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Tag Archives: janisson-baradon

Bubbles over Berlin (II/II)

V. Reinsortiger Pinot Noir, Cumières Premier Cru und unklassifiziertes Aubeterroir

Lavals Champagner müssen bei mir immer dann ran, wenn ich richtig gute Aubewinzer vorstelle.

1. Georges Laval Hautes Chèvres

Der Hautes Chèvres gehört mit zu den stärksten Pinot Noir-Champagnern, die ich kenne. Weil er zu den burgundischsten Champagnern gehört, die ich kenne. Wer dagegen anrennen will oder soll, muss sich ganz schön was einfallen lassen. Kraft, Pfeffer, KIrsche, eine Aromenmitrailleuse.

2. Vouette & Sorbée Fidèle

Die Aube mit ihren verführerischen Pinots hält mit Macht dagegen. Raubkätzisch, mit samtpfotiger Eleganz und verspielter Brutalität, wie sie Katzen beim Erlegen ihrer Beute aus unserer Sicht an den Tag legen. Das erklärt vielleicht auch, warum Martin Zwick, der sich vom Laval nicht das Herz berühren lassen wollte, den fidèle so offensichtlich bevorzugte.

VI. Clin d’Oeuil: Oeuil de Perdrix

1. Charles Dufour Oeuil de Perdrix Brut Nature

Die Entstehungsgeschichte (beim pressen ging die Presse kaputt, daher die Roséfärbung) erinnert ein bisschen an die der Papilles Insolites von Lassaigne (der die Beeren einfach auf der Presse vergessen hat). Auch der Champagner ist besonders, mit einer von Herzen kommenden und zu Herzen gehenden Wärme, die keine alkoholische Hitze ist; griffig wie die Mannequins der Stummfilmära und mit einem überraschend weit ausgreifenden Fruchtspektrum versehen; Orange, Melone, rote, blaue und schwarze Beeren, Kirsche, Zwetschgenröster. Dahinter tun sich immer weitere Aromatürchen auf, wie die Wächter in Kafkas Erzählung „Vor dem Gesetz“, mit dem Unterschied, dass der Champagner bereitwillig Zutritt gewährt.

VII. Winzer-Prestigecuvées: Janisson-Baradon trifft Billiot.

1. Janisson-Baradon Tue Boeuf 2005

Über den Tue Boeuf als den Pinot-Bruder des Toulettes habe ich schon verschiedentlich geschwärmt, nachdem ich ihn solo getrunken hatte, nun musste er sich mit Laetitas Tochtercuvée einlassen. Ein Date der besonderen Art. Schnaubend, kraftgeladen, männlich, ganz ohne BSA der Champagner von Cyril Janisson, ganz der Vertreter einer erobernden Gattung.

2. Henri Billiot Cuvée Julie

Leichtherzig, frohgemut und in bester Raffaello-Werbefilmlaune war die ebenfalls ohne BSA entstandene Julie. Fruchtig, twenhaft, unverkitscht, eine selbstbewusste junge MIss und ein guter Fang allemal.

VIII. Aube und Grand Cru

Rein formal gesehen nochmal eine Steigerung zu der Kampfansage von Bertrand Gautherot an Lavals Premier Cru war dieser flight mit einem Minivinifikatuer von der Aube und einem Champagner aus dem kernhaftesten Kerngebiet der besten Champagnerpinots.

1. Cedric Bouchard Inflorescence Val Vilaine

Eigensinnig bis fanatisch darf man die Champagner von Cedric Bouchard wohl stellvertretend nennen. Bei der allerersten Konfrontation können sogar Zweifel aufkommen, ob der Inflorescence Val Vilaine überhaupt dem Champagner zuzurechnen ist. Ist er natürlich, nur dass die im Frühstadium prägnante Birnennote auf die falsche Fährte lockt. Mit mehr Luft kommt ein herberes, atlantischeres, mehr Salzgeschmack und Seeluft vermittelndes Aroma durch und selbst wenn dieser Champagner keine Fruchtbombe ist, punktet er ab diesem Stadium gerade mit seinen sparsam gesetzten, aber effektvoll kontrastierenden Birnen-, Apfel- und Marillenakzenten.

