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Tag Archives: robert moncuit

Bericht von der Champagne Master Class

Die I. Champagne Master Class im Club B der Résidence in Essen-Kettwig war eine Mischung aus phantastischem Zweisterne-Menu und einer tour d'horizon durch die Champagne, bei der es mir darum ging, möglichst viele Typizitäten und Facetten des Champagners zu illustrieren. Die überragende Küchenleistung von Henri Bach verdoppelte dabei das Champagnervergnügen und kitzelte bei manchem Champagner noch Eindrücke heraus, die in einer reinen Nur-Champagner Probe sicher verlorengegangen oder nicht ausreichend gewürdigt worden wären. Viele Champagner stellten ihre Gastroaffinität unter Beweis, manche liefen überhaupt erst zum Essen zu Bestform auf.

Im Einzelnen:

O. Opener: Philipponnat, Royal Réserve en Magnum, dégorgiert im September 2009

40-50PN 15-25PM 30-35CH, überwiegend Stahltank, 25-40% Reservewein aus Soleraverfahren. 9g/l. Das Haus hat ca. 17ha in Mareuil-sur-Ay, Ay, Mutigny und Avenay Val d'Or.

dazu: Ziegenkäsevariationen

Den Opener von Charles Philipponnat nahmen wir bei strahlend schönem Wetter am Stehtisch vor der Résidence ein. Die Dosage war unaufdringlich, der Champagner zeigte eine schöne, herbfrische, minimal rauchige Art, war erkennbar jung, doch mit einer harmonischen, wohlgeformten Rückenpartie ausgestattet, die sich dem Solera-Reservewein verdankt.

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I.1 Jacky Charpentier, Cuvée Pierre-Henri (Extra Brut)

100PM von ca. 55 Jahre alten Reben in Reuil und Châtillon-sur-Marne, Fassausbau, Bâtonnage, dabei kein biologischer Säureabbau (BSA), 4,5g/l. Rebbesitz auf ca. 12ha in Villers-sous-Châtillon und in der Vallée de la Marne.

I.2 Tarlant, Vigne d'Or (1999, Extra Brut), dégorgiert von Hand am 13. Juli 2004

100PM, von damals 51 Jahre alten Reben aus der Einzellage Pierre de Bellevue, Fassausbau und Bâtonnage, kein BSA. 4g/l. Benoit verfügt über 13ha in Oeuilly, Boursault und Celles-les-Condé.

dazu ein erster Gruß aus der Küche: Variationen von Foie Gras als Eis, Mousse und Terrine, mit einem Stückchen Streuselkuchen

sowie ein zweiter Gruß aus der Küche: Hummerbisque mit Hummerhappen

sodann: marinierte Cantaloupe-Melone | Kaisergranat | Wiesenkräuter

Den ersten flight gab es vorweg als winziges Verkostungsschlückchen ins Glas, denn die freundlichen Küchengrüße bedurften einer adäquaten Begleitung auf dem Weg den Schlund hinab. Zum analysieren war das natürlich nichts, das ging erst mit dem ersten größeren Schluck, der passgenau vor dem Kaisergranat serviert wurde.

Der Charpentier zeigte sich herb, mit der kräuterigen und leicht rauchigen Nase, die er in seiner Jugend scheinbar immer hat. Säure und Holz waren nicht wahrnehmbar, der Champagner wirkte mürbe, ja etwas schläfrig und gewann mit Luft nicht hinzu, sondern blieb die ganze Zeit so. Damit bildete er jedoch einen sehr schönen Begleitchampagner für den Kaisergranat und die Wiesenkräuter.

Wie anders dagegen der Tarlant. Ein Kickstarter mit knalligem Eukalyptusduft und einer Duftfülle, die ich sonst noch von australischen Syrahs gleichen Alters kenne, der Elderton Command Shiraz beispielsweise, der Noon Eclipse Grenache 1999 oder der Fox Creek McLaren Vale Reserve Shiraz 1998 waren auf Anhieb so. Zum Krustentier verhielt er sich etwas angestrengter gespannt, trug jedoch solo deutlich den Sieg über den Pierre-Henri davon, auch weil er sich unentwegt fortentwickelte und noch längst nicht den Eindruck erweckt, als wollte er langsam Reife- oder gar Alterungserscheinungen zeigen.

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II.1 Champagne Doyard, Cuvée Vendémiaire Multi Vintage (2004, 2002, 2001), dégorgiert im Dezember 2009

100CH, 50% Fassausbau ohne Bâtonnage, BSA bei 30%. Flaschenfüllung im Mai 2005. 7g/l. Yannick Doyard hat 10ha in Vertus, Le Mesnil-sur-Oger, Oger, Avize, Cramant, Dizy und Ay.

II.2 Robert Moncuit, Grande Cuvée Blanc de Blancs Grand Cru 2004

100CH von über 40 Jahre alten Reben. 8g/l. 8ha ausschließlich Chardonnay, ausschließlich aus Le-Mesnil-sur-Oger.

dazu: geräucherter Yellowfin als Filet und Tartar, in der Petri-Schale serviert | Wasabimayonnaise | Felchenkaviar

Als der Thun hereingetragen wurde, war noch nicht zu ahnen, was da kommen würde. Lediglich ein gewisses Klappern schien ungewöhnlich. Das Klappern rührte daher, dass der Thun in Petrischalen serviert wurde, die mit Glasdeckeln verschlossen waren. Mit dem Abheben der Deckel entfaltete sich dann schlagartig ein Duft von Lagerfeuer, Buchenholz und frischem Rauch im Club B der Résidence – ein schöner Auftakt für den nächsten Gang. Da es sich um einen reinen Chardonnayflight handelte, war mir die Wahl der passenden Champagner vorab schwer gefallen. Wohl hätte man "S" de Salon, Clos du Mesnil, Perrier-Jouet Belle Epoque Blanc de Blancs öffnen können. Denn jeder dieser Champagner ist hochgradig typisch für seine Gattung und gleichzeitig hochgradig außergewöhnlich. Doch bin ich der Ansicht, dass diese Champagner ein wesentlich höheres Maß an Konzentration verdienen, als sich das in einer Verkosterrunde gewährleisten lässt, bei der es nicht nur um den akademischen Aspekt der Probe geht, sondern vor allem auch um den Genuss im Rahmen eines ausgedehnten Menus. Daher blieb ich am anderen Ende der Preis- nicht jedoch der Qualitätsskala.

Mit Yannick Doyards Vendémiaire konnte ich ein Gewächs öffnen, auf das der Erzeuger zu Recht sehr stolz ist. Jung, stämmig, bärenstark. Auf dem Teller fand er sein Pendant im Thunfischfilet, das dunkel, saftig, lüstern, einladend, und auf mich sogar ein wenig geheimnisvoll wirkte, es bildete sich eine sehr fordernde Allianz. Der Kombination fehlte es dennoch etwas an Eleganz.

Klarer Sieger am Tisch war auch nach meiner Meinung in diesem flight der Jahrgangschardonnay von Moncuit. Der hatte seinen Einstand ja schon bei anderer Gelegenheit in der Résidence gefeiert. Damals hatte ich ihn zur Frühlingsrolle und zum Wan-Tan-Hummer, zum Sellerie-Pumpernickel und zu anderen Variationen mit Fenchel genossen. Dieser Champagner bietet Apfelsexyness, die man Ernst zu nehmen hat. Zum feinen Tartar entafaltete sich ein zauberhaftes Ingwer-Bitterorangenaroma, das wohl jeden am Tisch betört hat. Im Gegensatz zum Doyard, bei dem die mitschwingende Räuchernote Cowboyfeeling verbreitete, wairkte sie hier von so asiatisch und puristisch wie ein Parfum von Issey Miyake.

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III.1 Cedric Bouchard (Les Roses de Jeanne) Cuvée Inflorescence (2008, Brut Nature)

100PN aus der Lage Val Vilaine, fussgestampfter Most, in Edelstahltanks vergoren. Kein Dosagezucker. Cedric Bouchard verfügt über insgesamt nur 3ha in Celles-sur-Ource.

III.2 André Clouet, Un Jour de 1911 Multi Vintage (2002, 2001, 2000)

100PN. 10ha in Bouzy.

