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Tag Archives: rilly la montagne

Terres et Vins de Champagne (III/III)

 

XIII. Laherte Frères

Aurelien Laherte, in dessen Fasskeller ich schon vor zwei Jahren den bravourösen Gehversuchen des noch ganz jungen Winzers folgen durfte, hat mal wieder ein spitzenmäßiges Programm mitgebracht.

Vins Clairs:

1. Les Noues

100CH aus Chavot

Ausdrucksvolle Nase mit Bergamotte, Formosa Oolong, auf einen Chabliskörper aufgepflanzt.

2. Vigne d'Autrefois

100PM

Luftig, womit nicht der gelegentlich anzutreffende Luffton gemeint ist, sondern eine leichte und beschwingte Art, ein müheloses und fröhliches Mit- und Durcheinander von gebackener Banane, Nashibirne, Litschi, Pitahaya, bouquet garni, umgeben von reichlich Zitrusfrüchten.

3. Rouges Maisons

100PN

Im Gegensatz zum Meunier stach hier roter Apfel mit einer etwas oxidativen, brotigen Note durch, auch hier wieder viel strukturgebende Säure

Champagner:

1. Blanc de Blancs brut nature

2008er Basis mit 2007

Hart, kraftvoll, mineralisch, das aber eher von der würzigen, angeschmutzten Sorte und nicht so sehr wie von pudrigem Kalk; bodennah, mit insgesamt gemäßigter Säure

2. Les Empreintes brut nature

40PN 40CH, davon wiederum 1/3 Chardonnay Muscaté, 20PM, 2007er

Sehr feiner Champagner, stark, aber ultranervös und spannungsgeladen, vibrierend und mit einer besonders ausgeprägten Schmackhaftigkeit, wie eine Essenz von Trauben-Tiramisu

3. Vigne d'Autrefois

2007er, mit 2 g/l dosiert

Wippend, federnd, elastisch, weniger vibrierend, als die Empreintes. Leicht und fruchtig, pricklig, aufgeladen mit Energie und Tatendrang, dabei mittelgewichtig und vom Typ her eher ein Jacky Chan als ein Steven Seagal

 

XIV. David Leclapart

Der Winzer, der ein bisschen aussieht wie Sting. Auch er ist noch nicht so arg lang mit seinen Weinen im Geschäft dass man von echter Trinkerfahrung mit seinen alten Jahrgängen sprechen könnte; auch dürfte sich wegen der kleinen Menge die Zahl der weltweit gelagerten Léclapart-Flaschen in sehr überschaubaren Grenzen halten, was einer der Nachteile dieser Kleinsterzeuger ist. Denn bei Verkostungen der aktuellen Jahrgänge hat man immer nur Hoffnungen im Glas, aber noch keinen empirischen Anhalt dafür, wohin die Reise einmal gehen könnte.

Vins Clairs:

1. Amateur

Bananig, amylisch, trotzdem hart und verschlossen, gleichzeitig irgendwie vielversprechend. Ist nur zu hoffen, dass sich all die Erwartungen, die in Grundweine dieser Art gesetzt werden, auch irgendwann als berechtigt erweisen.

2. Artiste

Weicher und extraktiger als der Amateur, aber sonst sehr ähnlich.

3. Apôtre

Erkennbar die Spitze der Pyramide dieser Art von Grundwein. Einesteils fühlt man, wie das Zahnfleisch von Rasiermesserklingen traktiert wird, andereseits ist da die fast schon künstlich wirkende und nahezu übersteigerte Fruchtverlockung.

Champagner:

1. Amateur 2007

Gummibärchen und Tannennadeln, Walnuss, Apfel und Muskat. Solche Champagner lassen einen dann erstmal die Bedenken wieder auf Seite schieben. Viel weniger rätselhaft, als im letzten Jahr um die Gleiche Zeit der 2006er Amateur

2. Artiste 2006

Weicher als der Amateur, mit stärker ausgeprägtem Luftton, wirkt er aromatisch nicht so ausgearbeitet wie der Amateur und gleichzeitig nicht so selbstbewusst wie der 2005er Artiste

3. Apôtre 2005

Weinig, rund, weich, groß. Hier ist der Champagner von Leclapart wieder ganz bei sich. Nicht so kalkig und unbezwingbar wie der 2004er Apôtre, sondern fassbar, wenngleich nicht einladend oder freundlich. Auch dieser Wein will von Luft, Zeit und Gaumenwerkzeu bearbeitet werden.

 

XV. Franck Pascal

In so guter Form habe ich die Champagner von Franck Pascal noch nie erlebt.

Vins Clairs:

1. Silicieux

80PM 12PN 8CH

Bananig und weich, wie man die Grundweine von Franck Pascal gar nicht kennt. Außerdem rund, würzig, samtig, auch etwas metallisch.

2. Assemblage wusste Franck selbst nicht mehr; ungeschwefelt

Rassig, spritzig, scharf, das war wieder ganz die alte Form.

Champagner:

1. Tolérance Rosé

Kirsche, Banane, Erdbeere, einige gemüsige Anklänge, ein wenig Metall; nichts erinnert hier an den sonst so weltabgewandten Rosé, der sonst unter diesem Namen auf den Markt kam. Weiter so.

2. Quintessence 2004

Butter, Candy, Karamell, nur gegen Ende noch ein wenig ungezügelte Säureaggressivität, die wirkt, als wäre der Maler kurz vor Vollendung seines Gemäldes plötzlich wahnsinnig geworden. Genau das macht den Champagner natürlich aufregend und interessant, auch hier ein weiter so, das ist der richtige Weg!

3. Prestige 2002

Der wohlgeformteste und arrondierteste Champagner, den ich bisher von Franck Pascal im Glas hatte. Gurken und Zitronenlimonade, einige Kräuter – erinnert entfernt an Pimm's No. 1.

 

XVI. Hubert Paulet

Monocrus aus Rilly-la-Montagne. Was nicht an Billecart-Salmon verkauft wird, dient als Grundlage für die Champagner des akkurat gescheitelten Monsieur Paulet.

Vins Clairs:

1. Chardonnay

Abgeklungen ist die Banane, jetzt sind Vitamin-C und eine leichte Exotik am Steuerrad.

2. Pinot Meunier

Vornerum weiche Frucht, hintenrum stabile Säure.

3. Pinot Meunier, dekantiert, aus 2009

Sehr weich und mild. Ende Vitamin C, insgesamt glatt.

Champagner:

1. Brut Tradition Premier Cru

50PM 25CH 25PN, mit 7 g/l dosiert

Leichter, etwas einfacher Champagner, brotig, alter Apfel, wenig Säure, mir außerdem zu hoch dosiert.

2. Mazerationsrosé 2004

80CH 20PM, drei Tage auf der Maische

Kirsche, Banane, Holz. Eher leicht, mit etwas Gerbstoff, nachhaltig, aber nicht beeindruckend.

3. Cuvée Risleus

27CH 20PN 43PM ohne BSA, bâtonnage; ungeschönt, ungefiltert.

Nach den beiden mäßigen Vorgängern ein starkes Stück: markig, kräftig, behutsam eingebundenes Holz, vollmundig, mit stattlicher Säure; auf dem Niveau würde ich gern alle Champagner von Paulet sehen.

 

XVII. Pouillon et Fils

Elodie und der beredte Fabrice Pouillon bewirtschaften ca. 15 ha entlang der Marne bis in die Montagne de Reims

Vins Clairs:

1. Les Villages

100PN, aus Ecueil, im Holz spontanvergoren, mit BSA

Minimal gerbstoffig, mit Fenchelnote und weichem, etwas einfachem Burgundercharakter

2. Les Blanchiers

50PN 50CH, im Holz spontanvergoren, mit BSA

Ausgeprägter, komplexerer Cuvéecharakter, einleitend apfelig, leichter Luftton, dann übernimmt erfrischende Säure, von Gerbstoffen hingegen keine Spur

3. Mazerationsrosé

100PN

Beaujolaischarakter, so ähnlich wie bei Horiot; sehr mild, mit abschließend knackiger Säure

Champagner:

1. Les Blanchiers Brut Nature

2006er Basis

Brotig, apfelig, mit der erfrischenden Säure, die auch schon der Les Blanchiers zeigte und ruhig noch etwas kräftiger sein könnte.

