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Tag Archives: olivier horiot

Terres et Vins de Champagne: Bérèche, Horiot, Laherte

Bérèche 

Beaux Regards Chardonnay auf 2009er Basis, Butter, Gras und heu, im Mund kakteeig, stechend, sehr fordernd.

Le Cran 2006 war dick, reif und schön, erstmals, seit ich diese Cuvée kenne, übrigens. Und im Gegenzug fehlte mir direkt nach dem beaux Regards ein wenig die Säure.

Campania Remensis Rosé, mittelgewichtig, nicht besonders fruchtgewaltig, mit mäßiger Säure. Der etwas wässrige Charakter verschwand mit Luft und Zeit.

 

Horiot

Métisse 2009er Basis aus 50PN und 50PB, mit Minisolera bis 2006, 2 g/l gewohnt gefällig, spassig, aber etwas kurz geratener Trinkspass.

Sève en Barmont Rosé de Saignée, 2007er Basis, mit 2 g/l dosiert, Rosenblüte, Weingeist und Mahagoni, wirkte dadurch etwas seltsam.

 

Laherte

Blanc de Blancs Brut Nature, sehr viel Vitamin C und eine enge Bauweise

Empreinte, sehr frisch, sehr schlank, ohne den Eindruck von Enge, den der Blanc de Blancs hinterließ, dafür mit leichtem Bitterl

Ultradition, mit 7 g/l dosiert, was höher klingt als es dann schließlich schmeckt.

 

Terres et Vins de Champagne 2014

Die Mutter aller Treffen, das Woodstock des Champagners, der jährliche Kulminationspunkt regionalen Könnens, das alles ist die Schau der Champagnerwinzer von Terres et Vins de Champagne nicht. Ein Fest der convivialité, ein unkompetitives Familientreffen oder ein Fenster in die Ideenwerkstatt einiger führender Winzer schon eher. 

Ein liebevoll gestaltetes Rahmenprogramm ermöglicht es einer kleinen Gruppe von Freunden dieser Veranstaltung, noch tieferen Einblick zu erhalten, als das ohnehin schon möglich ist. Dieses Jahr gab es am Vorabend alte Jahrgänge der Winzer zu probieren, bis zurück in die Sechziger (der älteste war von Gastgeber Goutorbe und schmeckte nach der bis heute vorhandenen hohen Dosage, aber gleichzeitig so sanft, karamellig, reif und gut, dass ich das gern verzeihe und die gerade wegen ihrer im Umfeld der Terres et Vins für mich immer viel zu hoch erscheinende Dosage jetzt mit anderen Augen zu sehen geneigt bin), und da war manches gut erhaltene Schatzekind dabei. Für mich war das mehr als lehrreich, wobei ich gleich relativieren will: das sind überwiegend Champagner gewesen, die man nicht kaufen kann und die für die meisten Konsumenten keine große Rolle spielen werden. Der Lehr- und Mehrwert dieser Veranstaltung, abgesehen davon, dass man sich als Teilnehmer bestens unterhalten und charmant gebauchpinselt fühlen kann, liegt darin, dass Entwicklungslinien der Erzeuger deutlich werden, die sonst vielleicht verborgen geblieben wären. Austern und Salat vom Kaisergranat sorgten für die alkoholfreie Flüssigkeits- und Proteinzufuhr, zuständig dafür war das Reimser Lokal Le Bocal, einem der besten Fischläden der Stadt und den meisten regelmäßigen Reims-Besuchern sicher ein Begriff.   

Am nächsten Tag fand die eigentliche Terres et Vins de Champagne statt und ermöglichte den Blick in die Zukunft des Champagners.

Bérèche 

legte mit dem Beaux Regards Chardonnay auf 2010er Basis mit 2 g/l Dosage ein lächerlich hohes tempo vor. Dieser Gewaltchampagner ist ein Pflichtkauf, mir ist kein Champagner geläufig, den Bauteilen Apfel, Nuss, Druck und Burgund eine ähnlich brisante, explosive, gelungene Mischung am Gaumen abliefert. Der Rive Gauche Pinot Meunier auf 10er Basis mit 3 g/l ist anders gebaut. Knackige Säure, Reife, ein Champagner, der mitten in der Entwicklung steckt und zum Ende hin selbstbewusste, sehr feine Süße zeigt. Mit dem ormes Coteaux Rouge aus PM/PN endete das Programm von Rafael beinahe symptomatisch: immer mehr Spitzenwinzer befassen sich nämlich mit der Stillweinvinifikation. Vielleicht, weil man dabei sehr viel über seinen eigenen Champagner lernen kann, nicht immer mit dem gewünschten geschmacklichen Erfolg, aber mit einer rasend schnell zunehmenden Präzision und einem laufend fortschreitenden Verständnis für Champagner, durch das Spiel über Bande. Elegant, schlank und schmalfüssig war der Rotwein, aber für mich durch nichts merklich mit dem Champagner verbunden, anders noch als bei Dehu zwei Tage zuvor, wo es sich allerdings auch um die  Interpretation einer Einzellage in rot/still, weiß/still und als Champagne handelte.

Horiot 

öffnete mit dem Les Escharere einen Mergelpinot (100PN), dessen salziger Charakter von einer sämigen Textur begleitet wurde, die wegen ihres Wiedererkennungswerts irgendeine Art von Terroir-Epitheton verdient hat, ohne dass ich gleich die Terroirdiskussion hier wieder entfachen will. Klar ist nur: der Champagner hat geschmackliche Eigenarten, die ihn von Pinots selbst aus der unmittelbaren Nachbarschaft (der hausintern als Grand Cru angesehene En Valingrain beispielsweise) unterscheiden und die nicht auf offenkundige Kellermethoden zurückzuführen sind; doch wie auch immer, der Escharere gehört zu den Spitzen des Gebiets und fügt der Bandbreite des Pinot wertvolles hinzu. Weniger offen schienen mir die beiden En Barmonts zu sein, die sich gegenüber dem Valingrain eine Komplexitätsstufe weiter unten angesiedelt haben. Der Pinot Blanc aus dieser Lage wäre sicher mal ein interessantes Muster im Vergleich mit zB den Weinen von Dr. Heger. Der Métisse erwies sich einmal mehr als optimaler Freizeitchampagner und auf Flaschen gefüllter Wuzzlerspass. Der Sève en Barmont in weiß bildete mit seiner Gewichtigkeit, dem rauheren und aromatisch dunkleren Charakter einen Übergang zwischen Métisse und Sève Rosé, der wiederum als veritabler Wein auftrat und mich von der Nase her dringend an die schönen Pinots aus dem Tonnerrois erinnerte. Ein zum Schluss probierter Rosé de Riceys aus 2009 schien mir noch längst nicht trinkbereit, zu warm und rosinig einerseits, zu ungesetzt, zergliedert und stellenweise wässrig auf der anderen Seite. wenn sich das mal ineinanderfindet, wird der Wein Spaß machen, es kann aber gut sein, dass die beiden Entwicklungslinien aneinander vorbeilaufen oder sich verpassen und dann war's das natürlich.

Brochet

ist noch nicht so lange im Club und gehört dort aber schon länger hin, wie man weiß. Gekonnte Fassvinifikation ist nämlich ein geeignetes Aufnahmekriterium, neben anderen. Gut, also richtig gut, mit Pinot Meunier umgehen zu können, ist, je nach Herkunft, vielleicht ein weiteres Kriterium. Bei Brochet gab es Pinot Meunier und Chardonnay nebeneinander, was die programmatische Ausrichtung andeutet. Der Meunier war dann dementsprechend nicht nur gerade mal so trinkbar oder so etwas ähnliches wie ein seltsam fruchtig geratener kleiner Chardonnay oder ein wunderliches Zeug mit erstaunlicher Säure, das man aber nicht recht trinken mag, erst recht kein Brottrunk oder eindimensionale Hefesuppe, sondern ein Wein, an dem die Holzverwendung mit Bedacht zur Veredelung geführt hat und der auf den Punkt trocken war, ganz ohne jedes unnötige Zuckerschwänzchen. Wie ein großer Cousion erschien daneben und danach der Chardonnay, der den Meunier wie eine sehr gute Illusion wirken ließ, weil nun einfach von allem mehr kam, fordernder war und die Aufmerksamkeit stärker fesselte. Das war so notwendig wie gut, denn nun sollte es mit dem für einen Extra Brut erstaunlich süß wirkenden Mont Benoit einen der Champagner geben, von denen man noch viel hören wird, gerade in Kreisen, die sich mit fermentierten Speisen und puristischer Kochkunst befassen. Der Haut Chardonnay 2006 war dann eine Art Reverenz an den Stil, den schon Rafael Bérèche vorgezeigt hatte und der sich seit den Tagen, in denen Anselme Selosse den Winzerchampagner umgekrempelt hat, eine eigene Daseinsberechtigung geschaffen hat. Bei Brochet mit fein geschliffenem Holz, vielversprechender, reifer Süße und Eleganzvorräten für die nächsten Jahre.      

Laherte

Der junge Aurelien ist gar nicht mehr so jung, wie es sich anhört, wenn ich immer wieder von ihm rede. Fünf Jahre ist es her, dass ich ihn in Chavot besucht und mit Genuss in die Fässlein gelugt habe. Seither hat sich viel getan und Aurelien hat sich als der erwiesen, für den ich ihn damals schon berechtigterweise halten durfte. Ein Winzer mit langfristiger Perspektive und nicht ein Experimentierer ohne Substanz. Sehr schön hat sich nämlich sein Programm bisher entwickelt und die Früchte der Arbeit, die ich 2009 bestaunt habe, werden jetzt langsam reif. Der Empreinte aus 50PN 50CH ist als vin clair weich und gediegen, mit hintergründiger Säure, eng verwandt mit dem Pinot Meunier Vignes d'Autrefois, also ziemlich alten Pflanzen; der Meunier ist weich und rund, dabei im vin clair Stadium noch sehr konzentriert auf die Bändigung allzu fetter Aromen, die sich gern bei solchen Champagnern in den Vordergrund drängen und wie eine Schmalzschicht auf dem frisch geöffneten Dosenfleisch liegen. Vollmundig, aber noch nicht stopfend ist der Blanc de Blancs Brut Nature aus den Jahren 2011 und 2010. Bei den Champagnern zeigte der Empreinte 2009 eine entfernte, ganz entfernte Verwandtschaft zu Janisson-Baradons Toulette und begeistert mich daher schwer. Der Vigne d'Autrefois 2010 ist Testat für den Erfolg, den der vin clair noch erringen muss. Süße, Konzentration und Reife stehen im Einklang, der Champagner ist ein gelungener Ausdruck für alten Pinot Meunier Bestand.