1911 Flaschen von alten Reben, unfiltriert, ungeklärt, ungeschönt, vinifziert wie 1911.

dazu: Jakobsmuscheln | Wakame Algen | Ingwergelée | Tom Ka Kai

Die Inflorescence von Cedric Bouchard wirkte rund, zeigte minimalen Babyspeck und machte noch nicht den Eindruck, als sei sie besonders ausgereift, was angesichts des Jahrgangs und der kurzen Hefeverweildauer kaum überrascht. Diesen raren Champagner wollte ich der Runde aber nicht vorenthalten haben, denn er ist ein Vertreter von der "neuen Aube". Dieses Stieftochtergebiet macht zur Zeit eine positiv unruhige Zeit mit vielen Neugründungen und experimentierfreudigen Winzern durch. Cedric Bouchard ist einer der wichtigsten Vertreter dieser Entwicklung und seine Inflorescence ist alles andere als ein Vieilles Vignes Francaises – doch dieser Champagner ist ein emblematischer Pinot-Noir aus einer Gegend, die in der Champagne niemand für konkurrenzfähig mit Bouzy, Ambonnay oder Ay gehalten haben würde. Seine seidige, verführerische Art passte meiner Ansicht nach besonders gut zu dem zwischen Jod und Gurke changierenden Algensalat und zur Jakobsmuschel.

Die "Jour de 1911" Champagner öffne ich immer zu früh. Sie machen mir aber jedes Mal so viel Spass, dass ich nicht die Finger davon lassen kann. Hier zeigte er sich wieder mit höchster Spielkultur, dem würzigen Tom Ka Kai locker auf Augenhöge begegnend: Galgant, Kokosmilch, Brühe, Zitronenmelisse, Verbene, Hagebutte, Goji-Beere, Cranberry, Schattenmorellen – alles lief so mühe- und kollisionslos durcheinander, dass ich zeitweise nicht wusste, woher welches konkrete Aroma kam, vom Tom Ka Kai oder vom Champagner.

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Pirat I.1 Bagrationi 1882, Finest Vintage 2007

100 Chinuri, Flaschengärung.

Pirat I.2 Robert Camak, Brut 2007

80% Riesling 20% Chardonnay, Flaschengärung. Kein BSA. 15,2g/l.

Die beiden Piraten wurden schnell als solche erkannt, womit ich bei der Probenplanung gerechnet hatte. Nachdem die drei Hauptrebsorten Gelegenheit hatten, sich vorzustellen, wollte ich nicht nahtlos mit den Rebsortencuvées beginnen. Eine Zäsur musste her und zum Glück hatte ich zwei etwas abseitig erscheinende Schäumer parat, die nichtsdestoweniger einem guten didaktischen Zweck dienen konnten. Den Georgier in einem so noblen Umfeld zu erleben, war für mich besonders spannend, er schlug sich dabei nicht schlecht, traf jedoch niemandes Geschmack so richtig. Der kroatische Sekt konnte durchaus einige Stimmen auf sich vereinigen, seine Aprikosenmusnatur, vermischt mit der milden, eigentlich gar nicht vorhandenen Säure und dem Ausklang von naturtrübem Apfelsaft ist sicher kein Sekterlebnis, das einen befeuert, dafür ist der Sekt zu behäbig. Er ist aber auf eine angenehme, pfälzisch anmutende Weise behäbig, die ihn sympathisch macht.

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IV.1 Chartogne-Taillet, Cuvée Fiacre 2000

40PN 60CH von alten, zum Teil wurzelechten Reben. Mit geringerem Flaschendruck von ca. 4,5 bar als klassischer Crémant erzeugt. 8g/l. Alexandre Chartogne hat 11ha in Merfy, Chenay und St. Thierry. Selosse-Schüler.

IV.2 Leclerc-Briant, Cuvée Divine 2004

50CH 50PN aus Dizy, Cumières, Daméry, Hautvillers. Biodynamisch (demeter). 7-8g/l. Pascal Leclerc bewirtschaftet 30ha und betreibt ein Resozialisierungsprojekt für Jugendliche auf dem Gut.

dazu: Tramezzini vom Kaninchen | Vanillemöhren | Löwenzahn

Dann ging es auf zum ersten Cuvéeflight. Wieder sollten sich zwei Champagner den Verkostergaumen stellen, die alle noch in guter Verfassung waren.

Beim Fiacre merkte man den niedrigeren Flaschendruck nicht unbedingt. Er war in frischer Verfassung, die Balance zwischen Pinot und Chardonnay war praktisch perfekt, ein klarer Rebsortencharakter ließ sich nicht mehr ausmachen, hier zeigte sich zum ersten mal im Laufe des Abends, was Verschneidekunst bewirken kann. Die Vanillemöhren – manchem waren sie zu krachend, andere mochten genau das – und der Champagner waren eine gelungene Kombination und gefielen mir an diesem Gang besonders gut.

Druckvoller, stärker moussierend wirkte im Vergleich der Divine von Leclerc-Briant. Ich meine nicht, dass die Perlage groib wirkte, wie versciedentlich angemerkt wurde, will das aber auch nicht kategorisch ausschließen, wobei ich das hauptsächlich mit dem Crémantcharakter des Fiacre erklären würde. Der Divine ist ein Champagner, der auch im klaren Kontrast zu den Monocrus von Leclerc-Briant steht. Dieser Champagner ist dicht, wuchtig, aber er gehört nicht zu den rasiermesserscharfen, ultrapräzisen Champagnern. Darin unterscheidet er sich z.B. von den Chèvres Pierreuses aus gleichem Hause.

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V.1 Armand de Brignac, The Ace of Spades Blanc, dégorgiert im März 2009

40CH 40PN 20PM. 2005er Basis mit Reservewein aus 2003 und 2002. Trauben aus Grand- und Premier Crus (Chouilly, Cramant, Avize, Oger, Le Mesnil und Ludes, Rilly-la-Montagne, Villers Allerand, Taissy, Villers Marmery, Montbre, Pierry, Damery, Vertus, Mareuil-sur-Ay). 9,65 g/l. Der Dosageliqueur lagert neun Monate im burgundischen Holzfass. Erzeuger ist das Haus Cattier aus Chigny-les-Roses.

V.2 Vilmart, Coeur de Cuvée 2001

80CH 20PN von über 50 Jahre alten Reben, Fassausbau ohne biologischen Säureabau, verwendet wird nur das Herzstück der ersten Pressung. Laurent Champs verfügt über 11ha in Villers-Allerand und Rilly-la-Montagne.

dazu: Perlhuhnbrust | Steinpilze | Fregola | Paprikacoulis

Rund. Harmonisch. Sehr elegant. Animierend und balsamisch die Kehle heruntergleitend. Das ist der beste Champagner der Welt. Das süssliche Paprikacoulis war ein anspruchsvoller und geeigneter Partner für den Armand de Brignac.

Wuchtig, holzig, aus dem Glas drängend, dabei so seidenglatt und trotzdem raumgreifend ist das Schätzchen von Vilmart. Von Beginn an zeigt er eine Nase von frischgeschnittenen Pilzen, die sich oft bei reifenden Champagnern entwickelt und die fabelhaft zu den Steinpilzen passte. Bemängelt wurde, dass Vilmart mit dem offensiven Holzaroma Leere zu überdecken versuchen könnte. Das finde ich eindrucksvoll anhand der schillernden Aromenvielfalt des Champagners widerlegt. Bei reifen Vilmarts zeigt sich, dass die herausgehobene Holzaromatik sich einbindet, nicht indem sie zurückgeht oder auf unerklärliche Weise abgebaut wird, sondern weil die fortschreitenden Flaschenreifearomen aufschließen, der Kontrast zwischen Primärfrucht und Holz ist eben doch ein anderer, als der von Champignon und Fass.

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VI.1 Perrier-Jouet, Belle Epoque 1979 en Magnum

45PN 5PM 50CH. 95 Punkte bei Richard Juhlin.

VI.2 Laurent-Perrier, Grand Siècle Lumière du Millénaire 1990

58PN 42CH. 95 Punkte bei Richard Juhlin.

dazu: Ziegenfrischkäse | Schwarze Oliven | Ofentomate

Dann kam der Rocker des Abends. Die Belle Epoque zeigte sich in famoser Form. Reif, gewiss mit Apfeltypik aus Cramant unterlegt, doch spielte das für mich nicht die Hauptrolle. Viel wichtiger war mir der bestrickende Mundeindruck. So präzis und messerscharf wie das japanische Seppuku-Kurzschwert, mit dem man früher u.a. die Köpfe gefallener Gegner abgetrennt hat. Kühlend, ohne ein Übermaß an reifetönen, die gleichwohl merklich vorhanden waren. Unausgezehrt, vielschichtig und entwicklungsfreudig, trotz praktisch fehlender Perlage klar als Champagner erkennbar und schnurgerade auf dem Weg in eine burgundische Zukunft. Sehr schön zum Ziegenkäse, der die feine Säure des Champagners angemessen erwiderte, sehr schön auch zu Oliven und Tomate und wahrscheinlich der Champagner mit der rundum besten performance des Abends.

