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Tag Archives: gaston chiquet

Champagner pêle-mêle in Mainz

In der Vinothek des Mainzer Atrium-Hotels gab es herrlich unaufdringlichen, flotten und präzisen Service zum Champagnermenu. Überaus wohltuend. Item die Teilnehmer der Probe, Wein-, Gastro- und Hotelschaffende, vor allem aber Aficionados allesamt.

I.1 Piper-Heidsieck Brut Croco NV

Ausgeprägtes Profil mit kerniger, obschon nicht geschliffener Säure. Charakterstark, attestierte die Runde. Wurde nicht als Grande Marque erkannt und gefiel auf Anhieb schon ganz gut. Damit war mein wichtigstes Ziel erreicht, nämlich den guten Namen Piper-Heidsieck ganz unvoreingenommen aus der Supermarktplörrenecke herauszuholen und die Kellermeisterkunst von Regis Camus blind auf die Probe zu stellen.

I.2 Gaston Chiquet Grand Cru Blanc de Blancs d'Ay

Litt unter einer quälenden Käsenote. War im Mund zwar leidlich intakt, konnte aber unmöglich genossen werden. Schade.

Auster im Sud mit Wintergemüse, Kresse, Petersilie, Olivenöl

II. Agrapart Avizoise Blanc de Blancs Grand Cru 2004

Zutiefst mineralisch, mit leicht flintiger Note und Zitrone. Passte deshalb so gut zur Auster, spielte schön mit dem Olivenöl, band die Kresse und die Petersilie vorbildlich ein. Konnte sich leider nicht in dem gewünschten Kontrast zum fruchtig-exotischen Blanc de Blancs von Gaston Chiquet zeigen, war aber auch so ein überzeugender performer.

III. Duval-Leroy Authentis Petit-Meslier 2005

Aus einer der extraseltenen Altrebsorten der Champagne fertigt Duval-Leroy alle Jubeljahre einen Champagner in Kleinstauflage. Vom 2005er gibt es nur lachhafte 988 Flaschen und es kostete mich einiges bitten und betteln, bevor ich vom Herrn Lahr, der das Haus Duval-Leroy in Deutschland vertritt, eine Flasche aus dem Reptilienfonds erhielt. Dafür gebührt ihm höchster Dank, schon über den Erhalt der Flasche habe ich mich gefreut wie ein Kind. Nur zu gern hätte ich diesen Champagner in der vorweihnachtlichen Champagnerausgabe von Planet Wissen im WDR vorgestellt, wo ich leider nur eine einzige von insgesamt zehn mitgebrachten Flaschen öffnen durfte – aus Zeitgründen und aus öffentlich-rechtlicher Angst vor Schleichwerbung. Zum Glück musste ich danach nicht lange warten, bis die nächste würdige Gelegenheit zum öffnen dieser schönen Flasche sich bot. In kundiger Runde also verlor dieser Champagner seinen Stopfen und gab einen trockenen, ganz leichten Sherryduft frei, der nicht jedem gefallen wollte. Die tighte Säure, das kühle, beherrschte Auftreten am Gaumen, die etwas strenge Art, der entschiedene Schritt, mit dem der Champagner sich aus dem Scheinwerferlicht der Halbweltetablissements entfernte und sich wie selbstverständlich im Bereich der Weinintelligenzija positionierte; ein Wein wie eine eiskalte KGB-Killerin – auch das gefällt schließlich nicht jedem. Doch kann man sich von dem Wein schwer lösen, egal ob man ihn mag, oder nicht, wenn man ihn nicht sofort aufgrund seiner sherryartigen Töne für fehlerhaft hält.

IV. Collard-Picard Cuvée des Archives 2002

80CH 20PN aus sehr altem Bestand (1940er Jahre) mit lediglich ca. 3000 kg/ha Ertrag. Erste Gärung im Holzfass. Wer sich mit dem Petit Meslier nicht anfreunden konnte, war dafür beim Collard-Picard umso heimischer. Das ist Champagner, bei dem das Herz aufgeht. Kreidegesättigt, aber kein nasser Mehlsack, volles Apfelaroma, Quittenmus, Hagebuttenpurée, Kumqat, maßvolle Säure, schlüpft flott die Kehle hinunter. Ich finde den 2002er ungemein freundlich, das ist nicht der schwerblütige Johnny-Cash-Verschnitt-Einzelgängerwinzerstil, auch nicht eine anonyme Massenplörre die auf indifferente Weise jedem schmeckt und zumindest nicht aneckt, sondern eine offensiv lebensbejahende Cuvée mit Gesicht und Schwung.

V. Duval-Leroy Clos des Bouveries 2005

Chardonnay aus Vertus. Teilweise Fassausbau.

Eine Symphonie aus Lindenblüten, Waldhonig, Apfeltee und getrockneten Cranberries. Seidig, minimal buttrig, knisternd, mit einer Spur Candy, ein Champagner mit Rondeur und Größe. Solo schön, aber ich schätze den Clos des Bouveries als faszinierenden Essenbegleiter sogar noch höher ein. Auch für diese Flasche schulde ich Herrn Lahr tiefsten Dank, da er so freundlich war, mir diese in Deutschland selten erhältliche Flasche zuzuschicken. Bisher sind noch nicht so viele 2005er von den größeren Erzeugern am Markt, doch was die Winzer vorgelegt haben, ist vielfach so dramatisch gut, dass 2005 nach 2004 und 2002 noch ein heißer Kandidat für Großeinkäufe ist.