2. 2XOZ

100PN, Süßreservezugabe für die Gärung

Grapefruit, Mandeln, Graphit und ein eleganter Säureteppich mit herbfruchtigem finish.

3. Mazerationsrosé

2008er Basis, mit 20% aus 2007, mit 8 g/l dosiert

Weich, mild und weinig. Frucht und Mineralität im Einklang miteinander, ausgewogener, nicht sehr prunkvoller Rosé.

 

XVIII. Tarlant

Vins Clairs:

1. BAM

Pinot Blanc/Arbane/Petit Meslier

Als Fassprobe hatte ich diesen Mix schon in zwei unterschiedlichen Ausführungen probiert, zwischen unzugänglichem, nicht besonders charmantem Stinker und sehr flottem Burgundergrundwein mit bemerkenswertem Potential schwankten meine Einschätzungen im letzten Jahr noch. Die massive Säure wird von buttrigen und kandierten Aromen etwas gezügelt, der Wein wirkt harmonischer, crèmiger, nicht mehr so furieux, bleibt aber noch leicht gerbend und hat das Zeug zu einem weiteren namhaften Champagner aus dem an famosen Champagnern bereits nicht armen Haus Tarlant.

2. Mocque Tonneau

 

100PN

Erhebliche Säure mit einem nicht ganz so ernsten Charakter, pricklig und rund.

3. Îlot des Sables

Das ist der Grundwein für den berühmten Vigne d'Antan, ungepfropfter Chardonnay mit Extrakt, Würze und Tiefe, etwas Crème und der Ambition, als Champagner etwas richtig Großes darzustellen.

Champagner:

1. Cuvée Louis, dég. März 2009

50PN 50CH, aus den Jahren 1998/1997/1996.

Holz, Wucht und Kraft, Haselnuss, Walnuss, Trockenfrüchte und Apfel. Fette Sahnigkeit, die man bei einem Champagner ohne BSA gar nicht vermuten würde; glasklar ein Powerchampagner erster Güte.

Sommerchampagner – Fortsetzung

 

Die Sommerchampagner-Reihe setze ich mit einem Nicht-Champagner von einem Champagnerhaus fort, den man in Deutschland schwer oder gar nicht bekommt, weil er offiziell nicht importiert wird. Er gehört, anders als manches Erzeugnis des Mutterhauses, zu den bemerkenswerten Sprudlern und ist deshalb hier gut aufgehoben. 

1. Mumm Napa Cuvée DVX Brut 2000

50PN 50CH, mit 1% Dosageliqueur.

Knapp 15% Holzausbau. Wirkt auf Anhieb nicht wie Champagner, sondern wie sehr guter Sparkler. Wenig, aber dauerhaft vorhandene, eher untergründig wirkende Säure. Gleichzeitig reif und frisch. Das sprach für einen Schäumer mit langem Flaschenlager und noch nicht sehr weit zurückreichendem Dégorgement. Üppig dosierter Grosshausstil. Musste meiner Vermutung nach aus einem säurearmen Jahr oder heißer Gegend mit regelmäßig sehr reifem Lesegut stammen, denn für ein spätes Dégorgement fehlte die aggressive Vitamin-C-Aromatik. Dass es sich schließlich um den bei uns seltenen Mumm Napa DVX handelte, freute mich sehr. Vielleicht könnte man Ludovic Dervin noch empfehlen, weniger laktische Noten zuzulassen, oder die Dosage etwas herabzusetzen (für die Schleckermäulchen gibt es ja eigens eine DVX Santana mit höherer Dosage).

2. Marc Hébrart Brut Premier Cru

75PN 25CH. 12,5 ha Pinots aus Mareuil-sur-Ay, Avenay Val d'Or, Bisseuil, Chardonnays aus Chouilly und Oiry.

Apfelspass vom stückigen Apfelmus und frischer Hefezopf. Ein Pinotchampagner, der wie Blanc de Blancs duftet und schmeckt. Würde es sich um einen Blanc de Blancs gehandelt haben, wäre ich nicht enttäuscht gewesen, so war ich sogar beeindruckt, denn dass man von einer Cuvée mit diesem Rebsortenverhältnis so in die Irre geführt wird, ist immer wieder verblüffend und lehrt einen auch nach langen Jahren der intensiven Champagnerverkostung immer wieder Demut. Unter Chardonnaygesichtspunkten ist bemerkenswert, wie dieser Champagner dem Apfelthema in einer seiner einfachsten Formen so lohnende Facetten abgewinnt.

Weiter entlang der Marne geht es zu

3. Yves Ruffin Brut Premier Cru Élaboré en Foudre de Chêne

75PN 25CH.

3ha in Avenay Val d'Or und Tauxières. Bioanbau seit 1971, dem Jahr nach Gründung der Domaine. Ausbau der Grundweine in Eichen- und Akazienholz. Drei Jahre Hefelager. 

Die 2009er Grundweine waren alle verschlossen, geheimnisvoll und kryptisch, die aktuelle gamme dagegen ziemlich vielversprechend. Der Eindruck bestätigt sich bei diesem sehr guten Champagner, der zu den besonderen Tips in der Champagne gehört. Schattenmorellen und Sandelholz, außerdem Hagebutte, Quitte, Sanddorn. Viel gesunde, aber nicht unangemessen auftrumpfende Säure, die ohne biologischen Säureabbau vielleicht genervt hätte, dazu krachendes Fruchtfleisch und ein klärendes Gaumengefühl.

Einmal um die Montagne herum und wir kommen zu

4. Henri Chauvet, Brut Réserve

60-70PN 30-40CH. Drei Jahre Hefelager. Mathilde und Damien Chauvet bewirtschaften 8,4 ha in Rilly-la-Montagne Premier Cru. Davon sind Pinot Noir: 6,20 ha, Pinot Meunier: 0,50 ha und Chardonnay: 1,70 ha.

Der Champagner ist nicht sehr fruchtig, höchstens zu Beginn etwas zuckerwattig und mit einer Andeutung heller Früchte, sonst herb und kraftvoll. Ich fürchte, der Brut Réserve war zu frisch dégorgiert, denn Reifepotential traue ich dem Champagner zu. Warum? Weil die Herbe für mich nicht fehlerhaft war, sondern Ausdruck der Cuvée an sich. Deshalb denke ich, dass dieser jahrgangslose Champagner genug Rückgrat hat, um ein paar Jährchen in der Flasche zu überstehen und in dieser Zeit ein Flaschenbouquet zu entwickeln, das unabhängig von Primärnoten einen schönen Champagner abgibt.

Dann geht es in das Massif St. Thierry, wo Selosseschüler Alexandre Chartogne wartet

5. Chartogne-Taillet, Cuvée Sainte-Anne

60CH 40PN, Basisjahrgang 2006 mit 20% Reservewein aus 2005 und 2004.

Dieser Standard-Brut gehört zu den kräftigeren, herberen Winzerchampagnern. Hier überwiegt nicht der Eindruck von überirdischer Leichtigkeit, sondern der von sorgfältigem Winzerhandwerk. So wie ich beim Fiacre die hervorragende Vermählung und sahnige Weichheit schätze, finde ich bei dieser Eingangscuvée die softe Dominanz der etwas herben Spätburgunder gegenüber der nicht quirligen, aber den Eindruck von Beweglichkeit vermittelnden Chardonnays gelungen. Wie ein schwimmendes Fundament legt sich der Chardonnay auf die Zunge und lässt darauf ein schnörkel- aber nicht schmuckloses Burgunderaromenbauwerk seinen Halt finden.

Vom Massif herunter Richtung Marne stoßen wir auf

6. Jean-Francois Launay, Cuvée Grain de Folie

Winzer aus Arthy, einem Örtchen in der Vallée de la Marne, in Richtung Paris direkt hinter Daméry gelegen.