Schwächer war der Grand Siècle, ich vermute deshalb, dass die Zeit für diesen Champagner trotz vereinzelt vielleicht noch anzutreffender besonders schöner Exemplare gekommen ist. Obwohl erkennbar jünger als die Belle Epoque, schien mir hier die Substanz schon wesentlich weiter von Reife- und Alterstönen in Mitleidenschaft gezogen. Nicht, dass der Sonnenkönig mit zerkratztem Gesicht dagestanden hätte, aber er wirkte doch, als sei ihm die Schminke arg verlaufen. Er konnte das aber bei Tisch noch wettmachen, zusammen mit den schwarzen Oliven und der gebackenen Tomate kam mir der Champagner um Längen besser vor.

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Pirat II.1 Bergdolt, Weissburgunder-Sekt 2005 (Extra Brut), von Hand dégorgiert 2008

Grundweine in Kabinettqualität aus dem Kirrweiler Mandelberg – kalkhaltiger Lössboden – im Stahltank ausgebaut. Kein BSA. 3g/l.

Pirat II.2 Robert Dufour, "Les Instantanés" Blanc Gormand Extra Brut (genauer: Blanc de Pinot Blancs, Brut Nature), 2003, Tirage am 12. Mai 2004 , dégorgiert am 15. Juni 2009

100PB. 10ha in Landreville.

danach: Himbeeren | Sauerrahmsorbet

Bergdolts Weißburgunder war ordentlich, für Sektverhältnisse sogar ziemlich gut, doch kam es darauf nicht an. Denn er sollte sich einer Herausforderung aus der Champagne stellen, sich auf ein Duell einlassen, das nicht offensichtlich von den Stärken der Champenois dominiert wurde. Denn sein Flightpartner war ein ebenfalls aus Weißburgunder gewonnener Champagner. Beide verfügen über eine für ihre jeweiligen Verhältnisse recht lange Hefeverweildauer, liegen technisch am untersten Ende der Süßeskala und selbst die Bodenverhältnisse sind sich nicht unähnlich. Umso überraschender war es – oder auch nicht -, dass der Champagner überwiegend, schnell und ohne Zweifel als Champagner identifiziert wurde. Besonderen Trinkspaß, das sei noch hinzugesetzt, hat er aber nicht bereitet, dafür fehlte ihm meiner Meinung nach Pfiff, Witz, Rasse, Schwung, Aroma, Sapnnung, ja eigentlich alles, was einen guten Champagner ausmacht. Zu den Himbeeren ließen sich dennoch beide Schäumer gut vertilgen und abgesehen davon, dass die Himbeeren mit dem Sauerrahm schon sehr gut waren, kam mir die Kombination von beidem mit jedem der beiden Blubberer exzellent vor.

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VII.1 Pommery, Falltime Extra Dry

100CH. Drei Jahre Hefelager.

VII.2 Pommery, Drapeau Sec NV (70er Jahre)

60-70PN 30-40CH, 27g/l.

VII.2 Abel-Jobart, Doux, Millésime 2004

60PM 40CH. 55g/l. 10ha Sarcy

dazu: Pfirsich | Zitronenthymian | Erdnusseis

Klarer Favorit war für mich der Falltime. Der wirkte wie ein besonders saftig geratener Standardbrut, den Chardonnay vermochte ich nicht unbedingt herauszuschmecken. Wahrscheinlich handelt es sich dabei überwiegend um Chardonnays von fruchtiger Art und vielleicht sind noch ein paar Trauben aus zugigen Ecken wie Grauves dabei, die den erfischenden Säureunterbau verantworten. Fein schmeckte mir der Falltime zum Zitronenthymian. Zum Erdnusseis passte natürlich der merklich gealterte Drapeau Sec recht gut, da kam Nuss auf Nuss, aber auch Sherry und einige flüchtige Säuren waren im Spiel und trübten mir den Gesamteindruck – wobei sich der Drapeau insgesamt wacker schlug. Keineswegs so süß wie gedacht war dann der Abel-Jobart, aber auch nicht besonders fordernd. Anders als beim Doux von Fleury kam hier keine erkennbare Säure dazu, oder ein begeisterndes Aromenspiel. Auch mit dem Dessert vermochte sich der Champagner nicht recht anzufreunden. Als Schlusspunkt des flights wirkte er am schwächsten.

Einladung zur I. Champagne Master Class

Liebe Champagnerfreunde,
bei Gelegenheit zahlreicher Champagnerverkostungen wurde ich immer wieder mit der Idee konfrontiert, doch endlich eine Champagne Master Class zu etablieren. Dieser Gedanke hat mittlerweile Form angenommen. Im Laufe der Planung musste ich mich mit mehreren Aspekten auseinandersetzen, die das Wesen einer Wine Master Class ausmachen.

Die Zusammensetzung der Teilnehmer einer Master Class spielte dabei eine wichtige Rolle. Ich habe mich dafür entschieden, die Veranstaltung allen Champagnerinteressierten zugänglich zu machen. Ausschlaggebend war dabei, dass die Verkostungserfahrung von professionellen und privaten Champagnerliebhabern nach meinem Eindruck in der Praxis nicht so weit auseinanderklafft, wie bei Bordeaux, Burgund und anderen Stillweinen. Es erscheint mir deshalb gerechtfertigt, Angehörige beider Gruppen an dem "Exotenthema" Champagner teilhaben zu lassen. Eine weitere wichtige Überlegung war der Probenaufstellung selbst gewidmet. Schon eine kurze Beschäftigung mit der Materie reicht, um festzustellen, wie höchst heterogen selbst ein so überschaubares Gebiet wie die Champagne ist. Dem sollte die Probenzusammenstellung Rechnung tragen, ohne jedoch ein Unschärfe in das didaktische Konzept zu bringen. Ohne vorzugreifen hoffe ich, dass mir der Mix gelungen ist. Schließlich musste ich mich noch mit der Frage befassen, ob und welche Speisen die Verkostung begleiten sollen.

Nach langem Ringen und weil ich weiss, wie anstrengend eine intensive Probe mit zwanzig Champagnern sein kann, habe ich mich für eine Menubegleitung entschieden. Damit fiel gleichzeitig die Entscheidung gegen eine labormäßige, allzu verschulte Verkostung. Bei allem Bildungsmehrwert, den eine Master Class haben soll, steht für mich bei dieser Veranstaltung doch die champagnertypische Lebenslust und ungehemmt hedonistische Begeisterung im Vordergrund.

Ich freue mich, Sie

am Samstag, 21. August 2010 zur I. Champagne Master Class in der Résidence, Essen-Kettwig einladen zu dürfen.

Einen geeigneteren Zeitpunkt als das Kulturhauptstadtjahr kann ich mir für die erste Champagne Master Class in Essen nicht vorstellen. Und es gibt keinen geeigneteren Ort für diese erste Veranstaltung, als das erste Haus am Platz – den exklusiven Club B in der Résidence (2 Sterne im Gault-Millau und 18 Punkte im Guide Michelin). Diese von Patron Berthold Bühlers freundlicher Präsenz gekennzeichnete Chambre Séparée bietet Platz für maximal zwanzig Schlemmer und Geniesser. Werfen Sie hier schonmal einen Blick hinein: http://www.hotel-residence.de/page16/page16.html.

Was es geben wird:
Henri Bach wird zu den insgesamt acht Flights mit zusammen zwanzig Champagnern ein exklusives Sieben-Gang-Menu auf die Teller bringen. Für alle, die sich danach nicht mehr in ein Taxi setzen wollen, hat Berthold Bühler zum Preis von 50 statt 95 Euro pro Person im Doppelzimmer inklusive Frühstückschlemmerbuffet ein kleines Zimmerkontingent reserviert (Einzelzimmer sind für nur 75 statt der sonst fälligen 125 Euro verfügbar).
Zimmerbuchungen können über mich oder direkt in der Résidence vorgenommen werden. Verkostet werden Champagner von 1979 bis 2005, darunter Magnums, Spätdégorgements, Bio-Champagner, Rebsortenraritäten, Starwinzer und renommierte Prestigecuvées, kurz: es wird eine tour d'horizon durch die Champagne.

Die Anmeldung:
Der Preis für Champagner und Menu beträgt 200,00 EUR. Sommeliers und Restaurantfachleute, die an der Champagne Master Class teilnehmen, erhalten auf Wunsch ein Zertifikat. Um den reibungslosen Ablauf zu gewährleisten und allen Interessierten eine faire Chance zur Teilnahme zu geben, ist die Teilnahme nur gegen Vorkasse möglich. Anmeldungen nehme ich per mail und auf den üblichen Kommunikationswegen bis zum 30. Juni 2010 entgegen. Unmittelbar nach Eingang der Anmeldung verschicke ich jeweils eine vorläufige Anmeldebestätigung mit der Bitte um Zahlung des Teilnehmerbeitrags. Die endgültige Anmeldebestätigung versende ich dann in der Reihenfolge der Zahlungseingänge. Es gilt wie immer: wer zuerst kommt, trinkt zuerst.

