Die erste Probe im neuen Jahr. Grund genug, sich nur auf das Beste zu beschränken. Also ein Dom Pérignon Menu. Gesagt, getan: der freundliche Restaurantleiter des besternten Restaurant Francais, Herr Blümke, der in der Traube Tonbach sein Handwerk erlernt hat, war schnell für die gute Sache zu gewinnen und ein Menu war dank beidseitiger Begeisterung leicht zu komponieren. Es gab: 

Opener: Gougères

dazu Reinhold Haart, Piesporter Goldtröpfchen Spätlese 2007, Magnum

Im international geprägten Barvorraum des Steigenberger Hotels Frankfurter Hof hatte ich die provisorische  Sammelstelle für Dinner-Teilnehmer eingerichtet. Als Leuchtturmersatz und Signalpunkt diente mir eine langschlegelige aus dem Hause Haart, an deren Inhalt sich die Eintreffenden bis zu den Gougèrs delekieren konnten und der auch mir gefiel, sonst hätte ich die Flasche ja zu Hause lassen und stattdessen Knicklichter oder ultragrelle LED-Taschenlampen der vorletzten Diners-Club Kundenwerbungsdreingabe mitnehmen können. Als die Gougères aufgetragen wurden, hatte jedenfalls praktisch keiner mehr was im Glas, ging also gut runter, der , der alte.

I. Austerndegustation: Fines, Gillardeau No. 2, Tsarskaya

dazu Moet et Chandon Coteaux Champenois Saran NV

und Dom Pérignon 1969

Zu den Austern hatte ich den Mitte der 80er Jahre letztmals aktiv vertriebenen weißen Stillwein von Moet geöffnet. Der zeigte sich kämpferisch und mit einer für viele unvermuteten Frische, die spezielle zu den Fine de Clairs passte und zusammen mit der gutmütigen Gillardeau entzückte. Der reife, von feinen Kaffee-, Toast- und Pilzaromen durchsetzte und bei aller merklichen Reife immer noch sehr agile, ja attraktive Dom 69 machte seiner Jahreszahl alle Ehre und lud das Entrée aphrodisisch auf. Zusammen mit dem Austernallrounder Tsarskaya ein Traumpaar wie aus der Hochzeit sowjetischen Eiskunstlaufdrills.

II. Atlantik-Wolfsbarsch, Artischocke, Dattel,

Dom Pérignon en Magnum

Diesen Dom darf man nicht aus der 0,75l-Flasche trinken. Da wirkt er flach, mau, saft- und kraftlos. In der Magnum dagegen zeigt er sich so, wie er hätte sein sollen, aber nur in dem größeren Format sein kann. Mit aller Eleganz Pinotwürze, Fruchtigkeit und Stärke, die der Jahrgang in die Trauben fließen ließ, und zusätzlich so, dass man die erfrischende Chardonnaykomponente nicht vermisst, selbst an die objektiv fehlende Säure dachte ich während des Essens nicht. Diese Selbstüberlistung bei der Zusammenstellung von Wein und Speisen hatte ich mit Patrick Bittner im Vorfeld eingefädelt, der die prima Idee hatte, Datteln und Speck einzusetzen, was mit dem gehabten Genusserlebnis belohnt wurde.

Pirat: Mouzon, Brut Intégral Blanc de Noirs 2005

Ficelageverschluss, Vinifikation und Ausbau im Barrique aus Ardenner Eiche

Sommelier Franck Mouzon, ein Spross  aus der Champagnererzeugerfamilie Mouzon in , war so freundlich, einen der Augensterne aus der Produktion seiner Schwester und seines vormals besten Freunds, nun leider nur noch Schwagers, beizusteuern. Der Brut Intégral von Mouzon ist ein , der sich in das Umfeld von Dom 2003 und 1990 mühelos und mit großer Selbstverständlichkeit besser einfügt, als uns die Werbung für Autos von zB Dacia auf Golfclubparkplätzen voller Superschlorren weismachen will. Eleganz geht ihm ab, dem Mouzon, aber diese – bei wirklich gut geratenen Winzerchampagnern immer wieder anzutreffende – Aufmerksamkeit an sich reißende Präsenz und mundfüllende Aromatik macht das wett.  

