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Tag Archives: champagne horiot

Terres et Vins de Champagne: Bérèche, Horiot, Laherte

Bérèche 

Beaux Regards Chardonnay auf 2009er Basis, Butter, Gras und heu, im Mund kakteeig, stechend, sehr fordernd.

Le Cran 2006 war dick, reif und schön, erstmals, seit ich diese Cuvée kenne, übrigens. Und im Gegenzug fehlte mir direkt nach dem beaux Regards ein wenig die Säure.

Campania Remensis Rosé, mittelgewichtig, nicht besonders fruchtgewaltig, mit mäßiger Säure. Der etwas wässrige Charakter verschwand mit Luft und Zeit.

 

Horiot

Métisse 2009er Basis aus 50PN und 50PB, mit Minisolera bis 2006, 2 g/l gewohnt gefällig, spassig, aber etwas kurz geratener Trinkspass.

Sève en Barmont Rosé de Saignée, 2007er Basis, mit 2 g/l dosiert, Rosenblüte, Weingeist und Mahagoni, wirkte dadurch etwas seltsam.

 

Laherte

Blanc de Blancs Brut Nature, sehr viel Vitamin C und eine enge Bauweise

Empreinte, sehr frisch, sehr schlank, ohne den Eindruck von Enge, den der Blanc de Blancs hinterließ, dafür mit leichtem Bitterl

Ultradition, mit 7 g/l dosiert, was höher klingt als es dann schließlich schmeckt.

 

Terres et Vins de Champagne 2014

Die Mutter aller Treffen, das Woodstock des Champagners, der jährliche Kulminationspunkt regionalen Könnens, das alles ist die Schau der Champagnerwinzer von Terres et Vins de Champagne nicht. Ein Fest der convivialité, ein unkompetitives Familientreffen oder ein Fenster in die Ideenwerkstatt einiger führender Winzer schon eher. 

Ein liebevoll gestaltetes Rahmenprogramm ermöglicht es einer kleinen Gruppe von Freunden dieser Veranstaltung, noch tieferen Einblick zu erhalten, als das ohnehin schon möglich ist. Dieses Jahr gab es am Vorabend alte Jahrgänge der Winzer zu probieren, bis zurück in die Sechziger (der älteste war von Gastgeber Goutorbe und schmeckte nach der bis heute vorhandenen hohen Dosage, aber gleichzeitig so sanft, karamellig, reif und gut, dass ich das gern verzeihe und die gerade wegen ihrer im Umfeld der Terres et Vins für mich immer viel zu hoch erscheinende Dosage jetzt mit anderen Augen zu sehen geneigt bin), und da war manches gut erhaltene Schatzekind dabei. Für mich war das mehr als lehrreich, wobei ich gleich relativieren will: das sind überwiegend Champagner gewesen, die man nicht kaufen kann und die für die meisten Konsumenten keine große Rolle spielen werden. Der Lehr- und Mehrwert dieser Veranstaltung, abgesehen davon, dass man sich als Teilnehmer bestens unterhalten und charmant gebauchpinselt fühlen kann, liegt darin, dass Entwicklungslinien der Erzeuger deutlich werden, die sonst vielleicht verborgen geblieben wären. Austern und Salat vom Kaisergranat sorgten für die alkoholfreie Flüssigkeits- und Proteinzufuhr, zuständig dafür war das Reimser Lokal Le Bocal, einem der besten Fischläden der Stadt und den meisten regelmäßigen Reims-Besuchern sicher ein Begriff.   

Am nächsten Tag fand die eigentliche Terres et Vins de Champagne statt und ermöglichte den Blick in die Zukunft des Champagners.

Bérèche 

legte mit dem Beaux Regards Chardonnay auf 2010er Basis mit 2 g/l Dosage ein lächerlich hohes tempo vor. Dieser Gewaltchampagner ist ein Pflichtkauf, mir ist kein Champagner geläufig, den Bauteilen Apfel, Nuss, Druck und Burgund eine ähnlich brisante, explosive, gelungene Mischung am Gaumen abliefert. Der Rive Gauche Pinot Meunier auf 10er Basis mit 3 g/l ist anders gebaut. Knackige Säure, Reife, ein Champagner, der mitten in der Entwicklung steckt und zum Ende hin selbstbewusste, sehr feine Süße zeigt. Mit dem ormes Coteaux Rouge aus PM/PN endete das Programm von Rafael beinahe symptomatisch: immer mehr Spitzenwinzer befassen sich nämlich mit der Stillweinvinifikation. Vielleicht, weil man dabei sehr viel über seinen eigenen Champagner lernen kann, nicht immer mit dem gewünschten geschmacklichen Erfolg, aber mit einer rasend schnell zunehmenden Präzision und einem laufend fortschreitenden Verständnis für Champagner, durch das Spiel über Bande. Elegant, schlank und schmalfüssig war der Rotwein, aber für mich durch nichts merklich mit dem Champagner verbunden, anders noch als bei Dehu zwei Tage zuvor, wo es sich allerdings auch um die  Interpretation einer Einzellage in rot/still, weiß/still und als Champagne handelte.

Horiot 

öffnete mit dem Les Escharere einen Mergelpinot (100PN), dessen salziger Charakter von einer sämigen Textur begleitet wurde, die wegen ihres Wiedererkennungswerts irgendeine Art von Terroir-Epitheton verdient hat, ohne dass ich gleich die Terroirdiskussion hier wieder entfachen will. Klar ist nur: der Champagner hat geschmackliche Eigenarten, die ihn von Pinots selbst aus der unmittelbaren Nachbarschaft (der hausintern als Grand Cru angesehene En Valingrain beispielsweise) unterscheiden und die nicht auf offenkundige Kellermethoden zurückzuführen sind; doch wie auch immer, der Escharere gehört zu den Spitzen des Gebiets und fügt der Bandbreite des Pinot wertvolles hinzu. Weniger offen schienen mir die beiden En Barmonts zu sein, die sich gegenüber dem Valingrain eine Komplexitätsstufe weiter unten angesiedelt haben. Der Pinot Blanc aus dieser Lage wäre sicher mal ein interessantes Muster im Vergleich mit zB den Weinen von Dr. Heger. Der Métisse erwies sich einmal mehr als optimaler Freizeitchampagner und auf Flaschen gefüllter Wuzzlerspass. Der Sève en Barmont in weiß bildete mit seiner Gewichtigkeit, dem rauheren und aromatisch dunkleren Charakter einen Übergang zwischen Métisse und Sève Rosé, der wiederum als veritabler Wein auftrat und mich von der Nase her dringend an die schönen Pinots aus dem Tonnerrois erinnerte. Ein zum Schluss probierter Rosé de Riceys aus 2009 schien mir noch längst nicht trinkbereit, zu warm und rosinig einerseits, zu ungesetzt, zergliedert und stellenweise wässrig auf der anderen Seite. wenn sich das mal ineinanderfindet, wird der Wein Spaß machen, es kann aber gut sein, dass die beiden Entwicklungslinien aneinander vorbeilaufen oder sich verpassen und dann war's das natürlich.