Ich freue mich auf eine hervorragende Veranstaltung in herrlichem Ambiente mit einer Runde von Champagnerbegeisterten,

Boris Maskow

Notizen von der Champagerprobe: rund um die drei Jahreszeiten

Opener: Charles Heidsieck Mis en Cave 2000 en Magnum

Reims. Drittelmix. 1999er Basis mit 40% Reservewein, Dégorgement 2005.

Eines der letzten Werke von Daniel Thibault, der 2002 viel zu früh verstarb. Dégorgement demnach unter der Leitung seines Nachfolgers Regis Camus. Honig, Kaffee, Kakao, empyreumatische Noten. Fast schon zu seriös für das zwanglose warming up auf der sonnenbeschienenen Terasse mit Blick auf die Marksburg.

Kleine Vorspeisenauswahl, darunter Krabben-Espresso, geschmorte Champignons mit Salat von getrockneten Tomaten, Gurken-Kräutercrème mit Scampi. Vom seriösen, sehr gediegenen Charles Heidsieck konnte man zu der leichten Sommerkost nicht so viel erwarten, die beiden herbfrischen Champagner aus dem Starterflight passten da deutlich besser.

I.1 Tarlant, Brut Zéro

Oeuilly. Drittelmix. 2004er Basis mit fassgereiften Reserveweinen. Tirage im Mai 2005, Dégorgement im Juni 2007.

Erst eine Woche vorher hatte ich diesen jetzt wunderbar gereiften und langsam seinen Trinkhöhepunkt erreichenden Champagner im Glas und freute mich, ihn jetzt, bei knallender Sonne und unverbautem Blick auf Marksburg und Rhein erneut im Glas zu haben. Pure, griffige, unausgezehrte, natürlich-herbschöne Nacktheit.

I.2 Lamiable Extra Brut

Tours-sur-Marne Grand Cru. 60PN, 40CH. 5 g/l Dosagezucker.

Nicht ganz so nackt, sondern noch mit Strapsgürtel und Schleier angetan, zeigte sich Lamiable als Flightpartner wie eine etwas versautere Schwester des Zéro Brut. Das lag vor allem an der ausgeprägteren Saftigkeit, gross kaschiert war da nichts.

II.1 Robert Moncuit Blanc de Blancs Grand Cru Extra Brut

Le Mesnil. Dieser Champagner stammt aus den Grand Crus Oger und Le-Mesnil-sur-Oger, mit 4 g/l dosiert, 42 Monate Hefelager.

Sicher hätte ich auch Lamiable gegen Moncuit antreten lassen können, aber darauf kam es mir bei der Probenzusammenstellung nicht an. Moncuit war stattdessen der Auftakt für den Blanc-de-Blancs flight dieser Probe, die ich im wesentlichen um die Jahreszeitenchampagner von Pommery herum aufgebaut hatte, was immer wieder überraschende und lehrreiche Probenresultate liefert. Natürlich konnte der erste Champagner des flights nur ein karg dosierter Champagner sein, um nicht etwa nach dem Pommery, dessen Stilistik nunmal die eines großen Hauses ist, sauer zu wirken und einen gleitenden Übergang zu schaffen. Das gelang sehr gut. Noch mit Lamiables sündiger Aromenlast am Gaumen kam Moncuits reinigender Apfelspass, der alles verruchte von der Zunge spülte.

 

II.2 Pommery Summertime Blanc de Blancs

10 Crus, drei Jahre Hefelager.

Wie auf einer Süße-Leiter konnte deshalb der Pommery in der Probe aufsteigen und sich als Schlussstein eines Mikrovergleichs über zwei flights hinweg platzieren. Nach den extra brut dosierten Champagnern kam er mir etwas glitschig vor, präzise herausgearbeitete Aromen oder eine fokussierte Säure musste man vergeblich suchen. Wobei das ohnehin nicht die Stärken der Grande Marque Champagner sind, die Pommery ja repräsentieren und um die es hier verstärkt gehen sollte. So sah es denn auch die eine Hälfte der Runde und favorisierte den Pommery, während sich die andere Hälfte, mehrheitlich die Damen, über den Moncuit entzückte.

Lauwarmer Spargelsalat mit weißem und grünem Spargel vom Niederwerth war ein guter Einschub, denn es sollte mit einem Champagnertyp weitergehen, den man nicht einfach ansatzlos folgen lassen konnte. Zum Spargelsalat war klarer Favorit der Pommery, weil bei ihm keine Mésalliance zwischen Säure und Asparagin zu befürchten war, sondern eitel Sonnenschein.

III.1 Francoise Bedel, Dis, Vin Secret

Crouttes-sur-Marne. Biodynamisch. 2003er Basis, 86 PM 8 PN 6CH. 96% Stahltank, 4% Holzfassausbau.

Den 2003er Jahrgang konnte man ziemlich deutlich merken und am Tisch wurde die überreife, rosinige, mit Apfelchips, Bratapfel und Calvados angereicherte Aromatik teils sehr begrüßt, teils als viel zu alt und mürbe abgelehnt.

III.2 Pommery Wintertime Blanc de Noirs

75PN, 25PM u.a. aus den Grand Crus Aÿ, Bouzy, Mailly und Sillery. (90/100 Juhlin)

Anders als beim letzten Mal hatte der Wintertime nun gar keine Startschwierigkeiten, Madame Bedels weichhäutiger, etwas eunuchiger Champagner traf auf einen gut vorbereiteten, agilen Wintertime, der Röstnoten, roten Apfel, einige wenige Säurespritzer und allenfalls ganz leicht morbiden Charme eines reifen Playboys ausspielen konnte. Beide Champagner kamen mir wegen ihrer Konzentration und Süße wie gute, wenngleich sehr verschiedene Flightpartner vor.

Penne mit Kalbfleisch-Salbei-Röllchen in Cointreau waren als Zäsur beim Übergang von weiss auf rosé zur Stelle, obwohl für mich nicht zwingend erforderlich

IV.1 Pommery Springtime Rosé

Reims. 25CH, 60PN, 15PM, 30 Monate Hefelager.

Auffällig war bei diesem Rosé die sehr helle, zwiebelschalenfarbene Roséfärbung, die ihn neben dem Winzerrosé fast etwas alt aussehen ließ. Geschmacklich war er mit Rosinen, Feigen und Trockenfrüchten noch ganz in der Sphäre des Wintertime, konnte aber mit seiner demgegenüber leichteren Bauweise punkten.

IV.2 Maxime Blin Rosé

Winziges Weingut in Trigny, Massif St. Thierry. 100PN und Coteaux Champenois.

Kräftiges, rötliches Rosé, viel Kirschfrucht, Goji-Beere und eine leicht gerbstoffige Griffigkeit, die den kleinen Betrieb kennzeichnet. Geringfügig medizinal, was in diesem Zusammenhang – zum Salbei – sogar ganz gut passte.

V.1 Carré Guebels Premier Cru Vieilles Vignes avec ficelage traditionnelle

70CH, 30PN, 2003er Basis mit Reserve aus 2002. (** GH)

In Deutschland praktisch unbekannter Erzeuger, der sich in Frankreichs Fachpresse schon einige gute Bewertungen gesichert hat und dessen andere Champagner mir gut gefallen. Werde ich weiterhin im Auge behalten. Diese Cuvée von alten Reben ist sehr mineralisch, hat eine kühle Ausstrahlung und wirkt zunächst geschlossen und dicht wie ein Grantiblock. Mit Luft kommen Mandarinen, Nektarinen, Reineclauden und gelbe Johannisbeeren zum Vorschein, alles läuft bei diesem Champagner sehr geordnet und zeremonienartig streng ab. Champagner für Traditionalisten.

V.2 Leclerc-Briant Premier Cru Chèvres Pierreuses

Cumières Premier Cru. Einzellagenchampagner. 40PN, 40CH, 20PM. Biodynamisch.

Knallerwein. Auch hier kalter, nasser Stein als Grundton, dahinter ist auf Anhieb richtig viel Druck abrufbar. Im Gegensatz zum Carré-Guebels herrscht hier ein – positives – Geschmackschaos, alles schwirrt und fliegt durcheinander, flavour action painting am Gaumen.

Frische Erdbeeren mit Champagnerschaum, Minze und Amarettini, verbunden mit einer kleinen Pause, lenkten den Gaumen etwas ab

VI.1 Bernard Tornay Palais des Dames

Bouzy Grand Cru. 50PN, 50CH, 2004er Basisweine aus den Grand Crus Bouzy und Ambonnay. 10 g/l Dosagezucker.