Jeaunaux

ist eine Jahr für Jahr sichere Bank, wenn es um die Spitzencuvée Les Grand Noeuds geht, der Bereich darunter schien mir immer etwas unspektakulär, bestenfalls konservativ, solide, mit geringer Renditeerwartung und dementsprechend geringem Verlustrisiko. Will man sowas beim Champagner? Eigentlich doch nicht, könnte man meinen. Aber weil man andererseits natürlich nicht unentwegt die großen Partysprudler aufzureißen geneigt ist, gibt es einen sogar ganz beachtlichen Absatzmarkt für diese Art von Champagner. Schauen wir uns die genauer an, sehen wir, dass es riesige Unterschiede gibt, zwischen einfachem, auf Nummer sicher produziertem Sprudel und passgenau produzierter Winzerware. Dort hat sich Cyril Jeaunaux positioniert und mit Wonne breitgemacht. Sein Prestige Zéro aus 70% 2009er und 30% 2008er besteht aus 80CH und 20PN. Dafür entwickelt sich dort erstaunlich viel Schokolade und der Nusscharakter, der hinterdrein kommt, fördert diesen Eindruck noch erheblich. Das macht den Champagner angenehm mollig und war, ein Winterchampagner geradezu. Der im Fass vinifizierte Grand Noeuds 2005 ist ein undosiert gebliebener Drittelmix, der kein bisschen Zucker nötig hat, um jedes eingeschlafene Mienenspiel freudig zu beleben. Die Krönung in Sachen Fröhlichkeit ist der Rosé Saignée aus 2011er Pinot Meunier, mit satten 7 g/l publikumsfreundlich dosiert, im Mund aber gar nicht pappig, süß, aufgesetzt oder doof grinsend, sondern stimmig, unübertrieben fruchtig und ein sehr charmanter Stimmungsaufheller für den gehobenen individuellen Geschmack.

Marie-Noelle Ledru

ist eine der Pionierinnen des Biochampagnermachens und als ich vor Jahren mal bei ihr war, stand sie, die mir von Francis Boulard empfohlen worden war, noch ziemlich alleine mit ihren Ideen da. Da wundert es mich, dass sie erst so spät zu den Terres et Vins Erzeugern dazugestossen ist, denn eigentlich hätte sie dort von der ersten Stunde an mitmischen müssen. Egal, lieber spät als nie. Ihre vins clairs überzeugten mich jedenfalls sofort und riefen Erinnerungen wach, denn Ledru habe ich ehrlich gesagt selbst schon seit längerer Zeit nicht mehr getrunken, an eine etwas schwächere Flasche kann ich mich noch erinnern und daran, dass die Stilistik im Übrigen aber sehr einheitlich war. Das bestätigte sich, wobei ich sehr darüber gestaunt habe, auf welchen Unterschiedlichen Wegen Mme. Ledru zu dieser einheitlichen Stilistik kommt. Der Grand Cru Brut aus 50% 2009er und 50% reserve perpetuelle zum Beispiel, der schon so vollmundig, überlaufend saftig und leicht nussig schmeckt, findet so schon im Grand Cru Brut Nature 2006 angelegt, der aus 85PN 15CH gemacht ist und sich wie ein mit getrockneten Apfleringen aufgelockerter Pinot Noir trinkt, mit dem man kleingemahlene Nussreste aus den Backen und Zahnzwischenräumen spült. Die Blanc de Noirs Cuvée de Goulté 2009 ist mit 5 g/l dosiert und hat das sportlich-kompakte Auftreten, das mir auch bei meiner ersten Begegnung mit Mme. Ledru an ihr selbst aufgefallen war. In ihrem derzeitigen, jungen Entwicklungszustand wirkt sie noch sicherheitshalber leicht abgepolstert und wird sich, wenn der Speck weg ist, sicher in die längere Reihe feiner Goultés einreihen, die ich für unbesehen kaufwürdig halte, wenn man die typische Stilistik von Mme. Ledru mag und ganz nebenher noch etwas über Ambonnay lernen will.

Marie-Courtin

hatte ich im Frühjahr heimgesucht und ich will nicht sagen, dass ich schwere Verwüstungen im dortigen Bestand hinterlassen habe, aber es ist einfach so, dass ich mich da sehr gerne durchprobiert habe, weil mir die Arbeit von Dominique Moreau seit dem ersten Kennenlernen bestens gefällt und immer stärker zusagt. Die vins clairs waren ausnehmend süß, sehr weich, sehr vollmundig und doch voller Spannung, was für die daraus zu fertigenden Cuvées das beste hoffen lässt. Glockenhell war wie immer die Résonance (2009), ultrasauber und reinigend am Gaumen. Die Concordance (2010) hatte mehr Schmutz, mehr Leder, mehr Nuss und Phenol in der Nase, war im Mund aber entspannt, rund, weniger hart als zuletzt vor Ort probiert, trotz fehlenden Schwefels. Die Efflorescence  (2009) sodann war, wie sich das schon seit 2013 ankündigt, mein geheimer und nun immer offener zutage tretender Favorit, ungeachtet aller meiner Bewunderung für die fabelhafte Eloquence. Aber die Efflorescence ist zurückhaltender, haut nicht ganz so ungebremst zu, sondern fordert den Gaumen reizend auf, ihr hinterherzuspüren wie der Rüde einer heißen Hündin hinterhechelt. Hier sind die meisten und schönsten Früchtchen drin versteckt, was die genussbelohnung so frugal ausfallen lässt, wie man es den anderen Cuvées nichtmal ansatzweise entnehmen kann, von der Ausnahmecuvée Eloquence wieder abgesehen.      

Leclapart

der am Vorabend mit einer Showeinlage für beste Unterhaltung gesorgt hat, war am Einsatztag ein ebenso guter Unterhalter in Form der von ihm mitgebrachten Champagner und vins clairs. Sein Amateur en vin clair 2013 überraschte mit Salz, Zucker und sauren Lakritzheringen, was zu den mehligen, bananigen Aromen zunächst reichlich seltsam war, in der Gesamtschau aber ein Bild gab, das so abwegig gar nicht mehr erschien. Der Astre 2013 war bananiger, weniger mehlig, wirkte weicher und süßer, insgesamt fruchtiger und nicht so durchgedreht wie der Amataur, auf den ich aber neugieriger bin, wenn er denn ins Champagnerlager übergetreten ist. Der Alchimiste 2009 war schon fertiger Champagner und man muss sich diesen Champagner als einen mächtigen Rosé vorstellen, der glatt einen Anteil Cabernet-Franc enthalten könnte, wenn man es nicht besser wüsste. Der Rosé Elion von de Marne Frison und der Terres Rouges 2003 von Jacquesson schlagen in dieselbe Richtung und machen wohl vor allem Wuchttrinker so richtig an. Brachiales Zeug und eine echte Belastungsprobe für feine Zungen. Der L'Astre 2010 Blanc de Noirs non dosé schien sich optisch an die orange wine Bewegung anhängen zu wollen. Nussigkeit und Salz erinnerten hauptsächlich an die sehr leckeren Rauchmandeln in der kleinen Blechdose von Kern-Energie, die ich gelegentlich verzehre, die mir aber in größerer Dosis auf den Wecker gehen. In den drei Jahren die seit dem 2010er Astre vergangen sind, hat David sich offenbar Gedanken darüber gemacht, wie sich die Pinotidee noch besser in die Tat umsetzen lässt. Gegenüber dem 2010er, der sehr ungezogen wirkt, ist der 2013er braver, geschniegelter und detailverliebter. Jetzt könnte man sagen, dann muss er auch langweiliger sein als der wilde 2010er; aber genau das will wiederum ich nicht glauben. Ein Winzer wie David Leclapart nimmt keine Modifikationen vor, die seine Weine langweilig werden lassen. Die weitere Bewertung bleibt deshalb der Zukunft überlassen, wie so oft bei Leclapart.

Laval

konnte mit zwei überragenden Weinen glänzen. Sein Chêne Chardonnay 2013 (vin clair) war purer Sex, wie Norman Mailer gesagt haben würde. Lemon curd, Quitte, Apfelmus, Verbene, Minze, Menthol, verruchte Süße, beinahe stechende Konzentration. In puncto Säure übertrieb mir der Hauts Chèvres PM dann ein wenig, obwohl er am unteren Ende der Aromenskala im Orangenmarmeladenbereich fest verankert war und mir im Ergebnis sehr gut gefiel. Unter den Champagnern stach weit heraus  Les Chênes 2009, eine Woche vorher erst degorgiert, sehr unruhig, zappelig wie die Leute die in Science-Fiction Filmen an irgendwelche Matrix- oder sonstigen virtuellen realitäten angeschlossen sind und dort übermenschliche Kampfanstrengungen ableisten müssen, die ihren physikalischen Körper an die Grenzen seiner Kapazität führen. So wirkt auch der aktuelle Chênes wie ein Chardonnay, der kurz vor dem bersten steht. Das gibt ihm eine gefährliche Sexyness, zumal man ja weiss, dass nichts schlimmes passieren kann, außer, dass die Flasche zu schnell leer ist. Brut Nature Premier Cru aus 20011 und 2010 (10%) mit 40CH 30PN 30PM und Hauts Chèvres 2009 waren von üblicher Art und Güte, d.h. immer noch herausragend, aber nicht auf dem Niveau des Eichenchardonnays.  

