dichte, Gefügtheit und Komplexität, die sehr kunstvoll geschmiedet wurde und dem monolithischeren, organischeren reinen Jahrgangschampagner nicht nachsteht.

6. Rosé

30CH 30PN und 40PN mazeriert, Basisweine stammem mit 51% aus 2005, 28% sind 2004er, 5% 2003er, 9% 2002er, 5% 2001er und 2% 2000er. Tirage 2006, dégorgiert Dezember 2009. Das Durchschnittsalter der Reben liegt bei 29 Jahren. Ausbau zu 25% im Stahltank und zu 75% im Holzfass, 30% ohne BSA, mit 5 g/l dosiert.

Drei Säulen tragen diesen Champagner. Eine fundamentbildende, sehr feine Säure, ein Gebälk aus gut abgelagertem Holz und ein Wechselspiel aus herber, druckvoller Mineralität und rotfruchtigem Früchteallerlei. Auch hier tritt der Hausstil, das abgerundete, weiche, aber nicht konturlose des Chamapgners hervor.

7. Empreinte de Terroir, Chardonnay 1999

Erste Gärung ohne künstliche Temperaturführung, Ausbau zu 100% in dreifach belegten kleinen Eichenfässern, kein BSA, ohne Klärung, Schönung, Filtration. Dég. im Sommer 2009.

Markant und rasant, als würde einem der Boden selbst einen Tritt verpassen. Kalkige, mineralische, entfernt an Traubenzuckerbonbons erinnernde Nase, gefolgt von zungenmassierender Säure und einer betäubenden Verweildauer am Gaumen. Völlig anders, als der "normale" Blanc de Blancs und ein gefürchteter Pirat in Côte des Blancs Gewässern.

8. Empreinte de Terroir, Pinot-Noir 1999

Erste Gärung ohne künstliche Temperaturführung, Ausbau zu 100% in dreifach belegten kleinen Eichenfässern, kein BSA, ohne Klärung, Schönung, Filtration. Dég. im Sommer 2009.

Waldboden und Waldbeeren, rassige Säure, Weichselkirsche, Zwetschgen, mit einem kühlenden, minzigen, an Kombucha erinnernden Nebenthema, nahtlos und seidig, dazu eine an Cola angelehnte Zuckercouleuraromatik wie man sie bei langsam und auf den Punkt gereiften Rotweinen finden kann. Blind würden die meisten auf Burgunderstillwein tippen und damit kommt man der Wahrheit letztlich sogar erstaunlich nahe, denn Eric hat seine Wanderjahre unter anderem in Burgund verbracht, wo er die Kunst des Fassausbaus erlernte, bevor er die Domaine 1982 übernahm und in ungekannte Höhen führte. Für mich eine nahezu perfekte Transponierung des Burgunderthemas in die Champagnertonart.

Notizen von der Champagerprobe: rund um die drei Jahreszeiten

Opener: Charles Heidsieck Mis en Cave 2000 en Magnum

Reims. Drittelmix. 1999er Basis mit 40% Reservewein, Dégorgement 2005.

Eines der letzten Werke von Daniel Thibault, der 2002 viel zu früh verstarb. Dégorgement demnach unter der Leitung seines Nachfolgers Regis Camus. Honig, Kaffee, Kakao, empyreumatische Noten. Fast schon zu seriös für das zwanglose warming up auf der sonnenbeschienenen Terasse mit Blick auf die Marksburg.

Kleine Vorspeisenauswahl, darunter Krabben-Espresso, geschmorte Champignons mit Salat von getrockneten Tomaten, Gurken-Kräutercrème mit Scampi. Vom seriösen, sehr gediegenen Charles Heidsieck konnte man zu der leichten Sommerkost nicht so viel erwarten, die beiden herbfrischen Champagner aus dem Starterflight passten da deutlich besser.

I.1 Tarlant, Brut Zéro

Oeuilly. Drittelmix. 2004er Basis mit fassgereiften Reserveweinen. Tirage im Mai 2005, Dégorgement im Juni 2007.

Erst eine Woche vorher hatte ich diesen jetzt wunderbar gereiften und langsam seinen Trinkhöhepunkt erreichenden Champagner im Glas und freute mich, ihn jetzt, bei knallender Sonne und unverbautem Blick auf Marksburg und Rhein erneut im Glas zu haben. Pure, griffige, unausgezehrte, natürlich-herbschöne Nacktheit.