Was mir bei Tornay immer gut gefällt, ist dieser stetige Haselnussgrundton, den man in seinen Champagnern immer wiederfindet. Das verleiht dem Stil einen leicht melancholischen touch, bei der Spitzenvuvée des Hauses auf eine sehr ansprechende Art verfeinert. Also nicht: depressive Stimmung einer alternden Diva, sondern bezaubernde Nachdenklichkeit einer Salonschönen.

VI.2 Pommery Millésime Grand Cru 2000

Trauben aus sieben Grand Crus. (86/100 Juhlin, 96/100 Wine Spectator)

Der passende Gigolo für unsere Salonschönheit wollte oder konnte sich nicht finden lassen, also musste adäquater Ersatz her. Pommerys 2000er Grand Cru, den ich frühzeitig belüftet hatte, übernahm den Job mit Bravour. Jede damenhafte Feinheit von Tornay konnte dieser Champagner mit einer geeigneten Geste erwidern, ohne dabei gestelzt zu wirken. Der feine Haselnussgrundton von Tornay wurde mit minimal stärkerer Röstung beantwortet, die am Gaumen langanhaltend schwebende, zart vibrierende Früchte-Blüten-Komposition von Tornay wurde von den festen Schritten des Pommery nie allein gelassen. Wiederum eine schöne Komposition und ein famoses Pärchen, die beiden.

Generation Champagner – Notizen von der Einsteigerprobe in Hackbarth’s Restaurant

A. Das Menu

I. Vorspeisenvariation: Tafelspitz-Salätchen, Bruschetta, gebratene Blutwurst, Lachstartar

Lachstartar und Bruschetta waren gut, berührten mich aber nicht so sehr wie die Blutwurst und das delikate Tafelspitzsalätchen. Die Blutwurst war kross, nicht zu gross, praktisch fettfrei gebraten und von einer confiseriehaften Zartheit, die ich ähnlich, aber natürlich abgewandelt beim feinfaserigen Tafelspitz wiederfand. Im Zusammenspiel mit den Gemüseschnipseln bot sich ein sehr appetitanregender Happen dar, der sich gut mit den ersten Champagnern vertrug.

II. Scampi-Tournedo und Scampi-Knusperstange

Weich, aber bissfest kam der kleine Schalenracker auf den Teller, in ungewöhnlicher Langform zusätzlich die Knusperstange mit Scampifüllung. Dazu passten die weißen Champagner des zweiten flights besser noch als die Rosés, ich begann bedenklich zu schwanken – zwischen dem Premier Cru von den drei Mädels aus Trois Puits und dem Holzfasschampagner von Voirin-Jumel, dessen leicht minzige Note im Gegensatz zum Schaumzuckererdbeer-Katjes-Joghurtdrops der Girls stand. Beide Champagner hatten Komponenten, die vorteilhaft zum Essen wirkten, am Ende schien mir der Voirin-Jumel eine Winzigkeit besser zu passen, vielleicht bin ich aber auch nur etwas konservativer, was solche Paarungen betrifft.

III. Zander auf seiner kross gebratenen Haut, dazu knackiger Hünxer Spargelsalat

Der Spargelsalat war so aromatisch, wie man das von frischem Spargel erwarten darf. Viel wichtiger noch war mir die Knackigkeit der Spargelspitzen und die ließ nichts zu wünschen übrig. Fast wie Rettich krachte der Spargel beim reinbeißen und das habe ich sehr gerne, wenn der Spargel blutjung und unverholzt ist. Das kleine Zanderstück passte dazu, als wäre der Zander allein zur Begleitung von Spargelsalat Teil der Schöpfung geworden. Das Gericht brachte ganz nebenbei die regionale Verwurzelung der hackbarth'schen Küche zum Ausdruck, Spargel vom Niederrhein, Zander aus demselben, mit einer abgestimmt gemüsigen, sehr harmonischen Vinaigrette konnte man diesen kleinen Gang schon ganz schön groß finden.

IV. Lämmchen mit Kräuterkruste

Kräftig-aromatisch war die Kräuterkruste, zartfleischig das Lamm. Besser noch als Champagner konnte zu dieser Speise nur noch ein roter Coteaux Champenois passen, den Jens freundlicherweise spendierte. Das Haus Bernard Tornay hatte diesen Stoff 2000 geerntet und vinifiziert. Leider hatten wir den Wein nicht rechtzeitig dekantieren lassen, denn als er ins Glas kam, brauchte er erstmal seine Zeit, um sich von dicken Schichten flüchtiger Säure und reinster Nagellackentfernernase freizuschütteln. Auch nach sehr viel Luftzufuhr wirkte der Spätburgunder jugendlich und quasi wie frisch gefüllt, von Flaschenreife in weiter Ferne keine Spur.

V. Armer Ritter

Eine der typischsten Ruhrgebietsnachspeisen überhaupt ist der Arme Ritter. Das macht es für die Küche, wie so oft bei weitverbreiteten Speisen, nicht leichter. Denn jeder kennt das Gericht von Oma, Mutter, Betriebskantine und Familienfesten, hat eine meist sehr fest gefügte Meinung dazu und ist nur schwer davon zu überzeugen, dass dieses Basisgericht die Aufmerksamkeit einer guten Küchenbrigade verdient. Ein ähnliches Schicksal teilen Schnitzel, Boeuf Tartare, Omelette und das gute alte Steak. Macht aber alles nichts, denn Jörg Hackbarth bekommt seinen Alten Ritter immer wieder so gut hin, dass man alle Bedenken darüber vergisst, sobald man den weichen, schmeichelnden Teig im Mund hat und die süßen Früchtchen auf der Gabel.

 

B. Die Champagner

I.1 Tarlant, Brut Zéro

Oeuilly. Drittelmix. 2004er Basis mit fassgereiften Reserveweinen. Tirage im Mai 2005, Dégorgement im Juni 2007.

Dieser Champagner ist ein deutlicher Beleg dafür, dass undosierte Weine nicht nur reifen können, sondern es mitunter sogar müssen. Noch vor wenigen Monaten war dieser Champagner, obwohl mittlerweile schon seit fast drei Jahren am Markt, fest verschlossen und wehrte sich gegen jeden Versuch einige charmante Noten herauszuschnuppern mit einer kräftigen Chlornase. Davon war jetzt nicht mehr viel zu spüren, der Champagner hat sich merklich entspannt und lieferte die längst fälligen Äpfelchen, eine fast joviale Weinigkeit und zum Schluss eine für manchen Probeteilnehmer unerwartete glycerinige Süße ab. An der Nacktheit dieses Champagners war nichts Anstößiges, im Gegenteil, mit Sandro Boticellis unmittelbar bevorstehendem 500. Todestag konnte dieser Champagner geradezu als eine Hommage an die Wiederkunft der Aktmalerei in der Renaissance gelten.

I.2 Robert Moncuit, Blanc de Blancs Grand Cru Extra Brut

Le Mesnil. Dieser Champagner stammt aus den Grand Crus Oger und Le-Mesnil-sur-Oger, mit 4 g/l dosiert, 42 Monate Hefelager.

Ein ganz anderer Champagnertyp war der Chardonnay von Robert Moncuit. Weil er unter anderen Vorzeichen stand: anders als in der Vallée de la Marne, wo sich die fruchtigen Meuniers und leicht zugängliche Pinot-Noirs tummeln, wachsen in Oger und Le-Mesnil eben die großen Chardonnay-Säuregeschosse. Lässt man die blank ziehen, wird die Stimmung im Glas schnell aggressiv. Eine ganz behutsame Dosage von gerade einmal 4 g/l kann da Wunder und vor allem ganz schön sexy wirken – vergleichsweise wie die reizende Wäsche von Agent Provocateur. In unserem flight bedeutete das, dass der Tarlant trotz Zérodosage süsslicher, reifer und eine geringe Spur vollmundiger schmeckte, als der Extra Brut von Moncuit. Wenn man das weiß und im Probenzusammenhang berücksichtigt, kann man beiden Champagnern besser gerecht werden. Der Moncuit war ein lehrbuchhafter Chardonnay mit geringer Dosage, der Tarlant ein Vorzeigevertreter für eine konsequent zu Ende geführte, pointierte Cuvée.

II.1 Jean Baillette-Prudhomme, Vieille Cuvée

Trois Puits Premier Cru, 80 PN, 10CH, 10PM, um die 50% Reservewein.

