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Category Archives: Champagner

Hier dreht sich alles um Champagner.

Sommerchampagner – Fortsetzung

 

Die Sommerchampagner-Reihe setze ich mit einem Nicht-Champagner von einem Champagnerhaus fort, den man in Deutschland schwer oder gar nicht bekommt, weil er offiziell nicht importiert wird. Er gehört, anders als manches Erzeugnis des Mutterhauses, zu den bemerkenswerten Sprudlern und ist deshalb hier gut aufgehoben. 

1. Mumm Napa Cuvée DVX Brut 2000

50PN 50CH, mit 1% Dosageliqueur.

Knapp 15% Holzausbau. Wirkt auf Anhieb nicht wie Champagner, sondern wie sehr guter Sparkler. Wenig, aber dauerhaft vorhandene, eher untergründig wirkende Säure. Gleichzeitig reif und frisch. Das sprach für einen Schäumer mit langem Flaschenlager und noch nicht sehr weit zurückreichendem Dégorgement. Üppig dosierter Grosshausstil. Musste meiner Vermutung nach aus einem säurearmen Jahr oder heißer Gegend mit regelmäßig sehr reifem Lesegut stammen, denn für ein spätes Dégorgement fehlte die aggressive Vitamin-C-Aromatik. Dass es sich schließlich um den bei uns seltenen Mumm Napa DVX handelte, freute mich sehr. Vielleicht könnte man Ludovic Dervin noch empfehlen, weniger laktische Noten zuzulassen, oder die Dosage etwas herabzusetzen (für die Schleckermäulchen gibt es ja eigens eine DVX Santana mit höherer Dosage).

2. Marc Hébrart Brut Premier Cru

75PN 25CH. 12,5 ha Pinots aus Mareuil-sur-Ay, Avenay Val d'Or, Bisseuil, Chardonnays aus Chouilly und Oiry.

Apfelspass vom stückigen Apfelmus und frischer Hefezopf. Ein Pinotchampagner, der wie Blanc de Blancs duftet und schmeckt. Würde es sich um einen Blanc de Blancs gehandelt haben, wäre ich nicht enttäuscht gewesen, so war ich sogar beeindruckt, denn dass man von einer Cuvée mit diesem Rebsortenverhältnis so in die Irre geführt wird, ist immer wieder verblüffend und lehrt einen auch nach langen Jahren der intensiven Champagnerverkostung immer wieder Demut. Unter Chardonnaygesichtspunkten ist bemerkenswert, wie dieser Champagner dem Apfelthema in einer seiner einfachsten Formen so lohnende Facetten abgewinnt.

Weiter entlang der Marne geht es zu

3. Yves Ruffin Brut Premier Cru Élaboré en Foudre de Chêne

75PN 25CH.

3ha in Avenay Val d'Or und Tauxières. Bioanbau seit 1971, dem Jahr nach Gründung der Domaine. Ausbau der Grundweine in Eichen- und Akazienholz. Drei Jahre Hefelager. 

Die 2009er Grundweine waren alle verschlossen, geheimnisvoll und kryptisch, die aktuelle gamme dagegen ziemlich vielversprechend. Der Eindruck bestätigt sich bei diesem sehr guten Champagner, der zu den besonderen Tips in der Champagne gehört. Schattenmorellen und Sandelholz, außerdem Hagebutte, Quitte, Sanddorn. Viel gesunde, aber nicht unangemessen auftrumpfende Säure, die ohne biologischen Säureabbau vielleicht genervt hätte, dazu krachendes Fruchtfleisch und ein klärendes Gaumengefühl.

Einmal um die Montagne herum und wir kommen zu

4. Henri Chauvet, Brut Réserve

60-70PN 30-40CH. Drei Jahre Hefelager. Mathilde und Damien Chauvet bewirtschaften 8,4 ha in Rilly-la-Montagne Premier Cru. Davon sind Pinot Noir: 6,20 ha, Pinot Meunier: 0,50 ha und Chardonnay: 1,70 ha.

Der Champagner ist nicht sehr fruchtig, höchstens zu Beginn etwas zuckerwattig und mit einer Andeutung heller Früchte, sonst herb und kraftvoll. Ich fürchte, der Brut Réserve war zu frisch dégorgiert, denn Reifepotential traue ich dem Champagner zu. Warum? Weil die Herbe für mich nicht fehlerhaft war, sondern Ausdruck der Cuvée an sich. Deshalb denke ich, dass dieser jahrgangslose Champagner genug Rückgrat hat, um ein paar Jährchen in der Flasche zu überstehen und in dieser Zeit ein Flaschenbouquet zu entwickeln, das unabhängig von Primärnoten einen schönen Champagner abgibt.