Tarlant

Es gibt nicht viele Adressen, bei denen schon die Grundweinprobiererei so ertragreich und erbaulich ist, wie bei Tarlant. Der ungepfropfte Chardonnay aus der Lage Ilot de Sable (nomen atque omen, durch den Sand kommt die Reblaus nunmal nicht), ist salzig-süß, konzentriert und vielversprechend gut. Die Cuvée für den BAM! überzeugt mit Frische, die mich immer wieder erstaunt, weil ich meine Vorbehalte gegenüber Pinot Blanc einfach nicht abbauen kann und auch hier alles gute den beiden Rebsorten Arbane und mehr noch der Petit Meslier zuschreibe. Der Pinot Noir aus der Lage Crayons hatte wieder so eine vorbildliche Fülle, Wucht, Noblesse und dabei diese schmutzige, verluderte Salzkruste, die alles Unschludige an diesem Wein in sein verruchtes gegenteil verkehrt. Bei den Champagnern gab es für mich keine Neuerungen. Das ist gar nicht schlimm, denn mir ist es lieber, ein Erzeuger zeigt bei drei Verkostungen in loser Folge eine stabile Qualität, als wenn ich alle naselang eine neue Cuvée probieren soll, ihr aber nielänger nachspüren kann. So kann man sich der Bewährung am Markt nämlich auch ganz geschickt entziehen. Haben Benoit und Melanie aber nicht nötig. Der BAM ist derselbe aufregende Champagner, als den ich ihn schon im Fass kennengelernt habe, die Vignes d'Antan sind noch immer so begehrenswert, wie am ersten Tag und ich freue mich wie ein kleines Kind auf die ersten Flaschen vom 2002er die meinen kleinen Handvorrat vorübergehend bereichern und viel zu schnell verlassen werden. Die 99er Fassung der Cuvée Louis zeigte sich ebenfalls wieder schön stabil, da gab es in der Vergangenheit durchaus schonmal Schwankungen und es wurden Klagen an mich herangetragen, die aber wahrscheinlich eher damit zusammenhängen, dass es sich um eine andere Jahrgangszusammensetzung gehandelt hat als jetzt mit 1998, 97 und 96. Alles im Lot, also, bei Tarlant.

Bedel

Am Vorabend zur Terres et Vins gab es zur Begrüßung den himmlischen Champagner Robert Winer 1996 von Bedel, ein ganz famoses Zeug, das jetzt längst nicht mehr so mächtig und elektrisch aufgeladen scheint, wie noch bei meiner ersten Begegnung, aber das immer noch geeignet ist, mich für Minuten in rauschhaften Wahn zu versetzen, wie man ihn auch bei Katzen beobachten kann, die eine Vorliebe für Katzenminze haben.  Am Showtag gab es Entre Ciel et Terre (2005er) Brut aus 65PM 25PN 10CH, der sich rundlich, scotchig und mit leichtem Rumtopf aufgeprotzt präsentierte. Das dürfte auf den englischen Gaumen zielen, dachte ich mir, den allgemeinen Champagnerregeln, die sich mehr mit Eleganz, Raffinesse und französischen Tugenden befassen, entspricht dieser Champagner nicht so sehr. Dis, Vin Secret (2005) Extra Brut aus 80PM 15CH 5PM erinnerte mich mit seinen etwas unreifen Nüssen an einen Sherry en Rama von den Bodegas Urium, den mir Sherrybotschafterkollege Jan Buhrmann mal (ehrlich gesagt, mehrmals, auf mein beharrliches Verlangen hin) kredenzt hat. Ein abschließender Vergleich zwischen L'Âme de la Terre 2003 und 2004 ergab Vorhersehbares. 2003 wirkte reif, kakaoig, schon fahrig und auch etwas ermattet, der 2004er war stoffiger, hatte schön schmaltzige Schokolade und war viel konzentrierter, fokussierter bei der Sache.

Chartogne-Taillet

Man kriegt sie ja praktisch nicht zu kaufen, diese verfluchten Einzellagen von Alexandre Chartogne. Aber wenn man weiss, dass Alexandre die immer auf Verkostungen wie den Terres et Vins ausschenkt, dann ist das zu verschmerzen und jeder Weg lohnt sich, auch zur entferntesten Verkostung. Der Chardonnay Heurtebise hatte mal was ganz Neues, Löwenzahn, Liebstöckel und Beifuss in ganz jung, unanimos und sehr gefügig im Chardonnayaromenkartell. Als 2010er Champagner war er schon recht reif, wie mir schien, aber sowas von stark, dass er vielleicht in sieben oder zehn Jahren mal darüber zu Fall kommen könnte, wie Siegfried durch seine kleine drachenblutunbenetzte Schwachstelle. Les Barres ist die Pinot Meunier Lage mit den franc de pieds, aus der Alexandre einen 2009er Champagner gemacht hat, der ohne BSA auskommt. Geschmacklich hat er sich irgendwo zwischen Bordiers Yuzu Butter, Eiskraut und Orangenschale heimisch gemacht, was mir immer wieder sehr gut schmeckt, aber noch nicht rankommt an den Orizeaux (2009), dessen Nasenstüber unverschämt ist, der aber mit seiner an Marihuana erinnernden Note, pikanter Nussmischung und grünem Rhabarber so faszinierend ist, dass man immer wieder reinschnuppern muss und wenn man diese Duftwand durchdrungen hat, so geht es mir jedenfalls, ist man wirklich schon leicht betäubt, bevor dann der sehr fordernde und kräftige Saft, dessen Süße man nicht unterschätzen sollte, auf der Zunge wirkt und die Euphorisierung abschließt.

Agrapart

Agrapart ist einer der seit Jahren immer beliebter werdenden Winzer, deshalb sind seine Champagner schnell ausgetrunken. Ich habe mich sputen müssen, um von Minéral, Avizoise und Venus noch etwas zu bekommen. Normalerweise schätze ich das nicht und meide Veranstaltungen, auf denen um einzelne Tropfen ringen muss. Aber es gibt Veranstaltungen, bei denen ich das hinzunehmen in Teilen wenigstens bereit bin. Eben wenn zB Agrapart da ist und ausschenkt. Der Mineralmix war optimal, Wiesenkräuter und Obst standen in bestem Verhältnis zueinander und wirkten ausgesprochen fröhlich dabei. Ernster ist der Avizoise, der trägt immerhin einen Ortsnamen mit Grand Cru Status und diese Würde ist vielleicht auch eine Bürde, wer weiss. Jedenfalls scheint der Druck zu wirken, der Champagner ist massiger, dichter, fester, zusätzlich zum Wisen/Obst-Mix kommen einige ausgewählte Nüsse, die Mehrdimensionalität für längere Zeit sichern dürften. Im Aufzug nach ganz oben steht die Venus, aktuell ist die 2008er Version. Kartoffelschale von dicken, heißen, innen goldenen Kartoffeln, Curry, Safran, Nüsse und konzentriertes Apfelmus geben aromatische Schubkraft, die im Penthouse längst noch nicht Halt machen wird. Kaufen und weglegen!

Hubert Paulet

hatte einen sehr gut besuchten Stand und weil ich seine dort vorgestellten Champagner schon ganz gut kenne, habe ich mir erlaubt, einfach mal nur die Perle abzugreifen, den ewigguten Risleus 2002. Reif, fortgeschritten, auch schon leicht pilzig, hochdosiert und wunderbar schlemmerig, gorumandhaft und rücksichtslos war dieser Champagner, der in Deutschland noch viel zu wenige Anhänger hat.

Boulard Père et Fille

Bei Altmeister Boulard ist mehr Ruhe in den Cuvées eingekehrt. So wie ich bei Leclerc-Briant eine Erschütterung im Gleichgewicht der Macht konstatiert habe, meine ich auch bei Boulard eine Häufung von Unsicherheiten festgestellt zu haben, solange sich das Unternehmen noch in der Erbauseinandersetzung befand. Spökenkiekerei hin oder her, diese Phase ist jedenfalls beendet. Sauber und sehr erholt war der Millésime 2006 aus 50CH 30PN 20PM, BSA und 5 g/l. Obwohl gering dosiert, wirkt der Champagner gesättigt und süß, was aber bei vielen biodynamisch produzierten Champagnern und Stillweinen vorzukommen scheint. Petraea 1997 – 2007 war zéro dosiert, die 60PN 20CH 20PN sind wie eh und je im Holzfassl vinifiziert und zum letzten Mal konventionell erzeugt, der nächste Petraea wird ganz anders sein, so viel ist sicher. Der Abschiedspetraea jedenfalls ist kräftig und fein zugleich, ein verletztlicher, wenngleich gepflegter und trainierter Körper. Am schönsten fand ich den Rachais 2007, ein reiner Chardonnay aus Fassvinifikation, bereits komplett biodynamisch. So viel Schwung und Vorwärtsdrang, mit viel mehr Klarheit, als noch im letzten Jahr, dabei auch mehr Abgeklärtheit und Ruhe, ein Champagner der das gefährliche Fahrwasser verlassen und nun Kurs und Fahrt aufgenommen hat. Einen bestätigenden Blick in die nächste Zukunft konnte ich bei den Grundweinen     werfen. Überaus elegant ist der Pinot Noir aus dem Barrique, feinduftig, sahnig und eingängig, ein ähnlich positives Bild vermitteln die Pinot Meuniers in weiß und Rosé.

Franck Pascal

hat sich mit seinem Champagner erhebliche Sympathien bei mir gesichert, weil er damit so ein- wie umsichtig verfährt. Von der ganz harten Brut Nature Linie hat er sich richtigerweise verabschiedet, da kam vielfach doch sehr Uneinheitliches heraus, das keine Handschrift erkennen ließ und nur absolute freaks angesprochen hat. Im Freaklager ist die Verwunderung über die Glättungen im Stil unvermerkt geblieben; jedenfalls blieb der Aufschrei in Form wütender postings, Besprechungen oder Protestnoten aus, im Gegenteil, die Champagner von Franck sind offenbar erfolgreicher denn je und auch seine Anhängerschaft ist nicht anspruchsloser geworden. Das freut auch mich, ich gehöre gern zu dieser Gefolgschaft. Mit den vorgstellten Cuvées ist das freilich ein Leichtes. Die Harmonie BdN 2009 aus hälftig Pinot Noir und Meunier ist ein kräftiger, erwachsen gewordener Champagner und nach meinem unmaßgeblichen Empfinden der beste, den Franck seit ich ihn kenne, gemacht hat. Sehr malzig, brotig und reif, ein wenig an Himbeerbockbier erinnernd, ist die Quintessence 2005 aus 2/3PM 1/3CH, die 2004er Ausgabe aus 60PN 25PM 15CH wirkt vitaminisierter, lebendiger, mit einem weiteren Geschmackspektrum und weniger reifen Noten, dafür mehr stiff upperlip, fast ein wenig trotzig.