2. Gatinois Grand Cru Brut Réserve

Unberührt von den sich wandelnden Zeitläuften prangte die so klassische wie gute Reserve von Gatinois im Glas und wirkte, so Budi, wie ein Gentleman im Kordanzug. Nach meiner Auffassung und nach dem Genuss der Inflorescence allerdings auch einer, der für die deflorescence der Erstgenannten verantwortlich gemacht werden kann.

IX. Der Winzer und das Holz

Holz ist bei der Weinbereitung immer ein dankbares Thema. Deshalb gab es zum Ende hin einen flight, bei dem unter anderem der Holzeinsatz besonders schön nachvollzogen werden konnte.

1. Ulysse Collin Blanc de Blancs

Ganz behutsam und den jungen, auch jung vermarkteten Champagner nur leicht kitzelnd, setzt Olivier Collin seine Fässer ein. Heraus kommt ein kleiner, den silexdurchsetzten Boden des Sézannais funkensprühend und mit einer Note von Senfsaaten ins Glas transportierender Feuerteufel.

2. Vilmart Grand Cellier d’Or 2003

Laurent Champs kann wahrscheinlich mit solchen Feuerteufeln nichts anfangen, seine Champagner sind ganz anders, duftiger, konditorenhafter. Vielleicht, weil er auf seinem Gut von Kirchenfenstern umgeben ist. Ob nun freilich das himmlische Element obsiegt, oder das lokihaft-unterweltliche, kann bis zum apokalyptischen Weltenbrand nicht entschieden werden. Sicher ist nur, dass der zu 80% aus Chardonnay hergestellte Grand Cellier d’Or ausgerechnet als 2003er mir bislang schon so viel zuverlässigen Trinkspüass bereitet hat, wie nur wenige andere Champagner dieses Alters.

 

X. Schlussrosé Larmandier-Bernier Rosé de Saignée

Alle reden immer nur von Pierre Larmandiers Blanc de Blancs. Die sind toll, so puristisch und klar, keine Frage. Doch ist mir der Rosé der wichtigere und liebere Champagner aus seinem Programm. Für mich so etwas wie die Antwort auf Lavals Hautes Chèvres.

XI. Altweinschmankerl: Perrier-Jouet Belle Epoque 1971

Die Farbe altersgerecht, gerade wenn man die alten Belle Epoques kennt, die sich bei weiß und rosé einander immer sehr annähern. Leicht pieksende, acetige Säure war alles, was mich hätte stören können, wurde aber von einer unausgetrockneten Saftigkeit gut kompensiert. Ein wenig später getrunkener de Venoge Cuvée des Princes 1973 machte keinen so wohlgestaltigen Eindruck mehr.

Bubbles over Berlin (I/II)

