Das Restaurant "Am Kamin" ist ursprünglich das Forsthaus der größten westdeutschen Baumschule gewesen und wird seit nunmehr 50 Jahren als Restaurant betrieben. Seit 1992 hat Heike Nöthel-Stöckmann die Leitung inne und übernimmt die Funktion der sprechenden Weinkarte. Nach ihrer Zeit im Aachener Gala, in Davos und im Düsseldorfer Hummerstübchen hat sie den Betrieb von ihren Eltern übernommen. Ehemann Hermann Stöckmann von smartwine sorgt für den Weinzufluss, wobei der Schwerpunkt bei biologisch-nachhaltig, bzw. biodynamisch erzeugten Weinen liegt. Fred Loimer, Gernot Heinrich, Foradori, Fonterutoli und Alvaro Palacios seien stellvertretend genannt, hinzu kommen junge Talente wie Andreas Bender aus Leiwen (mit Rebflächen auch in Hainfeld/Pfalz) und Gut Hermannsberg. Mitten im Winkhausener Wohngebiet liegt das Restaurant in einer idylisschen Mulde mit terrassiertem Außenbereich, von hohen Bäumen schützend umstanden. Im Fachwerkbau ist es urig, vor Weberknechten sollte man sich allerdings nicht fürchten.

Amuse Gueule: Karamellisiertes Schwarzbrotcarpaccio mit Sesam, Pumpernickel mit Kräutercrème, würzige Tomatenwürfel im Teig-Körbchen

dazu: Juve y Camps Reserva de la Familia Brut Natural 2005 en Magnum

40% Macabeo, 45% Parellada, 15% Xarel.lo

Das Etikett der Familienreserve erinnert immer wieder verblüffend an das vom Dom Pérignon, der Inhalt nicht. Was von manchem mittlerweile schon als Gütehinweis verstanden wird. Jedenfalls hatte ich mit der Familienreserve von Juve y Camps bisher noch nicht so viele Ausfaller und Flaschenvarianzen, wie mit dem Zugpferd aus dem Hause Moet et Chandon. Aus der Magnum schmeckt diese Cava am besten, da unterscheidet sie sich wiederum in nichts vom Champagner. Nase, Gaumen- und Gesamteindruck, sind dagegen merklich unterschiedlich, leiden aber nicht unter der Naturdosage. Oft führt der Verzicht auf Zucker im Dosageliqueur zu einem gezehrten, lakritzigen, rapsigen und an Unkraut erinnernden Geschmack, nicht so hier. Das ist jedes Mal ein Pluspunkt für diese Cava, die sich auch sonst entgegenkommend, schmackhaft, einigermaßen komplex und mittellang zeigt. Mit karamellisierten Aromen hat sie freilich einige Probleme, Sesam, Pumpernickel, Kräutercrème und Tomate hat sie hingegen angenehm umspült.

I. Frische Steinpilzpfanne mit Salatbouquet

dazu: Bender, Riesling, Mosel, 2009

Die Steinpilze waren aromatisch, bissfest, adäquat gewürzt und insbesondere nicht versalzen, hätten aber etwas größer geschnitten sein können. Der leichte, moseltypische Bender-Riesling passte gut dazu und war mit seiner fruchtig-schmelzigen Art ein charmanter Begleiter, der sich dezent im Hintergrund hielt, ohne dabei bedeutungslos zu sein.

II. Weisse Salami-Schaumsuppe

dazu: Bender, Weißburgunder, 2009

Das weiße Schaumsüppchen war ausgewogen, milchig, sämig und hatte nur einen Hauch von der Salami abbekommen, was mir anfangs zu wenig erschien, sich gegen Ende jedoch als richtig dosiert herausstellte. Mit jedem Löffel summierte sich nämlich der minimal räucherige Salamigeschmack am Gaumen und hätte tatsächlich nicht viel stärker sein dürfen. Der wieder sehr leichte Weißburgunder von Bender passte auch zu dieser Speise gut, da er eine verwandte Bauart zeigte.

III. Wildkräutersalat

dazu: von Racknitz, Vulkanfelsen, 2008

Von Wildkräutern war nicht viel zu sehen, Blattsalat, Rucola, Feldsalat, Löwenzahn wird es gewesen sein, dazu ein paar Schnittlauchstangen. Da gibt es deutlich mehr an Wildkräutern auf dem Markt und genau das war auch die Erwartungshaltung. Wenigstens Taubnessel, Giersch, Portulak, Spitzwegerich und Brunnenkresse hätte ich mir vorgestellt. Dafür war der Vulkanfelsen von Racknitz gut wie stets.

IV. Tomatentartar

dazu: di Leonardo, Sauvignon Blanc, 2008

Auch nicht sehr beeindruckend war das Tomatentatar, das einem kalten Bruschetta-Belag glich. Schlecht war es nicht, die Tomaten waren reif und aromatisch, aber der Pfiff fehlte. Am Wein gab es nicht viel auszusetzen, ein ordentlicher, kontinentaler Sauvignon-Blanc von mittlerem Gewicht, der sich mit den Tomaten gut vertrug.