Pascal Doquet

In der Nähe von Pascal Doquet fühlt man sich automatisch arglos. Der Mann ist so friedvoll, harmonisch und wirkt so lieb, dass man diese Aura gern in seinen Champagnern wiederfinden möchte. Zumindest mir geht es immer so. Aber seine Champagner sind nicht so. Der Horizon auf Basis von 2011 und 2010 ist mit 7 g/l dosiert und damit genau innnerhalb der Spanne, in der die friedfertigen Sachen alle angesiedelt sind, aber er wirkt kratzig, kakteeig, unharmonisch süß und gerade so, als wäre er vier Jahre alt und wollte nicht in den Kindergarten gehen. Ich verbuche das unter Dosageeinbindungsproblem und schau mir den Champagner später nochmal an, seine Anlagen legen ja Reifepotential nahe. Viel entschlackter, gesünder, ruhiger, mit klassischen Nüssen und dem strengen Blick einer Mami, die noch einen dicken Apfel in den Verpflegungsbeutel steckt von dem sie erwartet, dass er vorrangig gegessen wird. Nur 3,5 g/l Dosage hat dieser Arpège, der im Übrigen Premier Cru ist und tatsächlich vorrangig getrunkn werden sollte. Wenn man nicht gleich zum Grand Cru aus Le Mesnil greift, der Extra Brut stammt aus den Erntejahrgängen 2005, 05 und 03, er hat 3,5 g/l Dosage. So angenehm leicht, unbelastet, fruchtig, kreidig, typisch aber unverkitscht, chardonnayig aber nicht von der altbekannten und ausgelutschten Art, das ist ganz klar nochmal ein Schritt nach oben.

   

Jetzt noch schnell besorgen: Champagner zum Valentinstag

Jedes Jahr ist Valentinstag, jedes Jahr weiß keiner so recht, was er seinem significant other schenken oder Gutes tun soll. Doch jedes Jahr ist Champagner eine gute Idee. Rebellisch ist sie obendrein. Denn der Quatschfeiertag ist ureigentlich dem, pardon: den Vögeln gewidmet, oder noch genauer: der englische Erzpoet Chaucer soll am 14. Februar 1383 ein Werk mit Namen "Parlament der Vögel" vorgestellt haben, in dem es um die Liebe geht, usw.usf., das Verhängnis nahm seinen Lauf. Irgendwann kaperten erst die Amerikaner und dann die sonst nicht wegen ihrer Marketingpfiffigkeit berühmten Blumenhändler das jährlich wiederkehrende Ereignis. Seitdem muss man Blumen oder anderen Beziehungsschnickes kaufen, wenn der eigene Chromosomenvorrat im Rennen oder zumindest der Hormonpegel händelbar bleiben soll. Kenner schenken eine ungerade Anzahl Rosen. Könner schenken Blumen in ihrer schönsten Form: als Weinbouquet. Und Echte Könner greifen auf Rosé zurück, den es als Stillwein praktisch nur in schlecht gibt, der aber als Champagner gleichzusetzen ist mit dem önologischen Korrelat romantischer Liebe. Die bewährtesten Valentins-Roséchampagner habe ich gerade bei CaptainCork vorgestellt, hier geht es zum Artikel. Die Rosés, mit denen sich nach einem trotz aller redlichen Mühewaltung, d.h. Beachtung meiner Champagnerempfehlungen, aus welchem unerfindlichen Grund auch immer völlig verpatzten Valentinstag dann die Partnerschaft noch retten und der beste Versöhnungssex nach einem handfesten Beziehungskrach einleiten lässt, sind diese:

1. Coessens Largillier Brut Rosé, dég. Feb. 2013

100PN Saignée, 2009er Ernte, mit vollen 10 g/l dosiert

Weil ich in der Champagne weile, während ich diese Zeilen tippe, und weil ich just den aufstrebenden Jerome Coessens besucht habe, dessen Rosé ich seit einiger Zeit schon beharrlich lobe, beginnt der Empfehlungsreigen mit dem Rosé Saignée, dessen Trauben fussgestampft werden, obwohl Coessens zwei megateure Coquardpressen, also den Bentley unter den Pressen, für jeweils 8000 kg zur Verfügung hat. Wenn es schon nicht die eigenen Füsse sein können, mit denen die Trauben unvergleichlich schonend bis sinnlich-vergnüglich zusamengestampft werden, dann ist es doch immerhin eine irgendiwe romatische und valentinsmäßige Vorstellung, dass zumindest Jerome und seine Familie Freude dabei hatten. Das Resultat ist energetisch, tonisierend und nimmt den Geist gefangen. Kirsche, Eukalyptus, Kiefernnadelessenz, wie ich sie mal infam gut im Essigbrätlein bekommen habe und die mir bis heute nachgeht, so gut wie sie nunmal war. Den geradezu abartig hohen Dosagezucker steckt der Wein einfach weg. Denn bei Coessens überdeckt nicht der Zucker die weineigene Aromatik, sondern das, was man aus lauter Verlegenheit und mangels einer besseren, ebenso griffigen wie zutreffenden Beschreibung als Kimmeridgemineralik bezeichnen könnte, überdeckt mühelos den Zucker. Wenn die Liebste nach diesem Champagner nicht wieder in der Spur läuft, ist die Trennung unausweichlich.

2. André Clouet Brut Rosé

100PN, < 10% Rotweinzugabe

Alle guten und auch schon die allermeisten schlechten Argumente sind ausgetauscht, die Stimmung dennoch im Eimer, Versöhnungssex wider erwarten und trotz ärgster Bemühungen, ganz zum Schluss den Streit noch mal ins Lächerliche zu ziehen längst nicht in Sicht? Dann hilft nur die retrograde Brachialmethode. André Clouet, den man nicht mit Paul Clouet verwechseln sollte, ist hier schon gelegentlich wegen seiner stets zu jung getrunkenen Cuvée "Un jour de 1911" in der Strohumwicklung gepriesen worden, auch den Jahrgang und den Silver aus Sauternesfassausbau habe ich schon vorgestellt. Jetzt der bei Tageslicht betrachtet lange fällige Rosé. Diesem ungewöhnlich fruchtstarken und nur wenig von bouzytypischer Haselnuss begrenzten Champagner kann keine Kratzbürste widerstehen, denn hier geben sich alle Dinge die rot sind und gut schmecken ein zärtliches Stelldichein. Blanchierte Mandeln, ein keckes Kräutersträusschen, aber vor allem eine so zauberhafte Beerig- und Schmelzigkeit, dass auch das im langjährigen Beziehungsstress abgenutzte Herz und verhärtetste Gemüt spontanen Kinderwunsch an den Restkörper aussendet. Der Champagner schmeichelt dem Herzen also in einem Maße, dass selbst der Widerspenstigsten Zähmung gelingen muss. Falls auch das nicht klappen sollte, bitte Vitalfunktionen prüfen oder vom Umtauschrecht Gebrauch machen, sollte die Herzdame im einschlägigen Versandhandel erworben sein.

3. Olivier Horiot Sève en Barmont Rosé Saignée

100PN, immer < 2 g/l Dosage

Die Liebste schluckt mehr als der Lambo Murciélago auf dem coolen Monstertruck Unterbau von Dartz, den Sie sich kürzlich selbst geschenkt haben? Dann muss was stopfendes her, und zwar schnell. In den Sinn kommen mir bei der Gelegenheit immer die Apparate von Leclapart, der 2003er Terres Rouges von Jacquesson oder der Saignée de Sorbee von Vouette & Sorbée. Doch teuflischer, weil vertrackter, ist der Rosé von Horiot aus Riceys, dem ich vor gut und gerne zwei Jahren einen Nachbesuch nach Zweijahresfrist angedroht und nunmehr wahrgemacht habe, mit der schönen Erkenntnis, dass dort alles in geordneten Bahnen verläuft und die von mir anfangs argwöhnisch betrachteten Champagner sich in Bestform befinden. Der Rosé, für den die Trauben ähnlich wie bei Coessens mit den Füssen in die Pressform gestampft werden, wirft mit seinen Wildkirschen, Erdbeeren und sonstigen vollreifen Beeren nicht bloss wie ein tüchtig angetrunkener Karnevalsprinz seine Kamelle in die Menge, sondern feuert das reife Obst mit einer Steinschleuder in Gesicht und Mund, ein Champagnerfacial der Extragüte also. Doch ist es damit nicht getan; der Rosé sperrt sich gegen allzuschnelles Geschlucktwerden und stemmt sich gegen jedes noch so geniesserische Schmatzen, saugen und in den Hals hinabziehen. Bei dieser ganzen Prozedur wird jeder Tropfen Champagner notgedrungen so lange an Zunge und Gaumen gewendet, bis das sensorische Inventar ausgelastet ist. Danach gibt kein Mund dieser Welt mehr Widerworte.

Die Champagner sind im gut sortierten Fachversandhandel locker zu bekommen und jeden Expressaufschlag wert. Gutes Gelingen!

Aube Wan Kenobi: Jedichampagner von der Côte des Bar

Ich kann es nur gebetsmühlenhaft wiederholen: die Aube ist der Rockstar unter den Champagnersubregionen. Piper und Charles Heidsieck, Louis Roederer, Nicolas Feuillate und Veuve Clicquot kaufen gern Trauben vom Montgueux zu. Die Winzer dort freut's, denn sie erlösen Preise pro Kilogramm, die es sonst nur in der Côte des Blancs gibt. Riceys, der praktische einzige Ort, den man in der Aube früher noch für einigermaßen (be)merkenswert halten konnte, ist zu neuem Leben erwacht. Celles sur Ource, Ville sur Arce, Landreville, Polisot, Polisy, Buxeuil, Avirey-Lingey, Gyé, Courteron sind Ortschaften, die man heute als Champagnerfreund kennen sollte, sie reichern die überkommene Premier-/Grand Cru Einteilung nicht nur an, sondern führen sie stellenweise ad absurdum. Das verdanken sie weniger ihrem einzigartigen Terroir, als der Besinnung einer ganzen Generation aufs Weinmachen. Verkauften die Väter ihre Trauben früher noch demütig an die hochmögenden Traubeneinkäufer aus dem Norden, so ist das heute nurmehr ein willkommenes Standbein um den eigenen önologischen Wagemut wirtschaftlich abzusichern. Dementsprechend kompromisslos, risikofreudig, schwefelarm, ungewöhnlich bis bizarr fallen die Champagner der Aube-Avantgarde aus – ein Luxus, den sich viele andere Winzer nicht leisten können oder wollen. Umso schöner für die, die sich die Resultate im langstieligen Vergrößerungsglas selbst ansehen.  