Zur Stärkung gab es Forelle, Blumenkohl, Frisée, Rote Bete

VI.3 Perrier-Jouet Belle Epoque 1976

Rötlichgolden schimmert dieser Tropfen im Glas und betörte mich derart, dass ich wie benommen über meinem Kelch saß. Ich habe ja nun schon einige reife Belle Epoques getrunken, mich über die neueren Jahrgänge auch schon reichlich geärgert, sei es, weil sie korkig waren, sei es, weil die Qualität nicht stimmte und die Champagner mir konventionell und langweilig vorkamen. Aber diese Belle Epoque entschädigte mich für manches Missvergnügen. Nur wenige Minuten bitzelten noch vereinzelte Kohlensäurebläschen, die im Mund noch einen Moment länger wahrnehmbar blieben, dann war der Champagner still. Was er bis dahin gezeigt hatte, war bereits enorm. Butter, Toffee, Kaffee, morsche Töne, würzige Noten, aber auch ganz viel rotbackiger Apfel, Himbeere, Kirsche, Kompott, karamellisierte Kräutersträusschen; im Mund eine echte Haupt- und Staatsaktion, vornehme, reife Süße, ein Säurespiel so faszinierend und sci-fi wie die Gasentladungen in einer Plasmakugel.

VII.1 Lanson Extra Âge

40CH 60PN, Jahrgänge 2003, 2002 und 1999, Trauben aus den Grand Crus Chouilly, Avize, Oger, Vertus, Verzenay und Bouzy, fünf Jahre Hefelager.

Aus den Tiefen vergangener Großjahre holte der klärende Großhauschampagner von Lanson uns behutsam in die Welt der aktuellen Jahrgänge zurück. Die jüngste Lanson-Cuvée, abgesehen vom Clos Lanson, den ich aber noch nicht probiert habe, ist schon eine ganze Weile am Markt, ich habe mich aber dagegen entschieden, sie unmittelbar nach der Freigabe durch das Haus in größerer Runde zu verkosten, weil junger Champagner in diesem Stadium erfahrungsgemäß noch nicht annähernd so weit entwickelt ist, dass er mehr als unter Laborgesichtspunkten Freude bereitet. Da Laboratmosphäre gerade nicht im Sinne meiner öffentlichen Verkostungen ist, lasse ich solche relativ jungen Cuvées immer erst ein paar Monate liegen. Dem Lanson tat das gut, seine frühere Ungehobeltheit hat er abgelegt, jetzt bietet der dem Gaumen eine weiche, von gesunder, aber nicht kratziger oder drängender Säure getragene helle Aromatik, in der Cashewkerne eine Rolle spielen, aber auch Honig, Honigmelone, Apfel-Birnenmus, ein Spritzer Limette und vielleicht Kapstachelbeere.

VII.2 Nicolas Feuillatte Palmes d'Or 1999

Eine der wichtigsten Fähigkeiten der Palmes d'Or ist ihre außergewöhnliche Gastroaffinität. Ich habe zum Beispiel die Palmes d'Or 1999 in den vergangenen drei Jahren schon stärker und schwächer erlebt, aber am stärksten war dieser Champagner immer, wenn richtig gute Speisen auf dem Tisch standen. Die beiden extremen Aromaausprägungen der 99er PdO sind korbfrische Himbeeren und modrige Pilzigkeit. Beides steht dem Champagner gut, beides war in dieser Probe nicht dominant. Er pendelte sich nach meinem Empfinden in der Mitte ein, zwischen abklingender Frucht und beginnender Vollreife, mit einer solo etwas zu schwer anmutenden Süße, die sich zum Essen wiederum bestens machte.

Calamari, Roggen, Weizen, Graupen, Popcorn und Sepiasauce

VIII. Dom Pérignon Oenothèque 1990, dég. 2003

Mit Reiner Calmund teile ich nicht nur fast die Konfektionsgröße, sondern auch eine wichtige Champagnererfahrung. Der 90er Dom Pérignon ist der erste wirklich große Champagner, den ich getrunken habe. Und ebenso verhält es sich bei dem Preisträger der "Goldenen Schlemmerente 2007". Im Herbst 2009 und im Frühjahr 2010 hatte ich diesen Champagner als Oenothèque zuletzt getrunken. Wie eine Magnesiumkarosserie so fest und leicht zugleich hatte ich ihn in Erinnerung, mit den ersten sich ankündigenden Pilznoten des letzten Reifestadiums. Dass etwas Großes ins Glas kam, merkte man sofort, Nase für Nase öffnete sich mehr Mandeltorrone, zeigten sich die Röstnoten großer, reifer Dom Pérignons, kam eine leichte Flintigkeit hinzu, während Brioche und ein hintergründiger Minzton die Mürbe, Pilze, Jod und flankierendes Salz ausglichen. Famoser Champagner, der jetzt aber nicht mehr jedem Spaß machen wird.

IX.1 2003 by Bollinger

65PN 35CH aus Ay, Verzenay und Cuis. Fassvergoren.

Das Jahr in dem die Dom Oenothèque dégorgiert worden war, sollte das Anknüpfubgsjahr für den nächsten Champagner sein. 2003. Dunkel stand der Ausnahmebolly im Glas, in der Nase selbstbewusst und dick bis feist, im Mund war der dürftigen Säure wegen nun auch dem Letzten klar, dass es sich nur um einen 2003er handeln konnte und wenn schon um einen 2003er, dann nattürrlich um den 2003er. Wenn dem 2003er etwas gerecht wird, dann das Prädikat burgundisch, vielleicht noch mit dem Anhängsel premature oxydation, was aber täuschen mag.

IX.2 Ulysse Collin Blanc de Noirs Extra Brut, dég. 16. März 2010

Mehr ein Rosé Oeuil de Perdrix als das nur leicht angeschmutzte Weiß eines Blanc de Noirs legt der jüngste Champagner vom aufkommenden Starwinzer Olivier Collin bekanntlich an den Tag. in den letzten eineinhalb Jahren seit meinem Besuch auf der Domaine habe ich diesen Champagner mit gleichbleibender Begeisterung getrunken. Dabei war mir von Anfang an klar, dass auch dieser an sich große Champagner eine Achillesferse hat. Wie beim 2003er Bollinger fehlt ihm vitalisierende Säure. Deshalb war klar, dass die beiden als flightpartner auftreten mussten, was letztlich für einige schöne Vergleichsmöglichkeiten gesorgt hat. Klar wurde dabei auch, dass der Blanc de Noirs von Ulysse Collin, so herrlich fett, raumgreifend und monströs fruchtig er sich jetzt trinkt, in den nächsten Jahren entweder mangels Säure erheblich verlieren wird, oder aber ein zweites glorioses Leben als Stillwein abwarten muss.