Das Dreimädelhaus von Marie-France und ihren bezaubernden Töchtern Laureen und Justine begann den zweiten flight mit diesem trotz des ungewöhnlich hohen Reserveweinanteils frischen, mit jugendlich-unbekümmerter Säure ausgestatteten Champagner, dessen wesentliche Aromenmerkmale ebenfalls aus der Kinderzeit stammen. Schaumzuckererdbeeren und Katjes-Joghurtdrops, mit mehr Luft allerdings sehr schnell ernster werdend und von anisigen, kräuterigen und rosinierten Aromen stärker geerdet. Vielleicht kein Champagner für die Ewigkeit, dennoch ein Trinkvergnügen, solo und in Begleitung.

II.2 Voirin-Jumel, Cuvée 555

Cramant Grand Cru. 2006er Basis mit Reservewein aus den vier Vorgängerjahren. Holzfassausbau in 15 verschiedenen, alten Burgunderfässchen.

Von Beginn an als Holzfasscuvée zu erkennen, ohne dass sich das Holz aufdrängt. Verräterisch dabei ist die leicht minzige, kühlend-balsamische Note, weniger eine für Stillweine typische Vanillearomatik oder Toast (der beim Champagner nämlich nicht zwingend vom Holzfass kommen muss). Gegenüber dem Mädchenchampagner mag er mit seiner zurückhaltenden Komplexität weniger launisch gewirkt haben.

Der Kern der Probe war ein Vergleich der für diese Zwecke wie gemachten und kommerziell sehr erfolgreichen Jahreszeitenserie von Pommery mit Winzerchampagnern der jeweils selben Gattung. Natürlich lässt sich eine Präferenz für Grande Marque oder Winzerchampagner nicht im Rahmen einer einzigen Probe herausschälen und mein didaktisches Konzept beschränkte sich auch nicht darauf. Mir ging es bei der Zusammenstellung dieser Probe darum, Einsteigern eine relativ sichere, stilistisch zuverlässige Bank in Form der Jahreszeitenchampagner anzubieten, von wo aus jeder für sich seine Geschmacksvergleiche mit den anderen Champagnern anstellen konnte und Gelegenheit haben sollte, die Champagner auf ihre Speisenverträglichkeit hin zu überprüfen.

III.1 Nominé-Renard, Brut Rosé

Villevenard. 50CH, 50PM. Stahltankausbau. Zwei Jahre Hefelager.

Der Roséflight wurde eröffnet vom zarten und im Wortsinne feinen Nominé-Renard Rosé. Klassisch war die Farbe, ein Rosé ohne rötlichkupferne Reflexe und ohne allzuviele Blautöne. Fein war vor allem das Aromengespinst, das wie an hauchdünnen Fäden hängend Molekülhaufen von Erdbeere und Himbeere aus dem Glas zog. Am Gaumen wirkte die feine Aromatik vor allem in Richtung auf ein vermehrtes Trinken hin, denn das schlückchenweise Aufblitzen der Aromen am Gaumen war nicht so sehr geeignet dort tiefe Abdrücke zu hinterlassen. Zu den Meeresfrüchten nicht gerade ideal, solo deutlich besser.

III.2 Pommery, Springtime Rosé

Reims. 25CH, 60PN, 15PM, 30 Monate Hefelager.

Sehr anders war im Vergleich dazu der zwiebelschalenfarbene, oeuil-de-perdrixige Rosé. Farblich fast blass neben dem Winzerchampagner, verhalf ihm die deutlich höhere Dosage zu einer entsprechend stärkeren Wucht und Nachhaltigkeit, Rosinen, Feigen, Trockenfrüchte ließen sich gleich reihenweise ausmachen. Hier standen sich also wieder zwei Champagner derselben Gattung aber aus einander völlig entgegengesetzten Lagern gegenüber, was sich in der Verkostungsrunde am Tisch geschlechterübergreifend gespiegelt hat.

Rotwein: Bernard Tornay, Coteaux Champenois Rouge Mill. 2000

Diesem von Jens gespendeten Wein hätte man sein Alter nicht im geringsten abgeschmeckt. Zuerst noch voll flüchtiger Säure und einer von Nagellackentferner verhunzten Nase, danach und bis zum Ende des tastings immer besser werdend. Freilich kein Schmeichler, auch kein besonders fruchtiger Wein, sondern viel Granit, ein Duft wie frischgemahlenes Korn, hin und wieder Cranberries, Sauerkirsche und Gojibeeren. So könnte roter Chablis schmecken.

IV.1 Pommery, Summertime Blanc de Blancs

10 Crus, drei Jahre Hefelager.

Der Blanc de Blancs von Pommery repräsentierte wieder einen bestimmten Typus von Chardonnay. Nicht großes Reifevermögen, meist ausgedrückt durch hyperarrogante Verschlossenheit in jungen Jahren, ist für diese Art von Champagner prägend, sondern eine freundliche, sonnige, vielleicht nicht dauerkaugummikauende, aber mit weissen Zahnreihen einladend grinsende Einstellung. Dieser Champagner ist somit wie der Texaner unter den Champagnern, ein gutgelaunter Redneck. Bei der Auswahl seiner Grundweine wird dementsprechend nicht eine überintellektualisierende, alles steuernde Säure wichtig gewesen sein, sondern ein belebendes, fruchtiges Element, wie es die Chardonnays aus dem Norden der Côte des Blancs, der Grande Vallée de la Marne und aus der Montagne de Reims zu bieten haben. Wenn das wirklich so ist, dann hat Pommerys Kellermeister Thierry Gasco seinen Job hervorragend erledigt.

IV.2 Thierry Bourmault, Sylver Class Blanc de Blancs Premier Cru

Cuis Premier Cru.

Im Vergleich mit dem breitgrinsenden Pommery ist der Winzerchampagner Ivy-League. Statt zum american football neigt dieser Kollege in seinem Innersten allerdings eher zum Rugby. Ein stürmisches Naturell kann man ihm nämlich ebenfalls nicht absprechen. Auch meint man bei der Sylver Class nicht etwa, seine Umwelt nur noch durch die Nickelbrille eines fleißigen Bibliothekgängers wahrzunehmen. Aber unmittelbar nach dem Pommery wirkt bei diesem Champagner alles etwas schärfer, spitzer, pointierter, kompromissloser. Das dürfte daher kommen, dass der Bourmault eben nicht auf eine Reihe unterschiedlichster Crus zurückgreifen kann, sondern nur auf die knapp 3 ha, die ihm in Cuis zur Verfügung stehen. Deren typischen Charakter bringt er ungefiltert in die Flasche. Mehr wollte ich mit dem flight übrigens gar nicht zeigen.

V.1 Francoise Bedel, Entre Ciel et Terre

Crouttes-sur-Marne. Biodynamisch.

Sahnig, mit Toffee, warmem Edelholz, Haselnuss und knusprigem Keks schwebte die große Dame der Biodynamie aus dem Glas. Bei der Probenzusammenstellung schwankte ich erst, ob ich den dosierten oder den undosierten Champagner von Bedel nehmen soll. Wie bei vielen guten Winzern – so z.B. bei Francis Boulard, der mir seinerzeit Madame Bedel aus Crouttes-sur-Marne und Madame Ledru aus Ambonnay empfohlen hatte, aber auch bei Benoit Tarlant oder Aurelien Laherte – kann man bei Frau Bedel beides bekommen. Ich finde die undosierte Version solo besser, im Vergleich mit dem Wintertime von Pommery wäre er mir aber zu hart vorgekommen. Deshalb gab es die dosierte Version und diese Entscheidung hat sich meiner Meinung nach als richtig herausgestellt.

V.2 Pommery, Wintertime Blanc de Noirs

75PN, 25PM u.a. aus den Grand Crus Aÿ, Bouzy, Mailly und Sillery. (90/100 Juhlin)

Der von Juhlin großzügig bepunktete Wintertime hatte enorme Startschwierigkeiten. Reduktiv, angebrannt, langsam, behäbig und ziemlich reizarm dauerte es eine Weile, bis der Champagner sich aus allen seinen wärmenden, aber nicht kleidsamen Schalen gepellt hatte. Nach einem kompletten Luftaustausch im Raum zeigte sich dann endlich eine Ahnung von Größe, jedoch nur von Ferne und von Zuckerkristallen etwas kitschig überdeckt. Beide Champagner würde ich gern noch einmal mit drei bis fünf Jahren Flaschenreife trinken, so war der Pommery leider etwas zu unbeholfen und selbst eiliges dekantieren hätte nicht mehr viel gerettet.

VI.1 Bernard Tornay, Grand Cru 2002

Bouzy Grand Cru. Spezialist für lange Reifung.