Brochet

ist noch nicht so lange im Club und gehört dort aber schon länger hin, wie man weiß. Gekonnte Fassvinifikation ist nämlich ein geeignetes Aufnahmekriterium, neben anderen. Gut, also richtig gut, mit Pinot Meunier umgehen zu können, ist, je nach Herkunft, vielleicht ein weiteres Kriterium. Bei Brochet gab es Pinot Meunier und Chardonnay nebeneinander, was die programmatische Ausrichtung andeutet. Der Meunier war dann dementsprechend nicht nur gerade mal so trinkbar oder so etwas ähnliches wie ein seltsam fruchtig geratener kleiner Chardonnay oder ein wunderliches Zeug mit erstaunlicher Säure, das man aber nicht recht trinken mag, erst recht kein Brottrunk oder eindimensionale Hefesuppe, sondern ein Wein, an dem die Holzverwendung mit Bedacht zur Veredelung geführt hat und der auf den Punkt trocken war, ganz ohne jedes unnötige Zuckerschwänzchen. Wie ein großer Cousion erschien daneben und danach der Chardonnay, der den Meunier wie eine sehr gute Illusion wirken ließ, weil nun einfach von allem mehr kam, fordernder war und die Aufmerksamkeit stärker fesselte. Das war so notwendig wie gut, denn nun sollte es mit dem für einen Extra Brut erstaunlich süß wirkenden Mont Benoit einen der Champagner geben, von denen man noch viel hören wird, gerade in Kreisen, die sich mit fermentierten Speisen und puristischer Kochkunst befassen. Der Haut Chardonnay 2006 war dann eine Art Reverenz an den Stil, den schon Rafael Bérèche vorgezeigt hatte und der sich seit den Tagen, in denen Anselme Selosse den Winzerchampagner umgekrempelt hat, eine eigene Daseinsberechtigung geschaffen hat. Bei Brochet mit fein geschliffenem Holz, vielversprechender, reifer Süße und Eleganzvorräten für die nächsten Jahre.      

Laherte

Der junge Aurelien ist gar nicht mehr so jung, wie es sich anhört, wenn ich immer wieder von ihm rede. Fünf Jahre ist es her, dass ich ihn in Chavot besucht und mit Genuss in die Fässlein gelugt habe. Seither hat sich viel getan und Aurelien hat sich als der erwiesen, für den ich ihn damals schon berechtigterweise halten durfte. Ein Winzer mit langfristiger Perspektive und nicht ein Experimentierer ohne Substanz. Sehr schön hat sich nämlich sein Programm bisher entwickelt und die Früchte der Arbeit, die ich 2009 bestaunt habe, werden jetzt langsam reif. Der Empreinte aus 50PN 50CH ist als vin clair weich und gediegen, mit hintergründiger Säure, eng verwandt mit dem Pinot Meunier Vignes d'Autrefois, also ziemlich alten Pflanzen; der Meunier ist weich und rund, dabei im vin clair Stadium noch sehr konzentriert auf die Bändigung allzu fetter Aromen, die sich gern bei solchen Champagnern in den Vordergrund drängen und wie eine Schmalzschicht auf dem frisch geöffneten Dosenfleisch liegen. Vollmundig, aber noch nicht stopfend ist der Blanc de Blancs Brut Nature aus den Jahren 2011 und 2010. Bei den Champagnern zeigte der Empreinte 2009 eine entfernte, ganz entfernte Verwandtschaft zu Janisson-Baradons Toulette und begeistert mich daher schwer. Der Vigne d'Autrefois 2010 ist Testat für den Erfolg, den der vin clair noch erringen muss. Süße, Konzentration und Reife stehen im Einklang, der Champagner ist ein gelungener Ausdruck für alten Pinot Meunier Bestand.

Jeaunaux

ist eine Jahr für Jahr sichere Bank, wenn es um die Spitzencuvée Les Grand Noeuds geht, der Bereich darunter schien mir immer etwas unspektakulär, bestenfalls konservativ, solide, mit geringer Renditeerwartung und dementsprechend geringem Verlustrisiko. Will man sowas beim Champagner? Eigentlich doch nicht, könnte man meinen. Aber weil man andererseits natürlich nicht unentwegt die großen Partysprudler aufzureißen geneigt ist, gibt es einen sogar ganz beachtlichen Absatzmarkt für diese Art von Champagner. Schauen wir uns die genauer an, sehen wir, dass es riesige Unterschiede gibt, zwischen einfachem, auf Nummer sicher produziertem Sprudel und passgenau produzierter Winzerware. Dort hat sich Cyril Jeaunaux positioniert und mit Wonne breitgemacht. Sein Prestige Zéro aus 70% 2009er und 30% 2008er besteht aus 80CH und 20PN. Dafür entwickelt sich dort erstaunlich viel Schokolade und der Nusscharakter, der hinterdrein kommt, fördert diesen Eindruck noch erheblich. Das macht den Champagner angenehm mollig und war, ein Winterchampagner geradezu. Der im Fass vinifizierte Grand Noeuds 2005 ist ein undosiert gebliebener Drittelmix, der kein bisschen Zucker nötig hat, um jedes eingeschlafene Mienenspiel freudig zu beleben. Die Krönung in Sachen Fröhlichkeit ist der Rosé Saignée aus 2011er Pinot Meunier, mit satten 7 g/l publikumsfreundlich dosiert, im Mund aber gar nicht pappig, süß, aufgesetzt oder doof grinsend, sondern stimmig, unübertrieben fruchtig und ein sehr charmanter Stimmungsaufheller für den gehobenen individuellen Geschmack.

Marie-Noelle Ledru

ist eine der Pionierinnen des Biochampagnermachens und als ich vor Jahren mal bei ihr war, stand sie, die mir von Francis Boulard empfohlen worden war, noch ziemlich alleine mit ihren Ideen da. Da wundert es mich, dass sie erst so spät zu den Terres et Vins Erzeugern dazugestossen ist, denn eigentlich hätte sie dort von der ersten Stunde an mitmischen müssen. Egal, lieber spät als nie. Ihre vins clairs überzeugten mich jedenfalls sofort und riefen Erinnerungen wach, denn Ledru habe ich ehrlich gesagt selbst schon seit längerer Zeit nicht mehr getrunken, an eine etwas schwächere Flasche kann ich mich noch erinnern und daran, dass die Stilistik im Übrigen aber sehr einheitlich war. Das bestätigte sich, wobei ich sehr darüber gestaunt habe, auf welchen Unterschiedlichen Wegen Mme. Ledru zu dieser einheitlichen Stilistik kommt. Der Grand Cru Brut aus 50% 2009er und 50% reserve perpetuelle zum Beispiel, der schon so vollmundig, überlaufend saftig und leicht nussig schmeckt, findet so schon im Grand Cru Brut Nature 2006 angelegt, der aus 85PN 15CH gemacht ist und sich wie ein mit getrockneten Apfleringen aufgelockerter Pinot Noir trinkt, mit dem man kleingemahlene Nussreste aus den Backen und Zahnzwischenräumen spült. Die Blanc de Noirs Cuvée de Goulté 2009 ist mit 5 g/l dosiert und hat das sportlich-kompakte Auftreten, das mir auch bei meiner ersten Begegnung mit Mme. Ledru an ihr selbst aufgefallen war. In ihrem derzeitigen, jungen Entwicklungszustand wirkt sie noch sicherheitshalber leicht abgepolstert und wird sich, wenn der Speck weg ist, sicher in die längere Reihe feiner Goultés einreihen, die ich für unbesehen kaufwürdig halte, wenn man die typische Stilistik von Mme. Ledru mag und ganz nebenher noch etwas über Ambonnay lernen will.

Marie-Courtin

hatte ich im Frühjahr heimgesucht und ich will nicht sagen, dass ich schwere Verwüstungen im dortigen Bestand hinterlassen habe, aber es ist einfach so, dass ich mich da sehr gerne durchprobiert habe, weil mir die Arbeit von Dominique Moreau seit dem ersten Kennenlernen bestens gefällt und immer stärker zusagt. Die vins clairs waren ausnehmend süß, sehr weich, sehr vollmundig und doch voller Spannung, was für die daraus zu fertigenden Cuvées das beste hoffen lässt. Glockenhell war wie immer die Résonance (2009), ultrasauber und reinigend am Gaumen. Die Concordance (2010) hatte mehr Schmutz, mehr Leder, mehr Nuss und Phenol in der Nase, war im Mund aber entspannt, rund, weniger hart als zuletzt vor Ort probiert, trotz fehlenden Schwefels. Die Efflorescence  (2009) sodann war, wie sich das schon seit 2013 ankündigt, mein geheimer und nun immer offener zutage tretender Favorit, ungeachtet aller meiner Bewunderung für die fabelhafte Eloquence. Aber die Efflorescence ist zurückhaltender, haut nicht ganz so ungebremst zu, sondern fordert den Gaumen reizend auf, ihr hinterherzuspüren wie der Rüde einer heißen Hündin hinterhechelt. Hier sind die meisten und schönsten Früchtchen drin versteckt, was die genussbelohnung so frugal ausfallen lässt, wie man es den anderen Cuvées nichtmal ansatzweise entnehmen kann, von der Ausnahmecuvée Eloquence wieder abgesehen.      