Skrei, grüne Bohnen, Rosenblüten, Pflaumenduft

zwischendurch gab es Himbeer-Sorbet

X.1. Raumland Monrose 2001

PN CH PM, Holz

Wie nahm der Monrose das Himbeerthema doch so freudig auf! Frappanter habe ich noch nie Himbeere in einem Glas gehabt. Brioche, Blüten und Nüsse, wie sie der Gault-Millau bei der Kür zum besten deutschen Sekt aller Zeiten, bzw. des Jahres 2012 wahrgenommen hat, traten demgegenüber völlig zurück. Dieser Ausnahmesekt durfte nicht nur, sondern musste in den Selosseflight und er musste sich außerdem zum Essen beweisen. Einen gelungeneren Einstand hätte er gar nicht abgeben können. Gegenüber Meister Selosse war er aufrgund seines kürzlich erfolgten Dégorgements der deutlich frischere, jüngere, fruchtigere Wein. Das hat sicher für einige Verkoster den Ausschlag gegeben, ihn dem Selosse vorzuziehen. Zum Kalb passte er wegen seiner rötlichen Noten ebenfalls ganz exquisit, wobei er der naturgemäß der unruhigere Part war.

X.2 Jacques Selosse Rosé, dég. 2006

Der fabelhafte Rosé von Selosse war noch vor ein bis zwei Jahren in seiner Fruchtphase, Richard Geoffroy würde sagen: in seiner ersten plénitude. Die hat er verlassen, um sich rauchiger und mit aufgrauhter Schale zu zeigen, die einen komplexen Fruchtkern umhüllt. Mandel, Grießpudding, oszillierende Frucht, fassgereifter Erdbeerbrand. Von beiden Weinen schien er der bedachtsamere zu sein, als Essensbegleiter war er jedenfalls der anschmiegsamere.

zum letzten flight gab es Niedrigtemperatur-Kalb, Buttermilch, Petersilienwurzel, Lauch

abschließend gab es Mango, Kokos, Bisquit

Als Bonusflaschen gab es dann noch

XI.1 Cedric Bouchard Les Roses de Jeanne Pinot Blanc "La Bolorée", 2006er Basis, dég. 12. April 2010

0,21 ha

Nachdem wir schon das Vergnügen hatten, eine Petit-Meslier getrunken zu haben, gab es noch eine gewisse Nachfrage nach anderen Altrebsortenchampagnern. Unter den wenigen Winzern die sich damit befassen, ist der furoremachende Cedric Bouchard von der Aube ganz weit vorn zu nennen. Dessen Roses de Jeanne bestechen durch ihren höchst speziellen Ausnahmecharakter und sind nur in Kleinstmengen, wenn überhaupt zu bekommen. Meine letzte Flasche passte gut in die Runde. Der Weißburgunder wäre blind kaum als Champagner durchgegangen, oder wenn, dann aus einem heißen Jahr. Ganz klar fehlte da die Säure. Trotzdem war er rund, hatte einen flotten Vorwärtsgang drauf, kam ohne die oft störende Salmiaknote der Weiß- und Grauburgunderschaumweine ins Glas und darf als eines der gelungensten Exemplare unter den Weißburgunderschäumern überhaupt gelten. Ein Fan dieser Rebsorte im Schaumwein bin ich aber selbst durch Cedric Bouchard nicht geworden.

XII.2 Pol-Roger Cuvée Sir Winston Churchill 1996

Deshalb musste, nun mit noch größerem Zuspruch aus der Runde, der mehr als zuverlässige – und in puncto Korkproblematik mir bisher noch nie negativ aufgefallene – Sir Winston Churchill her. Der brachte seine ganze ausgewachsene Admiralswürde ins Glas. Zackige, aber nicht verbissene Säure, dabei Nonchalance und gelassene, selbstbewusste Größe, wie man sie bei einem Admiralsball erwartet. Ausdauernder Tänzer, der gut führt, für den belanglosen Smalltalk nicht so sehr geeignet, das liegt nicht in seinem Naturell. Dafür kann er höchst unterhaltsam die eigene Ahnenreihe zusammenfassen und spielend leicht historische Bezüge herstellen. Wundervoller Gastgeber. Der 1996er SWC ist noch auf Jahre ein Champagner zum schwelgen.

ChampagnEskapade zum Sommerschluss

 

Serzy-et-Prin ist ein Örtchen, das selbst bei dämmeriger Beleuchtung noch genügend von sich erkennen lässt, um sensible Besucher zu verstimmen. Dass dort Edelreben wie Chardonnay gedeihen sollen, hört sich unglaublich an. Bei jedem Besuch in dieser zugigen Ecke quält mich die Frage, ob die Winzer hier nicht in Wirklichkeit ihren Champagner aus Maiskolben und Raps gewinnen. Doch dann fahre ich beispielsweise bei Yves Delozanne vor, werde von der stets gut gelaunten und um die Augenpartie herum auffällig farbenfroh geschminkten Valérie Delagarde empfangen und beim ersten Glas vergesse, resp. verdränge ich die bangen Fragen.

1. Yves Delozanne, Blanc de Blancs NV

Der Chardonnay stammt doch tatsächlich aus der kalten Vallée de l'Ardre, die mit späten Frösten, reichlich Nässe und schlechter Belüftung nicht gerade ein Vorzeigegebiet für die feinsten Chardonnays der Welt ist. Mit etwas bösem Willen könnte man sagen: das schmeckt man auch, aber dazu braucht es, wie gesagt, schon eine Spur Gehässigkeit. Der Champagner ist einfach, mit einer geradlinigen, nicht besonders komplizierten, leicht wässrig wirkenden Säure. Aromatisch kein Schwergewicht, erinnert er mich an den kürzlich verkosteten Grain de Folie von Jean-Francois Launay, dessen Trauben nicht sehr viel weiter weg stehen. Dass der Blanc de Blancs von Delozanne/Delagarde es in den Guide Hachette 2010 geschafft hat, verblüfft wahrscheinlich die dortigen Verkoster selbst am meisten. Für die sympathische Valérie freut es mich jedenfalls.