Die Cuvée fällt zunächst wegen ihrer Aufmachung ins Auge, ganz im Stil beispielsweise der Belle-Epoque trägt sie nicht nur ein schnödes Etikett, sondern ist mit einer Teilrückenansicht einer Art-Déco-Schönen serigraphiert, die ein lächerlich kleines Champagnergläschen genießerisch in der Hand und gegen einen traubenüberrankten Hintergrund hält. Das ließ mich einen femininen, leichten, aufgrund seiner Herkunft meunierfruchtigen Champagner erwarten, doch das Exterieur täuscht. Im Glas war der Champagner garconnemäßig rank und drahtig, von einer listig wirkenden Art. Die schlanke Säure wirkte durchdringend und beinahe stechend, wie der Blick des tuberkulosegeschwächten Etikettenzeitgenossen Franz Kafka. Das überraschte mich und ich brauchte einige Zeit, um mich damit anzufreunden. Bis zum Schluss wurde der Champagner in kleinen Schritten besser, ein abschließendes Urteil habe ich mir aber nicht bilden können. Werde ich im Auge behalten.

Etwas abseits ist in Chalons-en-Champagne eines der am wenigsten bekannten großen Häuser beheimatet. In Châlons machte die französische Königsfamilie auf der Flucht vor den Revolutionären kurz Halt und ließ sich wenige Kilometer weiter östlich in St. Menehould der Legende nach noch ein letztes mal die berühmten Schweinsfüsse servieren – so erzählt es uns jedenfalls Alexandre Dumas in seinem Grand Dictionnaire de la Cuisine

7. Joseph Perrier, Cuvée Royale

35CH 35PN 30PM, drei Jahre Hefelager. Reservewein teilweise im 600l-Holzfass.

Mittelschwerer Wein, leider hatte ich ihn etwas zu warm im Glas. Die Trauben kommen ganz überwiegend aus der Vallée de la Marne. Minimale, an manche nicht ganz so gute Winzerchampagner erinnernde Chlornote, sonst fruchtig mit mineralischem Beiwerk, ausgeglichene Aromatik von noch jungem Champagner, fest in der Struktur, mit Flaschenreife sicher noch interessanter und ganz sicher ein guter Begleiter für Pieds de Cochon a la Sainte-Menehould.

Zu guter Letzt darf es auf dem Rückweg nach Epernay einer der schönen Einzellagenchampagner von Leclerc-Briant sein,

8. Leclerc-Briant Blanc de Blancs "La Croisette"

Biodynamischer Chardonnay aus der nach Osten ausgerichteten Einzellage La Croisette (0,37 ha). Sympathisches Detail: am hochwertigen Korkspiegel lacht die biodynamische Leclerc-Briant-Sonne samt Erzeugernamen an Stelle des immer gleichen "Grand Vin de Champagne" Schriftzugs.

Der Champagner ist ein stürmischer Geselle. Ideale Optik für Perlagefreaks, im ganzen Glas wild spiralige und feine Perlenketten. Beginnt mit verhaltener leicht mürber Apfel-Aprikosennase und rennt dann los. Überwiegend gelbfruchtig, nicht mit überschiessender Säure, vollreif, etwas exotisch. lustiges Zigeunermoll. Ein Champagner, dessen Herkunft aus dem Rotweinörtchen Cumières sich an der orientalisch-exotischen nicht schwabbeligen, aber gegenüber Côte des Blancs Chardonnays etwas fetteren Aromatik festmachen lässt.

Das schreiben die anderen: Patrick Dussert-Gerber

Der aktive Autor hat sich in der aktuellen Ausgabe von "Millésimes" mit seinem Champagner-Classement für 2010 zu Wort gemeldet. Nicht zur Unzeit, wie ich meine, denn Zeit für Champagner ist bekanntlich immer – nicht nur kurz vor Weihnachten. Also, was schreibt er denn? Zunächst mal muss man seine Classements kennen. Darin unterscheidet er zwischen erst-, zweit- und drittklassifizierten Weinen. Diese Classements stellt er für jede Weinbauregion gesondert auf, d.h. ein erstklassifizierter Champagner unterliegt den Regeln seines Champagner-Classements und ist insofern nicht vergleichbar mit einem von ihm erstklassifizierten Bordeaux. Innerhalb der jeweiligen Classements herrscht nochmal eine Hierarchisierung, wobei Dussert-Gerber im Champagner-Classement jede Klasse nochmal in kräftige und elegante Champagner unterteilt. Dabei fließen Werte wie Reifevermögen, Preis-Leistungs-Verhältnis und Kontinuität der letzten Jahrgänge einer Cuvée ein. Wer also in der Spitze eines Classements steht, dem kommt eine gegenüber den nachfolgenden Weinen herausgehobene Bedeutung zu.

Neu hinzugefügt hat er die folgenden Champagner (A steht jeweils für die Gruppe der körperreichen Champagner, B für die eleganten Champagner):

AVENAY-VAL-D'OR, CHAMPAGNE LAURENT-GABRIEL, 2ème A

AY , CHAMPAGNE GOSSET, 1er B

BOUZY, CHAMPAGNE MAURICE VESSELLE, 2ème A

CHAMERY, CHAMPAGNE PERSEVAL-FARGE, 2ème B

CHIGNY-LES-ROSES, PHILIPPE DUMONT, 2ème A

CHOUILLY, CHAMPAGNE LEGRAS ET HAAS, 2ème B

COURTERON, CHAMPAGNE FLEURY, 2ème A

CRAMANT, CHAMPAGNE P. LANCELOT-ROYER, 3ème A

DAMERY, CHAMPAGNE DANIEL CAILLEZ, 2ème B

DIZY, CHAMPAGNE VAUTRAIN-PAULET, 2ème A

EPERNAY, CHAMPAGNE ELLNER, 1er A

LE BREUIL, CHAMPAGNE PIERRE MIGNON, 2ème B

POUILLON, CHAMPAGNE BOURDAIRE-GALLOIS, 2ème A

RILLY-LA-MONTAGNE, CHAMPAGNE ANDRE DELAUNOIS, 2ème B

Um einen Eindruck von seinem Classement zu bekommen, ist es hilfreich, sich seine erstklassifizierten Champagner anzusehen.

In der Gruppe A, bei den körperreichen Champagnern, finden wir:

CHARLES HEIDSIECK (Millénaire)
KRUG (Grande Cuvée) (r)
MOËT ET CHANDON (Dom Pérignon)
POL ROGER (Sir Winston Churchill) (r)
TAITTINGER (Comtes de Champagne) (r)
ALAIN THIÉNOT (Grande Cuvée)
DEVAUX (D) (r)
ELLNER (Réserve) (r)
PHILIPPONNAT (Clos des Goisses)
(BOLLINGER (RD))
CANARD-DUCHÊNE (Charles VII)
RENÉ GEOFFROY (Volupté)
LAURENT-PERRIER (Grand Siècle)

In Gruppe B, bei den eleganten Champagnern, finden wir:

GOSSET (Grand millésime) (r)
PIPER-HEIDSIECK (Rare)
ROEDERER (Cristal)
DE SOUSA (Caudalies)
DE TELMONT (O.R.1735)
Pierre ARNOULD (Aurore)
PAUL BARA (Réserve) (r)
Pierre PETERS (Spéciale Millésime)
RUINART (Dom Ruinart) (r)
DE VENOGE (Princes)

Was sagt uns das? Das sagt uns, dass Monsieur Dussert-Gerber einen, sagen wir mal: sehr eigenständigen Gaumen hat. Wie sonst ist es zu erklären, dass er Dom Pérignon, den Inbegriff der Leichtigkeit und des schwerelosen Genusses in die Gruppe der körperreichen Champagner einordnet? Liegt es vielleicht daran, dass er nur die klobigeren, angestrengteren Jahrgänge aus den späten Neunzigern getrunken hat? Wir wissen es nicht. Auch eine Erklärung über die Jahrgangschampagner aus dem Hause Krug bleibt der Meister schuldig. Doch der Seltsamkeiten noch nicht genug, finden wir unter den erstklassifizierten Champagnern Häuser wie Devaux, Ellner und Canard-Duchêne, nicht jedoch die Grande Dame von Veuve Clicquot, keine Champagner aus dem Haus Perrier-Jouet, Delamotte, Salon oder Besserat de Bellefon, die alle wahrlich keine Geheimtips mehr sind und es mit einigen der erstklassifizierten Champagner ohne weiteres aufnehmen könnten.