Leclapart

der am Vorabend mit einer Showeinlage für beste Unterhaltung gesorgt hat, war am Einsatztag ein ebenso guter Unterhalter in Form der von ihm mitgebrachten Champagner und vins clairs. Sein Amateur en vin clair 2013 überraschte mit Salz, Zucker und sauren Lakritzheringen, was zu den mehligen, bananigen Aromen zunächst reichlich seltsam war, in der Gesamtschau aber ein Bild gab, das so abwegig gar nicht mehr erschien. Der Astre 2013 war bananiger, weniger mehlig, wirkte weicher und süßer, insgesamt fruchtiger und nicht so durchgedreht wie der Amataur, auf den ich aber neugieriger bin, wenn er denn ins Champagnerlager übergetreten ist. Der Alchimiste 2009 war schon fertiger Champagner und man muss sich diesen Champagner als einen mächtigen Rosé vorstellen, der glatt einen Anteil Cabernet-Franc enthalten könnte, wenn man es nicht besser wüsste. Der Rosé Elion von de Marne Frison und der Terres Rouges 2003 von Jacquesson schlagen in dieselbe Richtung und machen wohl vor allem Wuchttrinker so richtig an. Brachiales Zeug und eine echte Belastungsprobe für feine Zungen. Der L'Astre 2010 Blanc de Noirs non dosé schien sich optisch an die orange wine Bewegung anhängen zu wollen. Nussigkeit und Salz erinnerten hauptsächlich an die sehr leckeren Rauchmandeln in der kleinen Blechdose von Kern-Energie, die ich gelegentlich verzehre, die mir aber in größerer Dosis auf den Wecker gehen. In den drei Jahren die seit dem 2010er Astre vergangen sind, hat David sich offenbar Gedanken darüber gemacht, wie sich die Pinotidee noch besser in die Tat umsetzen lässt. Gegenüber dem 2010er, der sehr ungezogen wirkt, ist der 2013er braver, geschniegelter und detailverliebter. Jetzt könnte man sagen, dann muss er auch langweiliger sein als der wilde 2010er; aber genau das will wiederum ich nicht glauben. Ein Winzer wie David Leclapart nimmt keine Modifikationen vor, die seine Weine langweilig werden lassen. Die weitere Bewertung bleibt deshalb der Zukunft überlassen, wie so oft bei Leclapart.

Laval

konnte mit zwei überragenden Weinen glänzen. Sein Chêne Chardonnay 2013 (vin clair) war purer Sex, wie Norman Mailer gesagt haben würde. Lemon curd, Quitte, Apfelmus, Verbene, Minze, Menthol, verruchte Süße, beinahe stechende Konzentration. In puncto Säure übertrieb mir der Hauts Chèvres PM dann ein wenig, obwohl er am unteren Ende der Aromenskala im Orangenmarmeladenbereich fest verankert war und mir im Ergebnis sehr gut gefiel. Unter den Champagnern stach weit heraus  Les Chênes 2009, eine Woche vorher erst degorgiert, sehr unruhig, zappelig wie die Leute die in Science-Fiction Filmen an irgendwelche Matrix- oder sonstigen virtuellen realitäten angeschlossen sind und dort übermenschliche Kampfanstrengungen ableisten müssen, die ihren physikalischen Körper an die Grenzen seiner Kapazität führen. So wirkt auch der aktuelle Chênes wie ein Chardonnay, der kurz vor dem bersten steht. Das gibt ihm eine gefährliche Sexyness, zumal man ja weiss, dass nichts schlimmes passieren kann, außer, dass die Flasche zu schnell leer ist. Brut Nature Premier Cru aus 20011 und 2010 (10%) mit 40CH 30PN 30PM und Hauts Chèvres 2009 waren von üblicher Art und Güte, d.h. immer noch herausragend, aber nicht auf dem Niveau des Eichenchardonnays.  

Tarlant

Es gibt nicht viele Adressen, bei denen schon die Grundweinprobiererei so ertragreich und erbaulich ist, wie bei Tarlant. Der ungepfropfte Chardonnay aus der Lage Ilot de Sable (nomen atque omen, durch den Sand kommt die Reblaus nunmal nicht), ist salzig-süß, konzentriert und vielversprechend gut. Die Cuvée für den BAM! überzeugt mit Frische, die mich immer wieder erstaunt, weil ich meine Vorbehalte gegenüber Pinot Blanc einfach nicht abbauen kann und auch hier alles gute den beiden Rebsorten Arbane und mehr noch der Petit Meslier zuschreibe. Der Pinot Noir aus der Lage Crayons hatte wieder so eine vorbildliche Fülle, Wucht, Noblesse und dabei diese schmutzige, verluderte Salzkruste, die alles Unschludige an diesem Wein in sein verruchtes gegenteil verkehrt. Bei den Champagnern gab es für mich keine Neuerungen. Das ist gar nicht schlimm, denn mir ist es lieber, ein Erzeuger zeigt bei drei Verkostungen in loser Folge eine stabile Qualität, als wenn ich alle naselang eine neue Cuvée probieren soll, ihr aber nielänger nachspüren kann. So kann man sich der Bewährung am Markt nämlich auch ganz geschickt entziehen. Haben Benoit und Melanie aber nicht nötig. Der BAM ist derselbe aufregende Champagner, als den ich ihn schon im Fass kennengelernt habe, die Vignes d'Antan sind noch immer so begehrenswert, wie am ersten Tag und ich freue mich wie ein kleines Kind auf die ersten Flaschen vom 2002er die meinen kleinen Handvorrat vorübergehend bereichern und viel zu schnell verlassen werden. Die 99er Fassung der Cuvée Louis zeigte sich ebenfalls wieder schön stabil, da gab es in der Vergangenheit durchaus schonmal Schwankungen und es wurden Klagen an mich herangetragen, die aber wahrscheinlich eher damit zusammenhängen, dass es sich um eine andere Jahrgangszusammensetzung gehandelt hat als jetzt mit 1998, 97 und 96. Alles im Lot, also, bei Tarlant.

Bedel

Am Vorabend zur Terres et Vins gab es zur Begrüßung den himmlischen Champagner Robert Winer 1996 von Bedel, ein ganz famoses Zeug, das jetzt längst nicht mehr so mächtig und elektrisch aufgeladen scheint, wie noch bei meiner ersten Begegnung, aber das immer noch geeignet ist, mich für Minuten in rauschhaften Wahn zu versetzen, wie man ihn auch bei Katzen beobachten kann, die eine Vorliebe für Katzenminze haben.  Am Showtag gab es Entre Ciel et Terre (2005er) Brut aus 65PM 25PN 10CH, der sich rundlich, scotchig und mit leichtem Rumtopf aufgeprotzt präsentierte. Das dürfte auf den englischen Gaumen zielen, dachte ich mir, den allgemeinen Champagnerregeln, die sich mehr mit Eleganz, Raffinesse und französischen Tugenden befassen, entspricht dieser Champagner nicht so sehr. Dis, Vin Secret (2005) Extra Brut aus 80PM 15CH 5PM erinnerte mich mit seinen etwas unreifen Nüssen an einen Sherry en Rama von den Bodegas Urium, den mir Sherrybotschafterkollege Jan Buhrmann mal (ehrlich gesagt, mehrmals, auf mein beharrliches Verlangen hin) kredenzt hat. Ein abschließender Vergleich zwischen L'Âme de la Terre 2003 und 2004 ergab Vorhersehbares. 2003 wirkte reif, kakaoig, schon fahrig und auch etwas ermattet, der 2004er war stoffiger, hatte schön schmaltzige Schokolade und war viel konzentrierter, fokussierter bei der Sache.