Bubbles over Berlin, bzw. genauer genommen im Weinsalon von Martin Zwick, dessen Liebenswürdigkeit, Gastfreundschaft und Kochkunst den spannungsvoll erwarteten Champagnerabend zusammen mit einem zu der Zeit laufenden EM-Fußballspiel, das Deutschland meiner Erinnerung nach gewann, ganz und gar vollendeten. Die Veranstaltung selbst war deshalb so spannungsvoll zumindest von mir erwartet, weil gleich mehrere Sachen auf einmal ihrer Verwirklichung harrten. Nicht nur, dass es immer eine Herausforderung ist,Expertengruppen noch etwas beibringen oder veranschaulichen zu wollen. Es ist auch ein Herausforderung, die von mir dafür vorgesehenen Champagner in Deutschland, Frankreich und den sonstigen greifbaren Märkten zu bekommen. Nicht, weil es sich um Jahrgangsraritäten aus unvordenklicher Zeit handelt, sondern weil die Champagner nach Möglichkeit im genau richtigen Reifezustand sein sollten. Da es mir nicht darum ging, die als bekannt vorausgesetzten Spitzenerzeugnisse großer Häuser zu servieren, sondern exakt das Gegenteil davon, bin ich umso dankbarer, dass das Unterfangen geglückt ist. Nachgeholfen haben dabei zwei von mir sehr geschätzte und meiner innigsten Dankadressen würdige Händler. Nämlich Noblewine aus München und Vinaturel aus Berg am Starnberger See. Insbesondere Noblewine konnte mir einige Flaschen mit der von mir so dringend gewünschten längeren Flaschenreife zur Verfügung stellen; für mich ganz essentiell, denn viel zu viele Champagner werden viel zu früh getrunken: kurz nach der Marktfreigabe. Praktisch alle Champagner profitieren aber von einer Flaschenreife zwischen 9 – 18 oder 36 Monaten. Gerade die Champagner der Winzeravantgarde, die ich in Berlin vorstellen wollte, sind darauf nachgerade angewiesen. Umso schöner deshalb, dass die beiden engagierten Händler mir so hilfreich zur Seite standen. Getrunken wurde aus dem von mir für diese Zwecke favorisierten Zalto-Süßweinglas, für das Martin Zwick gesorgt hatte.

 

I. Rebsortencuvées

Im Einstiegsflight ging es mir weniger darum, die Gaumen zu kalibrieren, was genausogut zwei gewöhnliche Brut Traditions hätten leisten können; stattdessen ging es mir darum, die Aufmerksamkeit für die feineren Töne, letztlich also die Sinne zu schärfen. Daher der Trick mit dem auch vom Namen her natürlich gut zu dem Vorhaben passenden „5 Sens“.   

1.  Emmanuel Brochet Le Mont Benoit Premier Cru non dose (2007)

Ansatzlos trocken, keine verspielte Süße, insofern eine Perspektive auf das, was kommen sollte, nämlich eine Geschmackstournee zu einigen der derzeit meistbesprochenen Champagnerwinzer.

2. Olivier Horiot 5 Sens (2008)

Bei Horiots Fünf-Rebsorten-fünf-Einzellagen-Cuvée war gleich die erste Schikane eingebaut. Für Champagner ungewöhnlich florale Noten und eine unverblümte Sherrynote. Schuld sind Arbane und Pinot-Blanc, der mir nach mehrjährigen Annäherungsschwierigkeiten zuletzt als Vin Clair sehr gut gefallen hat.

 

II. Blanc de Blancs von der Aube

Die neue Aube kann auch Chardonnays von beachtlichem Zuschnitt. Der sportliche Argile-Champagner von Bertrand Gautherot musste sich mit dem eleganten Ironman unter den Champagnern messen.   

1. Charles Dufour Blanc de Blancs Brut Nature

Ein Champagner der wirkt, wie eine von Philippe Starck designte Bombe. Organisch, formschön, sinnesschmeichelnd, dabei nicht überfrachtet, sondern durch und durch auf Zweckmäßigkeit und Funktionsveredelung angelegt. Die Kombination dieses Champagners mit Auster, Brot, Yuzu- oder geräucherter Meersalz-Butter von Bordier ist immer noch maßstabsetzend.  

2. Vouette & Sorbée Blanc d’Argile

Viel ruhiger und in sich zurückgezogener ist der Argile jetzt. Unter den Aubechardonnays mimt er damit ein wenig die mineralischen Oger-Chardonnays, nachdem er in seiner unverschämten Frühphase noch so ausgelassen fröhlich war.

  

III. Reinsortiger Pinot Meunier

Jérôme Prévost und Benoit Tarlant zeigten die Schwingungsfähigkeit der Traube.

1. Jérôme Prévost La Closerie Les Béguines Blanc de Meuniers

Aronia, getrocknete Kumqat, Cashewkerne, Walnuss; unverfälscht, naturhaft und wie aus Urzeiten stammend. Als Goethe seinen Faust den Erdgeist beschwören ließ, muss er unter dem Eindruck dieses Champagners gestanden haben.  