Im ganzen Ort Serzy-et-Prin gibt es dem Vernehmen nach gerade einmal drei Winzer, die amtlich eigenen Champagner herstellen, mir ist bei dieser Zählweise nicht ganz klar, ob Chaoswinzer Bernard Housset dazugehört, oder nicht. Über den, der auch als Vorbild für den Jonas Lauretz aus John Knittels Via Mala hätte dienen können, an anderer Stelle mehr. Wenige Meter in entgegengesetzte Richtung stolpert man in das Anwesen von Franck Bailly, Champagne Alain Bailly.

2. Alain Bailly, Rosé

Sehr kühl kam der Rosé von Bailly ins Glas und hatte keine Chance, sich vernünftig zu entfalten, denn nach guter Winzergewohnheit war die dickwandige Miniflöte bis zum Äußersten der Kohäsionskraft ihres rosigen Inhalts gefüllt. Dabei einen bestimmten Duft wahrzunehmen, wäre reines Lotto gewesen. Im Mund war der Champagner auch mit längerem, unappetitlich sprotzelndem hin- und herspülen kaum besser zu analysieren. Doch zum Glück kenne ich den Champagner von vorherigen Visiten einigermaßen und konnte ihn deshalb nach nur oberflächlicher Güteprüfung kaufen. Denn wie ich mittlerweile weiß, entwickelt sich dieser Rosé mit ca. 12 – 15 Monaten Flaschenreife sehr zu seinem und seines Eigentümers, bzw. Trinkers Vorteil. Natürlich gehört er zu den derberen Vertretern, doch ist er nicht völlig plump. Milde rotfruchtig, ohne aufgesetztes Gehabe, parkettsicher, aber kein Salonlöwe.

3. R. C. Lemaire,

Villers-sous-Châtillon. 12 ha in Cumières, Hautvillers, Reuil, Binson-Orquigny, Troissy und Leuvrigny.

Die gepflegte Domaine erstreckt sich über beide Strassenseiten und mehrere Häuser. Monsieur Lemaire ist nicht sehr hochgewachsen, sehr energiereich, leicht aufbrausend und etwas rechthaberisch, doch letztlich nicht unsympathisch. Seine Champagner gibt es im Alsterhaus, worauf er sehr stolz ist, wie er überhaupt gern durchblicken lässt, dass renommierte Sommeliers in aller Welt seine Champagner mögen. Das Marketing und die Kellerführung übernahm sein Sohn, der entfernt wie eine etwas kleinere Ausgabe von Bono Vox aussieht und in leicht nervender Marketingrhetorik seine Lektionen gelernt hat. Die Champagner durchlaufen keinen biologischen Säureabbau, was man deutlich merkt. Der Dosagezucker ist guter Rohrzucker, doch davon nicht zu viel. Vier Gramm sind es meist nur. Der etwas höhere Schwefelbedarf fällt gegenüber Champagnern mit BSA nicht sehr ins Gewicht, mit durchschnittlich ca. 12 mg/l freiem SO2 liegen Lemaires Champagner noch weit unterhalb dessen, was normalerweise in Stillweinen anzutreffen ist. Alles in allem macht Monsieur Lemaire auf seiner Domaine offenbar alles anders, als er es noch bei Moet et Chandon zu machen gewöhnt oder genötigt war.

a) Brut Sélect Réserve

100PM, Ausbau im Stahltank.

Etwas klotziger Champagner, der bei mir den Eindruck einer Maulsperre hervorrief, so als müsste ich meine Zähne in eine Kalbshaxe schlagen. Die etwas sehr prominente Säure glich das aus, doch die beiden Eindrücke zusammen ließen den Champagner nicht ganz stimmig erscheinen. Sicher, er war frisch und wird nach einem Jahr vielleicht harmonischer schmecken, doch der momentane Eindruck ist eben noch uneinheitlich. Chardonnay hätte hier noble Rasse verleihen können, Pinot Noir hätte großzügigere und entspanntere Gediegenheit vermittelt.

b) Cuvée Trianon

60PN 40CH aus den Premier Crus Cumiéres und Hautvillers. Vierjähriges Hefelager.

Davon habe ich mir einige Magnums gesichert. Der Rebsortenmix mag nicht besonders einfallsreich und nicht besonders typisch für die Gegend sein. Das Ergebnis spricht für die Rezeptur und bestätigt meinen positiven ersten Eindruck. Grünlichfruchtige Noten, Zitronengras und Nektarine, alles mit einer der Jugend geschuldeten, leicht ruppigen Härte. Für mich sind das gute Voraussetzungen für eine schöne langsame Reifung en Magnum.

c) Rosé de Saignée

50PN 50PM, zweijähriges Hefelager.

Bis vor zwei Jahren war der Rosé von Lemaire stets ein Rosé d'Assemblage. Das hat sich geändert, nun ist es ein Saignéechampagner. Mir kam er dennoch nicht besonders beeindruckend und gut vor. Vielleicht hätte Monsieur Lemaire doch dabei bleiben sollen, einen vernünftigen roten Coteaux Champenois zu produzieren und ihn zur Roséproduktion in der erforderlichen Menge seinem Champagner hinzuzufügen. Oder aber er übt noch ein bisschen.

d) Millésime 2004

Chardonnay von 35 Jahre alten Reben aus dem Premier Cru Hautvillers. Neunmonatiger Ausbau der Grundweine im mehrfach belegten Holzfass, Dosageliqueur – mit Rohrzucker – reift ebenfalls im Holz.