Dann geht es in das Massif St. Thierry, wo Selosseschüler Alexandre Chartogne wartet

5. Chartogne-Taillet, Cuvée Sainte-Anne

60CH 40PN, Basisjahrgang 2006 mit 20% Reservewein aus 2005 und 2004.

Dieser Standard-Brut gehört zu den kräftigeren, herberen Winzerchampagnern. Hier überwiegt nicht der Eindruck von überirdischer Leichtigkeit, sondern der von sorgfältigem Winzerhandwerk. So wie ich beim Fiacre die hervorragende Vermählung und sahnige Weichheit schätze, finde ich bei dieser Eingangscuvée die softe Dominanz der etwas herben Spätburgunder gegenüber der nicht quirligen, aber den Eindruck von Beweglichkeit vermittelnden Chardonnays gelungen. Wie ein schwimmendes Fundament legt sich der Chardonnay auf die Zunge und lässt darauf ein schnörkel- aber nicht schmuckloses Burgunderaromenbauwerk seinen Halt finden.

Vom Massif herunter Richtung Marne stoßen wir auf

6. Jean-Francois Launay, Cuvée Grain de Folie

Winzer aus Arthy, einem Örtchen in der Vallée de la Marne, in Richtung Paris direkt hinter Daméry gelegen.

Die Cuvée fällt zunächst wegen ihrer Aufmachung ins Auge, ganz im Stil beispielsweise der Belle-Epoque trägt sie nicht nur ein schnödes Etikett, sondern ist mit einer Teilrückenansicht einer Art-Déco-Schönen serigraphiert, die ein lächerlich kleines Champagnergläschen genießerisch in der Hand und gegen einen traubenüberrankten Hintergrund hält. Das ließ mich einen femininen, leichten, aufgrund seiner Herkunft meunierfruchtigen Champagner erwarten, doch das Exterieur täuscht. Im Glas war der Champagner garconnemäßig rank und drahtig, von einer listig wirkenden Art. Die schlanke Säure wirkte durchdringend und beinahe stechend, wie der Blick des tuberkulosegeschwächten Etikettenzeitgenossen Franz Kafka. Das überraschte mich und ich brauchte einige Zeit, um mich damit anzufreunden. Bis zum Schluss wurde der Champagner in kleinen Schritten besser, ein abschließendes Urteil habe ich mir aber nicht bilden können. Werde ich im Auge behalten.

Etwas abseits ist in Chalons-en-Champagne eines der am wenigsten bekannten großen Häuser beheimatet. In Châlons machte die französische Königsfamilie auf der Flucht vor den Revolutionären kurz Halt und ließ sich wenige Kilometer weiter östlich in St. Menehould der Legende nach noch ein letztes mal die berühmten Schweinsfüsse servieren – so erzählt es uns jedenfalls Alexandre Dumas in seinem Grand Dictionnaire de la Cuisine

7. Joseph Perrier, Cuvée Royale

35CH 35PN 30PM, drei Jahre Hefelager. Reservewein teilweise im 600l-Holzfass.

Mittelschwerer Wein, leider hatte ich ihn etwas zu warm im Glas. Die Trauben kommen ganz überwiegend aus der Vallée de la Marne. Minimale, an manche nicht ganz so gute Winzerchampagner erinnernde Chlornote, sonst fruchtig mit mineralischem Beiwerk, ausgeglichene Aromatik von noch jungem Champagner, fest in der Struktur, mit Flaschenreife sicher noch interessanter und ganz sicher ein guter Begleiter für Pieds de Cochon a la Sainte-Menehould.

Zu guter Letzt darf es auf dem Rückweg nach Epernay einer der schönen Einzellagenchampagner von Leclerc-Briant sein,

8. Leclerc-Briant Blanc de Blancs "La Croisette"

Biodynamischer Chardonnay aus der nach Osten ausgerichteten Einzellage La Croisette (0,37 ha). Sympathisches Detail: am hochwertigen Korkspiegel lacht die biodynamische Leclerc-Briant-Sonne samt Erzeugernamen an Stelle des immer gleichen "Grand Vin de Champagne" Schriftzugs.

Der Champagner ist ein stürmischer Geselle. Ideale Optik für Perlagefreaks, im ganzen Glas wild spiralige und feine Perlenketten. Beginnt mit verhaltener leicht mürber Apfel-Aprikosennase und rennt dann los. Überwiegend gelbfruchtig, nicht mit überschiessender Säure, vollreif, etwas exotisch. lustiges Zigeunermoll. Ein Champagner, dessen Herkunft aus dem Rotweinörtchen Cumières sich an der orientalisch-exotischen nicht schwabbeligen, aber gegenüber Côte des Blancs Chardonnays etwas fetteren Aromatik festmachen lässt.

