Zwei Erzeuger eröffnen den sommerlichen Champagnerreigen. Beide Winzer bewirtschaften etwas mehr als 10 ha und sind vergleichsweise jung. Das eine Haus ist sehr klassisch aufgestellt, wirtschaftet konventionell in der Kernchampagne, das andere wird biodynamisch geführt und liegt an der Aube. 

 

A. Collard-Picard

Zusammen mit Ehefrau Chantal Picard, eine Cousine von Chantal Gonet (Champagne Philippe Gonet), bewirtschaftet Olivier nun schon seit 1996 seine Weinberge in der Vallée de la Marne und die seiner Frau in der Côte des Blancs, insgesamt sind es gut 11 ha. Die gemeinsamen, temperaturgesteuert stahltankvergorenen Grundweine kommen zum Ausbau ins Fuder, BSA wird vermieden, die Flaschengärung findet teilweise unter Naturkork mit Agraffe statt. Das sind eigentlich ganz gute Voraussetzungen, deshalb habe ich mir die einzelnen Cuvées des Hauses mal im direkten Vergleich mit den Weinen von Vincent Couche zu Gemüte geführt.

I. Brut Séléction

50PM 50PN, 07er Basis mit Reserve aus 2006.

Säuerliche Noisettecrème, sonst sauber und lebhaft.

II. Cuvée Prestige 

50CH 25PN 25PM, 07er Basis mit Reserve aus 2006, 2005 und 2004.

Sehr üppige Fruchtmischung aus Ananas und Passionsfrucht, angenehm lang; der kann schon was und sollte das mit etwas mehr Flaschenreife deutlicher zur Geltung bringen.

III. Cuvée Prestige Blanc de Blancs Grand Cru

2007er Basis, aus Bioweinbergen in Le Mesnil und Oger

Steiniger Charakter, verschlossen, sehr ruhig und in sich gekehrt, wenig Säure.

IV. Cuvée Prestige (2005er Basis)

Dem aktuellen Prestige gar nicht ähnlich. Sehr kräftig mit abschließend störender Herbe.

V. Cuvée des Archives Millésimée 2002

80CH 20PN, Trauben aus sehr alten Weinbergen (aus den 1940ern) mit gerade einmal 3000 kg/ha Ertrag. Im Fuder vinifiziert und dort für 18 Monate auf der Hefe ausgebaut.

Voll, sehr kraftvoll bis muskulös, insofern dem 2005er Prestige nicht unähnlich, doch ohne die störende Herbe. Wirkt viel leichter und unbeschwerter als der Prestige. Angeschnittener Apfel, Brot, wenig Säure, recht lang.

VI. Rosé

50PN 50PM, ca. 15% Rotweinzugabe.

Ein eher dunkler Rosé mit anfänglicher Hundefellnase und minimal spritigem Anklang. Weiniger Charakter, der sich auf ein ausgeprägtes Em-Eukal-Wilrdkirscharoma zuspitzt.

VII. Rosé Cuvée des Merveilles

Pinot Noir und Chardonnay aus Vertus, in Lagen sozusagen übereinander vinifiziert. Erst Kirsche, dann Kuchenteigaromen, zum Schluss Bittermandel. Entwickelt sich im Mund genau umgekehrt, fängt mandelig und leicht herbbitter an und wird zum Schluß versöhnlich kirschig und mildsüß.

VIII. Rosé de Saignée demi-sec (45 g/l)

Zwischen exotischem Kirschkuchen und mandeligem Frankfurter Kranz. Buttercrème, ausgeprägte, kontrollierte Süße.

 

B. Vincent Couche

Vincent Couche begann 1999 mit der Umstellung auf schonende, und 2008 die Konversion zur biodynamischen Bewirtschaftung seiner knapp 13 ha an der Aube, unter anderem im jüngst immer mehr Aufmerksamkeit auf sich ziehenden Örtchen Montgueux. Nicht nur er hört auf seine Reben, sondern auch die Reben auf ihn, zB wenn er ihnen Musik vorspielt. Hören sollte er vielleicht außerdem noch auf einen tüchtigen Etikettendesigner, der die arg eigenwilligen Etiketten einer Neugestaltung unterziehen könnte, was ich alles bereits im Frühjahr bemerkte. Auf wen er weiterhin hören sollte, das ist sein önologischer Berater Claude Bouguignon, der hier sehr gute Arbeit leistet.

I. Blanc de Blancs Perle de Nacre

100CH aus Montgueux, Holzfassausbau, 2004er Basis mit Reserve aus 2003 und 2002

Der Grundwein hierfür schmeckte wie eine Apfelzitronenlimonade mit Marihuanaextrakt, der fertige Champagner war sehr vollmundig, saftig, weinig und nur durch seine leicht exotische Note noch etwas limonadig.

II. Cuvée Sélection (konventionelle Version vor 2008)

ca. 70PN ca. 30CH

Der "alte" Sélection bringt ein ähnliches Gewicht auf die Waage wie die Perle de Nacre, ist aber nicht so narkotisierend., hat auch nicht dieselbe Tiefe, wirkt außerdem schärfer und kratziger.

III. Cuvée Sélection (biodynamische Version nach 2008)

ca. 70PN ca. 30CH aus 2009

Extrem blumig, Holunderblütenextrakt, Gras (nicht das aus der Perle de Nacre). Sehr stramme Leistung.

IV. Dosage Zéro, dég. Februar 2011

PN/CH, 2003er Basis mit Reserve aus 2002, 2001 und 2000. Dosagelos, weil 10 g Restzucker drin sind.

Frisch, rassig und lang. Mit der typischen Explosivität später Degorgements.

V. Rosé Désir (konventionelle Version vor 2008)

07er Basis mit Reserve aus 2006

Ziemlich herber Stoff, keine Marihuananoten, kaum belebende Frische, wirkte etwas eigenbrödlerisch auf mich. Da ich ihn vor drei Monaten deutlich lebenslustiger im Glas hatte, war das erstmal nicht so schön. Des Rätsels Lösung war eine andere: es gibt nämlich eine alte und eine neue Version.

VI. Rosé Désir (biodynamische Version nach 2008)

2009er Basis.

Da war er wieder, der Blumen- und Grasduft, vermischt mit eingelegten Sauerkirschen. Im Mund mineralisch, leicht trocknend, durch seine vorsichtig kitzelnde Säure gleichzeitig auch wieder gaumenwässernd.

VII. Bulles de Miel

Entspricht dem Dosage Zéro, d.h. PN/CH, 2003er Basis mit Reserve aus 2002, 2001 und 2000, hier aber mit 36 g/l dosiert. Teilweise BSA. 

Milde, unaudfdringliche Süße, wirkte auf mich etwas belanglos; dennoch ein sehr angenehmer Wein zum wegballern.

VIII. Sensation 1995, dég. 1. Oktober 2010

PN/CH, 2584 Flaschen.

Oxidative Reife, Hanuta, Honigtoast mit viel Butter, leichtem Champignonduft. Sehr schöner Champagner.