2. Tarlant Blanc de Meuniers Vigne d’Or Extra Brut 2002, dég. 22.  Juni 2010

Schillernd und prachtvoll, gegenüber dem naturbelassen wirkenden Prévost so – allerdings im positiven Sinne – elaboriert und verschwenderisch, wie die Hofhaltung des Herzogs in, eben, Schillers Kabale und Liebe.

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IV.  Côte des Blancs Klassiker

Als Intermezzo kam ein Dreierflight aus Chardonnays der Côte des Blancs auf den Tisch. Angeführt von Pierre Peters aus Le Mesnil dem Repräsentanten einer für den Ort typischen mineralischen Champagnerstilistik. Erick de Sousa aus Avize mit seinem sonnenhell-körperreichen Avize-Champagner sollte die Aufmerksamkeit von Selosse, den man gemeinhin allein mit dem Ort verbindet, fort- und auf sich ziehen. Jacques Diebolt aus Cramant schließlich sollte seine ganz eigene Interpretation von Würze, Mineralität und Fruchtigkeit präsentieren dürfen. Am besten schnitt in der Runde de Sousas Charmebolzen ab. Nicht, dass ich zwingend damit gerechnet hätte, denn dafür war nun doch jeder der drei Champagner auf seinem Feld gut genug positioniert. Aber es zeigte sich einmal mehr, dass die Mesnilmineralität nicht überall gleichermaßen ungeteilten Beifall findet, selbst oder gerade beim deutschen, an Riesling gewöhnten Gaumen nicht. Die Komposition von Jacques Diebolt wiederum ist zwar nicht schwer zu verstehen, aber eine klare Stilfrage. Wer mit Portraits üppiger Frauen und molliger Putto-Kinder in kräftiger Farbigkeit nicht viel anfangen kann, wird auch keine Vorliebe für großformatige Kompositionen mit figurenreichen Gruppen in idealisierten Landschaften haben und von diesem Champagner kaum berührt werden.

 

P.  Pirat Raumland MonRose 2001

Nach dem Dreierflight hatte ein Pirat seinen Auftritt, der in meiner Mainzer Probe eine sehr starke Figur neben dem Rosé von Selosse machte und zur Zeit als bester Sekt Deutschlands gilt. Nach einer Reihe ausgesucht seltener und ausgesprochen typischer bis eigenwilliger Champagner und entsprechend geschärfter Sinne war es jedenfalls schonmal eine sehr gute Leistung der Gruppe, den Raumlandsekt als Nichtchampagner zu identifizieren. Damit verbunden war zu meiner Freude auch keine Abwertung, sondern eine meiner Meinung nach allseitig sehr faire Bewertung. Ich fand ihn diesmal etwas runder, gesetzter und crèmiger.   

 

Terroirs et Talents: Janisson-Baradon und Sélèque

 

Janisson-Baradon aus Epernay und Sélèque aus dem benachbarten Pierry sind das nächste Pärchen meiner Untersuchung.

I. Von Cyril Janisson konnte ich drei wichtige Grundweine und die dazugehörigen fertigen Champagner probieren. Der Non Dosé ist sozusagen der Prototyp oder die Planskizze, die weiteren Champagner von Janisson-Baradon bauen darauf auf. Von dem im Non Dosé erfahrbaren Konzept entfernen sich selbst die zwei neuen Stars der Kollektion Toulette und Tue Boeuf nicht sehr weit. Alle zehn Tage wird frisch degorgiert.

1. Non Dosé

50PN 50CH, 2006 und 2005

Die aktuelle Grundwein-Cuvée auf Basis des 2011ers mit Reserve aus 2010 zeigt den Hausstil in seiner reinsten Form. Den teilweisen Einsatz vom großen Holz merkt man ihm kaum an. Salz und Seife, eine hibbelige Fruchtigkeit und kompakte Struktur machen es schwierig, präzise Eindrücke zu gewinnen. Der Champagner zeigt dann schon deutlicher, wohin die Reise geht. Auch er ist noch aufgekratzt, leistet am Gaumen Widerstand und würde seine feine Zitrusfrucht am liebsten vor dem neugierigen Publikum verbergen, was ihm mit zunehmender Flaschenreife immer schlechter gelingt, sehr zur Freude der Kunden des Hauses.