Tornay, der an diesem Abend der Madame Bedel aromatisch sehr nahestand, eröffnete den sechsten flight. Wieder eine behende, leichte Haselnussigkeit, die man in der Musik einem Chopin zuordnen würde, er hätte wahrscheinlich ein Polonaise in Moll dazu komponiert. Lange, eher wehmütig als schrill oder juchzend tirilierende Kaskaden, eine im Volksfrohsinn wurzelnde Lust an der Ornamentik und eine bei Tornay immer wieder zum Vorschein kommende Grundthematik, das Haselnussthema, machen diesen Champagner für mich zu einem Vertreter der Winzerfraktion mit besonders hohem Gespür für die Vermählung von Terroir und Stil des Hauses.

VI.2 Pommery, Grand Cru Mill. 2000

Trauben aus sieben Grand Crus. (86/100 Juhlin, 96/100 Wine Spectator)

Die Jahrgangs-Grand Crus von Pommery, egal ob von Fürst Polignac oder Thierry Gasco kreiert, sind moderne Klassiker und würde man sie Komponisten zuordnen, wären wir wahrscheinlich am ehesten bei Prokofjew. Zuerst wie der Wintertime, schlafmützig, langsam, schwierig, unbelebt, ja abweisend. Erst mit viel Luft wandelt sich die geradezu feindliche Aromatik in eine milde Melancholie um und wird immer schalkhafter, bis zum Schluss ein richtiger kleiner Tanzbär im Glas steppt. Für Juhlin ist das scheinbar nichts gewesen, daher die vergleichsweise harten 86 Punkte, dass der Wine Spectator enthusiastische 96 Punkte gibt, kann man erst verstehen, wenn man den Champagner in seiner Schlussphase erlebt hat. Ich würde zu diesem Zeitpunkt noch lange keine 96 Punkte geben, halte den Champagner aber für sehr entwicklungsfähig und deutlich über den sonst schwachen Jahrgang hinausweisend.

VII. Veuve Cliquot-Ponsardin, La Grande Dame 1995

Reims. 2/3 PN aus Verzenay, Verzy und Ambonnay und Aÿ 1/3 Chardonnay aus Avize, Oger und Le-Mesnil-sur-Oger.

Leider hatten wir bei diesem an sich wundervollen Champagner einen leichten TCA-Beigeschmack, der sich parallel zur Entwicklung der Witwenaromatik aufbaute. Mal schien er verschwinden zu wollen, mal schien er sich in Richtung einer herben Nussigkeit oder in ein Kastanienhonigaroma umwandeln zu wollen, wie man es vom Urlaub auf Korsika kennt. Aber immer funkte er störend dazwischen und ließ den filigranen wie den strukturgebenden Elementen dieses reifen Champagners keine Möglichkeit, sich endgültig und harmonisch zu verbinden.

Rési reloaded – Mit dem Fernseh in der Résidence

Beim Essen gefilmt zu werden ist gar nicht weiter schlimm, wenn man sich seiner Umgangsformen nicht schämen muss, oder wenn es einem sowieso egal ist. Oder aber, wenn das Fernsehteam dank fortgeschrittener Kameratechnik dezent im Hintergrund bleiben und dem sorglosen Schlemmer trotzdem auf die Gabel blicken kann. So war es letzten Dienstag in der Résidence, Essen-Kettwig.

O.1 Amuse Gueule: Frühlingsrolle, Selleriecréme auf Pumpernickel und Walnusscrème im Knusperröllchen

– Die Frühlingsrolle war mundgerecht, dicht, aber nicht zu dicht gepackt und daher angenehm bissfest;

– Die Selleriecrème als Würfel mit ca. einem Zentimeter Kantenlänge auf der Pumpernickelscheibe stand aromatisch im richtigen Verhältnis zum Brot, war mir aber als Kontrast zwischen wabbeliger Crème und festem Brot etwas zu weit auseinander;

– Die Walnusscrème im Knusperröllchen lag wieder auf meiner Wellenlänge, fluffige Crème, die intensiv nussig, aber nicht ranciohaft schmeckte, das Knusperröllchen harmonierte gut.

 

O.2 Gruss aus der Küche: Hummer-Fenchel-Variation

– einmal im Wan-Tan gebacken, mir zu sehr an die Frühlingsrolle angelehnt, aber geschmacklich gut;

– mit Fenchel-Tagliatelle, leicht säuerlich, wie beim Sushi-Rettich, als Appetitmacher ausgesprochen gklug platziert;

– als Tartar war mir der Hummer zu unsichtbar, ich habe ihn lieber in größeren Stücken;

– als gestreifte Terrine wiederum gingen Hummer und Fenchelcrème eine überaus schmackhafte einander spielend leicht ergänzende Kombination ein.

 

O.3 Zweiter Gruss aus der Küche: Tomatenessenz mit Gemüserauten

Das war das Signal für die Geschmacksnerven, die nächsten fünf Stunden unter Höchstspannung zu arbeiten. Die Essenz kam sozusagen als Blanc de Noirs, also nur als weiss abgepresster Saft aus den Tomaten, mit einem leicht rötlichen Schillern und war so konzentriert, so aromatisch, dass am Gaumen die schönste Sommersonne schien.

 

Währenddessen gab es Champagne Robert Moncuit Blanc de Blancs Grand Cru 2004. Am besten schmeckte er zur Frühlingsrolle und zum Wan-Tan-Hummer, auch zum Sellerie-Pumpernickel und zu den anderen Variationen mit Fenchel brillierte der Champagner, auch mit der Tomate hatte der champagner keine Mühe und das, obwohl die beiden sonst als geschworene Feinde gelten. An seine Grenze stiess er jedoch sehr klar, als er es mit der leicht süssen Walnusscrème aufnehmen musste, dafür fehlte ihm das nötige Alter und die dann sich langsam herausbildende nussige Aromatik reifer Chardonnays. Anzulasten ist das nicht dem Winzer, nicht dem hervorragenden Sommelier Herrn Voigt, sondern mir, denn ich hatte den Champagner mitgebracht.

 

I. Zweierlei vom geräucherten Chinook-Lachs mit Topinambur und Wildkräutern, dazu ein 2009er Klüsserather Riesling vom Weingut Kirsten, auf Wunsch der Ehefrau Inge von Geldern durchgegoren

Für einen jungen Riesling war der Klüsserather herausfordernd golden, mit aromatisch breiter Schulter und einem herbsüssen Restzuckerschwänzchen. Zum Topinambur mit seiner süsslichen Aromatik passte das schonmal sehr gut. Aber um den Topinambur ging es nicht, der Riesling sollte sich zum Lachs beweisen. Dessen Filet war wahrhaft königlich. Wer sich auf Empfängen und Buffets beim Lachs immer zurückhält, weil er sich vor den Hormonschleudern aus Aquakultur fürchtet, kann beim Chinook beherzt rein- und zubeissen, der Unterschied ist so groß wie der zwischen altem Badeschwamm und Kalbsbries. Dazu der Reisling und die eröffnung des Abends war gesichert.

 

II. Sautierter Skrei im Feldsalatsud, mit Lardo, konfierter Kartoffel und Senfsauce, dazu Rudolf May, Silvaner Spätlese trocken "RECIS" 2007

Kabeljau, bzw. eben Skrei ist und bleibt ein schmackhafter Fisch, den früher nur Kinder, Engländer und arme Leute gegessen haben. Daraus einen schmackhaften Gang zu kreieren, geht so: Den Kabeljau mit guter Butter auf der Haut anbraten, einen nur optisch draufgängerischen, aromatisch dafür umso delikateren Feldsalatsud zubereiten, der sich mit einer nicht zu senfigen Senfsauce optimal für das zarte Skreifleisch eignet, fertig. On top kam dann noch der leicht knusprige Lardo mit der konfierten Kartoffel und ganz on top der Silvaner von Rudolf May, der wie massgeschneidert für diesen Gang war.

 

Z.1 Den Übergang machte ein zartfaseriges, nussig-aromatisches, gesundfleischiges Bäckchen vom Ibericoschweinderl auf gebratener Tomate. Dazu tat der Silvaner weiterhin gut und zeigte bei aller Konzentration und Tiefe willkommene Durstlöscherqualitäten.