Chartogne-Taillet

Man kriegt sie ja praktisch nicht zu kaufen, diese verfluchten Einzellagen von Alexandre Chartogne. Aber wenn man weiss, dass Alexandre die immer auf Verkostungen wie den Terres et Vins ausschenkt, dann ist das zu verschmerzen und jeder Weg lohnt sich, auch zur entferntesten Verkostung. Der Chardonnay Heurtebise hatte mal was ganz Neues, Löwenzahn, Liebstöckel und Beifuss in ganz jung, unanimos und sehr gefügig im Chardonnayaromenkartell. Als 2010er Champagner war er schon recht reif, wie mir schien, aber sowas von stark, dass er vielleicht in sieben oder zehn Jahren mal darüber zu Fall kommen könnte, wie Siegfried durch seine kleine drachenblutunbenetzte Schwachstelle. Les Barres ist die Pinot Meunier Lage mit den franc de pieds, aus der Alexandre einen 2009er Champagner gemacht hat, der ohne BSA auskommt. Geschmacklich hat er sich irgendwo zwischen Bordiers Yuzu Butter, Eiskraut und Orangenschale heimisch gemacht, was mir immer wieder sehr gut schmeckt, aber noch nicht rankommt an den Orizeaux (2009), dessen Nasenstüber unverschämt ist, der aber mit seiner an Marihuana erinnernden Note, pikanter Nussmischung und grünem Rhabarber so faszinierend ist, dass man immer wieder reinschnuppern muss und wenn man diese Duftwand durchdrungen hat, so geht es mir jedenfalls, ist man wirklich schon leicht betäubt, bevor dann der sehr fordernde und kräftige Saft, dessen Süße man nicht unterschätzen sollte, auf der Zunge wirkt und die Euphorisierung abschließt.

Agrapart

Agrapart ist einer der seit Jahren immer beliebter werdenden Winzer, deshalb sind seine Champagner schnell ausgetrunken. Ich habe mich sputen müssen, um von Minéral, Avizoise und Venus noch etwas zu bekommen. Normalerweise schätze ich das nicht und meide Veranstaltungen, auf denen um einzelne Tropfen ringen muss. Aber es gibt Veranstaltungen, bei denen ich das hinzunehmen in Teilen wenigstens bereit bin. Eben wenn zB Agrapart da ist und ausschenkt. Der Mineralmix war optimal, Wiesenkräuter und Obst standen in bestem Verhältnis zueinander und wirkten ausgesprochen fröhlich dabei. Ernster ist der Avizoise, der trägt immerhin einen Ortsnamen mit Grand Cru Status und diese Würde ist vielleicht auch eine Bürde, wer weiss. Jedenfalls scheint der Druck zu wirken, der Champagner ist massiger, dichter, fester, zusätzlich zum Wisen/Obst-Mix kommen einige ausgewählte Nüsse, die Mehrdimensionalität für längere Zeit sichern dürften. Im Aufzug nach ganz oben steht die Venus, aktuell ist die 2008er Version. Kartoffelschale von dicken, heißen, innen goldenen Kartoffeln, Curry, Safran, Nüsse und konzentriertes Apfelmus geben aromatische Schubkraft, die im Penthouse längst noch nicht Halt machen wird. Kaufen und weglegen!

Hubert Paulet

hatte einen sehr gut besuchten Stand und weil ich seine dort vorgestellten Champagner schon ganz gut kenne, habe ich mir erlaubt, einfach mal nur die Perle abzugreifen, den ewigguten Risleus 2002. Reif, fortgeschritten, auch schon leicht pilzig, hochdosiert und wunderbar schlemmerig, gorumandhaft und rücksichtslos war dieser Champagner, der in Deutschland noch viel zu wenige Anhänger hat.

Boulard Père et Fille

Bei Altmeister Boulard ist mehr Ruhe in den Cuvées eingekehrt. So wie ich bei Leclerc-Briant eine Erschütterung im Gleichgewicht der Macht konstatiert habe, meine ich auch bei Boulard eine Häufung von Unsicherheiten festgestellt zu haben, solange sich das Unternehmen noch in der Erbauseinandersetzung befand. Spökenkiekerei hin oder her, diese Phase ist jedenfalls beendet. Sauber und sehr erholt war der Millésime 2006 aus 50CH 30PN 20PM, BSA und 5 g/l. Obwohl gering dosiert, wirkt der Champagner gesättigt und süß, was aber bei vielen biodynamisch produzierten Champagnern und Stillweinen vorzukommen scheint. Petraea 1997 – 2007 war zéro dosiert, die 60PN 20CH 20PN sind wie eh und je im Holzfassl vinifiziert und zum letzten Mal konventionell erzeugt, der nächste Petraea wird ganz anders sein, so viel ist sicher. Der Abschiedspetraea jedenfalls ist kräftig und fein zugleich, ein verletztlicher, wenngleich gepflegter und trainierter Körper. Am schönsten fand ich den Rachais 2007, ein reiner Chardonnay aus Fassvinifikation, bereits komplett biodynamisch. So viel Schwung und Vorwärtsdrang, mit viel mehr Klarheit, als noch im letzten Jahr, dabei auch mehr Abgeklärtheit und Ruhe, ein Champagner der das gefährliche Fahrwasser verlassen und nun Kurs und Fahrt aufgenommen hat. Einen bestätigenden Blick in die nächste Zukunft konnte ich bei den Grundweinen     werfen. Überaus elegant ist der Pinot Noir aus dem Barrique, feinduftig, sahnig und eingängig, ein ähnlich positives Bild vermitteln die Pinot Meuniers in weiß und Rosé.

Franck Pascal

hat sich mit seinem Champagner erhebliche Sympathien bei mir gesichert, weil er damit so ein- wie umsichtig verfährt. Von der ganz harten Brut Nature Linie hat er sich richtigerweise verabschiedet, da kam vielfach doch sehr Uneinheitliches heraus, das keine Handschrift erkennen ließ und nur absolute freaks angesprochen hat. Im Freaklager ist die Verwunderung über die Glättungen im Stil unvermerkt geblieben; jedenfalls blieb der Aufschrei in Form wütender postings, Besprechungen oder Protestnoten aus, im Gegenteil, die Champagner von Franck sind offenbar erfolgreicher denn je und auch seine Anhängerschaft ist nicht anspruchsloser geworden. Das freut auch mich, ich gehöre gern zu dieser Gefolgschaft. Mit den vorgstellten Cuvées ist das freilich ein Leichtes. Die Harmonie BdN 2009 aus hälftig Pinot Noir und Meunier ist ein kräftiger, erwachsen gewordener Champagner und nach meinem unmaßgeblichen Empfinden der beste, den Franck seit ich ihn kenne, gemacht hat. Sehr malzig, brotig und reif, ein wenig an Himbeerbockbier erinnernd, ist die Quintessence 2005 aus 2/3PM 1/3CH, die 2004er Ausgabe aus 60PN 25PM 15CH wirkt vitaminisierter, lebendiger, mit einem weiteren Geschmackspektrum und weniger reifen Noten, dafür mehr stiff upperlip, fast ein wenig trotzig.