2. La Toulette 2005

Als 2011er Grundwein strahlt der hier verwendete und 1947 gepflanzte Chardonnay, der übrigens kein gewöhnlicher Chardonnay, sondern ein Chardonnay Muscaté ist, wie ihn auch Aurelien Laherte zu 50% in seiner Cuvée Empreinte hegt, eine Zitronenbuttercrèmenote aus, die merklich weniger Säure hat, als gewöhnliche Chardonnays – obwohl gar keine BSA durchlaufen wurde. Der 2000er Toulette war der allererste Einzellagentoulette, vorher ging er zu 50% in die damalige Spitzencuvée Georges Baradon ein. Die hat Cyril mit dem 2001er auslaufen lassen. Eine gute Entscheidung, wie ich finde. Denn die beiden Komponenten des Georges Baradon, Toulette und Tue Boeuf, sind entgegen der klassischen Cuvéetheorie einzeln stärker als zusammen. Der 2005er Champagner begeistert mit reifen rauchigen bis teerigen Noten und immer wieder raumgreifendem Lemon Curd,

3. Tue Boeuf 2005

Diese Pinot Noir Einzellage war im Georges Baradon das Gegenstück zu den Toulettes. Der Grundwein war rund, füllig, mit einer leichten Salznote;am Zungenrand leicht kneifend, hinterließ er einen überwiegend pflanzlich-faserig wirkenden Eindruck. Der Champagner konnte sich auf Anhieb in meiner Gunst noch über den Toulette stellen. Ohne BSA, dennoch nicht beißend oder aggressiv, sondern wie poliertes Edelholz, mit Honig und angemessener, auf Brioche gelagerter Reifenote, für mich einer der herausragenden Champagner des Jahrgangs.

 

II. Champagne Sélèque

Nicht sehr bekannt ist der biodynamisch arbeitende Erzeuger Sélèque. Die dort probierten Grundweine aus den Einzellagen Les Gouttes d'Or (Pinot Meunier ohne BSA) und Cantuel (85PM 15CH) waren ungewöhnlich ausdrucksvoll, barsten teilweise vor Expressivität, ebenso die Grundweincuvée Partition (70CH 15PN 15PM). Von limonadiger Sprtizigkeit bis zur ruhigen, weichen Weinigkeit gesetzter Pinots waren die Vins Clairs weit gefächert in ihren Möglichkeiten und zeigten ihr Potential teilweise auch bei den jungen Champagnern. Altes Holz geht bei Sélèque zu 30% in die Vinifikation ein, genutzt werden dafür burgundische Fässlein mit 228 l, solche mit 300 Litern Fassungsvermögen und pièces champenoises mit 205 Litern, außerdem Foudres mit 2000 Litern.

1. Cuvée Spéciale

60CH 30PM 10PN, 2008er Basis und 40% Reservewein, gute 15% der Cuvée waren im Holz; mit 7 g/l dosiert.

Der Champagner ist süffig und mürbe zugleich, was mir sagt, dass der junge Basiswein und die reiferen reserven sich noch nicht völlig miteinander vertragen.

2. Blanc de Blancs "Or Blanc"

Chardonnay, 2008er Ernte, mit 6 g/l dosiert.

Der Chardonnay war wegen seiner zehrenden Art nicht mein Fall. Am Ende kam dann noch eine Wendung ins Lakritzige dazu, die ich bei jungem Chardonnay überhaupt nicht leiden kann.

3. Rosé de Saignée

85PN 15 CH, 2008er Ernte.

Versöhnlich stimmte mich der sehr gute Rosé. Leicht, unbeschwert, mit dem Erfrischungsgetränkcharakter, den die Grundweine verhießen. Am Rand franselte der Rosé etwas unscharf aus, da wäre bei kommenden Cuvée und mit mehr Reife noch drauf zu achten. Im Moment könnte man die mangelnde Kontur gut mit Mehlspeisen kaschieren, in die der Champagner problemlos überleiten wird.  