Den Holzton merkt man und ist angetan. Er ist verhalten, mit Kennergriff drapiert, anschmiegsam am Gaumen und weit von überholztem Getöse entfernt. Schön ist die ganz beiläufige Enfaltung des übrigen Aromenspektrums neben und mit dem Holzton. Säure, Frucht, Gewicht, Schmelz, stehen zwanglos nebeneinander und verlaufen – anders als beispielsweise von mir angefertigte Aquarellmalerei – nicht in einen undefinierten und matschigen Brei, sondern liefern sich an ihren Grenzflächen farbenfroh schillernde Reflexe.

4. Xavier Leconte,

Troissy. 8 ha in der Vallée de la Marne.

Monsieur Leconte habe ich jetzt erst kennengelernt. Seinen Champagner, genauer: seinen Brut Réserve kenne ich schon seit Jahren, habe ihn aber auch schon ewig nicht mehr getrunken. Seine Champagner sind so wie der Trianon von R.C. Lemaire für die Reifung in Grossflaschen bestens geeignet. In der Jugend sind sie nämlich ganz genau in dem Maß ungefügt, das ihnen bei der langsamen Reifung sehr zugute kommt. Herr Lemaire selbst ist mir leider als Muffelkopp begegnet. Überwiegend ungesprächig, mit quasi-inquisitorischen Fragen zu meinen Verkostungswünschen, einer etwas herablassenden Art und gemütsarmem Habitus hinterließ er persönlich im Gegensatz zu der sehr vorteilhaften Präsentation seiner Champagner auf der Website keinen besonders günstigen Eindruck. Trotzdem habe ich mir einige Magnums von seiner Réserve gekauft und die "Vents d'Anges" Rebsortentrilogie. Und außerdem noch eine Flasche von seinem weiß gekelterten Pinot Meunier Stillwein.

a) Première Cuvée

80PM 15PN 5CH, dreijähriges Hefelager.

Mit seinem ersten Champagner aus dem Alltagssegment zeigte Monsieur Leconte, dass er nicht nur die Flaschenausstattung im Griff hat, sondern vor allem seine Handwerk versteht, wenn nicht gar meisterlich beherrscht. Natürlich erwarte ich von einem Standardbrut eines kleinen Winzers aus der Vallée de la Marne keine Geschmackswunder. Doch solide Arbeit wünsche ich mir schon und werde selbst da noch unverhältnismäßig oft enttäuscht. Nicht so hier. Lecontes Première Cuvée zeigt, wie man mit meunierbasierten Cuvées arbeiten kann und soll. Da können sich selbst die Kollegen aus dem nahegelegenen Leuvrigny, dem Meuniermekka, etwas von abgucken. Das was bei Lemaires Réserve noch fehlte, hat Leconte geschickt eingebaut. Etwas rassige Chardonnayschnittigkeit und einen Hauch Divenblut. Hätte er dabei nicht die ganze Zeit so grimmig und feindselig geguckt, hätte ich ihm das auch noch einmal deutlicher zu verstehen gegeben und vielleicht sogar etwas von dem Standardbrut gekauft.

b) Brut Réserve

80PM 15PN 5CH, fünfjähriges Hefelager

Produktpolitisch ein Champagner, der nicht von besonderem Einfallsreichtum künden mag, aber wie man ihn schonmal in Winzerportfolios finden kann. Es handelt sich um dieselbe Cuvée wie beim schon sehr gelungenen Standardbrut, nur dass sie länger auf der Hefe gelegen hat. Sonst hat Leconte nichts daran geändert. Die zwei Jahre zusätzlicher Hefeverweildauer haben ihm sehr gut getan. Der Champagner hat sich, auch wenn die abgestorbene Hefe nach ca. 18 Monaten keine signifikanten chemischen Veränderungen mehr verursacht, deutlich gerundet und ist meiner Meinung nach eine ganze Qualitätsstufe aufgestiegen.

c) Brut Rosé

65PM 30PN 5CH, entsteht durch Rotweinzugabe.

Etwas weniger begeistert war ich vom Rosé, der gut und fruchtig, aber nicht originell schmeckte. So und so ähnlich schmecken unzählige Winzerrosés, die fehlerfrei gemacht sind.

5. Canard-Duchêne, Cuvée Léonie

40PM 40PN 20CH, dreijähriges Hefelager.

Nach einer ganz schlimmen Erfahrung mit einer Flasche Charles VII. aus dem nun zu Thienot gehörenden Hause Canard-Duchêne hatte ich mir vorgenommen, den Erzeuger zu meiden. Doch kommt man manchmal nicht drum herum und nachdem mich der Blanc de Blancs zwar nicht versöhnt, aber beruhigt hatte, war nun die Cuvée Léonie mal dran. Ein properes, etwas dralles Mädchen. Angesichts des hohen Pinotanteils versteht man, dass sie nicht die hellste ist. Dennoch mangelt es nicht an einer gewissen Behendigkeit und zu einfachen Speisen aus der französischen Bistroküche und vor allem wenn Blattsalate mit der in Frankreich oft sehr essiglastigen Vinaigrette serviert werden, ist die Cuvée ein guter Begleiter.

6. Gaston Chiquet, Dizy

Blanc de Blancs d'Ay

8-9 g/l. Den reinsortigen Chardonnay aus Ay hat schon Nicolas Chiquets Vater in den 50ern erstmals hergestellt. Mittlerweile haben einige andere Erzeuger aus dem Pinotgürtel an der Marne nachgezogen, zu den prominenten BdB-Machern gehört Billecart-Salmon, unter den weniger bekannten muss man A. R. Lenobles Chardonnay (der freilich aus Chouilly stammt) ernst nehmen. Allen diesen Champagnern gemeinsam und von Gaston Chiquet über die Jahre vorbildlich gepflegt ist ein Stil, der von exotischer Frucht und wenig Säure geprägt wird. Mit seinen 8-9 g/l Dosagezucker gehört er nicht zu den Flitzern, wirkt aber auch nicht breit oder teigig. Mögen muss man diesen Stil allerdings, sonst wird man den Champagner als chardonnayuntypisch ablehnen – dabei ist er nur cote-des-blancs-untypisch.    