1. Jacques Lassaigne Blanc de Blancs Montgueux Le Cotet

Den Aube-Reigen eröffnet der bekanntermaßen starke Emmanuel Lassaigne mit seiner knalligen Chardonnayinterpretation vom großen Kalkhügel, wobei die namengebende Lage Le Cotet sogar direkt vor der Haustüre des Guts liegt. Trotz der nur geringen Dosage wirkt der Champagner exotisch angehaucht, anders allerdings als am Nordausgang der Côte des Blancs. Klare Ansage von einem der führenden Aube-Jedimeister.  

2. Jean Velut Blanc de Blancs Brut Montgueux

Denis Velut aus Montgueux bewirtschaftet ebenda 7 ha, weit überwiegend natürlich Chardonnay, doch fast 20% Pinot Noir sind auch dabei. Sein Champagner ist viel weicher, rundlicher und exotischer als der von Emmanuel Lassaigne, doch ganz ohne das fürchterliche Fett, das schwache Chardonnays so lahm werden lässt. 

3. Nathalie Falmet Blanc de Noirs "Le Val Cornet"

Nathalie Falmet ist Chemikerin und Önologin, eine ziemliche Seltenheit in der Champagne und nicht nur da. Deshalb hat das von ihr betriebene Weinlabor guten Zulauf und Nathalie profitiert von der Erfahrung, die sie im laufenden Beratungsgeschäft gewinnt. Sie bewirtschaftet 3 ha in in Rouvres les Vignes, in der Nachbarschaft von Colombey-les-Deux-Eglises, dem de Gaulle Städtchen. Der größte Teil ihrer Weinberge (2,4 ha) ist mit Chardonnay bestockt, Pinot Noir und Pinot Meunier machen nur ca. 0,5 ha aus. Aus den beiden Rebsorten macht sie einen Einzellagenchampagner, den Val Cornet, teilweise im Stahltank, teilweise im Barrique. Nach den beiden Chardonnays war es schon eine gewisse Herausforderung, einen geeigneten Champagner für den nächsten flight zu finden. Doch Nathalies präzis geformte dunkle Schönheit schaffte das spielend mit viel natürlicher Eleganz, das Ebenbild eines afrikanischen Topmodels.

4. Olivier Horiot Blanc de Noirs Sève Brut Nature "En Barmont" 2006, dég. 2011

Der erst Champagner des Abends, bei dem mir die Träne ins Lid zu steigen drohte. Ein heimlicher oder für manchen sicher auch offener Favorit des Abends war nämlich der Einzellagen-Pinot von Horiot. Ein mächtiges Geschoss, das erst verblüfft, dann Widerspruch herausfordert und dann fällt einem nichts ein, was man gegen diesen Champagner ernstlich vorbringen könnte. Ganz schön kontroverses Zeug also, auf seine Art. Als ich den En Barmont vor einigen Jahren das erste Mal trank, gefiel er mir einfach nur nicht, eine Meinung, die ich heute gar nicht mehr nachvollziehen kann. Einer der ganz wenigen Champagner, die wirklich und wahrhaftig auf jeglichen Dosagezucker verzichten können, ohne dadurch arm zu wirken.

5. Pierre Gerbais Blanc de Noirs L'Audace Brut Nature

Aus einer fünfzig Jahre alten Parzelle, 2010er Basis ohne Schwefelzusatz, natürlich mit vollem BSA, im Stahltank vinifiziert. Geschmacklich runder und weiter, als der En Barmont, etwas fruchtiger, mit feiner Noblesse burgundischer Prägung, von der ich letztes Jahr noch nicht den Hauch einer Ahnung hatte. Da hatte ich zwar die leicht geschwefelte Version auf 2008er Basis im Glas, aber begeistert war ich nicht – und das, obwohl ich in Vergleichsproben oft festgestellt habe, dass die minimal geschwefelten Champagner besser schmecken, als die ganz ungeschwefelten Exemplare. Sei's drum, der schwefelfreie Audace ist ein kerngesunder Champagner, dem ich noch ein langes Flaschenleben wünsche, denn die bisherige Entwicklung war mehr als erfreulich und prognostisch ist zu hoffen, dass es am Schwefel nicht gebricht.

6. Dufour Blanc de Noirs "Ligne 60" Millésime 1995, dég. 2008

Da schweigt die Nachtigall, hebt der Esel lauschend den behaarten Kopf. Denn das hier war a complete breath of fresh air, wie man wohl in England sagen würde. Der 1990er Blanc de Noirs Petit Renard von Dufour hatte schon die Sprengkraft einer Luftmine, so dass ich für den 1995er Ähnliches erwarten durfte. So war es auch, nur dass der 90er den 95er immer forgeblasen hat. Jetzt kehrt sich das Verhältnis langsam um und der ultrafrische 95er fegt alles im Umkreis weg, fast will man Gläser und Tischdeko festhalten, damit sie nicht umgestoßen werden. Ich werden diesen Champagner demnächst mit gutem Grund einer Grande Année 1995 R.D. gegenüberstellen.

7. Jacquart Blanc de Blancs 2006

Jacquart habe ich als Piraten eingeschleust, der sich mit seinen leichten Chardonnays aus Vertus, Villers- Marmery, Trépail und Vaudemange schnell zu erkennen gab; vielleicht lag das zusätzlich an der kultivierten Art, die der Champagner gewohnheitsmäßig an den Tag legt – eine Besonderheit, die mir beim 1997er erstmal aufgefallen ist und den Blanc de Blancs von Jacquart zum gerngesehenen Solisten bei unkomplizierten Abendverläufen macht. In gereifter Form kenne ich die Jahrgangschardonnays von Jacquart leider noch nicht, oder nicht besonders gut, denn die ersten Ermüdungserscheinungen setzten immer schon bedenklich früh ein, weshalb ich meinen kleinen Handvorrat dann auch immer ziemlich flott aufgelöst, bzw. ausgetrunken habe.

8. Marie-Courtin Blanc de Blancs Eloquence Brut Nature

Der Likymnische Glutblitz unter den Champagnern. Liegt es an der Holzfassvinifikation, liegt es am Barrique, an der Naturhefe, an den knapp 20 Jahre alten Chardonnays aus Massenselektion, an der Biodynamie? Egal. Wenn man diesen Champagner getrunken hat, kann man seine Champagnertrinkerkarriere in Ruhe beenden. Danach kann man nicht mehr viel verpassen.

9. Vouette & Sorbée Saignée de Sorbée

Pas de réception au domaine ni de vente aux particuliers. Fast wie bei Selosse, dem Über-Mentor. Seeehr kraftvoll, rotfruchtig und herb war das, was von Bertrand Gautherot ins Glas kam, sehr weinig, sehr burgundisch, dabei sehr eigenwillig und ich musste nicht zum ersten Mal an David Leclaparts Rosé denken, den ich gern einmal im direkten Vergleich trinken will.

10. Florence Duchêne Rosé 

Zum Schluss gab es mit Florence Duchenes Rosé-Schätzchen aus Cumières nochmal etwas Gebietsfremdes, aber dafür so wohlschmeckendes, dass von Untreue insoweit nicht die Rede sein kann. Florence ist einer der aufsteigenden Champagnersterne jüngster Generation, ihre ersten selbst vinifizierten Champagner gibt es seit Oktober 2013 zu kaufen – und ich habe mir nach mehreren ausgiebeigen Vorabtests in Cumières und im Weinberg gleich eine Allokation gesichert, die ich natürlich wieder allzu gierig und viel zu früh aufzureißen gewillt bin, doch ist der Genusslohn mehr als gerecht. Das genaue Gegenteil der Rosés, wie man sie von Vouette & Sorbée, Leclapart oder Jacquesson bekommt, ein Träumchen von roten Beeren, eine betörende Macht wie von der Fruchtbarkeitsgöttin höchstpersönlich gekeltert und eine hypnotisierende Nachwirkung, die einen überhaupt nicht merken lässt, wie schnell sich die Flasche geleert hat.

Champagne Paulet ./. Champagne Horiot

Hubert Paulet und Olivier Horiot stehen im Schatten der Champagner-Winzer aus dem Marnetal, der Côte des Blancs und der anderen üblichen Gegenden, in denen sich Kultweinmacher finden, deren Namen mittlerweile schon fast jeder Sekttrinker daherbeten kann. Grund genug, sich die beiden Buben immer wieder mal genauer anzusehen.

Das was Monsieur Paulet nicht an Billecart-Salmon sendet, verarbeitet er mit gutem Erfolg selbst. Von den zuckrigen Weinen hat er Anschied genommen und pendelt sich bei einer weinorientierteren Aromatik ein.

1. Brut Tradition Premier Cru

50PM 25CH 25PN, 2008er Basis, nach 7 und 4,5 in den vergangenen Jahren jetzt mit anmutigen 4 g/l dosiert.

Weich wirkt der Champagner, aber nicht zuckerwattig weich, sondern weich, weil er eine zuckerlose Härte nicht nötig hat, d.h. aus Reifegründen weich und mit sich ankündigenden, schokoladigen, milchschokoladigen Noten. Für einen Brut Tradition ist das nicht ganz ungefährlich, weil es seltsame Signale aussendet. Das mit der Portfoliokonsistenz ist bei Paulet aber sowieso ein eigenes Thema, der einzige Zusammenhalt ging hier nämlich immer vom Zucker aus, sonstige Gemeinsamkeiten sah ich sonst nicht. Auch dieses Jahr zue ich mich schwer damit, ein anderes tertium comparationis zu finden. Das tut der Güte des charmanten Einsteigerchampagners aber keinen Abbruch.

2. Mazerationsrosé 

80CH 20PM, 2005er Basis, drei Tage auf der Maische, gegenüber sonst 6,5 g/l jetzt 6 g/l

Joghurette mit Spuren von Bitterschokolade, gegenüber dem Vorjahr besser, seriöser, nicht zugezuckert und auf einem guten Weg. Damit kann man jetzt nicht mehr nur einfältige Frauen betören, sondern auch eine Klasse darüber noch punkten.

3. Cuvée Risleus

47CH 32PN 11PM ohne BSA, bâtonnage; ungeschönt, ungefiltert. Happige 7,5 g/l Dosage.

An diesem Champagner gibt es schon seit Jahren nichts zu meckern und nur von Jahr zu Jahr mehr zu loben. Dieses Mal ist Paulets Schmuckstück nicht so markant und knochig, auch nicht mit so deutlich nebeneinander gestellter Rebsortenaromatik ausgestattet. Hier fügt sich alles so nahtlos ineinander, wie eine besonders raffiniert versteckte Geheimtür in einer Holzintarsienwand. Röstig, mit Schokolade und feiner Säure, tatsächlich ganz das Bild einer Wand im Büro von Prof. Dumbledore. 