Sehr seltsam ist auch, dass sich im gesamten Classement Winzer finden, die gut und gerne trinkbare Champagner machen, Erzeuger wie Selosse, Prevost, Ulysse Collin, David Leclapart, Jacques Lassaigne, Tarlant, Cedric Bouchard, Vouette et Sorbee, Georges Laval, Diebolt-Vallois jedoch noch nicht einmal unter den drittklassifizierten auftauchen. So ist doch ausgesprochen fraglich, ob die süffigen, aber nicht besonders inspirierten Champagner beispielsweise vom Château de Boursault und Abel-Jobart einen Platz im Classement halten könnten, wenn die anderen genannten Winzer dort ebenfalls vertreten wären.

Will man Monsieur Dussert-Gerbers Gaumen kein voreiliges Unrecht antun, so kann man nur vermuten, dass er einige sehr wichtige Champagner noch gar nicht getrunken hat. Dann aber, so meine ich, muss man sich mit der Herausgabe eines Classements zurückhalten und artig gedulden, bis die Datenbasis dafür groß genug ist.

Dass er einige sehr gute Champagner auf dem Schirm, resp. im Glas hatte, zeigt sich nicht zuletzt daran, dass er Champagne Aspasie von Ariston Père et Fils hoch einstuft. Franck Bonville, Pascal Agrapart und Jacky Charpentier haben sich ihren Platz gewiss ebenfalls verdient, wenngleich ich ihre Champagner nicht zu den körperreichen zählen würde. In der Kategorie ist richtigerweise der "Comète" von Francis Boulard gut aufgehoben – auch wenn dieser Champagner ultrarar ist und die anderen Champagner von Francis scheinbar keine Berücksichtigung gefunden haben. Bei den eleganten Zweitklassifizierten stoßen wir sodann auf Gaston Chiquet, Leclerc-Briant, Legras et Haas, Bonnaire, Comte Audoin de Dampierre, Drappier und Gimonnet, sowie auf andere alte Bekannte: Blin, Bedel, Tixier, Brice, Chapuy, Robert Charlemagne und Michel Turgy. Wieder könnte man darüber streiten, ob die Champagner z.B. von Dampierre zu den allerelegantesten gehören, oder ob sie nicht wegen ihrer reichlichen Dosage bei den körperreichen Champagnern anzusiedeln wären.

Lässt man die Frage nach der Notwendigkeit eines Champagner-Classements offen, so kann man sich fruchtbar nur noch mit der tatsächlich erfolgten Umsetzung eines solchen Classements befassen. Das von Dussert-Gerber ist gut gewollt, doch unübersichtlich und die vergleichsweise umfangreichen Beschreibungen der Erzeuger wiegen nicht seine allzu kurz geratenen Weinbeschreibungen auf. Wichtige Champagner fehlen völlig, mancher nur leicht überdurchschnittliche oder gerademal durchschnittliche Erzeuger erhält durch die viel zu dünne Datenbasis ein unproportional hohes Gewicht. Das mag den betroffenen kleinen Winzer freuen und mit Sicherheit werden einige Winzer nach der Publikation des jeweils aktuellen Classements ein verdientes Maß erhöhter Aufmerksamkeit erhalten. In diesem Punkt erweist sich Dussert-Gerber nämlich als fleißiger Verkoster – was letztlich dem Verbaucher nur willkommen sein kann. Meiner Ansicht nach leidet das Classement aber noch zu sehr unter seiner Unausgewogenheit.

Mehr vermischte Champagnernotizen

Dieses Jahr lag Christi Himmelfahrt günstig. Was kann man in so einem Fall besseres machen, als kurz in die Champagner zu düsen?

I. Bonnaire Blanc de Blancs Grand Cru

Chardonnay. Cramant Grand Cru.

Etwas grüner Apfel, recht lang, behäbiger als die undosierte Version, anfangs noch nicht besonders komplex, aber eben auch kein langweiliger Durchschnittschardonnay. Diesen Erzeuger und genau diesen Einstiegschampagner von ihm darf man nicht unterschätzen: ganz langsam fügen sich nämlich die Puzzleteile ineinander und wie in Zeitlupe reifen die Chardonnays aus Cramant, wie man beispielsweise von Diebolt-Vallois weiß. In groß angelegten Proben überzeugt dieser Champagner nicht, bei Blindproben dagegen hat er etwas, das innehalten lässt. Nämlich genau diese langsame Art, die sagen will, dass da noch viel mehr ist. Passt sehr gut zur Tapasplatte, insbesondere zu grünen Oliven, zum Schinken und zu fetter Salami. Die Enthüllng kommt dann zur Entenleber mit Whiskylackierung, auch wenn die Kombination nicht gerade augenfällig zu sein scheint. Die spritig-süsslichen, torfigen, schon gereiften Whiskyaromen auf der Entenleber schmecken zwar großartig, bedürfen zur Vervollkommnung aber eines Champagners wie diesem, der sich nicht aufspielt, sondern mit seiner langsam und behutsam sich einfügenden Apfel-Mineral-Aromatik das Geschmacksbild perfektioniert.

II. Lacourte-Guillemart Brut Tradition

85% Pinot-Noir, 15% Chardonnay, drei Jahre Hefelager. Ecueil Premier Cru in der westlichen Montagne de Reims. Mit charmanter Winzertochter.

Ziegenledernase. Weinig und rund, leicht oxidativ, roter Apfel, standfester Champagner mit einiger Komplexität und Entwicklungsfreude im Glas. Schön zur Büffelmozarella und reifen Kirschpaprikas, nicht verkehrt zum Langustenschwanz mit Passionsfruchtbrunoise, obwohl ich mich bei dieser Kombination immer frage, ob nicht Diebolt-Vallois' Fleur de Passion noch besser dazu schmecken würde. Werde ich irgendwann mal ausprobieren müssen.

III. Abel-Jobart Brut Sélection

Blanc de Meuniers. Sarcy, tief in der Vallée de la Marne, 15 Monate Hefelager.

Quitten und Holzapfel, Wildkirsche, herbe Säure, gerbstoffig, dabei fruchtig und mit einer ansprechenden, etwas devoten, sich unter der Herbe durchschlängelnden Fruchtsäure. Blind nicht leicht als Champagner zu erkennen, aber ein kleines Lehrstück über die reinsortige Vinifikation von Meunier. Dazu kann man sich ein sehr stimmiges Barbenfilet mit geschmortem Fenchel und schwarzen Oliven servieren lassen. Die Fenchelsüße und das etwas anisige Aroma verweben sich mit dem Duft des Champagners zu einer beinahe orientalisch anmutenden Komposition, die Oliven, die um Gottes Willen jeder Spur von Herbe entbehren müssen, unterstützen diesen Eindruck gekonnt und schon wird aus einem nicht gerade wahnsinnig komplizierten Champagner ein Essensbegleiter mit leicht schwülstigem Charme und gebändigter Abenteuerlust.

IV. Delaunois Cuvée Royale

Klassischer Drittelmix mit 25% Reservewein, der selbst ein Drittelmix ist. Drei Jahre Hefelager. Rilly-la-Montagne Premier Cru.

Dieser Champagner hatte mich trotz seiner beiden Sternchen im Guide Hachette beim letzten Mal nicht überzeugt und die Cuvée Palmyre von André Delaunois hatte es in der letzten Verkostung schwer gegen Bruns “La Pelle, Cuvée des Sires”, daher der re-call. Herb und kräftig, eher einfach, aber noch nicht grob, war er solo wieder kein besonderes Vergnügen. Des Rätels Lösung offenbart sich nach dem Verzehr einer mehr als nur eishockeypuckgroßen Portion Boeuf Tartare mit einer Extrabeigabe Speck und grünem Spargel: dieser Champagner passt zu allem, wozu sonst ein schönes Pils passt. Ein Durstlöscher für Männer eben.

V. Carré-Guebels Rosé

70% Chardonnay, 30% Pinot-Noir. Trépail Premier Cru im Südosten der Montagne de Reims, schon fast etwas abseits gelegen, wenn da nicht die mitunter sehr interessanten Champagner wären, die eine Reise lohnenswert erscheinen lassen.

Ein Blick auf die watchlist und der nächste Kandidat stand fest. Dieser hier nämlich. Zuletzt hatte er mit seiner weißen Seele gut gepunktet und auch dieses Mal habe ich mir notiert, daß weißes Herz und rote Haut einen kernigen, am Anfang kirschigen, gegen Ende hin gekonnt ausgewogenen, nahtlos verschweissten Champagner ergeben. Mit Luft und zunehmender Temperatur verlor er etwas an Biss und wurde leicht wärmend-alkoholisch. Muss kalt getrunken werden und passte traumhaft zum Gurkensüppchen. Eine Empfehlung spreche ich auch zum festen Fleisch vom Seeteufel mit Wildreis, Rosmarin und balsamierten Tomaten aus.