Nicolas stellte seinen Champagner persönlich vor und gehört dabei zu den Winzern, bei denen die Fürsorge und Begeisterung für ihr Produkt nicht am Glas aufhört. Ordentliche, von Größe, Form und Glaswandstärke her ansprechende Verkostungsgläser aus der Rubis-Serie der Verrerie de la Marne brachte er auf den Tisch des gepflegten Hauses gleich neben Jacquesson.

Das schreiben die anderen: Patrick Dussert-Gerber

Der aktive Autor hat sich in der aktuellen Ausgabe von "Millésimes" mit seinem Champagner-Classement für 2010 zu Wort gemeldet. Nicht zur Unzeit, wie ich meine, denn Zeit für Champagner ist bekanntlich immer – nicht nur kurz vor Weihnachten. Also, was schreibt er denn? Zunächst mal muss man seine Classements kennen. Darin unterscheidet er zwischen erst-, zweit- und drittklassifizierten Weinen. Diese Classements stellt er für jede Weinbauregion gesondert auf, d.h. ein erstklassifizierter Champagner unterliegt den Regeln seines Champagner-Classements und ist insofern nicht vergleichbar mit einem von ihm erstklassifizierten Bordeaux. Innerhalb der jeweiligen Classements herrscht nochmal eine Hierarchisierung, wobei Dussert-Gerber im Champagner-Classement jede Klasse nochmal in kräftige und elegante Champagner unterteilt. Dabei fließen Werte wie Reifevermögen, Preis-Leistungs-Verhältnis und Kontinuität der letzten Jahrgänge einer Cuvée ein. Wer also in der Spitze eines Classements steht, dem kommt eine gegenüber den nachfolgenden Weinen herausgehobene Bedeutung zu.

Neu hinzugefügt hat er die folgenden Champagner (A steht jeweils für die Gruppe der körperreichen Champagner, B für die eleganten Champagner):

AVENAY-VAL-D'OR, CHAMPAGNE LAURENT-GABRIEL, 2ème A

AY , CHAMPAGNE GOSSET, 1er B

BOUZY, CHAMPAGNE MAURICE VESSELLE, 2ème A

CHAMERY, CHAMPAGNE PERSEVAL-FARGE, 2ème B

CHIGNY-LES-ROSES, PHILIPPE DUMONT, 2ème A

CHOUILLY, CHAMPAGNE LEGRAS ET HAAS, 2ème B

COURTERON, CHAMPAGNE FLEURY, 2ème A

CRAMANT, CHAMPAGNE P. LANCELOT-ROYER, 3ème A

DAMERY, CHAMPAGNE DANIEL CAILLEZ, 2ème B

DIZY, CHAMPAGNE VAUTRAIN-PAULET, 2ème A

EPERNAY, CHAMPAGNE ELLNER, 1er A

LE BREUIL, CHAMPAGNE PIERRE MIGNON, 2ème B

POUILLON, CHAMPAGNE BOURDAIRE-GALLOIS, 2ème A

RILLY-LA-MONTAGNE, CHAMPAGNE ANDRE DELAUNOIS, 2ème B

Um einen Eindruck von seinem Classement zu bekommen, ist es hilfreich, sich seine erstklassifizierten Champagner anzusehen.

In der Gruppe A, bei den körperreichen Champagnern, finden wir:

CHARLES HEIDSIECK (Millénaire)
KRUG (Grande Cuvée) (r)
MOËT ET CHANDON (Dom Pérignon)
POL ROGER (Sir Winston Churchill) (r)
TAITTINGER (Comtes de Champagne) (r)
ALAIN THIÉNOT (Grande Cuvée)
DEVAUX (D) (r)
ELLNER (Réserve) (r)
PHILIPPONNAT (Clos des Goisses)
(BOLLINGER (RD))
CANARD-DUCHÊNE (Charles VII)
RENÉ GEOFFROY (Volupté)
LAURENT-PERRIER (Grand Siècle)

In Gruppe B, bei den eleganten Champagnern, finden wir:

GOSSET (Grand millésime) (r)
PIPER-HEIDSIECK (Rare)
ROEDERER (Cristal)
DE SOUSA (Caudalies)
DE TELMONT (O.R.1735)
Pierre ARNOULD (Aurore)
PAUL BARA (Réserve) (r)
Pierre PETERS (Spéciale Millésime)
RUINART (Dom Ruinart) (r)
DE VENOGE (Princes)

Was sagt uns das? Das sagt uns, dass Monsieur Dussert-Gerber einen, sagen wir mal: sehr eigenständigen Gaumen hat. Wie sonst ist es zu erklären, dass er Dom Pérignon, den Inbegriff der Leichtigkeit und des schwerelosen Genusses in die Gruppe der körperreichen Champagner einordnet? Liegt es vielleicht daran, dass er nur die klobigeren, angestrengteren Jahrgänge aus den späten Neunzigern getrunken hat? Wir wissen es nicht. Auch eine Erklärung über die Jahrgangschampagner aus dem Hause Krug bleibt der Meister schuldig. Doch der Seltsamkeiten noch nicht genug, finden wir unter den erstklassifizierten Champagnern Häuser wie Devaux, Ellner und Canard-Duchêne, nicht jedoch die Grande Dame von Veuve Clicquot, keine Champagner aus dem Haus Perrier-Jouet, Delamotte, Salon oder Besserat de Bellefon, die alle wahrlich keine Geheimtips mehr sind und es mit einigen der erstklassifizierten Champagner ohne weiteres aufnehmen könnten.

Sehr seltsam ist auch, dass sich im gesamten Classement Winzer finden, die gut und gerne trinkbare Champagner machen, Erzeuger wie Selosse, Prevost, Ulysse Collin, David Leclapart, Jacques Lassaigne, Tarlant, Cedric Bouchard, Vouette et Sorbee, Georges Laval, Diebolt-Vallois jedoch noch nicht einmal unter den drittklassifizierten auftauchen. So ist doch ausgesprochen fraglich, ob die süffigen, aber nicht besonders inspirierten Champagner beispielsweise vom Château de Boursault und Abel-Jobart einen Platz im Classement halten könnten, wenn die anderen genannten Winzer dort ebenfalls vertreten wären.