Horiots Pinot stammt von verschiedenen Argile- und Calcaireböden, die er parzellengenau vinifiziert. Pinot heißt dabei, dass es nicht nur Pinot Noir, sondern auch Pinot Blanc gibt, an der Aube ja nicht gar so ungewöhnlich. Der Weißburgunder von Horiot gehört zu den besseren, jedenfalls nicht störenden und von Grund auf ablehnungswürdigen Weißburgundernchampagnern. Zuletzt habe ich zwei Champagner probiert, die neu ins Programm gekommen sind und daher wieder mal vor dem Problem standen, bzw. mich vor das Problem gestellt haben, noch so jung zu sein, dass eine vernünftige Meinungsbildung unmöglich erscheint. Vom Sève, dem Champagner aus der Lage hatte ich in den letzten Jahren einen immer besser gewordenen Eindruck erhalten, die Verkostungslage war also perspektivisch ganz gut.

1. Métisse

50PN 50PB, 09er Cuvée auf Basis einer Minisolera auf 06er Basis mit 07 und 08; 2 g/l Dosage. 

Ganz gefällig, kräftig bis gedrungen, was mir für den Weißburgunder angemessen und klug gemacht vorkommt, aber im Ergebnis leider eher kurz.

2. Sève en Barmont Rosé Saignée

2007er Basis

Hinter einem schwer durchdringbaren Schleier leicht angegammelter Erdbeeren fand ich Rosenblüte, Weingeist, Mahagoni. Kein leichter Rosé, eher etwas für den Ziegenkäse oder ein Vollkornbrot mit dick Butter und etwas Salz oder beides.  

Bubbles over Berlin (II/II)

V. Reinsortiger Pinot Noir, Cumières Premier Cru und unklassifiziertes Aubeterroir

Lavals Champagner müssen bei mir immer dann ran, wenn ich richtig gute Aubewinzer vorstelle.

1. Georges Laval Hautes Chèvres

Der Hautes Chèvres gehört mit zu den stärksten Pinot Noir-Champagnern, die ich kenne. Weil er zu den burgundischsten Champagnern gehört, die ich kenne. Wer dagegen anrennen will oder soll, muss sich ganz schön was einfallen lassen. Kraft, Pfeffer, KIrsche, eine Aromenmitrailleuse.

2. Vouette & Sorbée Fidèle

Die Aube mit ihren verführerischen Pinots hält mit Macht dagegen. Raubkätzisch, mit samtpfotiger Eleganz und verspielter Brutalität, wie sie Katzen beim Erlegen ihrer Beute aus unserer Sicht an den Tag legen. Das erklärt vielleicht auch, warum Martin Zwick, der sich vom Laval nicht das Herz berühren lassen wollte, den fidèle so offensichtlich bevorzugte.

VI. Clin d’Oeuil: Oeuil de Perdrix

1. Charles Dufour Oeuil de Perdrix Brut Nature

Die Entstehungsgeschichte (beim pressen ging die Presse kaputt, daher die Roséfärbung) erinnert ein bisschen an die der Papilles Insolites von Lassaigne (der die Beeren einfach auf der Presse vergessen hat). Auch der Champagner ist besonders, mit einer von Herzen kommenden und zu Herzen gehenden Wärme, die keine alkoholische Hitze ist; griffig wie die Mannequins der Stummfilmära und mit einem überraschend weit ausgreifenden Fruchtspektrum versehen; Orange, Melone, rote, blaue und schwarze Beeren, Kirsche, Zwetschgenröster. Dahinter tun sich immer weitere Aromatürchen auf, wie die Wächter in Kafkas Erzählung „Vor dem Gesetz“, mit dem Unterschied, dass der Champagner bereitwillig Zutritt gewährt.

VII. Winzer-Prestigecuvées: Janisson-Baradon trifft Billiot.

1. Janisson-Baradon Tue Boeuf 2005

Über den Tue Boeuf als den Pinot-Bruder des Toulettes habe ich schon verschiedentlich geschwärmt, nachdem ich ihn solo getrunken hatte, nun musste er sich mit Laetitas Tochtercuvée einlassen. Ein Date der besonderen Art. Schnaubend, kraftgeladen, männlich, ganz ohne BSA der Champagner von Cyril Janisson, ganz der Vertreter einer erobernden Gattung.

2. Henri Billiot Cuvée Julie

Leichtherzig, frohgemut und in bester Raffaello-Werbefilmlaune war die ebenfalls ohne BSA entstandene Julie. Fruchtig, twenhaft, unverkitscht, eine selbstbewusste junge MIss und ein guter Fang allemal.

VIII. Aube und Grand Cru

Rein formal gesehen nochmal eine Steigerung zu der Kampfansage von Bertrand Gautherot an Lavals Premier Cru war dieser flight mit einem Minivinifikatuer von der Aube und einem Champagner aus dem kernhaftesten Kerngebiet der besten Champagnerpinots.

1. Cedric Bouchard Inflorescence Val Vilaine

Eigensinnig bis fanatisch darf man die Champagner von Cedric Bouchard wohl stellvertretend nennen. Bei der allerersten Konfrontation können sogar Zweifel aufkommen, ob der Inflorescence Val Vilaine überhaupt dem Champagner zuzurechnen ist. Ist er natürlich, nur dass die im Frühstadium prägnante Birnennote auf die falsche Fährte lockt. Mit mehr Luft kommt ein herberes, atlantischeres, mehr Salzgeschmack und Seeluft vermittelndes Aroma durch und selbst wenn dieser Champagner keine Fruchtbombe ist, punktet er ab diesem Stadium gerade mit seinen sparsam gesetzten, aber effektvoll kontrastierenden Birnen-, Apfel- und Marillenakzenten.

2. Gatinois Grand Cru Brut Réserve

Unberührt von den sich wandelnden Zeitläuften prangte die so klassische wie gute Reserve von Gatinois im Glas und wirkte, so Budi, wie ein Gentleman im Kordanzug. Nach meiner Auffassung und nach dem Genuss der Inflorescence allerdings auch einer, der für die deflorescence der Erstgenannten verantwortlich gemacht werden kann.

IX. Der Winzer und das Holz

Holz ist bei der Weinbereitung immer ein dankbares Thema. Deshalb gab es zum Ende hin einen flight, bei dem unter anderem der Holzeinsatz besonders schön nachvollzogen werden konnte.

1. Ulysse Collin Blanc de Blancs

Ganz behutsam und den jungen, auch jung vermarkteten Champagner nur leicht kitzelnd, setzt Olivier Collin seine Fässer ein. Heraus kommt ein kleiner, den silexdurchsetzten Boden des Sézannais funkensprühend und mit einer Note von Senfsaaten ins Glas transportierender Feuerteufel.

2. Vilmart Grand Cellier d’Or 2003

Laurent Champs kann wahrscheinlich mit solchen Feuerteufeln nichts anfangen, seine Champagner sind ganz anders, duftiger, konditorenhafter. Vielleicht, weil er auf seinem Gut von Kirchenfenstern umgeben ist. Ob nun freilich das himmlische Element obsiegt, oder das lokihaft-unterweltliche, kann bis zum apokalyptischen Weltenbrand nicht entschieden werden. Sicher ist nur, dass der zu 80% aus Chardonnay hergestellte Grand Cellier d’Or ausgerechnet als 2003er mir bislang schon so viel zuverlässigen Trinkspüass bereitet hat, wie nur wenige andere Champagner dieses Alters.

 

X. Schlussrosé Larmandier-Bernier Rosé de Saignée

Alle reden immer nur von Pierre Larmandiers Blanc de Blancs. Die sind toll, so puristisch und klar, keine Frage. Doch ist mir der Rosé der wichtigere und liebere Champagner aus seinem Programm. Für mich so etwas wie die Antwort auf Lavals Hautes Chèvres.

XI. Altweinschmankerl: Perrier-Jouet Belle Epoque 1971

Die Farbe altersgerecht, gerade wenn man die alten Belle Epoques kennt, die sich bei weiß und rosé einander immer sehr annähern. Leicht pieksende, acetige Säure war alles, was mich hätte stören können, wurde aber von einer unausgetrockneten Saftigkeit gut kompensiert. Ein wenig später getrunkener de Venoge Cuvée des Princes 1973 machte keinen so wohlgestaltigen Eindruck mehr.

Bubbles over Berlin (I/II)

Bubbles over Berlin, bzw. genauer genommen im Weinsalon von Martin Zwick, dessen Liebenswürdigkeit, Gastfreundschaft und Kochkunst den spannungsvoll erwarteten Champagnerabend zusammen mit einem zu der Zeit laufenden EM-Fußballspiel, das Deutschland meiner Erinnerung nach gewann, ganz und gar vollendeten. Die Veranstaltung selbst war deshalb so spannungsvoll zumindest von mir erwartet, weil gleich mehrere Sachen auf einmal ihrer Verwirklichung harrten. Nicht nur, dass es immer eine Herausforderung ist,Expertengruppen noch etwas beibringen oder veranschaulichen zu wollen. Es ist auch ein Herausforderung, die von mir dafür vorgesehenen Champagner in Deutschland, Frankreich und den sonstigen greifbaren Märkten zu bekommen. Nicht, weil es sich um Jahrgangsraritäten aus unvordenklicher Zeit handelt, sondern weil die Champagner nach Möglichkeit im genau richtigen Reifezustand sein sollten. Da es mir nicht darum ging, die als bekannt vorausgesetzten Spitzenerzeugnisse großer Häuser zu servieren, sondern exakt das Gegenteil davon, bin ich umso dankbarer, dass das Unterfangen geglückt ist. Nachgeholfen haben dabei zwei von mir sehr geschätzte und meiner innigsten Dankadressen würdige Händler. Nämlich Noblewine aus München und Vinaturel aus Berg am Starnberger See. Insbesondere Noblewine konnte mir einige Flaschen mit der von mir so dringend gewünschten längeren Flaschenreife zur Verfügung stellen; für mich ganz essentiell, denn viel zu viele Champagner werden viel zu früh getrunken: kurz nach der Marktfreigabe. Praktisch alle Champagner profitieren aber von einer Flaschenreife zwischen 9 – 18 oder 36 Monaten. Gerade die Champagner der Winzeravantgarde, die ich in Berlin vorstellen wollte, sind darauf nachgerade angewiesen. Umso schöner deshalb, dass die beiden engagierten Händler mir so hilfreich zur Seite standen. Getrunken wurde aus dem von mir für diese Zwecke favorisierten Zalto-Süßweinglas, für das Martin Zwick gesorgt hatte.