Essen Geniessen auf Zollverein

 

Im Weltkulturambiente der Zeche Zollverein haben diesmal die Bubm und Maderln von "Essen geniessen" aufgetischt.

Meine Spur der Verwüstung habe ich bei Schnitzlers aus Byfang begonnen. Zur Parmesanmousse auf Tomatencarpaccio mit karamellisierten schwarzen Oliven gab es einen gesitteten Moselriesling aus dem Hause F. J. Eifel, die 2008er Trittenheimer Apotheke als trockenen Kabinettwein. Zu der üppig bemessenen Portion Parmesanmousse wäre, um alles richtig zu machen, ein zweites Glas Riesling fällig gewesen, so gut schmeckte mir beides in Kombination. Die Mousse allein war gut, aber nicht überragend, auch schien mir der Parmesangeschmack nicht stark genug ausgeprägt. Die Tomaten dagegen waren exzellent und in der Tat überragend waren die karamellisierten Oliven. Knusprig, aromatisch, in nicht zu grosse Flocken geschnitten und im richtigen Verhältnis der Mousse hinzugefügt, traumhaft zum Kabinett.

Als Wegzehrung schnell den ersten Champagner, ein Baron Fuenté Brut Tradition besorgt, und schon konnte es weitergehen.

Bei Nelson Müller griff ich das Dreierlei von der Blutwurst auf pikanten Linsen ab Die Blutwurst gab es wie schon beim letzten Mal in kross gebratener Form, im Teigmantel und als Brotwürfel. Die Version im Teigmantel gefiel mir diesmal am besten, die Blutwurst lief wie ein Füllhorn über die Linsen aus und vermählte sich mit deren pikant-scharfer Würze. Zu der salzigen Marinadenkomponente verhielt sich der ansonsten unauffällige Champagner recht gediegen und zuvorkommend und ich war zufrieden.

Mit dieser Grundlage konnte der Weg zur Résidence heiter beschritten werden, dort fanden sich dann auch Nelson Müller und Henri Bach zum Phototermin wieder ein. Zu Essen gab es den geräucherten Saibling mit Gurkensalat und Dillschmand. Auf der Haut und auf den Punkt gegart kam der Saibling, vom stets vorbildlich freundlichen Résidence-Personal serviert – an den Tisch und lachte mich genauso verheißungsvoll an, wie das Standpersonal. Ich fand ihn milde gewürzt, ja eigentlich ziemlich naturbelassen und fand außerdem, dass das allein mein Fall eher nicht ist. Das änderte sich erst, als ich Kaviar und Gurkensalätchen dazu kombinierte, die den Saibling unter ihre Fittiche nahmen und den aromatischen Steigflug begannen. Sodann konnte das geschmorte Ochsenbäckchen mit Wurzelgemüse und Süßkartoffelpurée folgen, um das ich einfach nicht herumkomme. Wieder war die Portion groß, für open-air Veranstaltungen geradezu gewaltig und wieder war das Ochsenbäckchen die reine Freude. Zart, fettlos, mit konzentriertem Jus, würzigem, leicht stückigem und ausgeprägt aromatischem Purée.

Nebenan bot Frank Heppner von Essens neuem Gastrofixpunkt Vincenz & Paul im Museum Folkwang seine Speisen feil. Der Champagner von Baron Fuenté war mittlerweile ausgetrunken, so dass neuer Stoff hermusste. Es wurde einerseits der Haustrunk von Vincent & Paul, ein Pinot-Chardonnay-Mix von Veuve Devaux und außerdem Ruinarts Rosé NV. Dazu gab es Tatar vom Jungbullen mit koreanischen Aromen und Wildkräutersalat, sowie Riesengarnele im japanischen Mie de Pain gebraten, an Kokos-Zitronengrasschaum und Hummergnocchis. Zum Tatar: es scheint eine weitverbreitete Unsitte zu sein, das Fleisch derartig fein zu mahlen, dass es als Tatar überhaupt keine Struktur mehr zeigt, sondern nur noch wie ein rot zusammenbappender Eishockeypuck auf dem Teller sitzt und keinerlei Gaumenreiz mehr entfaltet. Da bringt auch die schönste koreanische Aromatisierung nichts, einen solchen strukturlosen Klotz mag ich nicht essen. Ich habe deshalb von Herrn Heppners Jungbullentatar nur ein bisschen gekostet und musste nur zu schnell mit Enttäuschung feststellen, dass die Würzung zwar ansatzweise koreanisch schmeckte, das Tatar jedoch völlig missglückt war. Der Wildkräutersalat, offenbar mit koreanischer Sojasauce besprenkelt, vermochte das nicht zu retten. Zur Krabbe: sehr störend empfand ich die Gnocchis. Die schmeckten nämlich wie ein leicht fischelnder Kokoskuchen und nicht wie leicht kokosaromatisierte Hummergnocchis. An der salzigen Garnele gab es weiter nicht viel auszusetzen, die war top gegart, fleischig, fest, von sehr guter Qualität, bloss eben zu salzig.