VI. Laurent Gabriel Grande Reserve. Premier Cru am südlichen Fuss der Montagne de Reims und Avize Grand Cru. Tochter Marie-Marjorie hilft seit 2001 mit.

Selbst wenn das Thema Holzfassausbau beim Champagner keinen mehr vom Stuhl fegt, probierenswert sind die Kollegen meist durchaus. Dieser war besonders gut gelungen, das Holz dominant und dennoch nicht erdrückend. Laurent Gabriel hat bereits mit seinem Rosé gezeigt, wohin bei ihm die Geschmacksreise geht und seine Grande Réserve geht beherzten Schritts weiter. Vanillekeks, Kokos, Macarons, Brotrinde, auch stark geröstete Haselnuss und eine mit Luft sich immer besser und weiter entfaltende Struktur sind Indikatoren für den vielleicht auf Anhieb etwas vordergründig erscheinenden Stil des Hauses. Wobei ich die Aromenfülle dieses Champagners nicht im negativen Sinne vordergründig finde, bzw. hervorheben will, dass die Grande Réserve im Laufe eine halben Stunde noch eine ganze Menge nachlieferte. Gut! Zum kaffeegefüllten Krokant mit Karamelleis und Fleur de Sel passt der Champagner, weil Kaffee, Karamell, Salz und mäßige Süße sich so leichtherzig und übermütig mit den Holznoten vereinigen. Wer es konservativer mag, fährt mit einer karamellisierten Apfel-Birnen-Tarte nicht falsch.

VII. Banchet-Legras Blanc de Blancs

Chardonnay. Chouilly Grand Cru.

Unauffälliger, etwas altmodischer, fruchtiger, nicht so sehr mineralischer Chardonnay. Absolut unbekannt und sehr schwer zu finden! Passte zur Foie Gras von der Ente, bloss mit etwas grobem Pfeffer und Guérande-Salz ad libitum bestreut und mit Paprikaschnipseln garniert, war mir zu den confierten Entenmägen sehr willkommen und musste erst bei den etwas salzigen Entenrillettes passen.

VIII. Paul Michel Blanc de Blancs Premier Cru 1999

Cuis Premier Cru.

In der Nase reif, schwarzer Tee (irgendetwas zwischen Friesenmischung und Lady Grey) mit viel Kandis und einem Spritzer Limettensaft. Schwierig, dazu einen passenden Speisenpartner zu finden. Tranchen vom Iberico-Schwein mit Steinpilzen, Knoblauch und Blattpetersilie überzeugen jedenfalls nicht so recht, zu viel Geschmacksdurcheinander. Besser ist da schon die junge Ente mit behutsam getrüffelten Gnocchi und getrockneten Früchten.

IX. Franck Bonville Blanc de Blancs Grand Cru Brut 1998

Avize Grand Cru.

Helle, harmlos wirkende Strohfarbe. In der Nase eine sehr entwickelte, dem Alter besser entsprechende Nussigkeit, Apfel natürlich, Butteröl und etwas Hefe. Am Gaumen wieder eine Überraschung, kein leichtgängiger, runterflutschender und irgendwie überholzter Burgunderklon, sondern eine sehr eigenständige, nicht derbe, aber zielsicher zupackende Griffigkeit, nicht zu verwechseln mit alterungsbedingter Brandigkeit oder einem sonstwie unausgewogenen Auftreten. Zur Fischsuppe mit Zitronengras gerade noch vertretbar, schmeckt aber besser allein.

X. Perrier-Jouet Grand Brut

Epernay. 35PN, 40PM, 25CH.

Viel zu selten trinke ich diesen guten Standardbrut, obwohl er mir in praktisch allen Reifegraden gut schmeckt. Als Basischampagner eines großen Hauses kommt er mit viel Pinot Meunier ins Glas, was ich begrüße. Der Grand Brut reift übrigens sehr schön, was viele gar nicht für möglich halten. Dieser hier war sehr jung und zitrusfruchtig, aber nicht von der chardonnayigen Art, sondern mit rötlichen Akzenten, wie sie von der Pomelo, Grapefruit, Blutorange und vom Sanddorn kommen können. Angenehm, frisch und saftig. Kein Wunder, dass die gebratenen Speckscheiben mit Orangenconfit und Auberginenkaviar dazu schmeckten.

XI. Perrier-Jouet Belle Epoque 1996

Drittelmix.

Komplex, buttrig, reif, abgeblühte Akazie und reichlich Nuss. Stärker werdender Honig, immer noch vorhandene Limette, etwas Karamell. Dieser Champagner scheint sich noch nicht verabschieden zun wollen, obwohl er vor einiger Zeit bedenklich gewackelt hat und oft genug gar kein Urteil zuließ, weil schlimme Flaschenvarianzen oder Kork den Genuss verhinderten. Erscheint sehr fit, ohne dass ich damit rüstig sagen will. Ein starker Partner für das gebackene Lammbries mit Röhrchennudeln und Früchtemus.

XII. Perrier-Jouet Belle Epoque Rosé 1997

55PN, 5PM, 40CH, 15% Rotweinzugabe.

Die Nase erinnert mich an ein puderzuckerüberstäubtes Pfannkuchendessert mit Blutorangenfilets und Brombeersauce. Sonst der weißen Belle Epoque nicht unähnlich, wenn man mit geschlossenen Augen reinschnuppert. Im Mund ziemlich weinig, etwas griffig, nicht besonders säurehaltig und nicht mehr ganz auf der Höhe. Passt gut zu überbackenen Samtmuscheln und zum Seewolf in Mandelschuppen.

Im Champagnerleistungszentrum: Armand de Brignac

Was hat das FINE Champagne Magazine mit dem chinesischen WineLife Magazine, dem peruanischen Magazin Luhho und der nackten Rachel Weisz zu tun oder gar gemeinsam? Und warum könnte ich die Reihe meiner Fragen noch um das slowakische Magazin Vinoviny oder um die südkoreanische Lifestylepostille luel erweitern? Es ist ganz einfach: das tertium comparationis ist die Champagnernovität "Armand de Brignac". Vielen ist er sicher schon begegnet, der aufwendig metallplattierte Vanity Champagner mit dem Ace of Spades, sei es, weil Jay-Z sich medienwirksam vom Cristal ab- und dem Ace zugewandt hat, vielleicht aber auch nur in der Kuriositäten- und Schmunzelecke einer Zeitschrift, die vom Leben der Reichen berichtet. Nachdem ich den Sip of Gold von Sieger by Fürstenberg getestet habe, war es naheliegend, einen Champagner mit ähnlichem Bling-Faktor zu untersuchen.

Der Produktionshintergrund ist nicht kompliziert: so, wie Mariah Carey ihren "Angel's Champagne" von Michel Gonet in Avize produzieren lässt, gibt es auch für die schon seit fast siebzig Jahren eingetragene Marke "Armand de Brignac" einen Erzeuger für den unter diesem Namen verkauften Champagner. Es ist das Haus Cattier aus Chigny-les-Roses in der Montagne de Reims (bis ins 19. Jahrhundert hieß das geschichtsträchtige Nest übrigens Chigny-la-Montagne). Nicht nur, dass 1890 in diesem Örtchen 1890 Madame Pommery verstarb, sondern einer der historisch bedeutsamsten Weinberge der gesamten Champagne findet sich hier. Es ist die Parzelle von Allart de Maisonneuve, – vormals Offizier in Louis XV. Diensten -, seinerzeit eine Pilgerstätte für alle, die im Weingeschäft tätig waren, darunter war in jenen Tagen nicht zuletzt die damals noch junge Veuve Clicquot. Cattier also bereitet aus den Reben dieses alten Weinbergs einen Monocru, den "Clos du Moulin". Dieser Champagner ist für Prestigeverhältnisse mittelpreisig, von guter Qualität, steht aber nirgends wirklich im Fokus. Vielleicht war das der Grund dafür, eine Marke mit Leben zu füllen, deren Namenspatron de Brignac selbst nie gelebt hat, sondern an eine Romanfigur angelehnt ist. Der Marketingvorteil liegt auf der Hand, es ist vor allem die Freiheit von jedem historischem Ballast, die es wiederum ermöglicht, nach Belieben historisierend aufzutreten, dem Film "Wild Wild West" mit Will Smith nicht unähnlich.