 

I. Rebsortencuvées

Im Einstiegsflight ging es mir weniger darum, die Gaumen zu kalibrieren, was genausogut zwei gewöhnliche Brut Traditions hätten leisten können; stattdessen ging es mir darum, die Aufmerksamkeit für die feineren Töne, letztlich also die Sinne zu schärfen. Daher der Trick mit dem auch vom Namen her natürlich gut zu dem Vorhaben passenden „5 Sens“.   

1.  Emmanuel Brochet Le Mont Benoit Premier Cru non dose (2007)

Ansatzlos trocken, keine verspielte Süße, insofern eine Perspektive auf das, was kommen sollte, nämlich eine Geschmackstournee zu einigen der derzeit meistbesprochenen Champagnerwinzer.

2. Olivier Horiot 5 Sens (2008)

Bei Horiots Fünf-Rebsorten-fünf-Einzellagen-Cuvée war gleich die erste Schikane eingebaut. Für Champagner ungewöhnlich florale Noten und eine unverblümte Sherrynote. Schuld sind Arbane und Pinot-Blanc, der mir nach mehrjährigen Annäherungsschwierigkeiten zuletzt als Vin Clair sehr gut gefallen hat.

 

II. Blanc de Blancs von der Aube

Die neue Aube kann auch Chardonnays von beachtlichem Zuschnitt. Der sportliche Argile-Champagner von Bertrand Gautherot musste sich mit dem eleganten Ironman unter den Champagnern messen.   

1. Charles Dufour Blanc de Blancs Brut Nature

Ein Champagner der wirkt, wie eine von Philippe Starck designte Bombe. Organisch, formschön, sinnesschmeichelnd, dabei nicht überfrachtet, sondern durch und durch auf Zweckmäßigkeit und Funktionsveredelung angelegt. Die Kombination dieses Champagners mit Auster, Brot, Yuzu- oder geräucherter Meersalz-Butter von Bordier ist immer noch maßstabsetzend.  

2. Vouette & Sorbée Blanc d’Argile

Viel ruhiger und in sich zurückgezogener ist der Argile jetzt. Unter den Aubechardonnays mimt er damit ein wenig die mineralischen Oger-Chardonnays, nachdem er in seiner unverschämten Frühphase noch so ausgelassen fröhlich war.

  

III. Reinsortiger Pinot Meunier

Jérôme Prévost und Benoit Tarlant zeigten die Schwingungsfähigkeit der Traube.

1. Jérôme Prévost La Closerie Les Béguines Blanc de Meuniers

Aronia, getrocknete Kumqat, Cashewkerne, Walnuss; unverfälscht, naturhaft und wie aus Urzeiten stammend. Als Goethe seinen Faust den Erdgeist beschwören ließ, muss er unter dem Eindruck dieses Champagners gestanden haben.  

2. Tarlant Blanc de Meuniers Vigne d’Or Extra Brut 2002, dég. 22.  Juni 2010

Schillernd und prachtvoll, gegenüber dem naturbelassen wirkenden Prévost so – allerdings im positiven Sinne – elaboriert und verschwenderisch, wie die Hofhaltung des Herzogs in, eben, Schillers Kabale und Liebe.

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IV.  Côte des Blancs Klassiker

Als Intermezzo kam ein Dreierflight aus Chardonnays der Côte des Blancs auf den Tisch. Angeführt von Pierre Peters aus Le Mesnil dem Repräsentanten einer für den Ort typischen mineralischen Champagnerstilistik. Erick de Sousa aus Avize mit seinem sonnenhell-körperreichen Avize-Champagner sollte die Aufmerksamkeit von Selosse, den man gemeinhin allein mit dem Ort verbindet, fort- und auf sich ziehen. Jacques Diebolt aus Cramant schließlich sollte seine ganz eigene Interpretation von Würze, Mineralität und Fruchtigkeit präsentieren dürfen. Am besten schnitt in der Runde de Sousas Charmebolzen ab. Nicht, dass ich zwingend damit gerechnet hätte, denn dafür war nun doch jeder der drei Champagner auf seinem Feld gut genug positioniert. Aber es zeigte sich einmal mehr, dass die Mesnilmineralität nicht überall gleichermaßen ungeteilten Beifall findet, selbst oder gerade beim deutschen, an Riesling gewöhnten Gaumen nicht. Die Komposition von Jacques Diebolt wiederum ist zwar nicht schwer zu verstehen, aber eine klare Stilfrage. Wer mit Portraits üppiger Frauen und molliger Putto-Kinder in kräftiger Farbigkeit nicht viel anfangen kann, wird auch keine Vorliebe für großformatige Kompositionen mit figurenreichen Gruppen in idealisierten Landschaften haben und von diesem Champagner kaum berührt werden.

 

P.  Pirat Raumland MonRose 2001

Nach dem Dreierflight hatte ein Pirat seinen Auftritt, der in meiner Mainzer Probe eine sehr starke Figur neben dem Rosé von Selosse machte und zur Zeit als bester Sekt Deutschlands gilt. Nach einer Reihe ausgesucht seltener und ausgesprochen typischer bis eigenwilliger Champagner und entsprechend geschärfter Sinne war es jedenfalls schonmal eine sehr gute Leistung der Gruppe, den Raumlandsekt als Nichtchampagner zu identifizieren. Damit verbunden war zu meiner Freude auch keine Abwertung, sondern eine meiner Meinung nach allseitig sehr faire Bewertung. Ich fand ihn diesmal etwas runder, gesetzter und crèmiger.   

 

Weinbergsausflug mit den Champagne-Winzern (II/II)

Weiter ging's mit überwiegend stillen Champagne-Weinen, die zum zweiten Tel des Essens geöffnet wurde, einer sehr zünftigen Erntehelferspeise.

10. Pascal Docquet, Coteaux Champenois Le Mesnil Coeur de Terroir 2009

Ein weich geratener Chardonnay aus Le Mesnil, der wie Anfängerchablis schmeckt.

11. Horiot, AOC Rosé des Riceys "En Barmont" 2004

Eine Fruchtbombe, zur Boudin Noir und Schweinebauchstücken vom Grill fast nicht zu schlagen, trinkt sich jetzt perfekt und kann auch völlig ohne Begleitung aukommen.

12. Henri Goutorbe, Coteaux Champenois Ay Rouge

Ziemlich üppiger, etwas schwarzpfeffrig schmeckender Rotwein, der sich vor allem zum Essen empfiehlt.

13. René Geoffroy, Coteaux Champenois Pinot Meunier Cumières Rouge 2008

Ungeklärt, unfiltriert, der zweite Jahrgang nach dem Jungfernjahrgang 2004. Tulpenblütendurft. Vorrangig sauer, dann auch noch dünn, malzig, pflanzlich.

14. R. Pouillon, Coteaux Champenois Mareuil Premier Cru Rouge 2007

Beifuss, Pfeffer, Mehl. Panierte Gänsekeule könnte man damit runterspülen, die deutliche Säure des Weins würde dabei als große Hilfe dienen. Solo ist der Wein nichts für mich.

15. Léclapart, Coteaux Champenois Trépail Premier Cru Rouge 2002

Noch ein Säuerling, wenngleich gemäßigter als seine Vorgänger, mit fleischigem Aroma, gebratener Erdbeere, Morcheln. Kraftvoller und konzentrierter auch, als seine drei Vorgänger.

16. Lahaye, Coteaux Champenois Bouzy Rouge 1999

Veilchen, Lakritz, Cassis. Süße Reife, angestaubter Liebstöckel, im Mund noch sehr alert, obwohl eine Spur phenolisch anklingender Möbelpolitur dabei ist, die mich aber bei einem Coteaux dieses Alters nicht stört.

17. Bedel, Entre Ciel et Terre Brut 2002

100PM.

Zimthonigeis, Lebkuchenparfait, passte sehr gut zu einem nicht weiter definierbaren leicht salzigen Käse, auch zum Chaource sehr gut und ganz überragend, ja traumhaft gut zu einem 24 Monate alten Comté.

18. Hubert Paulet, Coteaux Champenois Pinot Noir 2004

Vinifiziert im Eichenfass. Angeflämmte Kräuter, Hummerbutter. Nicht so recht die Aromen, die ich in einem Pinot Noir erwarte. Wohl fehlerhaft.

19. Agrapart, Minéral Extra Brut 1992, dég. 2002

Stahltank. Wirkte mit seinen 5 g/l sogar schon hoch dosiert, machte aber noch einen jungen Eindruck, mit Quitte und sehr reifer Aprikose. Ließ mich trotzdem nicht jubeln.

20. Chartogne-Taillet, lieu-dit Orizeaux Extra Brut 2003

100PN, mit 10 g/l dosiert. Apfel, Rhabarber, Rote Bete. Die anfangs sehr prominente Säure wird behutsam von einer aus der Tiefe kommenden, d.h. gut integrierten Süße abgelöst.

21. Franck Pascal, Cuvée Prestige Brut 2003 en Magnum

Flacher, simpler, nicht so reif und aromatisch nicht so präzise wie der Orizeaux. Vielleicht liegt das am Flaschenformat.

22. Vincent Couche, Sensation 1997 en Magnum, frisch dégorgiert (3 Tage)

CH aus Montgueux und PN aus Buxeuil, mit 8 g/l dosiert.

Pushende, weckende Säure, wie eine von vorn in die Zungenspitze hineingedrückte Kanüle. Trotz Diam-Mytik ein leichter Muffton, der mich auch deshalb an einen Korkschleicher denken ließ, da ich sonst nicht sehr viele Aromen bemerkt habe.

23. Lahaye, Tres Vieux Marc de Champagne, Bouzy 1967

Ein Schnaps, der Kaffee und Kaminfeuer ersetzt.  

Terres et Vins de Champagne (I/III)

 

Terres et Vins de Champagne

I. Olivier Horiot

Seit 2000 ist Olivier Horiot in Les Riceys zugange. Parzellengenaue Vinifikation im Holzfass, einjähriges Ruhen auf der Feinhefe, Spielerei mit alten Rebsorten, hier gibt es für Olivier Horiot noch vieles zu entdecken und zu erfahren. Die erste Zusammenkunft mit Champagne Horiot hatte mich noch nicht begeistert, daher war ich gespannt auf seinen zweiten Auftritt.