Pascal Doquet

In der Nähe von Pascal Doquet fühlt man sich automatisch arglos. Der Mann ist so friedvoll, harmonisch und wirkt so lieb, dass man diese Aura gern in seinen Champagnern wiederfinden möchte. Zumindest mir geht es immer so. Aber seine Champagner sind nicht so. Der Horizon auf Basis von 2011 und 2010 ist mit 7 g/l dosiert und damit genau innnerhalb der Spanne, in der die friedfertigen Sachen alle angesiedelt sind, aber er wirkt kratzig, kakteeig, unharmonisch süß und gerade so, als wäre er vier Jahre alt und wollte nicht in den Kindergarten gehen. Ich verbuche das unter Dosageeinbindungsproblem und schau mir den Champagner später nochmal an, seine Anlagen legen ja Reifepotential nahe. Viel entschlackter, gesünder, ruhiger, mit klassischen Nüssen und dem strengen Blick einer Mami, die noch einen dicken Apfel in den Verpflegungsbeutel steckt von dem sie erwartet, dass er vorrangig gegessen wird. Nur 3,5 g/l Dosage hat dieser Arpège, der im Übrigen Premier Cru ist und tatsächlich vorrangig getrunkn werden sollte. Wenn man nicht gleich zum Grand Cru aus Le Mesnil greift, der Extra Brut stammt aus den Erntejahrgängen 2005, 05 und 03, er hat 3,5 g/l Dosage. So angenehm leicht, unbelastet, fruchtig, kreidig, typisch aber unverkitscht, chardonnayig aber nicht von der altbekannten und ausgelutschten Art, das ist ganz klar nochmal ein Schritt nach oben.

   

Die grösste Champagner-Bar der Welt: La Côte des Bar (III/III)

Weiter geht die Reise entlang der großen Bar. Die nächste Station ist Veuve Devaux, bevor zum Schluss zwei Mitspieler der Winzertruppe Terres et Vins de Champagne kommen, über die ich im Rahmen der Verkostungsberichte von den großen Frühjahrsverkostungen noch mehr zu sagen haben werde.

VII. Veuve Devaux

Die große Cooperative der Aube gehört mit Co.Ge.Vi, der ältesten Champagner-Genossenschaft, zur Alliance Champagne. Unter deren Dach befinden sich außerdem die Union Auboise und Covama, die mit Marken wie Champagne Pannier, Champagne Jacquart, Champagne Montaudon und Champagne Collet operieren. Ein Riesenladen also, der 2500 ha Rebfläche kontrolliert. Marie Gillet und Kellermeister Parisot waren so freundlich, mir Teile dieses Reichs zugänglich zu machen.

Das ist im Leben hässlich eingerichtet/Daß bei den Rosen gleich die Dornen stehen.

Deshalb geht es zuerst an die Vins Clairs, den Zahnschmelz etwas zurückstutzen. Das ist jedenfalls immer meine Grundbefürchtung. Im Idealfall präsentieren sich die Grundweine dann viel zahmer als gedacht und sind für Rieslingtrinker nicht selten richtiggehend trinktauglich.

Bei den Blanc de Noirs aus Riceys mit und ohne BSA fielen mir lakritzige, süßholzige und Noten von Cassis auf, stets umwölkt von einem mentholischen Einfluss, teilweise mit feinkörnigem Salz, insbesondere der allererste Vorlauf der ersten Pressung, also im Ergebnis ein Anteil von vielleicht 200 Liter, war bei aller feingliedrigen frucht doch sehr salzig.

Der Chardonnay war recht umgänglich, gleich, ob aus Montgueux, Chouilly, Montaigu oder sonstwo in der Champagne. Gutmütig, weich, mit reifer Zitrone, etwas banane und dem Frühstücksapfelkompott von Danone sehr ähnlich, das ich wenig zuvor verspeist hatte. 

Die Reserven aus dem Fuder waren da schon deutlich komplexer. Beim Mix aus 55PN 45CH schien mir das Holz noch etwas zu üppig, aber da der Wein hintenrum wie ein Ballon aufging, ist er dort wo er jetzt ist, gut platziert und wird sich dermaleinst als wohlbalancierter Reservewein erweisen. Ganz anders eine Solera aus Chouilly-Chardonnay, 1995-2012, die nicht im Fuder sondern im Tank heranwächst. Hier hat sie viel Raum für grosse aromatische Flexibilität, der Wein wird so weich und soleratypisch, wie angestrebt, schon jetzt zeigt er sich mit feiner Spannung und köstlicher Nuss. Eine später angelegte Solera Cuvée "D" von 2002-2012 mit 40CH 60PN entpuppte sich als sehr femininer Wein, chambollehaft, in der Nase ein feines Parfum, im Mund weich und säureschwach, das Holz nur als Idee merklich, ohne technische Funktion.

Bei den fassvinifizierten Weinen gab Riceys sich als sportliche Joggerin, Banane und Fruchtzucker sind die passenden Energielieferanten, das Holz strukturiert und in der Nase fühlt sichs wohlig warm an. Die fassvinivizierten Montgueux hielten sich leider nicht besonders gut, grillierte Süß-Salzigkeit herrschte vor und wurde von einem Chinakohltönchen nicht gerade positiv untermalt. Da muss sich noch was tun. Viel getan hat sich beim elegantesten der Weine, der von einem für Eleganz bekannten Terroir stammt, nämlich aus Urville, und mich sogleich an die Weine von Drappier erinnerte, bei denen genau diese geschliffene und polierte Eleganz ein bestimmendes Wesensmerkmal ist. Der Pinot aus der Vallée  de la Seine 2008 hingegen stammte aus einem der am frühesten ausreifenden Sektoren und ließ das auch schmecken. Muskat und eine verschlafene Weiblichkeit schienen mir hier prägend. Nördlich von Urville tendiert die Eleganz in Richtung atärkerer Fruchtigkeit; südlich, auf dem Hochplateau zeigt der Pinot wieder vermittelnde eigenschaften und in Riceys stehen sich Frucht und Kraft gegenüber.

Ganz interessant finde ich immer wieder, wie viele Anregungen die Champagne aus der Bierindustrie übernimmt. Dort wie hier wird Tangentialfiltration und Jetting angewandt, was im fertigen Produkt wahrscheinlich niemanden interessiert. A propos fertiges Produkt: als nächstes kommt bei Devaux das Degorgierdatum aufs Etikett, was ich sehr begrüße. 

Champagnes:

1. Cuvée "D" Extra Brut

Feine, wohlige Wärme, das jodige, meinetwegen mineralische, salzige Element macht den Champagner zu einer Empfehlung bei Speisen ohne jegliche Sauce. Raffinierterweise merkt man nichts vom eingesetzten Holz, positiv dürfte wohl auch der Einfluss von Reserveweinen ohne BSA zu werten sein.

2. Cuvée "D" Brut

Der Chmpagner wird von Grillaromen beherrscht und ist mit 8 g/l dosiert, das macht ihn rundlich und gut, da er trotz allem  nicht zu hoch dosiert erscheint.

3. Cuvée "D" Rosé 

Ein Assemblagerosé, die Rotweinzugabe liegt bei 10-12%, der Pinot dafür stammt aus Riceys und Neuville. Der Rosé "D" ist immer ein jahrgangschampagnerg, aktuell 2008 aus hälftig CH/PN, ein Drittel bis zur Hälfte davon ist ohne BSA. Das ergibt eine Buttergebäcknase, lecker frisches Backofenbrot, außerdem ersetzt der Champagner den roten Fruchtaufstrich beim Frühstück. Wieder sind mit 7 g/l höhere Dosagewerte erreicht, als ich bevorzuge, aber die ansprechende, sogar etwas scheue Nase und das helle, schwache, ja hilfeheischendes Rosé mit weissem Charakter versöhnt mit dem unbotmäßigen technischen Wert. Insgesamt ist der Rosé frisch bis unschuldig, mit herzlichem Griff.

4. Millésime 2002 en Magnum, dég. Ende 2012 

Die Normalflasche ist schon bei 2005 angekommen, daher war es schön, diesen in der Aube gut gelungenen Jahrgang nochmal probieren zu können. Hälftig PN/CH, zeigt er sich reif und entwickelt, mit erstem Kastanienhonig und getrockneten Blüten, vor allem Kamille, was mir nicht so arg zusagte; ich würde den Champagner noch etwas liegen lassen.