III. Périgord Trüffel, Agnolotti, Treviso, Physalis

dazu Dom Pérignon 1990

und Dom Pérignon Oenothèque 1990

Ein königliches Pärchen, Dom und Dom Oenothèque aus demselben schönen Jahrgang. Lange Zeit mein unangefochtener Lieblingsjahrgang, noch vor 1988 oder 1996, und erst mit dem Duo 2002, langsam in meiner Gunst sinkend. Diese beiden bekommt man nicht oft nebeneinander serviert und erst recht nicht als Verklammerung und Verzahnung zu den Aromen vom Trüffel einerseits und der knalligen Physalis andererseits. Die Oenothèque war leider etwas verschnupft und schien aus den normalen Weißweingläsern beinahe korkig, war aber im Zalto Süßweinglas bloß etwas arg reduktiv geraten und bestach mit einer Klarheit und Reinheit, die sich von der regulären Version abhob. Die war dafür in Bestform und brauchte in ihrem riesigen Aromenrepertoire nicht lange nach Anknüpfungspunkten für die Speisen suchen.

IV. Nebraska-Büffel, Sellerie, Pfeffer, Wacholder

dazu Dom Pérignon Rosé 2003

Zum Bison kam nur ein Rosé in Frage und welcher Dom der letzten Jahre hätte besseren Dienst verrichten können, als der große 2003er? Na? Eben. Keiner; selbst 1996 nicht. Feiner Wein war das, den ich mir im Zalto Burgunderbecher schmecken ließ, denn Sellerie, Pfeffer und Wacholder forderten das. Ganz nebenher stellte sich für mich dabei noch heraus, dass es sich beim 2003er Rosé Dom Pérignon um einen der seltenen Fälle handelt, in denen die Roséausgabe der Prestigecuvée sich auf deutlich höherem Niveau bewegt, als die weiße.

V. Käse von Maître Antony: Vacherin Mont d'Or, Chaource, St. Nectaire, Cantal (24M)

dazu Moet et Chandon Rosé 1975

Zum gereiften Käse sollte es nochmal Rosé sein, aber kein so ganz feiner, selbstverliebter und Aufmerksamkeit heischender. Etwas bescheideneres, stilleres sollte es sein, mit gleichwohl gehörigem Aromenvorrat in petto. Die Wahl konnte also nur auf den Mittsiebziger-Rosé von Moet fallen. Der machte seinen Job erwartungsgemäß gut. Dem heranstürmenden Vacherin Mont d'Or stemmte er sich mannhaft entgegen, vom Chaource ließ er sich Frucht entlocken, mit dem St. Nectaire verband ihn eine zierliche Liebelei und zum alten Cantal kam herzahfte Pikanterie zum Vorschein. Ich konnte somit zufrieden sein.

Abschlussflaschen:

Weil aber selbst der beste nicht in Frieden leben kann, wenn er noch Durst hat und mitgebrachter Handvorrat nach Entledigung ruft und seinen Ruf nicht zuletzt mit lockender Gepäckerleichterung verstärken kann, konnte noch keine Ruhe sein und das flotte, freundliche, sehr gut eingespielte Team des Francois musste weiteren Dienst tun.

1. Millesime 1943 en Magnum

Der Füllstand war ca. 1 cm unter dem Halsetikett. OK, aber nicht so, dass man seine Hand dafür ins Feuer legen würde. Trotzdem hoch den Rock, Stopfen raus und laufen lassen. Im Glas kam ein typisch bernsteinfarbener Saft an, der noch angenehm frisch schmeckte und selbst Altweinverächtern noch gefallen haben könnte. Weil er aber so schnell ausgetrunken war, kam ich nicht in die Verlegenheit.

2. Cuvée Centenaire de la Statue de Liberté 1886-1986, Millesime Rosé 1979 en Magnum

Mit erstaunlicher Frische, sehr viel aromatischem Ideenreichtum und einer noch recht lebendigen Perlage schwappte der Jubiläumsgosset ins Glas. Dessen Charakter hat sich offenkundig in den letzten dreißig Jahren kaum verändert, wer Cuvée Excellence und die Grandes Reserves von Gosset kennt, fühlt sich bei diesem sehr seltenen Champagner sofort heimisch.

3. André Clouet NV en Magnum

Als Erfrischung und Fluchtachterl bekamen dann die verbbliebenen Mitstreiter den ewig zuverlässigen und immer zu jung getrunkenen Clouet eingeschenkt. Der klärte den Gaumen von den wenigen ältlichen Tönen, die der Gosset hinterlassen hatte und bereitete vor auf das, was sich wenig später im „Parlour“, wenige Meter weiter in der Zwingerstraße noch ereignen sollte. Aber das ist eine andere Geschichte.