Champagne Floater


1. Paul Dethune Blanc de Noirs, dég. Juni 2010

Üppiger Winzerchampagner mit leichtem Fassausbau, immer wieder eine sichere Bank, leider nicht mehr zum Kleinerwinzerpreis zu bekommen. Tip: die Lotnummern geben bei den Champagnern von Dethune das Dégorgierdatum an. Die Großbuchstaben stehen für die Cuvée, danach kommen die mit (T) gekennzeichneten beiden Endziffern des Jahrs der Tirage. Das (D) steht für das Datum des eigentlichen Dégorgements.

 

2. Marc Hébrart Premier Cru Reserve

Handgerüttelt, ca. 80% Pinot aus Bisseul, Avenay Val d’Or und Mareuil, aus Weinbergen direkt neben dem berühmten Clos des Goisses von Philipponnat; der Rest ist Chardonnay. Zu diesem Champagner habe ich mal Apfelspass notiert und genau das ist die zutreffende Bezeichnung auch nach einiger Flaschenreife. Nicht mehr ganz so ausgelassen tobend, aber mit einer immer noch frappierenden, von lieblicher Säure begleiteten Apfelfülle.

 

3. Janisson-Baradon Brut

50PN 40CH 10 PM.

Eigentlich so etwas wie die Visitenkarte des Hauses, dessen Portfolio sich nach oben hin etwas auszufasern beginnt. Dort steht die meist etwas knorrige Großvatercuvée George Baradon neben der Special Club Einzellage Les Toulettes und beide Champagner sind gut, die Toulettes ohne die Oxidationsneigung vom Opa und mit längerem, stärkerem Griff. Man ist beim Durchkosten erstmal geneigt zu fragen, wo denn das Verwandtschaftliche Element steckt. Wahrscheinlich in der Weinigkeit aller Champagner des Hauses. Denn flirrige Flitterbrause ist nicht das Metier dieses Erzeugers. So ist denn der Brut kein belangloser Appetitanreger, sondern ein hefig-röstiger, für seine Preisklasse sehr fordernder und dabei mit nur wenig Früchteaufwand antretender Champagner.

 

4. Maxime Blin Vintage 2000

Das Massif St. Thierry ist die Heimat der Blin-Familie und eine der ersten Gegenden, die für den Weinbau kultiviert wurde, eine der zahlreichen Wiegen der Champagne, wenn man so will. Reine Schwerkraftpressung ergibt bei Maxime Blin (es gibt eine ganze Reihe Blins in der Gegend, daher obacht bei der Planung von Besuchen auf dem Weingut) einen leichten, fruchtigen, auch blumigen Wein mit nobler Säure und sehr viel Engagement im Mund. Trinkt sich zur Zeit besser als der 2002er.

 

5. Baillette-Prudhomme Reserve

Dreimädelhaus in Trois-Puits. Marie-France, die Witwe von Jean Baillette und ihre Töchter Laureen und Justine führen das unscheinbare Haus mit dem erstaunlichen Keller. Belebend, jugendlich, trotz des Reserveweinanteils, der bei Baillette-Prudhomme meist ziemlich hoch ausfällt und auch mal 70% betragen kann. Palatschinken mit Marille; Kräuter. Nach dem Preisanstieg der girls in jüngster Zeit greife ich am liebsten auf diesen noch bezahlbaren Sprudel zu, bei den Töchtern verkneife ich mir das zugreifen, da muss schauen genügen. 

 

6. Leclerc-Briant Chèvres Pierreuses

40PN, 40CH, 20PM. Biodynamisch.

Hat sich scheinbar wieder etwas gefangen, kam mir aber erneut zu hoch dosiert vor.

 

7. Lamiable Grand Cru Extra Brut

60PN, 40CH. 5 g/l Dosagezucker.