 

VIII. Olivier Horiot

Wer meine Notizen verfolgt, weiss, dass ich Horiot schon länger im Blick habe, mit den Jahrgängen vom Anfang der 2000er Jahre aber gehadert habe. Nach mehreren ins Land gegangenen Jahren und Ernten hat sich das geändert. Bei meinem jüngsten, aber beileibe nicht letzten Aube-Besuch habe ich einen Blick in das Reich von Horiot geworfen und bin zusätzlich beruhigt. Dort läuft alles bestens. Die Frühjahrsverkostungen in der Champagne sind mittlerweile leider weit davon entfernt, getreue Lagebilder zu liefern, einfach weil es dort zu voll und drängelig ist. Für mehr als eine grobkörnige Momentaufnahme reicht es nicht; wenn man aber die Summe der Verkostungseindrücke zusammennimmt, ergibt sich sehr wohl ein brauchbares Bild, das sich insbesondere schärft, wenn man die deutlich verbesserten Einkaufsmöglichkeiten nutzt, die der Onlinehandel bietet. Denn dank einiger engagierter Händler bekommt man heute mühelos Champagner nach Hause geliefert, die früher unbedingt eine Tour vor Ort erforderten. Da mir die ruhige Nachverkostung besonders heißer oder besonders wackliger Kandidaten sehr wichtig ist, freue ich mich natürlich sehr über diese Entwicklung. 

Eine verdienstvolle Hilfe beim Terroirverständnis bietet Horiot mit seinen Stillweinen an. Den südlich ausgerichteten "En Valingrain" kann man dabei als den Grand Cru und den ostexponierten "En Barmont" als Premier Cru verstehen. Der Valingrain 2009 ist leicht, elegant, mit Kirsche, Cassis, Blüten, Malz, Nüsschen und zum Schluss hin Süßholz, manches Belgische Bier könnte so duften. Fruchtiger und um eine Spur einfacher gestrickt ist der Barmont, mich erinnern beide entfernt an Barolo und Barbaresco. En Valingrain hat 2010 als Besonderheit einen weißen Coteaux Champenois hervorgebracht, der sich aus Chardonnay, versehentlich vom Père Horiot gepflanzt, und Weißburgunder zusammensetzt. Schmatzt sich buttrig und karamellig vom Gaumen weg und ist mit mäßiger Säure ausgestattet, ganz ähnlich Badischem Weißburgunder aus der Dr. Heger Klasse, dachte ich mir beim probieren.

1. Cuvée Sève Rosé de Saignée 2007 Extra Brut

Pinot Noir aus Fassvinifikation, der ab 2008 aus der Lage Barmont stammt. Dieser hier ist immer noch sehr beerig, hat aber auch händevoll Rosenblüten, phenolische und nussige Töne gehen darin fast völlig unter, der Champagner wirkt auf mich wie persisches Pistazien-Rosenblüteneis. Mit Luft wird er dann auch sehr lasziv, eine sofortige Verführungsgarantie gibt es aber nicht, der Rosé 2007 ist dann doch mehr vom Typ trojanisches Pferd oder Langsamwirker.

2. Cuvée Sève Blanc de Noirs 2008 Brut Nature

Die weiße Version des Sève dampft sich, im Glas angekommen, erstmal aus wie jemand, der nach 20 Minuten 95°C-Sauna in den Schnee hinaustritt.Speck, Rauch und Nussmix, Räuchermandeln, Ingwer, Zitronengras und tonisierende Herbe. Ein Champagner von der Aube in denkbar guter Form!

3. Cuvée 5 Sens 2009 Brut Nature

Arbane, Pinot Blanc, Pinot Meunier, Pinot Noir und Chardonnay, fassvinifiziert und über ein Jahr dort drin gelassen, um sich zu vereinigen. Der resultierende Champagner ist saftig und trägt reichhaltige rote Äpfel mit sich herum, außerdem Blütenblätter, darunter wieder Rose und wie so oft in diesen Zusammenstellungen alter Rebsorten habe ich den Eindruck, im Konzert zu sitzen, wo jede rebsorte eine Solopartie spielen darf und sich sonst als teamplayer beweisen soll. Nicht allen gelingt das immer so gut, wie hier.

4. Cuvée Métisse Noir et Blancs Extra Brut

80PN 20PB, 2006er Basis, damals noch im kleinen Fass vinifiziert, jetzt ins Fuder übergesiedelt; der Reservewein stammt aus Solera, die Dosage liegt bei 2 g/l. Schönes easy drinking, wenn man zB an Horiots Wuzzler kickert. Nashibirne, Litschi, Apfel; als Siegestrunk genauso gut, wie wenn man verloren hat und den Schmerz zu lindern sucht. 

 

IX. Marie-Courtin

Die Aube ist bekannt für ihre starken Pinots, die Chardonnays aus dem nächst Chablis gelegenen Champagne-Teilgebiet kennt man hingegen seltsamerweise kaum. Von Pinot dominiert sind gewöhnlich auch die Champagner von Dominique Moreau, die unter dem Namen ihrer Großmutter derzeit heftig reüssiert: als Hommage an die Ahnin heißt das Haus „Marie-Courtin“. Die Formel für den brausenden Erfolg ist sorgsame sélection massale im Weinberg, wo konsequente Biodynamie stattfindet, während die Holzfassvinifikation mit weinbergseigenen Hefen weitestgehend interventionslos erfolgt. Unverfälscht ist daher auch die Präsentation ihrer Champagner, ganz ohne tünchende Dosage.   

Dominique Moreaus kleines Weingut an der Seine verfügt über Weinberge mit schöner Ostexposition, 6 Ar liegen am begehrten oberen Hügelrand, rechteckig darunter erstrecken sich die weiteren 2 Hektar. Bei einem so kleinen Betrieb gibt es nicht dauernd sehr viel Neues zu berichten; aber doch: etwas Arbane hat Dominique neu gepflanzt, die Rebsorte gibt freilich nur sehr wenig Ertrag von unter 2000 kg/ha. Man kennt die Champagner von Dominique hier noch nicht sehr gut, dabei macht sie alles richtig. Der Einsteiger ist rasant und messerscharf, die Concordance kommt völlig ohne Schwefel aus, Efflorescence und Eloquence sind Zeugnisse großer Weinbereitungskunst, die in keinem Augenblick verkrampft oder gezwungen wirkt.

1. Eloquence

Schöngeister, Humanisten und Angeber kennen Aristophanes als einen der großen griechischen Komödienschreiber, dessen Spott demaskiert. Ganz gleich, wo man sich nun selbst intellektuell ansiedelt, der Eindruck, den der Blanc de Blancs „Eloquence“ von Marie-Courtin macht, dürfte bei jeden ehrlichen Menschen mit einem Funken Weinverstand derselbe sein: Fassungslosigkeit und offenmündiges Staunen über den – und hier bediene ich mich bei dem genau zu diesem Zweck erwähnten Aristophanes – likymnischen Glutblitz unter den Champagnern und seine mehr als unverblümte Art. 100CH aus hälftig 2010 und 2009, 2009 hat Fassausbau genossen, 2010 war nur im Stahl; als reinsortiger Chardonnay stellt die Eloquence eine Ausnahme im Portfolio der Champagner von Marie-Courtin dar; doch bleibt die Dame dahinter ihren Prinzipien treu. Das erklärt den weihnachtskometenhaften Einschlag dieses Champagners am Gaumen, festlicher und natürlicher zugleich kann man gar nicht trinken. Feinste Holznoten bergen einen goldenen Schatz reifer Äpfel, Orangen und Gewürze, Säure strahlt selbst durch den dicksten Weihnachtsbraten noch hindurch und veredelt gestopfte wie ungestopfte Foie. Der Champagner hat außerdem eine Ladung gezuckerter Kräuter in der Nase, Rosmarin, Thymian fallen mir dazu ein, die leichte Zuckeranmutung ist fraglos auf den Extrakt des undosierten Champagners zurückzuführen. Sehr raffiniert und aus dem Hinterhalt wirken Rosenwasser, Faludeh, und Verbene auf den verblüfften Gaumen ein. Muss man probiert haben.