Vins Clairs:

1. Pinot Noir, en Barmont, 2008

Duftige Nase, Veilchen und Lakritz im Einklang, etwas Pillenbox, merkliche Säure

2. 100PN Mazerationsrosé

Gut stoffiger Beuajolaischarakter mit einem gewissen noch nicht störenden Restprickeln

3. 100PN Coteaux Champenois

Leichter, etwas flacher Burgunder

Champagner:

1. Sève, En Barmont Blanc

Eieiei, hier wieder dominante Pillenbox, medizinaler, etwas künstlicher, an Plastik erinnernder Ton. Nicht besonders schön

2. 5 Sens

Frische Säure, auch wieder etwas medizinal, mit Noten von angestaubtem Trockenkräutersträußchen

3. Sève, En Barmont Rosé

Deutlich ausgeprägte Noten von Rosmarin und Thymian, im Mund erst wässrig, bevor er sich dann über eine leichte Mehligkeit verfestigt, sämig wird und einen mandeligen Eindruck hinterlässt

 

II. Pascal Agrapart

Einer der ersten Champagnerwinzer, die den Weinberg wieder mit Pferdchen zu bearbeiten begonnen haben und eine feste Größe unter den Chardonnaykönnern.

Vins Clairs:

1. Minéral

Leichter Böckser, der sich in eine metallische Richtung weiterentwickelt und mild mit Zitronenmelisse ausgleitet

2. Avizoise

Mineralisch, räucherig, erstaunlich glatt und bartlos, gut trinkbar

3. Vénus

Straff, raumfordernd und muskulös, dabei entsprechend dem Pferdchennaturell von sanftem Temperament, wenngleich durchaus fordernd am Gaumen

Champagner:

1. Minéral

Mit 4 g/l dosiert, schwankt er zwischen leichter Brettigkeit, bleibt dnn zwischen brotig und saftig liegen.

2. Avizoise

Ebenfalls mit 4 g/l dosiert, von Beginn an bestimmter, klarer, und deutlich zitrusfrischer als der Minéral.

3. Vénus Zéro Dosage

Sanft, glatt und gediegen, zeigt sich hier, dass das mit dem Pferdchennaturell so weit von der Wahrheit gar nicht entfernt liegt. Kraft und Beständigkeit zeichnen den Champagner schon jetzt aus und es ist abzusehen, dass er sich im Laufe seiner Entwicklung nicht aus der Bahn werfen lässt.

 

III. Francoise Bedel

Tief im Westen, wo die Meunier zu Hause ist, ist auch Madame Bedel, die mit Nachnamen auch Meunier heißen könnte, zu Hause. Ihre Champagner gehören bei jeder Biochampagnerverkostung zum festen Inventar.

Vins Clairs:

1. Chardonnay

Saftig und geradezu limonadig, erfrischende Säure auf mittlerem Niveau.

2. Pinot Meunier aus dem Stahltank

Mild und fruchtig, fast schon süßlich.

3. Pinot Meunier aus dem Barrique

Wenig spürbares Holz, vordergründig eher eher Kräuter und Grapefruit, mehr Struktur als der Meunier aus dem Stahltank, zudem stärker ausgeprägte Brotnase und deutlicher Luftton.

Champagner:

1. Entre Ciel et Terre Brut 2002

100PM

Verbene, Limette, grüne Noten, aber auch waldige Elemente und Wacholder. Fein, für einen reinen Meunier auch nicht unelegant.

2. L'Âme de la Terre Extra Brut 2003

67PM 17PN 7CH, mit 3 g/l dosiert.

Runder und hrmonischer als der Entre Ciel et Terre, obwohl geringer dosiert, was auf Pinot Noir und Chardonnay zurückzuführen sein mag. Leider auf Kosten des Unterhaltungswerts, denn der Âm de la Terre wirkt durch den Rebsortenmix gewöhnlicher.

3. Robert Winer 1996

Mit 8 g/l dosiert und deshalb im Vergleich süßlich; Kautschuk, Leder, Kakao, Kokos, Toffee, sehr schönes, langes und dezentes Eukalyptus-Menthol finish. Ganz klar der stärkste Champagner im Portfolio von Mme. Bedel, hat sich seit letztem Jahr temporeich weiterentwickelt.

 

IV. Bérèche et Fils

Die Champagner von Bérèche haben mir schon bei meiner ersten Begegnung gefallen, damals waren es Beaux Regards und Reflet d'Antan, mittlerweile kenne ich natürlich auch die anderen Champagner des Hauses.

Vins Clairs:

1. Pinot Meunier

Im Vergleich mit zB den Meuniers von Tarlant ist dieser Meunier handzahm und brav wie ein Kommunionskind, den Rabaukencharakter ahnt man hier noch nicht.

2. Chardonnay, Beaux Regards

Saftig, kernig, gut, so kurz kann man sich hier fassen und der Rest ist Vorfreude auf den fertigen Champagner.

3. Le Cran

55CH 45PN

Völlig unvorbereitet traf mich die augenkneifende Säure dieses vin clair. Nur mit Mühe konnte ich angesichts dieser gefährlichen Attacke die Tränen des Schmerzes zurückhalten, der salzige Geschmack am Gaumen kam nicht von meinem eigenen Blut, wie ich dann später erleichtert festgestellt habe. Mit dem zweiten, dritten, vierten, jeweils vorsichtigeren Probierschluck war es immer noch schwer, dem Wein zu folgen; ebenso hätte könnte man versuchen können, die Handlung von Fellinis Satyricon im Schnelldurchlauf verstehen zu wollen.

Champagner:

1. Réserve Extra Brut, Handdégorgement

ca. Drittelmix auf 2007er Basis mit 30% Reservewein, keine Schwefelzugabe beim Dégorgement.

Hart, schlank, lang. Etwas störender Luftton, der den Champagner etwas aufgebläht wirken lässt, wie ein hochgewachsener Athlet in zu weiten Klamotten. Müsste noch etwas zulegen, wovon ich mit einiger Sicherheit ausgehe.

2. Beaux Regards Zéro Dosage

100CH, im Schnitt 40 Jahre alte Reben.

Hart und karg, schnell bis rasant, und das ganz ohne die Hilfe von Chardonnays aus der Côte des Blancs. So geht es im Inneren eines Rallye-Piloten bei der Wertungsprüfung zu. Hierbei zeigt sich auch, dass es nichts langweiligeres gibt, als einen nur durchschnittlichen Chardonnay.

3. Vallée de la Marne Rive Gauche

100PM, von Reben aus 1969, erste Gärung in verschieden großen Holzfässern spontan und langsam; keine bâtonnage, keine Filtration, mit 4 g/l dosiert.

Mein Favorit in dieser Verkostung. Anders als der Beaux Regards rührt dieser Champagner nicht an der Adrenalinproduktion, sondern wirkt entspannend wie Oxytocin. Intensiv, dabei ausgleichend, entstressend und ganz sanft stimulierend.

 

V. Francis Boulard et Fille

Aus Champagne Raymond Boulard wurde Francis Boulard und Delphine Richard-Boulard. In Cauroy mit dem einzigen Küfer der Champagne benachbart, ist Francis Boulard einer der alten Hasen im biodynamischen Champagnergeschäft und ein Terroirspezi obendrein, was nicht zuletzt damit zusammenhägt, dass sein Rebbesitz sich vom Massif St. Thierry bis weit hinein in die Montagne de Reims (Mailly Grand Cru) erstreckt.

Vins Clairs:

1. Les Rachais

100CH ohne BSA

Reif und würzig, hintenrum eine fast schon dramatische, nackte Säure, die sich in der nächsten Zeit noch weiter nach vorn schieben dürfte

2. Le Murtet

100CH ohne BSA

Herber und enger als der Rachais, die Säure beginnt sich schon wesentlich früher am Gaumen zu zeigen, der Wein ist insgesamt fast genauso lang und kompromisslos wie der Rachais

3. Les Murgiers (früher Brut Réserve)

100PM mit BSA

Anis und Fenchel, die mir nicht so gut gefallen haben, trotz des BSA eine noch gut strukturierte Säure, natürlich der weicheste vin clair in der Reihe

Champagner:

1. Les Rachais 2005 non dosé

Starker Meeresfrüchtecharakter, Austernschale, Zitrusabrieb. Meerwasser und Kalk bestimmen den Champagner.

2. Les Murgiers non dosé

50PM 50CH auf 2008er Basis

Weich, sehr reif, rund und mürbe, nicht sehr fordernd, wirkte auf mich etwas müde.

3. Millésime 2005

50CH 25PN 25PM, mit 5 g/l dosiert

Sehr versöhnlicher Jahrgang, rund und weich, etwas mandelig, mit dezenter Säure, die aus dem Hintergrund wirkt.

 

VI. Chartogne-Taillet

Ebenfalls im Massif St. Thierry, an prominenter Stelle, ist der in Deutschland schon recht verbreitete Champagner von Chartogne-Taillet zu Hause. Alexandre Chartogne ist ungemein sympathisch, jungenhaft und hochgewachsen eine echte Bilderbucherscheinung, bedachtsam, ein gründlicher und harter Arbeiter mit – wie ich finde – riesigen Händen, denen man die Arbeit ansieht und verschmitztem Blick. So macht er nicht nur die Damenwelt verrückt, sondern sorgt mit seinen exzellenten Champagnern auch bei Männern für Verzückung.

Vins Clairs:

1. Orizeaux

100PN

Limette, Nektarine, Blutorange, Pomelo. Vollreif, herbfrisch, ohne jede Spur von Überreife. Ein zupackender, starker Händedruck.

Champagner:

1. Orizeaux Extra Brut auf der Stelle handdégorgiert

2007er Basis

Fizzy, lebhaft bis quirlig und enorm stark. Keineswegs unseriös oder bonbonig, aber immer mit freundlichem und einladendem Augenzwinkern.

2. Les Barres

100PM, ungepfropft, ca. 60 Jahre alte Reben

Würzig und intensiv, herbe Frische, die ganz ohne druckvolle Säure dennoch Spannung aufbaut. Ich weiß nicht, ob ich diesen oder den Heurte Bise besser finden soll.

3. Heurte Bise

100CH

Klar zitrusnasiger Chardonnay mit weißem Pfeffer, Nashibirne, Pitahaya und Vetyver. Griffig, nachhaltig und schwer beeindruckend.