Vom Restaurant am Park im Essener Sheraton genehmigte ich mir im Anschluss naturbelassene Auster, um den Gaumen etwas zu versöhnen.

Dann war es, wie mir mein Magen signalisierte, Zeit für's Dessert. Das nahm ich aus Frau Bergheims Sterneküche im Hugenpoet ein. Zum Melonensorbet von drei verschiedenen Melonen gab es eine fluffige Ziegenkäsemousse, Kürbiskernöl und crunchige Kürbiskernsplitter. Dazu Louis Roederer Brut Premier, und die Laune war komplett wiederhergestellt. Die einzelnen Melonen kamen unverfälscht und intensiv zur Geltung, jede bildetet einen schmackhaften Kontrast zum Frischkäsemoussebrikett und zwischendurch bot der Kürbiskernknusper eine clevere Abwechslung in Konsistenz und Aroma.

Zum Ausklang verfügte ich mich ins Casino Zollverein, wo van Volxems Schieferriesling 2009 und Heymann-Löwensteins Blanc de Noirs Sekt aus Spätburgundertrauben den gemütlichen Teil des Abends einleiteten. Im weiteren Verlauf wurde noch Birnenschaumwein von Kirchmayr geöffnet, der steiermärkische Opok 2006 von Sepp Muster konnte sich dem gnadenlosen Zugriff ebensowenig entziehen, wie der Dönnhoffsche 2009er Weissburgunder. Wenn übrigens jemand auf der Suche nach einem Wein sein sollte, der dem Parfum "First" von Van Cleef & Arpels verblüffend ähnelt, dann halte er sich an den Opok. Sepp Muster arbeitet biodynamisch, der Opok (30% Morillon, 30% Welschriesling, 20% Sauvignon Blanc, 20% Gelber Muskateller) war 18 Monate in alter Eiche und manche seiner Weine werden teils in der Tonamphore vergoren.

Schließlich, und weil ich so viel Stillwein nicht gut vertrage, musste zum Abschluss der Grand Éclat von Champagne Thierry Bourmault aus dem Premier Cru Cuis ins Glas. 80CH von alten Reben, 20PN aus dem Grand Cru Verzy. Kraftvoll, mit g'schmackiger Säure, die dicht über den Zungenpapillen weitergleitet, nachdem die erste hohe Geschmackswelle über den Gaumen anbrandet und sich ab der Gaumenmitte rasch verabschiedet. Beim ersten Schluck denkt man sich noch: och, das war's schon? Beim zweiten, dritten Schluck, bzw. Glas stellt man dann fest, dass der Champagner seinen aromatischen Scheitelpunkt immer weiter nach hinten verlegt, ohne aber je wirklich lang zu werden.     

Bericht von der Champagne Master Class

Die I. Champagne Master Class im Club B der Résidence in Essen-Kettwig war eine Mischung aus phantastischem Zweisterne-Menu und einer tour d'horizon durch die Champagne, bei der es mir darum ging, möglichst viele Typizitäten und Facetten des Champagners zu illustrieren. Die überragende Küchenleistung von Henri Bach verdoppelte dabei das Champagnervergnügen und kitzelte bei manchem Champagner noch Eindrücke heraus, die in einer reinen Nur-Champagner Probe sicher verlorengegangen oder nicht ausreichend gewürdigt worden wären. Viele Champagner stellten ihre Gastroaffinität unter Beweis, manche liefen überhaupt erst zum Essen zu Bestform auf.

Im Einzelnen:

O. Opener: Philipponnat, Royal Réserve en Magnum, dégorgiert im September 2009

40-50PN 15-25PM 30-35CH, überwiegend Stahltank, 25-40% Reservewein aus Soleraverfahren. 9g/l. Das Haus hat ca. 17ha in Mareuil-sur-Ay, Ay, Mutigny und Avenay Val d'Or.

dazu: Ziegenkäsevariationen

Den Opener von Charles Philipponnat nahmen wir bei strahlend schönem Wetter am Stehtisch vor der Résidence ein. Die Dosage war unaufdringlich, der Champagner zeigte eine schöne, herbfrische, minimal rauchige Art, war erkennbar jung, doch mit einer harmonischen, wohlgeformten Rückenpartie ausgestattet, die sich dem Solera-Reservewein verdankt.