2. Resonance

100PN aus 2011, non dosé, aus dem Stahl, ist dieses Spitzenjahr frei von Krankheiten; der Ertrag lag bei Marie-Courtin zwischen 4600-9500 kg/ha und ergab diesen schlanken, glatten, erst im Hals vernachlässigbar hitzigen Champagner, der mit typischem Malzbonbon nicht gerade um sich wirft, aber doch sehr artig spielt. Agrumes, Nektarine und Ingwer schärfen den Champagner gekonnt auf. So geht ein gelungener Einstiegschampagner. 

3. Efflorescence

100PN, der Ausbau erfolgt für elf Monate in gebrauchten 228 l Fässern aus Burgund. Dem 2009er nimmt man gern sein feines Holzaroma ab und erfreut sich an der brillanten, schlanken, schimmernden Säure darunter, denn die notwendige Frucht bleibt voll erhalten und ganz am Ende hat das Holz einen wärmenden Einfluss.

4. Concordance 

100 ungeschwefelter PN aus 2010; das ist ein nur entfernt nussiger wein mit etwas oxidativem Ton, der kein Luftton ist. Delikat, vielschichtig, sonderbar im positiven Sinne.

Zwei Aubechampagner, die es (Schwefel) NICHT in sich haben und zwei, die einfach so gut schmecken

Starring: Drappier, Marie-Courtin, Devaux und Horiot, http://www.captaincork.com/champagner-aube-drappier-marie-courtin-concordance-veuve-devaux-olivier-horiot-metisse

Jetzt noch schnell besorgen: Champagner zum Valentinstag

Jedes Jahr ist Valentinstag, jedes Jahr weiß keiner so recht, was er seinem significant other schenken oder Gutes tun soll. Doch jedes Jahr ist Champagner eine gute Idee. Rebellisch ist sie obendrein. Denn der Quatschfeiertag ist ureigentlich dem, pardon: den Vögeln gewidmet, oder noch genauer: der englische Erzpoet Chaucer soll am 14. Februar 1383 ein Werk mit Namen "Parlament der Vögel" vorgestellt haben, in dem es um die Liebe geht, usw.usf., das Verhängnis nahm seinen Lauf. Irgendwann kaperten erst die Amerikaner und dann die sonst nicht wegen ihrer Marketingpfiffigkeit berühmten Blumenhändler das jährlich wiederkehrende Ereignis. Seitdem muss man Blumen oder anderen Beziehungsschnickes kaufen, wenn der eigene Chromosomenvorrat im Rennen oder zumindest der Hormonpegel händelbar bleiben soll. Kenner schenken eine ungerade Anzahl Rosen. Könner schenken Blumen in ihrer schönsten Form: als Weinbouquet. Und Echte Könner greifen auf Rosé zurück, den es als Stillwein praktisch nur in schlecht gibt, der aber als Champagner gleichzusetzen ist mit dem önologischen Korrelat romantischer Liebe. Die bewährtesten Valentins-Roséchampagner habe ich gerade bei CaptainCork vorgestellt, hier geht es zum Artikel. Die Rosés, mit denen sich nach einem trotz aller redlichen Mühewaltung, d.h. Beachtung meiner Champagnerempfehlungen, aus welchem unerfindlichen Grund auch immer völlig verpatzten Valentinstag dann die Partnerschaft noch retten und der beste Versöhnungssex nach einem handfesten Beziehungskrach einleiten lässt, sind diese:

1. Coessens Largillier Brut Rosé, dég. Feb. 2013

100PN Saignée, 2009er Ernte, mit vollen 10 g/l dosiert

Weil ich in der Champagne weile, während ich diese Zeilen tippe, und weil ich just den aufstrebenden Jerome Coessens besucht habe, dessen Rosé ich seit einiger Zeit schon beharrlich lobe, beginnt der Empfehlungsreigen mit dem Rosé Saignée, dessen Trauben fussgestampft werden, obwohl Coessens zwei megateure Coquardpressen, also den Bentley unter den Pressen, für jeweils 8000 kg zur Verfügung hat. Wenn es schon nicht die eigenen Füsse sein können, mit denen die Trauben unvergleichlich schonend bis sinnlich-vergnüglich zusamengestampft werden, dann ist es doch immerhin eine irgendiwe romatische und valentinsmäßige Vorstellung, dass zumindest Jerome und seine Familie Freude dabei hatten. Das Resultat ist energetisch, tonisierend und nimmt den Geist gefangen. Kirsche, Eukalyptus, Kiefernnadelessenz, wie ich sie mal infam gut im Essigbrätlein bekommen habe und die mir bis heute nachgeht, so gut wie sie nunmal war. Den geradezu abartig hohen Dosagezucker steckt der Wein einfach weg. Denn bei Coessens überdeckt nicht der Zucker die weineigene Aromatik, sondern das, was man aus lauter Verlegenheit und mangels einer besseren, ebenso griffigen wie zutreffenden Beschreibung als Kimmeridgemineralik bezeichnen könnte, überdeckt mühelos den Zucker. Wenn die Liebste nach diesem Champagner nicht wieder in der Spur läuft, ist die Trennung unausweichlich.

2. André Clouet Brut Rosé

100PN, < 10% Rotweinzugabe

Alle guten und auch schon die allermeisten schlechten Argumente sind ausgetauscht, die Stimmung dennoch im Eimer, Versöhnungssex wider erwarten und trotz ärgster Bemühungen, ganz zum Schluss den Streit noch mal ins Lächerliche zu ziehen längst nicht in Sicht? Dann hilft nur die retrograde Brachialmethode. André Clouet, den man nicht mit Paul Clouet verwechseln sollte, ist hier schon gelegentlich wegen seiner stets zu jung getrunkenen Cuvée "Un jour de 1911" in der Strohumwicklung gepriesen worden, auch den Jahrgang und den Silver aus Sauternesfassausbau habe ich schon vorgestellt. Jetzt der bei Tageslicht betrachtet lange fällige Rosé. Diesem ungewöhnlich fruchtstarken und nur wenig von bouzytypischer Haselnuss begrenzten Champagner kann keine Kratzbürste widerstehen, denn hier geben sich alle Dinge die rot sind und gut schmecken ein zärtliches Stelldichein. Blanchierte Mandeln, ein keckes Kräutersträusschen, aber vor allem eine so zauberhafte Beerig- und Schmelzigkeit, dass auch das im langjährigen Beziehungsstress abgenutzte Herz und verhärtetste Gemüt spontanen Kinderwunsch an den Restkörper aussendet. Der Champagner schmeichelt dem Herzen also in einem Maße, dass selbst der Widerspenstigsten Zähmung gelingen muss. Falls auch das nicht klappen sollte, bitte Vitalfunktionen prüfen oder vom Umtauschrecht Gebrauch machen, sollte die Herzdame im einschlägigen Versandhandel erworben sein.

3. Olivier Horiot Sève en Barmont Rosé Saignée

100PN, immer < 2 g/l Dosage

Die Liebste schluckt mehr als der Lambo Murciélago auf dem coolen Monstertruck Unterbau von Dartz, den Sie sich kürzlich selbst geschenkt haben? Dann muss was stopfendes her, und zwar schnell. In den Sinn kommen mir bei der Gelegenheit immer die Apparate von Leclapart, der 2003er Terres Rouges von Jacquesson oder der Saignée de Sorbee von Vouette & Sorbée. Doch teuflischer, weil vertrackter, ist der Rosé von Horiot aus Riceys, dem ich vor gut und gerne zwei Jahren einen Nachbesuch nach Zweijahresfrist angedroht und nunmehr wahrgemacht habe, mit der schönen Erkenntnis, dass dort alles in geordneten Bahnen verläuft und die von mir anfangs argwöhnisch betrachteten Champagner sich in Bestform befinden. Der Rosé, für den die Trauben ähnlich wie bei Coessens mit den Füssen in die Pressform gestampft werden, wirft mit seinen Wildkirschen, Erdbeeren und sonstigen vollreifen Beeren nicht bloss wie ein tüchtig angetrunkener Karnevalsprinz seine Kamelle in die Menge, sondern feuert das reife Obst mit einer Steinschleuder in Gesicht und Mund, ein Champagnerfacial der Extragüte also. Doch ist es damit nicht getan; der Rosé sperrt sich gegen allzuschnelles Geschlucktwerden und stemmt sich gegen jedes noch so geniesserische Schmatzen, saugen und in den Hals hinabziehen. Bei dieser ganzen Prozedur wird jeder Tropfen Champagner notgedrungen so lange an Zunge und Gaumen gewendet, bis das sensorische Inventar ausgelastet ist. Danach gibt kein Mund dieser Welt mehr Widerworte.