V. Kaninchen "en papillottes", mit Peperonicoulis, Lavendel und Amarettobrösel

dazu: Alvaro Palacios, Priorat, Terrasses, 2006

Optisch einer der Höhepunkte des Menus und aromatechnisch sehr klug komponiert. Die Teighülle war hauchzart und knusprig, der Inhalt stand im richtigen Mengen- und Geschmacksverhältnis zueinander. Der kleine Wiesenracker hatte zartes, aromatisches Fleisch, das von einer sämigen, schmeichelnden Sauce und saftigem Paprikacoulis umgeben war. Dezent, doch merklich bereichernd waren Lavendel und Amarettobrösel. Dazu war der Priorat gut, weil immer noch in seiner Entwicklungsphase, die sich verändernden Weinaromen bereicherten den Gang zusätzlich, ohne ihn zu überfrachten.

VI. Heidschnuckenwürstchen mit zweierlei Senfcrème

dazu: Alvaro Palacios, Priorat, Terrasses, 2006

Sehr fein waren die Hedschnuckenwürstel. Sehr aromatisch und nicht viel größer als Nürnberger Rostbratwürste, aber gehaltvoll, stimmig gewürzt und pur noch besser, als mit den Fruchtsenfsorten. Dazu passte der letzte Schluck Sauvignon-Blanc noch gut, denn er unterstützte die kräuterige Komponente, dazu passte ebenfalls der Priorat, solange er noch ganz frisch und etwas orientierungslos im Glas war.

VII. Gnocchi mit getrüffelter Gorgonzolasauce

Die Portion kam mir sehr klein vor, was prinzipiell nicht schlimm ist. Nicht sehr froh war ich aber, als ich auch nach gründlicher Suche keinen Trüffelschnipsel finden konnte und deshalb davon ausgehen musste, die Sauce sei lediglich mit Trüffelöl behandelt worden – was mir der Koch nachher bestätigte.

VIII. Geschmorte Ochsenbäckchen mit Topinambur und Vanilleschaum

dazu: Alvaro Palacios, Priorat, Terrasses, 2006

Die Ochsenbäckchen hätten länger geschmort sein müssen, so waren sie zwar zart, aber mir nicht zart und zerfallend genug. Sehr gut waren dagegen die vanillierten Wurzelwürfel, davon hätte ruhig mehr auf dem Teller sein dürfen. Der Priorat lief hier zu bester Form auf und gefiel zum Essen wie solo gleichermaßen. Mittlerweile hatten sich die Aromen einigermaßen sortiert. Zwischen Zwetschge, Bleistift, Schattenmoerelle, Gestein und Beerenobst fand sich noch genügend Platz für abgelagertes Holz, moosige Töne, bereichernde, strukturierende Säure und maßvolles, bereits süsslich wirkendes Tannin.

IX. Wiener Schnitzel mit Speck-Kartoffelsalat

Die Schnitzel-Panade war nicht kross, sondern laff. Auch schien mir das Schnitzel eher dick und klein als platt und gross. Das verwendete Kalbfleisch war allerdings in Ordnung.

X. Mangosorbet im Apfel-Meerrettich-Mus

dazu: Bender, Paulessen, 2009

Das Apfel-Meerrettich-Mus schmeckte ganz genau so, wie man es erwarten durfte. Zwar als Schaum annonciert, war es doch mehr ein Brei, verwob aber die Apfelfrucht untrennbar mit der würzigen Schärfe vom Meerrettich. Die wirkte konziliant und schien zunächst nicht lange vorzuhalten, kam aber doch hintenrum zum tragen. Das war jeweils der Moment, indem man ein bisschen Mangosorbet nachführen musste, um die sich entwickelnde Schärfe in exotischem Fruchtaroma einzuwickeln. Der Bender-Wein war dazu eindeutig zu mild. Solo sicher ein angenehmer Moselvertreter, dem Meerrettich aber nicht gewachsen, dem Zusammenspiel von Apfel, Merettich und Mango dann gleich dreimal nicht.

XI. Brownie mit flüssigem Schokokern und weißem Amaretto-Schokoladeneis

dazu: Geheimrat Dr. Wegeler, Kaseler Nies'chen, Riesling Eiswein 1993

Unschuldig wirkte der Brownie, bis man ihn dann anstach und er heisse, flüssige Schokolade aus seinem Inneren entließ. Die vermählte sich schleunigst mit dem weißen Eis, und das auf sehr ansprechende Weise. Dazu konnte man den Eiswein mit viel Freude trinken, mir machte er solo am meisten Spass. In der Farbe konnte man den ohne schlechtes Gewissen auf Anfangneunzigerjahre schätzen, im Duft war er reif, aber noch nicht sehr stark firnig oder petrolig. Frische, leicht vegetabile und kräuterige Noten überwogen in der Nase und im Mund zeigte sich der Wein ausgelassen und tobte mit einer wirbelwindartigen Säure über den Gaumen. Erst zum Ende des langen Nachhalls zeigten sich andeutungsweise Alterserscheinungen in Form einer leichten Buttrigkeit, vermischt mit noch sehr unterwürfigem Kratzen.

Diplomatico Rum Reserva Exclusiva 12 yo, Venezuela

Am Rum habe ich nur geschnuppert, wie ich das bei Spirituosen fast immer mache. Viel Alkohol, etwas Holz, ein schwerer, körperreicher Vertreter seiner Art, mit dunklen, an Früchtebrot, schwarze Schokolade und Rumrosinen erinnernden Aromen.