Mit dem Marketingthema ist dann auch schon ein Thema angeschnitten, bei dem Kritiker schnell unsachlich werden und geizige Menschen mit einer Mischung aus hilfloser Überheblichkeit und geiferspuckendem Zorn reagieren. Aber sachte: Champagner ist nicht grundlos zum Synonym für luxuriöse Festlichkeit geworden. Ich bin sogar der Ansicht, dass zahlreiche Weine anderer Provenienz es ebenso zum Rang des Sonnenkönigs der Weinwelt hätten bringen können, wenn sie denn mit ähnlich beharrlichem Ehrgeiz und cleverem Marketing darauf hingearbeitet hätten. Für mich ist Champagnermarketing etwas, was zum Produkt dazugehört, manchmal nervt, oft genug positiv beeindruckt und womit ich mich letztlich gut arrangieren kann. So wie die Pornoindustrie wegweisend bei der Erfindung neuer Distributionskanäle und Abrechnungsmodelle im Internet war, ist das Marketing der Champagnerindustrie beispielhaft dafür, wie man selbst schwerst widerstreitende Interessen – von kleinen Winzern, großen Genossenschaften und noch größeren, konzernzugehörigen Champagnermarken – unter einen Hut und seine Schäfchen ins Trockene bringen kann. Darauf sollte man nicht mit dem Finger zeigen, wenn man selbst wegen heilloser Zersplitterung in den eigenen Reihen bloss neidisch ist.

Jetzt aber zu den Champagnern: die aktuellen Cuvées auf Basis des 2005ers mit Reservewein aus 2003 und 2002 stammen aus Grand- und Premier Crus (Chouilly, Cramant, Avize, Oger, Le Mesnil und Ludes, Rilly-la-Montagne, Villers Allerand, Taissy, Villers Marmery, Montbre, Pierry, Damery, Vertus, Mareuil-sur-Ay), verwendet wird nur die erste Pressung. Die Cuvées sind mit 9,65 g/l dosiert, der Blanc de Blancs bekommt 10,4 g/l, bei allen drei Champagnern reift der Dosageliqueur zuvor neun Monate im burgundischen Holzfass. Die verkosteten Champagner wurden im März 2009 dégorgiert. Insgesamt werden zur Zeit 42000 Flaschen Armand de Brignac hergestellt, der größte Teil davon als Gold Cuvée, jeweils ca. 6000 Flaschen als Blanc de Blancs und Rosé. Mittelfristig ist die Ausweitung der Produktion geplant.

I. Gold

Ein Mix aus 40% Chardonnay, 40% Pinot-Noir und 20% Pinot Meunier. Die erste Version beruhte noch auf einer 2003er Basis mit 2002 und 2000 als Reservewein und ist ausverkauft.

Dieser Champagner fühlte sich in der Flöte wohl. Ins Auge fiel sofort das glanzvolle, auf die Flaschenfarbe und den Cuvéenamen abgestimmte goldene Funkeln. Ob die 20% Meunier ein Bekenntnis zur Leistungsfähigkeit der Traube sind, oder ob damit early accessibility und auf die in-crowd zugeschnittene Fruchtigkeit erzielt werden sollen, geht aus dem Informationsmaterial zum Gold nicht hervor. Angesichts der kurzen Hefelagerdauer, des in den Blick genommenen Publikums und der nachfolgenden Geschmackseindrücke liegt für mich der Schluss nahe, dass der in Prestigecuvées keineswegs zwingend notwendige Meunieranteil einesteils die altbewährte Scharnierfunktion zwischen rassigem Chardonnay und weinigem, opulentem Pinot-Noir übernehmen soll. Außerdem kommt dem Meunieranteil bei diesem Champagner offenbar die viel wichtigere Funktion zu, das Aromengefüge aufzulockern und frei schwingen zu lassen. Dementsprechend schmeckt der Champagner süffig, dick, mit etwas Marshmallow angereichert, aber zu keinem Zeitpunkt druckvoll oder mineralisch, mit langem, meunierfruchtigem finish. Daraus ergibt sich eine unkomplizierte, unverkrampfte, in gutgelaunte Golfrunden, Edeldiscos und Yachtclub-Parties passende Aromenstruktur. Ob exakt so der beste Champagner aus einer Reihe von Verkostungen mit insgesamt tausend Champagnern schmeckt? Ich meine nicht – allein schon, weil es in der Geschmackswelt zu viele Unterschiede gibt, um einen objektiv "Besten" zu haben. Im Kontext der Champagner seiner Preisklasse (und wir reden hier über den kleinen Club von Champagnern, die im Bereich von 300 EUR und mehr pro Flasche liegen) ist Armand de Brignac Brut Gold jedoch derjenige, dessen unzergrübelte, jugendlich sorgenfreie Stirn am leichtesten Zustimmung und Beifall ernten wird.

II. Blanc de Blancs

60% der Trauben stammen aus der Côte des Blancs, 40% aus der Montagne de Reims.

Aus der Champagnerflöte machte der BdB einen unscheinbaren Eindruck. Erst aus dem Bordeauxglas kam eine ernstzunehmende Rückmeldung. Mineralität, die man sich vom nassen Kalk der Côte des Blancs herkommend vorstellen kann, dominierte in der Nase. Darunter lag eine Mischung aus weißen Blüten, man wird nicht mit mir schimpfen, wenn ich Akazienblüten sage, und Birnenkompott. Für einen jungen BdB sehr milde Säure. Wenn man die prunkige Flasche gesehen hat und dann einen so schüchternen Champagner ins Glas bekommt, kann man sich schonmal wundern. Vielleicht wird der Champagner mit der Zeit etwas mehr an Breite und Tiefe zulegen, das Traubenmaterial müsste jedenfalls das Zeug dazu haben. Mich würde nicht überraschen, wenn die verschnupfte, enge Nase darauf zurückzuführen ist, dass jugendliche Chardonnays aus Cramant, Avize, Oger und Le Mesnil das Regiment führen.

III. Rosé

50% Chardonnay, 40% Pinot-Noir und 10% Pinot Meunier, 12% Rotweinzugabe aus Pinot-Noir und Pinot Meunier von alten Reben.

Aus der Flöte kam die ersten paar Minuten nichts, als frische Austern. Ich habe den Champagner dann in einen üppigen Burgunderkelch umgefüllt, was ihm sehr geholfen hat. Denn wie ich zufällig weiss, sind frische Austern nicht nur nahr- und schmackhafte Speisetiere, sondern ihr unverkennbarer Duft kündet meist von zeitlich unmittelbar nachgelagerten, ganz besonders sinnesbetörenden Erlebnissen. Und siehe! Kaum ins Burgunderglas transvasiert, platzt die krustige Schale auf und entlässt einen lebhaften, munteren und animierenden Wein mit feinstem Burgundercharakter, viel Beerenaromatik, einer untergeordneten Menge Waldboden und verführerischer Würze in das wahre Leben. Ein femininer, weiblicher, fraulicher, kalipygischer Champagner, der zum schweinigeln einlädt  – und mein Favorit unter den Armand de Brignacs.

Angekündigt ist ein vierter Armand de Brignac, der gleich zwei Trends bedienen wird: es soll sich um einen reinen Pinot Meunier vom Clos du Yons handeln, Basis wird der 2007er Jahrgang sein, die Stückzahl soll bei 3000 Flaschen liegen. Bei einem Weingarten mit 11 ha bedeutet das ein nicht unerhebliches Steigerungspotential, wenn die Nachfrage entsprechend gross sein sollte. Zu rechnen ist mit diesem Champagner 2012 – 2013.