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I.1 Jacky Charpentier, Cuvée Pierre-Henri (Extra Brut)

100PM von ca. 55 Jahre alten Reben in Reuil und Châtillon-sur-Marne, Fassausbau, Bâtonnage, dabei kein biologischer Säureabbau (BSA), 4,5g/l. Rebbesitz auf ca. 12ha in Villers-sous-Châtillon und in der Vallée de la Marne.

I.2 Tarlant, Vigne d'Or (1999, Extra Brut), dégorgiert von Hand am 13. Juli 2004

100PM, von damals 51 Jahre alten Reben aus der Einzellage Pierre de Bellevue, Fassausbau und Bâtonnage, kein BSA. 4g/l. Benoit verfügt über 13ha in Oeuilly, Boursault und Celles-les-Condé.

dazu ein erster Gruß aus der Küche: Variationen von Foie Gras als Eis, Mousse und Terrine, mit einem Stückchen Streuselkuchen

sowie ein zweiter Gruß aus der Küche: Hummerbisque mit Hummerhappen

sodann: marinierte Cantaloupe-Melone | Kaisergranat | Wiesenkräuter

Den ersten flight gab es vorweg als winziges Verkostungsschlückchen ins Glas, denn die freundlichen Küchengrüße bedurften einer adäquaten Begleitung auf dem Weg den Schlund hinab. Zum analysieren war das natürlich nichts, das ging erst mit dem ersten größeren Schluck, der passgenau vor dem Kaisergranat serviert wurde.

Der Charpentier zeigte sich herb, mit der kräuterigen und leicht rauchigen Nase, die er in seiner Jugend scheinbar immer hat. Säure und Holz waren nicht wahrnehmbar, der Champagner wirkte mürbe, ja etwas schläfrig und gewann mit Luft nicht hinzu, sondern blieb die ganze Zeit so. Damit bildete er jedoch einen sehr schönen Begleitchampagner für den Kaisergranat und die Wiesenkräuter.

Wie anders dagegen der Tarlant. Ein Kickstarter mit knalligem Eukalyptusduft und einer Duftfülle, die ich sonst noch von australischen Syrahs gleichen Alters kenne, der Elderton Command Shiraz beispielsweise, der Noon Eclipse Grenache 1999 oder der Fox Creek McLaren Vale Reserve Shiraz 1998 waren auf Anhieb so. Zum Krustentier verhielt er sich etwas angestrengter gespannt, trug jedoch solo deutlich den Sieg über den Pierre-Henri davon, auch weil er sich unentwegt fortentwickelte und noch längst nicht den Eindruck erweckt, als wollte er langsam Reife- oder gar Alterungserscheinungen zeigen.

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II.1 Champagne Doyard, Cuvée Vendémiaire Multi Vintage (2004, 2002, 2001), dégorgiert im Dezember 2009

100CH, 50% Fassausbau ohne Bâtonnage, BSA bei 30%. Flaschenfüllung im Mai 2005. 7g/l. Yannick Doyard hat 10ha in Vertus, Le Mesnil-sur-Oger, Oger, Avize, Cramant, Dizy und Ay.

II.2 Robert Moncuit, Grande Cuvée Blanc de Blancs Grand Cru 2004

100CH von über 40 Jahre alten Reben. 8g/l. 8ha ausschließlich Chardonnay, ausschließlich aus Le-Mesnil-sur-Oger.

dazu: geräucherter Yellowfin als Filet und Tartar, in der Petri-Schale serviert | Wasabimayonnaise | Felchenkaviar

Als der Thun hereingetragen wurde, war noch nicht zu ahnen, was da kommen würde. Lediglich ein gewisses Klappern schien ungewöhnlich. Das Klappern rührte daher, dass der Thun in Petrischalen serviert wurde, die mit Glasdeckeln verschlossen waren. Mit dem Abheben der Deckel entfaltete sich dann schlagartig ein Duft von Lagerfeuer, Buchenholz und frischem Rauch im Club B der Résidence – ein schöner Auftakt für den nächsten Gang. Da es sich um einen reinen Chardonnayflight handelte, war mir die Wahl der passenden Champagner vorab schwer gefallen. Wohl hätte man "S" de Salon, Clos du Mesnil, Perrier-Jouet Belle Epoque Blanc de Blancs öffnen können. Denn jeder dieser Champagner ist hochgradig typisch für seine Gattung und gleichzeitig hochgradig außergewöhnlich. Doch bin ich der Ansicht, dass diese Champagner ein wesentlich höheres Maß an Konzentration verdienen, als sich das in einer Verkosterrunde gewährleisten lässt, bei der es nicht nur um den akademischen Aspekt der Probe geht, sondern vor allem auch um den Genuss im Rahmen eines ausgedehnten Menus. Daher blieb ich am anderen Ende der Preis- nicht jedoch der Qualitätsskala.