 

III. Langostino mit karamellisiertem Blumenkohl und Trüffelscheiben, Frühlingsmorcheln und Dörraprikosen, dazu Domaine de Chatenoy, Menetou-Salon, Cuvée Pierre-Alexandre 2007

Wenn ich Menetou-Salon höre, stelle ich mir unwillkürlich immer eine seltsame Mischung aus dem Sioux-Häuptling von Karl May und dem Spitzenchampagner aus dem Hause Laurent-Perrier vor. Einen champagnerschlürfenden Indianer also, was irgendwie nicht passen will. Was jedoch sehr gut passt, ist Langostino und dieser Wein. Der war nämlich erst ganz sachte pfeffrig und andeutungsweise holzig, entwickelte eine kühl buttrige, ja speckige, auch ein wenig burgundische Stilistik, blieb lang, kühl und ohne Säure im Mund, so dass er mich von seinem ganzen Wesen an ein in dunklen und kühlen Regionen des Meeres herumwanderndes Krustentier erinnerte. Butter, Speck und Pfeffer riefen den Langostino leibhaftig auf den Plan und die zutage getretene Seelenverwandtschaft war das reinste Freudenfest, gekrönt noch von dem konzentrierten Dörraprikosengeleewürfel, von dem ich mir zu jedem Happen vom Langostino eine mikrometerdünne Scheibe herunterschnitt, wenn ich nicht gerade damit beschäftigt war, mich an der Kombination der Geleescheiben mit Blumenkohl und Trüffel zu laben.

 

Z.2 Vor der Jakobsmuschel gab es noch Pulposalat mit Brunnenkresse, die den Gaumen wieder etwas klärten, was vor allem an der reinigenden, auch den Appetit wachhaltenden Schärfe der Brunnenkresse lag.

 

IV. Jakobsmuschel mit Kirschtomate, Kräuterfocaccia und Basilikumkresse, dazu Kruger-Rumpf Blanc de Noirs vom Spätburgunder, Spätlese trocken 2008

Kruger-Rumpfs 2008er Grosse Gewächse gehören zu meinen Lieblingen dieses Jahrgangs. Grosse Freude war deshalb gesichert, als Herr Voigt den Blanc de Noirs von Kruger-Rumpf vorschlug. An diesem Gang gefiel mir am besten die Basiliumkresse, die der Jakobsmuschel zusammen mit der Kirschtomate zu einer lebendigen Aromatik verhalf. Wie erwartet sehr gediegen dazu der Blanc de Noirs, dem es gelang, die entlegeneren Aromen der Kräuterfocaccia herauszukitzeln.

 

V. Medaillon und Tartar von der Gelbflossenmakrele mit Erbsenallerlei, dazu Churchview Estate, Margaret River unoaked Chardonnay 2007

Das Medaillon von der Gelbflossenmakrele war einer der Höhepunkte des Menus. Besser hätte man es nicht zubereiten können, das relativ feste Fleisch hätte schon für sich allein stehen können und genau deshalb habe ich es getrennt von den Beilagen genossen. Der Chardonnay dazu war mir leider zu lasch, ich wüsste aber aus dem Stand auch nicht, was mir ausser Sake oder Pils besser hätte gefallen können.

 

VI. Cherry Valley Entenbrust mit Rote-Bete-Ravioli, Pak-Choi und Belugalinsen, dazu Domaine de la Martinelle (Beaumes de Venise) Rouge 2008

Ein anderer Höhepunkt des Mahls war der Entengang. Auf die Garkunst von Henri Bach ist Verlass, so dass ich das Entenfleisch nicht noch weiter belobhudeln will. Worauf es mir hier im Gegensatz zur Makrele ankommt, ist die Kunst der Beilage. Das Türmchen von der Roten Bete und der kleine Ravioli mit Roter-Bete-Füllung waren trotz ihrer ja eigentlich erdnahen natur zusammen mit der Ente dem Himmel schon sehr nah. Die Reise wäre aber nicht anzutreten gewesen ohne den roten Beaumes de Venise, eine Gegend, aus der ich bis dahin nur Süssweine getruinken habe. Allein hätte mir dieser Rotwein auch gar nicht geschmeckt, fruchtig war er, erdig, trocken, nicht uncharmant, etwas mehlig, sehr bodennah. Flügel wuchsen ihm erst, als er der Kombination von Ente und Roter Bete den letzten Schliff gab.

 

Wenn mir in einem Restaurant die Sauce besonders gelungen erscheint, dann nehme ich davon gern ein Espressotässchen für den Sologenuss. Hier musste ich ein Tässchen mit dem sensationellen Sesamjus haben, das ich in winzigen Schlückchen zusammen mit dem schon ganz irrational gut dazu passenden Beaumes de Venise wegschlürfte. Perfekt war an dieser Sauce alles, hervorheben muss ich die einzigartige Konsistenz der Sesamkerne. Die waren exakt bissfest, nicht mehr mehlig oder hart, aber auch noch nicht durchgeweicht und matschig, auch keine Abstufung irgendwo dazwischen, sondern exakt auf den Punkt. Sowas macht mich als Sesamfreund glücklich.

 

VII. Geschmorte und kurzgebratene Short Rib vom Angus-Rind mit Poweraden und Perlzwiebelpurée, dazu Côtes de Bourg, Château Falfas "Le Chevalier" 2005 ca. 2/3 Cabernet-Sauvignon und 1/3 Merlot von achtzig Jahre alten Reben, biodynamisch erzeugt

Dieser Wein scheint mir nicht geeignet, im Alleingang den Ruf einer in Vergessenheit geratenen Appellation zu restaurieren. Dazu erscheint er mir zu außergewöhnlich und untypisch für die Region, die ich aber – im Vertrauen – gar nicht besonders gut kenne. Zum geschmorten Rind, das ich mühelos noch Stunden lang hätte essen können, machte sich das Perlzwiebelpurée besonders gut, zum gebratenen Stück gefiel mir die Babyartischocke, deren Name so frappierend an ein isotonisches Getränk erinnert, besser.

 

VIII. Wölkchen von der Passionsfrucht, Sesamkrokant, Kokosnusseis und Zuckerblüte, dazu eine 2006er Riesling Beerenauslese von der Disibodenberger Klostermühle

Zum Passionsfruchtwölkchen hätte ich zu gerne und ganz gegen meine Gewohnheit und Vorliebe eine ältere Fleur de Passion von Diebolt-Vallois getrunken. Herr Voigt hatte aber eine – wahrscheinlich – bessere Idee. Er trug den Hauswein der großen deutschen Energierechtskanzlei Becker Büttner Held auf, deren Namenspartner Christian Held steht hinter diesem Weingut. Dass die Kollegen nicht nur etwas von Energie- und Infrastrukturrecht verstehen, wird schnell klar. Sonntägliches Toastbrot mit dick Butter und Honig drauf, dazu ein schöner Ceylon-Tee – oder ein Schluck vom Disibodenberger, dessen galoppierende Säure nach einem längeren Mahl jeden Schnaps ersetzt. Für das Passionsfruchtwölkchen war das schon eine Herausforderung, Sesamkrokant und Kokoseis dagegen verstanden sich auf Anhieb blendend mit dem Wein.

 

IX. Pitahayacrème mit Knallbrause, weißem Kaffeeeis und Schokobecher

Peta Zeta heisst die Knallbrause. Nun weiss ich es endlich, werde es mir aber wiederum nicht merken können, fürchte ich. Zur Pitahaya, die zu meinen Lieblingsfrüchten gehört, passte sie, so wie sie zu fast allen Desserts gut passen mag. Die Pitahayacrème war indes sehr delikat, mir wäre sie ohne Knalleffekt lieber gewesen. Auch Wein mochte ich dazu nicht kombinieren. Das konnte man schon eher mit dem weissen Kafeeeis machen, das sich ebensogut allein schön wegschlotzen liess. Der Schokobecher, so winzig er letztlich war, kam mir zu dem Zeitpunkt schon sehr mächtig vor. Zur BA passte er besser, als Pitahaya und Kaffeeeis.

 

X. Himbeertörtchen, Orangen-Brombeer-Törtchen, Physalistörtchen und Chilipraliné

Die Törtchen wollte ich eigentlich gar nicht mehr. Zwei Dinge brachten mich dennoch dazu, davon zu probieren. Einerseits: die völlig absurde Überlegung, wenn ich etwas frisches, fruchtiges nehmen würde, hätte das vielleicht eine erfrischende Wirkung und ich könnte mich danach noch dem Käse zuwenden. Andererseits: ausgerechnet die angebotenen Sorten gefielen mir alle sehr gut, einzig die Schokotrüffeltorte liess ich aus. Vielleicht hätte ich davon ein Stückchen nehmen sollen, die Törtchen waren überzeugend. Himbeere, wie ich sie aus meiner Kindheit in Erinnerung habe, Brombeeraroma wie von den Sträuchern die damals direkt neben den Himbeeren standen, Physalis und Orange, die gute Laune verbreiten. Völlig überrumpelt vom plötzlichen Ende meiner gastrointestinalen Aufnahmefähigkeit musste ich auf den Käse dann leider verzichten und trollte mich rüber in den Club B. Und was sich dort noch ergab, darüber bald mehr an dieser Stelle und in der Champagnerdepesche!