I.2 Lamiable Extra Brut

Tours-sur-Marne Grand Cru. 60PN, 40CH. 5 g/l Dosagezucker.

Nicht ganz so nackt, sondern noch mit Strapsgürtel und Schleier angetan, zeigte sich Lamiable als Flightpartner wie eine etwas versautere Schwester des Zéro Brut. Das lag vor allem an der ausgeprägteren Saftigkeit, gross kaschiert war da nichts.

II.1 Robert Moncuit Blanc de Blancs Grand Cru Extra Brut

Le Mesnil. Dieser Champagner stammt aus den Grand Crus Oger und Le-Mesnil-sur-Oger, mit 4 g/l dosiert, 42 Monate Hefelager.

Sicher hätte ich auch Lamiable gegen Moncuit antreten lassen können, aber darauf kam es mir bei der Probenzusammenstellung nicht an. Moncuit war stattdessen der Auftakt für den Blanc-de-Blancs flight dieser Probe, die ich im wesentlichen um die Jahreszeitenchampagner von Pommery herum aufgebaut hatte, was immer wieder überraschende und lehrreiche Probenresultate liefert. Natürlich konnte der erste Champagner des flights nur ein karg dosierter Champagner sein, um nicht etwa nach dem Pommery, dessen Stilistik nunmal die eines großen Hauses ist, sauer zu wirken und einen gleitenden Übergang zu schaffen. Das gelang sehr gut. Noch mit Lamiables sündiger Aromenlast am Gaumen kam Moncuits reinigender Apfelspass, der alles verruchte von der Zunge spülte.

 

II.2 Pommery Summertime Blanc de Blancs

10 Crus, drei Jahre Hefelager.

Wie auf einer Süße-Leiter konnte deshalb der Pommery in der Probe aufsteigen und sich als Schlussstein eines Mikrovergleichs über zwei flights hinweg platzieren. Nach den extra brut dosierten Champagnern kam er mir etwas glitschig vor, präzise herausgearbeitete Aromen oder eine fokussierte Säure musste man vergeblich suchen. Wobei das ohnehin nicht die Stärken der Grande Marque Champagner sind, die Pommery ja repräsentieren und um die es hier verstärkt gehen sollte. So sah es denn auch die eine Hälfte der Runde und favorisierte den Pommery, während sich die andere Hälfte, mehrheitlich die Damen, über den Moncuit entzückte.

Lauwarmer Spargelsalat mit weißem und grünem Spargel vom Niederwerth war ein guter Einschub, denn es sollte mit einem Champagnertyp weitergehen, den man nicht einfach ansatzlos folgen lassen konnte. Zum Spargelsalat war klarer Favorit der Pommery, weil bei ihm keine Mésalliance zwischen Säure und Asparagin zu befürchten war, sondern eitel Sonnenschein.

III.1 Francoise Bedel, Dis, Vin Secret

Crouttes-sur-Marne. Biodynamisch. 2003er Basis, 86 PM 8 PN 6CH. 96% Stahltank, 4% Holzfassausbau.

Den 2003er Jahrgang konnte man ziemlich deutlich merken und am Tisch wurde die überreife, rosinige, mit Apfelchips, Bratapfel und Calvados angereicherte Aromatik teils sehr begrüßt, teils als viel zu alt und mürbe abgelehnt.

III.2 Pommery Wintertime Blanc de Noirs

75PN, 25PM u.a. aus den Grand Crus Aÿ, Bouzy, Mailly und Sillery. (90/100 Juhlin)

Anders als beim letzten Mal hatte der Wintertime nun gar keine Startschwierigkeiten, Madame Bedels weichhäutiger, etwas eunuchiger Champagner traf auf einen gut vorbereiteten, agilen Wintertime, der Röstnoten, roten Apfel, einige wenige Säurespritzer und allenfalls ganz leicht morbiden Charme eines reifen Playboys ausspielen konnte. Beide Champagner kamen mir wegen ihrer Konzentration und Süße wie gute, wenngleich sehr verschiedene Flightpartner vor.