Verführerisch, saftig, rein, aber nicht unschuldig. Sehr weltlicher, genussfördernder Champagner. Von Lamiable habe ich bisher nur Gutes getrunken, mich wundert etwas, dass das Haus nicht dieselbe Aufmerksamkeit erfährt, wie andere, ähnlich gut und konsistent produzierende Erzeuger. Besonders schön finde ich, dass die Auswahl der Champagner nicht verfranst ist, sondern überschaubar, mit sinnvollen Dosageabstufungen, einem anständigen Special Club und einem exzellenten Einzellagenchampagner mit sechzig Jahre alten Rebstöcken: Les Meslaines. Die neue Chardonnaycuvée Phéérie aus dem Pinot Grand Cru Tours sur Marne muss ich erst noch probieren. Ich erwarte eine weitere Bereicherung für die Nische der Blanc de Blancs aus dem Pinot-Eck östlich von Dizy.

 

8. Remy Massin, Rosé

Voilà, die Aube. Nicht ganz die Avantgarde, die Aubewinzer wie Bertrand Gautherot, Cedric Bouchard, Emmanuel Lassaigne oder Thierry de Marne repräsentieren, aber ein Champagner, der das Image der Gegend sicher nicht beeinträchtigen wird. Mollig, eingängig, freundlich, unkompliziert, aber nicht banal, von breiterer Statur als die kühlen Pinots, die man z.B. bei Lamiable finden kann. Überdurchschnittlich guter Aubechampagner, dem das täppische, bäuerliche fast ganz fehlt.

 

9. J.-F. Launay, Cuvée Grain de Folie

Wenn Künstlers Kirchenstück der Pinot unter den Rieslingen ist, dann ist die Cuvée Grain de Folie das was der Elbling unter den Moselrieslingen darstellt oder so ähnlich. Sympathisch-frecher Außenseitercharakter aufgrund seiner stichelnden bis blanken Säure und ein Trinkerlebnis so brenzlig wie ein heißer Flirt mit der Personalchefin. 

 

10. Grongnet, Carpe Diem Extra Brut

70CH 20PN 10PM.

Einer der unbekannteren Special Club Erzeuger, ähnlich wie Lamiable. Der Chardonnay gibt hier klar den Ton an und wirkt so bubenhaft, tatkräftig und unverbraucht, wie der Freiherr zu Guttenberg in seinen besten Tagen. 

 

11. Bérèche  Père et Fils, Réserve

Von fast allen Champagnern hat Rafael Bérèche immer zu wenig, das ist leider so. Den besten Zugriff und Einstieg in seine Geschmackswelt kann man sich aber durch intensives Verkosten seiner langjährig erprobten und stets für gut befundenen Réserve sichern. Für fortgeschrittene Ultrabruttrinker ist der Réserve natürlich nichts, die stören sich an den 9 g/l Dosage und warten lieber auf ihre Miniallokationen an "Beaux Regards", "Reflets d'Antan" oder "Le Cran" – ich ja eigentlich auch, aber irgendwas muss man in der Wartezeit zwischen Zuteilung und erster Flasche, bzw. während der selbst besorgten Flaschenreife ja trinken.  

 

12. Yves Ruffin, Premier Cru Élevé en Fûts de Chêne

75PN 25CH, vinifiziert von von Laurent Chiquet (Jacquesson).

Man weiß nicht, ob und wie lange die Witwe von Thierry Ruffin das Haus in dieser Form führe wird. Sollte sie sich dagegen entscheiden, wäre das ein Verlust. Die Spezialität von Ruffin sind nämlich fassausgebaute Champagner, bei denen jetzt schon viel los ist und bei denen sich gute Önologen sicher noch so richtig schön austoben können, auf der Suche nach dem letzten Schliff. Kraftvoll, holzwürzig, mit nahtlos angesetzter Frucht und frischfröhlichem Ausgleiten.

Freundschaftsspiel Delamotte ./. Janisson-Baradon im Champagnerleistungszentrum

 

 

Im Champagnerleistungszentrum wird nicht immer nur erbittert trainiert und gekämpft, es gibt auch freundschaftliche Zusammenkünfte. So wie zwischen der älteren Cousine von Champagne Salon und dem gravitätischen Herrn Baradon.