Besuch bei Vilmart

 

Mit nur knapp 11 ha in der Montagne de Reims, im Premier Cru Rilly und Villers-Allerand, ist Vilmart flächenmäßig kein großer Erzeuger. Grand Cru steht ihm nicht zur Verfügung. Qualitativ gehört er dennoch zur Spitze. Die grundweine für Reserve und Cellier lagern zehn Monate lang in Fassreihen auf der linken Seite des ebenerdigen Fasskellers, diese Fässer haben 5000 Liter Fassungsvermögen. Die gehobenen Weine des Portfolios werden in Burgunderfässern aus Meursault ausgebaut. Laurent Champs, Enkel des letzten männlichen Namensträgers, hat die Zügel von seinem Vater René, dem Sohn von Nicole Vilmart übernommen. Er konnte leider nicht selbst ausschenken, wir haben uns folgende Champagner trotzdem schmecken lassen:

 

I. Grande Reserve

Die Grande Reserve ist die Visitenkarte des Hauses. Sie besteht zu 70% aus Pinot-Noir und zu 30% aus Chardonnay, die Reifedauer beträgt drei Jahre. Im Glas sind Kraft und zurückhaltendes Holz versammelt, die kühle Zitrusfrische schlanker, junger Chardonnays gibt dem Champagner eine schöne Elastizität und weinigen Anspruch.

 

II. Grand Cellier

Feiner, frischer, zitronen-limettiger, komplexer und länger als die Grande Reserve ist der Grand Cellier, der ein Jahr länger reifen darf, was ihm merklich guttut. Das Mischungsverhältnis aus Chardonnay und Pinot Noir bleibt dabei dasselbe. Dieser jahrgangslose Vertreter ist eines der besten Besipiele dafür, was ein Könner aus "nur" Premier Cru klassifizierten Reben machen kann.

 

II.I Coeur de Cuvée 2001

Eigentlich war ich auf den 2002er Grand Cellier d'Or scharf, denn der Jahrgang gehört zusammen mit dem 2004er zu den Jahren mit der bisher schönsten, gleichförmigsten, harmonischsten und elegantesten Entwicklung auf der Flasche. Ich war vom 2002er Grand Cellier d'Or verzückt, erwartete aber im Grunde nicht ernsthaft, davon noch etwas bekommen zu können, wo doch sogar der 2003er schon ausverkauft ist und 2004 in den Startlöchern steht. Also nahm ich etwas unmutig mit dem 2001er Coeur de Cuvée Vorlieb. Die Coeur de Cuvée ist Champs' Spitzencuvée aus 80% Chardonnay und 20% Pinot Noir, muss man wissen; aber ich war bockig, dass es den Grand Cellier d'Or nicht gab. Zu Unrecht, wie sich zeigen sollte. Zwar nicht so balanciert und schwerelos, anspruchsvoll und unterhaltsam wie der 2002er Grand Cellier d'Or, aber ein beeindruckender Wein nichtsdestoweniger. Zu Beginn mit einer backenfüllenden, wie ein Ballon aufgehenden, griffigen, tanninigen Weinigkeit, aus der sich eine pfeilgrade Säure löst, die sturzbachartige Sialorrhoe verursacht und jeden Anflug eines trocknenden Eindrucks wegspült. Ein Füllhorn der positiven Attribute liesse sich jetzt hier ausschütten, aber um es kurz zu machen: ich war versöhnt.

 

IV. Cuvée Création 1999

Die Cuvée ist so etwas wie eine zweite Spitzencuvée des Hauses. In transparenter Flasche, mit einem der Kirchenfenster von René Champas als Etikettenmotiv, sieht sie auch sehr schön aus. Nach der Vorstellung, die Laurent Champs' Coeur de Cuvée gegeben hatte, schien mir diese zu 70% aus Chardonnay und 30% Pinot-Noir bestehende Cuvée als genau das, was die Zusammensetzung schon ankündigt: einen Schritt zurück in die weinige, von rundlichem Pinot geprägte, gediegene Gemütlichkeit einer erzbischöflichen Residenz. Man merkt, die Creation ist gegenüber der Coeur de Cuvée völlig anders strukturiert und spricht den hedonistischen Genussmenschen vielleicht sogar noch eher an, als die dynamische, katzenhafte Coeur de Cuvée.

Vermischte Champagnernotizen

A. Vilmart, Premier Cru Rilly-la-Montagne, Grand Cellier d'Or 2002

80CH, 20PN, 8-9 g/l dosiert, 10-monatiger Fassausbau, kein BSA. Der Maître weiss nicht nur, wie man Kirchenfenster kunst- und eindrucksvoll anmalt, sondern er kann auch ebensolchen Champagner machen. Die Nase ist schon ein Vergnügen, Aprikose, Marille, Walnuss und immer ein paar eingesprenkelte Zitrusfruchtakzente duften wie eine altwienerische Konditorei, im Mund kommt der Eindruck von Kokosnuss, natürlich auch wieder von saftig reifen Zitrusfrüchten, Bratapfel, Calvados und Mandelgebäck hinzu. Für einen 2002er schon ein ziemlich wuchtiges Geschoss, aber eins mit enormer Präzision. Tip: kaufen und lagern.

B. Jean Baillette-Prudhomme, Premier Cru Trois Puits, Vieille Cuvée

80 PN, 10CH, 10PM. Marie-France, die Witwe von Jean Baillette und ihre Töchter Laureen und Justine tragen die Firmenphilosophie weiter. Deren wichtigster Inhalt ist, mit einem hohen Anteil an Reserveweinen zu arbeiten, meist um die 50%. Das führt unweigerlich zu Champagnern mit stark entwickelten Aromen und der Gefahr allzuvieler Oxidationsnoten. In dieser Cuvée ist aber nichts schiefgelaufen, sondern alles ist an seinem Platz. Da nervt kein überreifer, raumgreifender Apfel, da ist noch genug Frische und jugendliche Säure, neben leicht grasigen und an Trockenkräuter erinnernden Noten finden sich getrocknete Aprikosen, Sternanis und eine Mineralität wie von gemahlenen Steinchen.

C. Marquis de Marmontel, Blanc de Noirs

Eine seltene oder untypische Art von Champagner musste ich da blind konstatieren. Das war mir nachher gar nicht recht, war doch die Flasche auf Empfehlung hin gekauft. Aber egal, nun musste dieser im Vergleich mit dem Goria Ferrer wasserhelle Blanc de Noirs eingeschätzt werden. Die Perlage war nur bemerkenswert hinsichtlich ihrer untypisch tumb-groben Bläschen. Zum Glück gebe ich auf Äußerlichkeiten und speziell die Bläschen nicht sehr viel, ein gutes Zeichen war es trotzdem nicht. In der Nase schwer einzuordnen, die weinige, auch etwas mehlige Art sprach für Pinot Noir, wobei ich auf einen Anteil im 80%-Bereich getippt habe. Im Mund nun auch nicht gerade everybody's darling, sondern ein etwas verstockter junger Adliger. Mittlerer Druck am Gaumen und ein immerhin sehr ordentlicher, mittellanger Säureteppich ohne Bruchkante am Schluss. Mit Luft und Zeit zog sich der ganze Champagner am Ende noch gerade, aber das Zeug zum Publikumsliebling hat er nicht.

D. Doquet-Jeanmaire, Coeur de Terroir 1996, dég. 6. Okt. 2008

60 CH, 40 PN Das Haus ging 2004 an Laurent-Perrier; der Junior Pascal Doquet führt einen Teil des Betriebs unter seinem in der Biowinzerszene schon jetzt ganz klangvollen Namen weiter. Im Glas also ein Champagner, dessen Grundweine seine Eltern im Jahr 1996 gelesen hatten, dessen Cuvée 1997 in die Flasche kam und nach einer luxuriösen Lagerzeit von elf Jahren dégorgiert wurde. Farblich noch sehr hell, in der Nase dagegen die eigentümlich reife Art noch nicht so lang dégorgierter älterer Jahrgänge. Diese Spötdégorgements sind ja alle ein wenig paradox angelegt, von der Feinhefe gegen Oxidation geschützt und aromatisch verfeinert, wenn nicht sogar überfeinert, wie ein Messer, dessen Klinge so lange scharf gewetzt wird, bis es mangels Masse schartig wird. Der als Terroirchampagner annoncierte Jahrgangsblubber hatte das angereifte, aber bei weitem noch nicht reife Auftreten einer schwangeren Vierzehnjährigen. Haselnuss, Milchschokolade und Äpfel konnte man erkennen, Säure war in gewissem Umfang da und trug dazu bei, dass der Champagner aromatisch nicht ins Infantile kippte. Mit Luft legte der Champagner merklich zu und füllte die noch vorhandenen Reifelücken gut auf.