Mit Yannick Doyards Vendémiaire konnte ich ein Gewächs öffnen, auf das der Erzeuger zu Recht sehr stolz ist. Jung, stämmig, bärenstark. Auf dem Teller fand er sein Pendant im Thunfischfilet, das dunkel, saftig, lüstern, einladend, und auf mich sogar ein wenig geheimnisvoll wirkte, es bildete sich eine sehr fordernde Allianz. Der Kombination fehlte es dennoch etwas an Eleganz.

Klarer Sieger am Tisch war auch nach meiner Meinung in diesem flight der Jahrgangschardonnay von Moncuit. Der hatte seinen Einstand ja schon bei anderer Gelegenheit in der Résidence gefeiert. Damals hatte ich ihn zur Frühlingsrolle und zum Wan-Tan-Hummer, zum Sellerie-Pumpernickel und zu anderen Variationen mit Fenchel genossen. Dieser Champagner bietet Apfelsexyness, die man Ernst zu nehmen hat. Zum feinen Tartar entafaltete sich ein zauberhaftes Ingwer-Bitterorangenaroma, das wohl jeden am Tisch betört hat. Im Gegensatz zum Doyard, bei dem die mitschwingende Räuchernote Cowboyfeeling verbreitete, wairkte sie hier von so asiatisch und puristisch wie ein Parfum von Issey Miyake.

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III.1 Cedric Bouchard (Les Roses de Jeanne) Cuvée Inflorescence (2008, Brut Nature)

100PN aus der Lage Val Vilaine, fussgestampfter Most, in Edelstahltanks vergoren. Kein Dosagezucker. Cedric Bouchard verfügt über insgesamt nur 3ha in Celles-sur-Ource.

III.2 André Clouet, Un Jour de 1911 Multi Vintage (2002, 2001, 2000)

100PN. 10ha in Bouzy.

1911 Flaschen von alten Reben, unfiltriert, ungeklärt, ungeschönt, vinifziert wie 1911.

dazu: Jakobsmuscheln | Wakame Algen | Ingwergelée | Tom Ka Kai

Die Inflorescence von Cedric Bouchard wirkte rund, zeigte minimalen Babyspeck und machte noch nicht den Eindruck, als sei sie besonders ausgereift, was angesichts des Jahrgangs und der kurzen Hefeverweildauer kaum überrascht. Diesen raren Champagner wollte ich der Runde aber nicht vorenthalten haben, denn er ist ein Vertreter von der "neuen Aube". Dieses Stieftochtergebiet macht zur Zeit eine positiv unruhige Zeit mit vielen Neugründungen und experimentierfreudigen Winzern durch. Cedric Bouchard ist einer der wichtigsten Vertreter dieser Entwicklung und seine Inflorescence ist alles andere als ein Vieilles Vignes Francaises – doch dieser Champagner ist ein emblematischer Pinot-Noir aus einer Gegend, die in der Champagne niemand für konkurrenzfähig mit Bouzy, Ambonnay oder Ay gehalten haben würde. Seine seidige, verführerische Art passte meiner Ansicht nach besonders gut zu dem zwischen Jod und Gurke changierenden Algensalat und zur Jakobsmuschel.

Die "Jour de 1911" Champagner öffne ich immer zu früh. Sie machen mir aber jedes Mal so viel Spass, dass ich nicht die Finger davon lassen kann. Hier zeigte er sich wieder mit höchster Spielkultur, dem würzigen Tom Ka Kai locker auf Augenhöge begegnend: Galgant, Kokosmilch, Brühe, Zitronenmelisse, Verbene, Hagebutte, Goji-Beere, Cranberry, Schattenmorellen – alles lief so mühe- und kollisionslos durcheinander, dass ich zeitweise nicht wusste, woher welches konkrete Aroma kam, vom Tom Ka Kai oder vom Champagner.

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Pirat I.1 Bagrationi 1882, Finest Vintage 2007

100 Chinuri, Flaschengärung.

Pirat I.2 Robert Camak, Brut 2007

80% Riesling 20% Chardonnay, Flaschengärung. Kein BSA. 15,2g/l.

