Stuart und Sandy Moss legten 1986 in West Sussex den Grundstein für die ansehnliche Erfolgsgeschichte von Nyetimber, einem der kregelsten englischen Sparklingproduzenten. Im Jahr 1988 wurden die ersten Reben gepflanzt, der Rebortenspiegel entspricht seither bewusst und gewollt dem der Champagne, deren Boden und klimatische Verhältnisse sich in West Sussex und Kent bekanntlich quasi eins zu eins wiederfinden. Die ersten Jahrgänge seit dem Jungfernjahrgang 1992 habe ich leider versäumt, aber seit dem 1995er verfolge ich Nyetimbers Entwicklung, die aufgrund zahlreicher Inhaberwechsel nicht immer ganz einfach, aber nach meiner Beobachtung immer von Begeisterung der Inhaber für das Projekt an sich geprägt war. Champagnerhäusern wie Louis Roederer, Duval-Leroy, Taittinger und Veuve Clicquot ist das nicht entgangen, weshalb es nur eine Frage der Zeit sein dürfte, bis von dort jemand aus dem Schatten tritt und offen über englische Engagements spricht. Bis dahin befassen wir uns gern mit den bereits vorhandenen maßstabbildenden Cuvées, etwa von Cherie Spriggs, der Kellermeisterin von Nyetimber.

1. Nyetimber Classic Cuvée 2007

Der erste Eindruck, den dieser Nicht-Champagner macht, ist ein ziemlich champagneriger, selbst wenn man weiß, dass es sich nicht um das Original handelt. In einer Blindprobe wäre ich wahrscheinlich sehr ins schleudern geraten deshalb, ähnlich wie bei einigen mittlerweile sehr gut geratenen Franciacortas und Trento DOCs. Röstiger Toast, Butter, Lemon Curd, Bratapfel, zarter Blütenduft, der als einziger aus der Champagne hinausweist und vermuten lassen könnte, dass hier ein Engländer oder Italiener im Glas sein könnte; im Vergleich mit einem gegengetrunkenen Billecart-Salmon Grande Reserve gefiel mir der weniger spröde, weniger aufgeräumte Nyetimber besser.

2. Nyetimber Blanc de Blancs 2003

Reifer, dunkler und mystischer mutete der Blanc de Blancs an, ohne dass er aber unter einer in der Champagner bei den 2003ern oft und viel zu oft angetroffenen überreifen Schlaffheit litt. Leider kann ich nicht sagen, wann der Schäumer degorgiert wurde, das hätte Aufschluss über die Herkunft der pikanten und sehr frisch wirkenden Säure gegeben, die hier eingesprenkelt war und entweder von einem ganz jungen Dégorgement herrühren dürfte, oder von einer leichten Aufsäuerung, wenn nicht der Jahrgang wirklich genauso war, wie er sich eben jetzt zeigt. Die letztgenannte Alternative ist freilich gar nicht so fernliegend, denn die gegenüber der Champagne noch nördlichere Lage könnte aus dem Problemjahr auf dem Festland einen Traumjahrgang in England gemacht haben.

3. Nyetimber Demi-Sec

Demi-Sec gefällt bei weitem nicht jedem Schaumweintrinker, der sich selbst ernst nehmen will. Aber er gehört aus mehreren Gründen zum Schaumwein dazu, nicht nur weil früher viel süßer getrunken wurde, sondern weil ein höher dosierter Schaumwein ein Spektrum an Speisekombinationsmöglichkeiten eröffnet, die bloß brut dosiertem Trinkschaumwein verschlossen bleibt. Abgesehen davon verleitet ein süffiger Demi-Sec zum Relaxen wie kein zweiter Wein; deshalb habe ich zB auch nichts gegen einen guten Moscato d'Asti einzuwenden, aber das ist eine noch ganz andere Geschichte. Der klar strukturierte Demi-Sec von Nyetimber punktet mit einer Mischung aus Kampfhubschrauberpilot und Partylöwe, wie sie Prinz Harry ganz gut verkörpert. Der Schäumer ist in ein strenges Säuregerüst eingefügt und hat starken inneren Halt, um das säthlerne Gerüst herum bietet er beste Fetenlaune.