E. Gerard Littière, Mill. 2004

Der Name Littière ist in Oeuilly allgegenwärtig, wenngleich in der champagnertrinkenden Öffentlichkeit nicht annähernd so bekannt wie der Name Tarlant. Dieser Jahrgangsvertreter war noch ersichtlich jung und keiner von den phantasievollen, geheimnisumwitterten oder gar magischen Champagnern. Solide gemacht, mit sauberem Lesegut, bisschen mineralisch, bisschen fruchtig, mit einer etwas angelernt wirkenden Eleganz, ohne besonders herausragenden Jahrgangscharakter. Man muss vielleicht dazu noch sagen, dass Jahrgänge wie 2002 und 2004 für die meisten Winzer und großen Häuser Fluch und Segen zugleich sein dürften. Denn diese leichten, ätherischen, elfenhaften Jahre werden in der Hand eines untalentierten, industriell oder nachlässig arbeitenden Kellermeisters schnell zu austauschbarer und gesichtsloser Ware. Nur derjenige, der erstens über erstklassiges Lesegut und zweitens über das notwendige feine Gespür für diese Art von Jahrgang verfügt, wird daraus sagenhaft langlebige, schwerelose Champagner komponieren können.

F. Voirin-Jumel BdB Cuvée 555 élevé en fûts de chêne

Die Cuvée hat ihren Namen nicht etwa vom Fassungsvermögen der für den Ausbau verwendeten Holzfässer; sondern daher, dass Cramant ein ganz kleines Nest mit nicht einmal tausend Feuerstellen ist. Die paar Häuschen wurden einfach fortlaufend durchnumeriert und der Sitz von Voirin-Jumel bekam die Nummer 555. Tochter Alice spricht sehr gut deutsch, was den Besuch vor Ort für viele Altsprachler komfortabler macht – und was Komfort betrifft, gehört Voirin-Jumel zusammen mit Eric Isselée zu den beiden einzigen Anbietern des Örtchens, die ein modernes Apartmenthaus für zehn und mehr Gäste anzubieten haben. Fragen lohnt sich, die Kurse sind human. Der Champagner zeigte sich zurückhaltend, mineralisch, mit spürbarem, aber unaufdringlichem Holz, Apfelaromatik und einigermassen eleganter, langer Säure. Kein Knaller, der auf Verkostungen erstaunte Gesichter hinterlässt, aber ein solider Holzfasslchampagner, der in ambitionierten Restaurants übers amuse gueule hinaus eine gute Figur zum Essen macht.

G. Lemaire-Rasselet Brut

Reif, oxidativ, etwas einfach, aber vollmundig. Der Winzer, der am westlichen Ortsausgang von Boursault in Richtung Oeuilly am Waldesrand wohnt, macht einen von einer flüchtigen Holzandeutung und beachtlichem Reserveweinanteil geprägten Champagner. Dem Dreimädelchampagner von Baillette-Prudhomme insofern nicht unähnlich, aber etwas grober gestrickt.

Silvesterchampagner

I. Gloria Ferrer Sonoma Brut

Ca. 90PN, 10CH, ca. 25% Tête de Cuvée, 20 Grundweine; 18 Monate Hefelager, 13g/l Dosage.

Saftig, mostig, Gummibärchennase. Reduktiv. Duft und Geschmack von Birne, Melone und rotem Apfel, mit Luft etwas röstig. Trinkt sich wie frischer Saft, etwas unchampagnerhaft, aber dadurch nicht schlechter.

 

II. Besserat de Bellefon Cuvée des Moines Rosé

30CH, 30PN, 40PM. Crémantstil, mit etwas weniger Flaschendruck und sehr crèmiger, sahniger Textur. Zunächst Duft von Buttercrèmetorte, Geschmack von Brombeerjoghurt, eher schwer am Gaumen. Dann entwickelt sich mehr und mehr Brioche, eine sanfte Röstaromatik gepaart mit frischer, sahniger Butter, immer noch sehr dicht.

 

III. Henri Germain Cuvée Bicentenaire 1789 – 1989, en Magnum (763/5000)

Das Haus existiert nicht mehr, die Marke gehört seit 1999 zu Vranken-Pommery. Beim einschenken sehr hell für sein Alter. In der Nase irgendwo zwischen metallischer und röstiger Aromatik. Kaffeebohnen und Kastanienschalen, wandeln sich mit Luft in deutlicher ausgeprägte Kaffee- und Nussnoten um, später kommen Röst- und Champignonaromen dazu. Leider nicht mehr sehr viel Frucht, sonst hätte ich ihn wesentlich besser gefunden. So überwogen die Altersaromen.

 

IV. Arunda-Vivaldi Blanc de Blancs Extra Brut, Mise en Cave 2002, dég. 04/2008, en Magnum

100CH, 36 Monate Hefelager.

In der Nase anfänglich etwas irritierend, mit Moosbeere, vielen spinatigen, vegetabilen Aromen, grünen Kaffeebohnen, altem Männerschweiss, Campher. Im Mund der Eindruck eines zu hoch dosierten Champagners, fast klebrig am Gaumen und nicht sehr lang. erst mit der Zeit und sehr viel Luft ändert sich der Gesamteindruck. In der Nase zeigen sich komplexere Aromen, alles wirkt durchkomponierter und ansprechender, auch im Mund entfaltet sich das nicht unattraktive herbe Beerenaroma deutlich und ohne störende Nebentöne.

 

V. Bernard Tornay Grand Cru Palais des Dames

50PN, 50CH aus Bouzy und Ambonnay.

Kirschnase, Toffifee, verlockend fruchtig wie ein Kaubonbon. Im Mund dann ebenso lang, lebhaft und saftig, wie in der Nase angekündigt.

 

VI. Bernard Housset Rosé

Rotfruchtig und etwas kakaodurchsetzt, gesalzene Mandeln, Apfelchutney, aber alles ziemlich zurückhaltend. Im Mund ebenfalls zurückhaltend, aber sauber. Der Chaoswinzer schafft es doch tatsächlich, einen anständigen Champagner herzustellen!

 

VII. Perrier-Jouet Belle Epoque 1985, en Magnum

50Ch, 45PN, 5PM. Reife, würzige Kaffee-, Vanille- und Röstnase. Im Mund dann viel jugendlicher und frischer, als die Nase vermuten ließ. Lebhafte, alerte Säure, die sich gut mit der fetteren Milchkaffeearomatik verträgt und dem Champagner eine leichte, elegante Erscheinung verleiht. Sahnebonbon und eine gleichzeitig vorhandene flintige Note erinnern an den starken Cramantchardonnayanteil. Der Champagner wirkt nie unbalanciert oder einseitig und behält seine trainierte, athletische, gleichzeitig damenhafte Form stets bei.

 

VIII. Picard-Collard Premier Cru Rosé de Merveilles, demi-sec, élevé en fûts de chêne

Junges Haus mit ehrwürdigen Wurzeln: Olivier Collard ist der Enkel von René Collard aus Reuil, seine Frau Delphine Picard ist die Cousine von Chantal Gonet von Champagne Phillippe Gonet in Le-Mesnil. So kommen mächtige Chardonnays aus Le-Mesnil und raffinierte Meuniers aus der Vallée de la Marne zusammen. In der Nase hat dieser rare Rosé demi-sec Kaffeekränzchenduft mit Schwarzwälder Kirschtorte, Linzer Torte, Frankfurter Kranz und Mon Chéri. Im Mund deutlich ausgeprägte Süße, aber durch den hohen Säureanteil – der Champagner durchläuft keinen biologischen Säureabbau – noch im Rahmen des erträglichen. Viel Kirsche, gleichzeitig buttrig und zartschmelzig.

 

IX. Jean Moreau Grand Cru Millésime 2002

70PN, 30CH. Der Erzeuger hat seinen Sitz direkt neben dem Clos d'Ambonnay von Krug. Der Champagner ist in der Kooperative vinifiziert, neben Toffee und einem schwierig zu identifizierenden Aroma, das an Dresdner Christstollen und Nusssplitter/Krokant erinnert, finden sich noch Spuren von Zitrus. Im Mund glatt, eine Textur wie Marzipanrohmasse.