Die beiden Piraten wurden schnell als solche erkannt, womit ich bei der Probenplanung gerechnet hatte. Nachdem die drei Hauptrebsorten Gelegenheit hatten, sich vorzustellen, wollte ich nicht nahtlos mit den Rebsortencuvées beginnen. Eine Zäsur musste her und zum Glück hatte ich zwei etwas abseitig erscheinende Schäumer parat, die nichtsdestoweniger einem guten didaktischen Zweck dienen konnten. Den Georgier in einem so noblen Umfeld zu erleben, war für mich besonders spannend, er schlug sich dabei nicht schlecht, traf jedoch niemandes Geschmack so richtig. Der kroatische Sekt konnte durchaus einige Stimmen auf sich vereinigen, seine Aprikosenmusnatur, vermischt mit der milden, eigentlich gar nicht vorhandenen Säure und dem Ausklang von naturtrübem Apfelsaft ist sicher kein Sekterlebnis, das einen befeuert, dafür ist der Sekt zu behäbig. Er ist aber auf eine angenehme, pfälzisch anmutende Weise behäbig, die ihn sympathisch macht.

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IV.1 Chartogne-Taillet, Cuvée Fiacre 2000

40PN 60CH von alten, zum Teil wurzelechten Reben. Mit geringerem Flaschendruck von ca. 4,5 bar als klassischer Crémant erzeugt. 8g/l. Alexandre Chartogne hat 11ha in Merfy, Chenay und St. Thierry. Selosse-Schüler.

IV.2 Leclerc-Briant, Cuvée Divine 2004

50CH 50PN aus Dizy, Cumières, Daméry, Hautvillers. Biodynamisch (demeter). 7-8g/l. Pascal Leclerc bewirtschaftet 30ha und betreibt ein Resozialisierungsprojekt für Jugendliche auf dem Gut.

dazu: Tramezzini vom Kaninchen | Vanillemöhren | Löwenzahn

Dann ging es auf zum ersten Cuvéeflight. Wieder sollten sich zwei Champagner den Verkostergaumen stellen, die alle noch in guter Verfassung waren.

Beim Fiacre merkte man den niedrigeren Flaschendruck nicht unbedingt. Er war in frischer Verfassung, die Balance zwischen Pinot und Chardonnay war praktisch perfekt, ein klarer Rebsortencharakter ließ sich nicht mehr ausmachen, hier zeigte sich zum ersten mal im Laufe des Abends, was Verschneidekunst bewirken kann. Die Vanillemöhren – manchem waren sie zu krachend, andere mochten genau das – und der Champagner waren eine gelungene Kombination und gefielen mir an diesem Gang besonders gut.

Druckvoller, stärker moussierend wirkte im Vergleich der Divine von Leclerc-Briant. Ich meine nicht, dass die Perlage groib wirkte, wie versciedentlich angemerkt wurde, will das aber auch nicht kategorisch ausschließen, wobei ich das hauptsächlich mit dem Crémantcharakter des Fiacre erklären würde. Der Divine ist ein Champagner, der auch im klaren Kontrast zu den Monocrus von Leclerc-Briant steht. Dieser Champagner ist dicht, wuchtig, aber er gehört nicht zu den rasiermesserscharfen, ultrapräzisen Champagnern. Darin unterscheidet er sich z.B. von den Chèvres Pierreuses aus gleichem Hause.

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V.1 Armand de Brignac, The Ace of Spades Blanc, dégorgiert im März 2009

40CH 40PN 20PM. 2005er Basis mit Reservewein aus 2003 und 2002. Trauben aus Grand- und Premier Crus (Chouilly, Cramant, Avize, Oger, Le Mesnil und Ludes, Rilly-la-Montagne, Villers Allerand, Taissy, Villers Marmery, Montbre, Pierry, Damery, Vertus, Mareuil-sur-Ay). 9,65 g/l. Der Dosageliqueur lagert neun Monate im burgundischen Holzfass. Erzeuger ist das Haus Cattier aus Chigny-les-Roses.

V.2 Vilmart, Coeur de Cuvée 2001

80CH 20PN von über 50 Jahre alten Reben, Fassausbau ohne biologischen Säureabau, verwendet wird nur das Herzstück der ersten Pressung. Laurent Champs verfügt über 11ha in Villers-Allerand und Rilly-la-Montagne.

dazu: Perlhuhnbrust | Steinpilze | Fregola | Paprikacoulis

Rund. Harmonisch. Sehr elegant. Animierend und balsamisch die Kehle heruntergleitend. Das ist der beste Champagner der Welt. Das süssliche Paprikacoulis war ein anspruchsvoller und geeigneter Partner für den Armand de Brignac.