 

A. Delamotte Blanc de Blancs

Bei Delamotte muss man sich davor hüten, ihn mit der Vorstellung zu trinken, einen kleinen Salon im Glas zu haben. Denn die Verwandtschaft ist zwar da, aber doch nur wie bei zwei zärtlichen Cousinen. Für prüd-mürbe Gemüter schon ein verbotenes Prickeln, aber nach den Wertungen von § 173 StGB und § 1307 BGB quasi business as usual. Und doch lässt einem die jüngere von beiden, die Venus im Pelz (von Eugène-Aimé Salon, einem Pelzhändler) regelmäßig die Brille beschlagen. Wir hatten es dennoch auf die Ältere abgesehen. Eine gute Entscheidung, wie sich nach einer halbstündigen Wartezeit zeigen sollte. So lange dauerte es nämlich, bis sich die feine Dame entblättert hatte. Und was sich da offenbarte, war mitnichten ein barfüssiger Bauerntrampel, sondern eine hochgewachsene, aristokratische, wenngleich öffentlichkeitsscheue Schönheit. Vergessen war die kühle, distanzierte Begrüßung, die so charmant war, wie eine Mischung aus kaltem Zigarettenrauch und Minzbonbon. Fast unbemerkt hatte Delamottes jahrgangsloser Blanc de Blancs sich mit einem eleganten Rumrosinenparfum und einer Schleppe köstlicher, saftiger kirschwassergetränkter Früchtebrotstücke appetitlich hergerichtet. Bei aller Frugalität und langsam zelebrierten Verführungskunst war Delamottes BdB aber leider stets kurz angebunden und hinterließ dann doch keinen auch nur annähernd so langen Nachhall, wie der große Auftritt vermuten ließ. Vielleicht kommt das noch.

 

B. Janisson-Baradon Cuvée George Baradon 1999

Nachdem Tom Stevenson und Richard Juhlin leider keine eigenen Verkostungsnotizen zu Janisson-Baradon zu bieten haben, ist es unbedingt an der Zeit gewesen, in diese Lücke hineinzustossen. Ein guter Ansatzpunkt ist dafür stets die Cuvée du Fondateur eines Hauses. 1922, also ein Jahr nachdem Salon seine Champagner erstmals kommerzialisierte, gründete George Baradon das heute unter Janisson-Baradon firmierende Haus. Nach ihm ist die Spitzencuvée benannt. Mittlerweile muss sie sich den Platz an der Spitze des Sortiments mit dem nach den Regeln des Club des Trésors de Champagne kreierten Einzellagen-Jahrgangschardonnay "Les Toulettes" teilen. Das macht aber nix, die beiden Champagner sind unterschiedlich genug, um das Portfolio nicht zu zerfasern. Der George Baradon ist ganz im Stil der damaligen Zeit ein Mix aus den beiden Edelreben, 70% Chardonnay und 30% Pinot-Noir, aktuell wird der 2001er verkauft. Verkostet wurde der reifere, schon zugänglichere 99er. Der tat mit weltmännischer Gebärde auf, war mit einem sehr gentlemanhaften Parfum angetan und duftete deshalb unaufdringlich nach einer Mischung aus Edelholz, Armagnacpflaumen, rotem Apfel und Blutorange. Mit Luft verfeinerte sich das Gemisch zusehends und unterstütze die ebenso leb- wie gewissenhaft am Gaumen arbeitende, schlanke und unaufdringliche Säure bei ihrem erfrischenden Werk.

 

C. Auswertung

Zwei sehr unterschiedliche Champagner. Herkunft und Alter wirkten trennend, verbindend dagegen der hohe Qualitätsanspruch und die ausdrucksvolle Performance. Bei Delamotte könnten gern noch ein paar Jahre der Reifung hinzukommen, beim Baradon sass jetzt schon alles so gut und präzise, dass man sich nur wünschen kann, es möge möglichst lange so bleiben.