Will man Monsieur Dussert-Gerbers Gaumen kein voreiliges Unrecht antun, so kann man nur vermuten, dass er einige sehr wichtige Champagner noch gar nicht getrunken hat. Dann aber, so meine ich, muss man sich mit der Herausgabe eines Classements zurückhalten und artig gedulden, bis die Datenbasis dafür groß genug ist.

Dass er einige sehr gute Champagner auf dem Schirm, resp. im Glas hatte, zeigt sich nicht zuletzt daran, dass er Champagne Aspasie von Ariston Père et Fils hoch einstuft. Franck Bonville, Pascal Agrapart und Jacky Charpentier haben sich ihren Platz gewiss ebenfalls verdient, wenngleich ich ihre Champagner nicht zu den körperreichen zählen würde. In der Kategorie ist richtigerweise der "Comète" von Francis Boulard gut aufgehoben – auch wenn dieser Champagner ultrarar ist und die anderen Champagner von Francis scheinbar keine Berücksichtigung gefunden haben. Bei den eleganten Zweitklassifizierten stoßen wir sodann auf Gaston Chiquet, Leclerc-Briant, Legras et Haas, Bonnaire, Comte Audoin de Dampierre, Drappier und Gimonnet, sowie auf andere alte Bekannte: Blin, Bedel, Tixier, Brice, Chapuy, Robert Charlemagne und Michel Turgy. Wieder könnte man darüber streiten, ob die Champagner z.B. von Dampierre zu den allerelegantesten gehören, oder ob sie nicht wegen ihrer reichlichen Dosage bei den körperreichen Champagnern anzusiedeln wären.

Lässt man die Frage nach der Notwendigkeit eines Champagner-Classements offen, so kann man sich fruchtbar nur noch mit der tatsächlich erfolgten Umsetzung eines solchen Classements befassen. Das von Dussert-Gerber ist gut gewollt, doch unübersichtlich und die vergleichsweise umfangreichen Beschreibungen der Erzeuger wiegen nicht seine allzu kurz geratenen Weinbeschreibungen auf. Wichtige Champagner fehlen völlig, mancher nur leicht überdurchschnittliche oder gerademal durchschnittliche Erzeuger erhält durch die viel zu dünne Datenbasis ein unproportional hohes Gewicht. Das mag den betroffenen kleinen Winzer freuen und mit Sicherheit werden einige Winzer nach der Publikation des jeweils aktuellen Classements ein verdientes Maß erhöhter Aufmerksamkeit erhalten. In diesem Punkt erweist sich Dussert-Gerber nämlich als fleißiger Verkoster – was letztlich dem Verbaucher nur willkommen sein kann. Meiner Ansicht nach leidet das Classement aber noch zu sehr unter seiner Unausgewogenheit.

Schaumparty im Kloster Besselich – Champagnerverkostung für Einsteiger

Am Sonntag, 4. Juli 2010 um 19:00 Uhr ist es wieder so weit: ich halte eine meiner beliebten Champagnerproben ab. Und zwar im Weinstein/Klostergut Besselich, dem Showroom des Gourmetdepots von Marcus Stein in Urbar. Mit traumhaftem Blick auf das Deutsche Eck in Koblenz (BuGa-Stadt 2011, der Besuch dort lohnt sich schon jetzt!).

Zu probieren gibt es eine ganze Reihe aufregender Champagner, die nicht im Supermarkt stehen. Coole und verrückte Winzer, Kultstöffchen, Holzfasschampagner, Prestigecuvées, Grand Crus, Magnumflaschen, Biochampagner, kurz: alles, was das Herz eines Champagnerverrückten schneller pumpen lässt, wird aufgemacht. Dazu gibt es Kurzweiliges und lehrreiche Erläuterungen, Knabberspass aus dem Gourmetdepot und jede Menge Schaumschlägerei. Geplant sind folgende Champagner – kurzfristige Änderungen im lineup, die der Verbesserung dienen, natürlich vorbehalten:

Eric Isselée, Blanc de Blancs Grand Cru en Magnum

Voirin-Jumel, Blanc de Blancs Grand Cru en Magnum

Bernard Tornay, Bouzy Grand Cru Extra Brut

Tarlant, Extra Brut

Cattier, Renaissance

Vilmart, Grand Cellier d’Or

Gaston Chiquet, Blanc de Blancs d’Ay Grand Cru

Paul Déthune, Blanc de Noirs

Agrapart, Les Demoiselles Rosé

Frank Pascal, Tolérance Rosé

Moet et Chandon, Cuvée Dom Perignon 2000

Pol-Roger, Cuvée Sir Winston Churchill 1995 en Magnum

 

Teilnehmerzahl: max. 20

Teilnahmegebühr: 89,00 € pro Person

Anmeldung: bis spätestens 28. Juni 2010, Platzreservierung erfolgt durch Überweisung der Teilnahmegebühr

Winzerchampagner, Kobus und Abendessen bei Champagne Mumm

I. M. Vezien Blanc de Blancs

Einfacher, weicher Blanc de Blancs, typischer, unkomplizierter, etwas austauschbar geratener Winzerchampagner mit freundlicher Säure.

II. Remy Massin Brut, 80 PN, 20 CH

Mostig, weinig, mittellang und durchweg druckvoll, gegen Ende jedoch etwas metallisch.

III. Loriot-Pagel Brut Carte d’Or, 80 PM 20 CH

Milchige, mit Kräutern versetzte Nase, im Mund auch etwas staubig. Alkoholische Schärfe, die sich mit etwas Luft wieder einbindet und einem sanften Milchkaffeearoma Platz macht.

IV. Meteyer Carte d’Argent, Drittelmix

Kräftige Nase mit Campher und Weissdorn, auch einige irriterende vegetabile Noten, die in Richtung Paprikaschärfe gehen, sonst gut integriert und recht harmonisch, mit milden Mandelaromen.