Die Champagner sind im gut sortierten Fachversandhandel locker zu bekommen und jeden Expressaufschlag wert. Gutes Gelingen!

Champagne Paulet ./. Champagne Horiot

Hubert Paulet und Olivier Horiot stehen im Schatten der Champagner-Winzer aus dem Marnetal, der Côte des Blancs und der anderen üblichen Gegenden, in denen sich Kultweinmacher finden, deren Namen mittlerweile schon fast jeder Sekttrinker daherbeten kann. Grund genug, sich die beiden Buben immer wieder mal genauer anzusehen.

Das was Monsieur Paulet nicht an Billecart-Salmon sendet, verarbeitet er mit gutem Erfolg selbst. Von den zuckrigen Weinen hat er Anschied genommen und pendelt sich bei einer weinorientierteren Aromatik ein.

1. Brut Tradition Premier Cru

50PM 25CH 25PN, 2008er Basis, nach 7 und 4,5 in den vergangenen Jahren jetzt mit anmutigen 4 g/l dosiert.

Weich wirkt der Champagner, aber nicht zuckerwattig weich, sondern weich, weil er eine zuckerlose Härte nicht nötig hat, d.h. aus Reifegründen weich und mit sich ankündigenden, schokoladigen, milchschokoladigen Noten. Für einen Brut Tradition ist das nicht ganz ungefährlich, weil es seltsame Signale aussendet. Das mit der Portfoliokonsistenz ist bei Paulet aber sowieso ein eigenes Thema, der einzige Zusammenhalt ging hier nämlich immer vom Zucker aus, sonstige Gemeinsamkeiten sah ich sonst nicht. Auch dieses Jahr zue ich mich schwer damit, ein anderes tertium comparationis zu finden. Das tut der Güte des charmanten Einsteigerchampagners aber keinen Abbruch.

2. Mazerationsrosé 

80CH 20PM, 2005er Basis, drei Tage auf der Maische, gegenüber sonst 6,5 g/l jetzt 6 g/l

Joghurette mit Spuren von Bitterschokolade, gegenüber dem Vorjahr besser, seriöser, nicht zugezuckert und auf einem guten Weg. Damit kann man jetzt nicht mehr nur einfältige Frauen betören, sondern auch eine Klasse darüber noch punkten.

3. Cuvée Risleus

47CH 32PN 11PM ohne BSA, bâtonnage; ungeschönt, ungefiltert. Happige 7,5 g/l Dosage.

An diesem Champagner gibt es schon seit Jahren nichts zu meckern und nur von Jahr zu Jahr mehr zu loben. Dieses Mal ist Paulets Schmuckstück nicht so markant und knochig, auch nicht mit so deutlich nebeneinander gestellter Rebsortenaromatik ausgestattet. Hier fügt sich alles so nahtlos ineinander, wie eine besonders raffiniert versteckte Geheimtür in einer Holzintarsienwand. Röstig, mit Schokolade und feiner Säure, tatsächlich ganz das Bild einer Wand im Büro von Prof. Dumbledore. 

Horiots Pinot stammt von verschiedenen Argile- und Calcaireböden, die er parzellengenau vinifiziert. Pinot heißt dabei, dass es nicht nur Pinot Noir, sondern auch Pinot Blanc gibt, an der Aube ja nicht gar so ungewöhnlich. Der Weißburgunder von Horiot gehört zu den besseren, jedenfalls nicht störenden und von Grund auf ablehnungswürdigen Weißburgundernchampagnern. Zuletzt habe ich zwei Champagner probiert, die neu ins Programm gekommen sind und daher wieder mal vor dem Problem standen, bzw. mich vor das Problem gestellt haben, noch so jung zu sein, dass eine vernünftige Meinungsbildung unmöglich erscheint. Vom Sève, dem Champagner aus der Lage hatte ich in den letzten Jahren einen immer besser gewordenen Eindruck erhalten, die Verkostungslage war also perspektivisch ganz gut.

1. Métisse

50PN 50PB, 09er Cuvée auf Basis einer Minisolera auf 06er Basis mit 07 und 08; 2 g/l Dosage. 

Ganz gefällig, kräftig bis gedrungen, was mir für den Weißburgunder angemessen und klug gemacht vorkommt, aber im Ergebnis leider eher kurz.

2. Sève en Barmont Rosé Saignée

2007er Basis

Hinter einem schwer durchdringbaren Schleier leicht angegammelter Erdbeeren fand ich Rosenblüte, Weingeist, Mahagoni. Kein leichter Rosé, eher etwas für den Ziegenkäse oder ein Vollkornbrot mit dick Butter und etwas Salz oder beides.  

Terres et Vins de Champagne: Olivier Horiot

 

Vins Clairs 2011:

Pinot Noir vom Argileboden der Lage Les Prémalins, Pinot Noir vom Marneboden der Lage En Escharere, Pinot Blanc vom Argileboden der Lage En Barmont. Für mich war der Weißburgunder am interessantesten, obwohl ich nicht zu den Fans von Weißburgunder als Schaumweinrebsorte gehöre.

Champagner:

1. Sève Blanc de Noirs 2006

100PN.

Die Champagner von Olivier Horiot und seiner Frau werden mit sehr vielen Vorschusslorbeeren bedacht, was ich nicht immer recht nachvollziehen kann. Mir waren die Champagner noch nie ausgereift genug, um mir ein annähernd belastbares Urteil bilden zu können. Vom Sève war ich in den letzten zwei Jahren kein einziges Mal wirklich angetan. Also: spannend ja, Grund zum Jubeln nein. Die diesmalige Begegnung zeigte freilich, dass der Champagner seine Kinderstube langsam verlässt und sein hässliches Entenkükenkleid abzustreifen versucht. Sehr konzentriert, in Richtung rotfruchtiger Elsässer Obstbrände gehender Geschmack, dabei glatt und keineswegs hitzig oder brandig. Wenn alles so weitergeht wie bisher, ist der Sève in zwei bis drei Jahren ein ernstzunehmender Pinotchampagner, der dem Ruhm seiner Heimatgemeinde vollauf gerecht werden kann.

2. 5 Sens 2008

Wider Erwarten besonders gut gefiel mir der 5 Sens. Ich betone es immer wieder, Weißburgunder im Schaumwein ist für mich noch nie als Bereicherung auffällig geworden, sondern immer nur als Belastung. Der aktuelle 5 Sens kommt mit dieser Last gut zurecht. Ausgeprägt holziger Duft, der gut zur Entenbrust vom Holzkohlegrill passt, die sich in Anknüpfung an das Sève-Entlein hierzu aufdrängt, dazu kommt eine entschieden auftretende Pinotfrucht, ein ebenso entschiedener Säureanteil, der sich kerngesundem Chardonnay mit nicht allzu mineralischen Ambitionen verdanken dürfte.

3. Sève Rosé de Saignée 2007

Blumig, mit Eau-de-Vie de Kirsch, zeigt der Rosé seine enge Verwandtschaft zum weißen Sèves.

4. Rosé de Riceys 2006

Den Rosé de Riceys von Olivier habe ich am Vorabend noch als 2004er getrunken, der ein feineres Auftreten hatte, sich aber sonst nicht groß vom gleichermaßen jung wirkenden 2006er unterschied. Etwas mehr Profil zeigte sich beim 2006er, die konditorenhafte Süße hatten wieder beide gemeinsam. Gut gelungen und eines der besseren Beispiele für roten Stillwein aus der Champagne.