Penne mit Kalbfleisch-Salbei-Röllchen in Cointreau waren als Zäsur beim Übergang von weiss auf rosé zur Stelle, obwohl für mich nicht zwingend erforderlich

IV.1 Pommery Springtime Rosé

Reims. 25CH, 60PN, 15PM, 30 Monate Hefelager.

Auffällig war bei diesem Rosé die sehr helle, zwiebelschalenfarbene Roséfärbung, die ihn neben dem Winzerrosé fast etwas alt aussehen ließ. Geschmacklich war er mit Rosinen, Feigen und Trockenfrüchten noch ganz in der Sphäre des Wintertime, konnte aber mit seiner demgegenüber leichteren Bauweise punkten.

IV.2 Maxime Blin Rosé

Winziges Weingut in Trigny, Massif St. Thierry. 100PN und Coteaux Champenois.

Kräftiges, rötliches Rosé, viel Kirschfrucht, Goji-Beere und eine leicht gerbstoffige Griffigkeit, die den kleinen Betrieb kennzeichnet. Geringfügig medizinal, was in diesem Zusammenhang – zum Salbei – sogar ganz gut passte.

V.1 Carré Guebels Premier Cru Vieilles Vignes avec ficelage traditionnelle

70CH, 30PN, 2003er Basis mit Reserve aus 2002. (** GH)

In Deutschland praktisch unbekannter Erzeuger, der sich in Frankreichs Fachpresse schon einige gute Bewertungen gesichert hat und dessen andere Champagner mir gut gefallen. Werde ich weiterhin im Auge behalten. Diese Cuvée von alten Reben ist sehr mineralisch, hat eine kühle Ausstrahlung und wirkt zunächst geschlossen und dicht wie ein Grantiblock. Mit Luft kommen Mandarinen, Nektarinen, Reineclauden und gelbe Johannisbeeren zum Vorschein, alles läuft bei diesem Champagner sehr geordnet und zeremonienartig streng ab. Champagner für Traditionalisten.

V.2 Leclerc-Briant Premier Cru Chèvres Pierreuses

Cumières Premier Cru. Einzellagenchampagner. 40PN, 40CH, 20PM. Biodynamisch.

Knallerwein. Auch hier kalter, nasser Stein als Grundton, dahinter ist auf Anhieb richtig viel Druck abrufbar. Im Gegensatz zum Carré-Guebels herrscht hier ein – positives – Geschmackschaos, alles schwirrt und fliegt durcheinander, flavour action painting am Gaumen.

Frische Erdbeeren mit Champagnerschaum, Minze und Amarettini, verbunden mit einer kleinen Pause, lenkten den Gaumen etwas ab

VI.1 Bernard Tornay Palais des Dames

Bouzy Grand Cru. 50PN, 50CH, 2004er Basisweine aus den Grand Crus Bouzy und Ambonnay. 10 g/l Dosagezucker.

Was mir bei Tornay immer gut gefällt, ist dieser stetige Haselnussgrundton, den man in seinen Champagnern immer wiederfindet. Das verleiht dem Stil einen leicht melancholischen touch, bei der Spitzenvuvée des Hauses auf eine sehr ansprechende Art verfeinert. Also nicht: depressive Stimmung einer alternden Diva, sondern bezaubernde Nachdenklichkeit einer Salonschönen.

VI.2 Pommery Millésime Grand Cru 2000

Trauben aus sieben Grand Crus. (86/100 Juhlin, 96/100 Wine Spectator)

Der passende Gigolo für unsere Salonschönheit wollte oder konnte sich nicht finden lassen, also musste adäquater Ersatz her. Pommerys 2000er Grand Cru, den ich frühzeitig belüftet hatte, übernahm den Job mit Bravour. Jede damenhafte Feinheit von Tornay konnte dieser Champagner mit einer geeigneten Geste erwidern, ohne dabei gestelzt zu wirken. Der feine Haselnussgrundton von Tornay wurde mit minimal stärkerer Röstung beantwortet, die am Gaumen langanhaltend schwebende, zart vibrierende Früchte-Blüten-Komposition von Tornay wurde von den festen Schritten des Pommery nie allein gelassen. Wiederum eine schöne Komposition und ein famoses Pärchen, die beiden.