V. Carré-Guebels Rosé d’Assemblage 70 CH, 30 PN

Ausgewogen, mittlere Säure, ganz gut strukturiert und mit reichlich kirschdominierter Frucht. Im positiven Sinne interessanter Winzerchampagner.

VI. Maxime Blin Rosé d’Assemblage 100 PN, davon 15% Coteaux Champenois

Alkoholische Nase, Frucht mit Bowlencharakter. Auch zu süss.

Mittagessen im Table chez Kobus

VII. Rillettes von der Babymakrele mit Fenchelcrème, dazu Pierre Gimonnet Blanc de Blancs Fleuron 2004

Glatter, jahrgangstypischer Champagner, schlank und mineralisch, auf Hochglanz poliert; im Mund so massiv und kalt wie eine Granitmurmel. Wenig, aber sehr angenehmer Apfel. Gute Kombination zum Fenchel und auch die Lisettes spielten gut mit, da sie nicht zu salzig waren.

VIII. Marinierte Entenschlegel mit Gemüserisotto und Basilikum-Tomaten, dazu Bruno Paillard Vintage 1999, 48 PN, 52 CH

Nasses, rauchiges Holz in der Nase, am Gaumen griffig, etwas zu breit vielleicht, auch leicht kratzig, aber nicht unsauber, von Bratapfelaromen geprägt. Auf die Dauer vielleicht etwas langweilig, zur Ente mit ihren kräftigen Aromen aber ganz gut und sättigend.

IX. Apfeltarte aus Golden Delicious mit Pecannusseis und Kokosmakronen, dazu Jacquesson No. 733, 52 CH, 24 PN, 24 PM, Basisjahrgang 2005, dosiert mit 2,5 g/l, dégorgiert im ersten Drittel 2009

Verlockende Apfel-Himbeernase, die ohne drohende Säure auskommt. Auch im Mund weich, gleichzeitig, minimal trocknend, adstringierend, mit Apfelpektin und etwas Holz. Die leichten Nussaromen werden vom Pecannusseis schön zurückgeworfen, die nicht zu süsse Apfeltarte repsondiert auch sehr gut.

Nachmittag

X. Gaston Chiquet Rosé Premier Cru, 30 CH, 40 PM, 30 PN aus Hautvillers, Dizy und Mareuil-sur-Aÿ

Honigmelone und Kokosduft, außerdem viel unterlegter Apfel. Das Chardonnaygrundgerüst ist hier eine schöne Spielwiese für die beiden Pinotrebsorten. Kräuterwürze und milde Fruchtnoten wechseln sich mit den ernsteren, weinigeren Pino-Noirs ab. Gelungener PC vom hier noch relativ unbekannten Kultwinzer.

XI. A.R Lenoble Rosé Mill. 2004, 85 CH, 15 PN Stillwein, 5 g/l dosiert

Jahrgangstypischer, von mittlerer Aromenfeinheit geprägter Champagner, überwiegend Trockenobst, Backpflaumen, Zedernholz, auch etwas nussig. Im Mund starker Chardonnay, Apfel, Agrumes, Nuss, Butter, darüber ein sehr zarter Himbeerduft – einer der Rosés mit weißer Seele und trotz der Nachbarschaft zu Chiquet ein völlig anderer Stil.

XII. Drappier Rosé de Saignée “Le Val des Demoiselles”, 100 PN

Einzellagenrosé, sehr typisch für die Aube und einer der Rosés, die auf Ruinartniveau mitspielen können. Rote Früchte pur und in allen Formen, ob als Mus, als Marmelade, Kompott oder konzentrierter Saft, hier findet sich alles wieder. Leider sehr hoch dosiert und daher nicht ganz so fokussiert.

Abendessen bei Mumm

XIII. Apéro: Salzgebäck und Gougères, dazu Mumm Rosé, 60 PN, 18 PM, 22 CH, 12 – 14% Bouzy Rouge

Sehr milder Rosé mit ganz feinen Himbeernoten, im Mund mit einer ziemlich frischen Säure, die an dicke, prickelnd gefüllte Zitronenbonbons erinnert. Gut zum Apéro mit Salzgebäck, aber eigentlich auch nur dazu.

XIV. Getrüffeltes Sahnerisotto mit zweierlei Langusten, méli-mélo, dazu nochmal A. R. Lenoble Rosé Mill. 2004

Zu den Trüffelaromen vom Risotto passte der Lenoble ganz gut, auch das Langustenfleisch war zusammen mit den etwas nussigen Komponenten des Champagners gut zu geniessen.

XV. Lammcarrée in Kräuterkruste mit Polenta und Bratensaft, dazu nochmal Gaston Chiquet Rosé Premier Cru

Ich bin der Ansicht, dass der Gaston Chiquet allein genossen werden sollte, die Kobination mit Speisen ist möglich, aber viele Aromen werden dabei überdeckt und dem Champagner geht das abwechslungsreiche Spiel verloren. Zum Lammcarrée machte sich der Rosé natürlich gut, der kräftige Bratensaft war aber genau die Art von Kombination, die meine Befürchtungen wahr werden liess: schmeckte gut, war aber nicht besonders raffiniert.

XVI. Schachbrett von Comtéwürfeln mit gebrannten Körnern, angeröstetem Sesam und Salatbouquet Mesclun, dazu Duval-Leroy Cumières Authentis 2001, 100 PN

Der Authentis war Blanc de Noirs at its best. Vollmundige, blütenüberströmte, duftige, weinige und auch mit Kelleräpfeln angereicherte Nase, bouquet garni und eine feiste, lockende Fleischigkeit. Im Mund eine überraschend jugendliche, lange Säure, die locker mit dem scharfen Aroma vom alten Comté zurechtkam. Auch das Salatdressing, eine sehr milde Vinaigrette, war kein Problem für diesen saftigen, überbordenden Champagner.

XVII. Lauwarmes Birnen-Nektarinensüppchen mit Honigeis und Makronen, dazu weiterhin Duval-Leroy Cumières Authentis 2001, 100 PN

Der Champagner wirkte neben dem Dessert recht trocken und schmeckte solo besser.