Wuchtig, holzig, aus dem Glas drängend, dabei so seidenglatt und trotzdem raumgreifend ist das Schätzchen von Vilmart. Von Beginn an zeigt er eine Nase von frischgeschnittenen Pilzen, die sich oft bei reifenden Champagnern entwickelt und die fabelhaft zu den Steinpilzen passte. Bemängelt wurde, dass Vilmart mit dem offensiven Holzaroma Leere zu überdecken versuchen könnte. Das finde ich eindrucksvoll anhand der schillernden Aromenvielfalt des Champagners widerlegt. Bei reifen Vilmarts zeigt sich, dass die herausgehobene Holzaromatik sich einbindet, nicht indem sie zurückgeht oder auf unerklärliche Weise abgebaut wird, sondern weil die fortschreitenden Flaschenreifearomen aufschließen, der Kontrast zwischen Primärfrucht und Holz ist eben doch ein anderer, als der von Champignon und Fass.

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VI.1 Perrier-Jouet, Belle Epoque 1979 en Magnum

45PN 5PM 50CH. 95 Punkte bei Richard Juhlin.

VI.2 Laurent-Perrier, Grand Siècle Lumière du Millénaire 1990

58PN 42CH. 95 Punkte bei Richard Juhlin.

dazu: Ziegenfrischkäse | Schwarze Oliven | Ofentomate

Dann kam der Rocker des Abends. Die Belle Epoque zeigte sich in famoser Form. Reif, gewiss mit Apfeltypik aus Cramant unterlegt, doch spielte das für mich nicht die Hauptrolle. Viel wichtiger war mir der bestrickende Mundeindruck. So präzis und messerscharf wie das japanische Seppuku-Kurzschwert, mit dem man früher u.a. die Köpfe gefallener Gegner abgetrennt hat. Kühlend, ohne ein Übermaß an reifetönen, die gleichwohl merklich vorhanden waren. Unausgezehrt, vielschichtig und entwicklungsfreudig, trotz praktisch fehlender Perlage klar als Champagner erkennbar und schnurgerade auf dem Weg in eine burgundische Zukunft. Sehr schön zum Ziegenkäse, der die feine Säure des Champagners angemessen erwiderte, sehr schön auch zu Oliven und Tomate und wahrscheinlich der Champagner mit der rundum besten performance des Abends.

Schwächer war der Grand Siècle, ich vermute deshalb, dass die Zeit für diesen Champagner trotz vereinzelt vielleicht noch anzutreffender besonders schöner Exemplare gekommen ist. Obwohl erkennbar jünger als die Belle Epoque, schien mir hier die Substanz schon wesentlich weiter von Reife- und Alterstönen in Mitleidenschaft gezogen. Nicht, dass der Sonnenkönig mit zerkratztem Gesicht dagestanden hätte, aber er wirkte doch, als sei ihm die Schminke arg verlaufen. Er konnte das aber bei Tisch noch wettmachen, zusammen mit den schwarzen Oliven und der gebackenen Tomate kam mir der Champagner um Längen besser vor.

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Pirat II.1 Bergdolt, Weissburgunder-Sekt 2005 (Extra Brut), von Hand dégorgiert 2008

Grundweine in Kabinettqualität aus dem Kirrweiler Mandelberg – kalkhaltiger Lössboden – im Stahltank ausgebaut. Kein BSA. 3g/l.

Pirat II.2 Robert Dufour, "Les Instantanés" Blanc Gormand Extra Brut (genauer: Blanc de Pinot Blancs, Brut Nature), 2003, Tirage am 12. Mai 2004 , dégorgiert am 15. Juni 2009

100PB. 10ha in Landreville.

danach: Himbeeren | Sauerrahmsorbet

Bergdolts Weißburgunder war ordentlich, für Sektverhältnisse sogar ziemlich gut, doch kam es darauf nicht an. Denn er sollte sich einer Herausforderung aus der Champagne stellen, sich auf ein Duell einlassen, das nicht offensichtlich von den Stärken der Champenois dominiert wurde. Denn sein Flightpartner war ein ebenfalls aus Weißburgunder gewonnener Champagner. Beide verfügen über eine für ihre jeweiligen Verhältnisse recht lange Hefeverweildauer, liegen technisch am untersten Ende der Süßeskala und selbst die Bodenverhältnisse sind sich nicht unähnlich. Umso überraschender war es – oder auch nicht -, dass der Champagner überwiegend, schnell und ohne Zweifel als Champagner identifiziert wurde. Besonderen Trinkspaß, das sei noch hinzugesetzt, hat er aber nicht bereitet, dafür fehlte ihm meiner Meinung nach Pfiff, Witz, Rasse, Schwung, Aroma, Sapnnung, ja eigentlich alles, was einen guten Champagner ausmacht. Zu den Himbeeren ließen sich dennoch beide Schäumer gut vertilgen und abgesehen davon, dass die Himbeeren mit dem Sauerrahm schon sehr gut waren, kam mir die Kombination von beidem mit jedem der beiden Blubberer exzellent vor.

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VII.1 Pommery, Falltime Extra Dry

100CH. Drei Jahre Hefelager.

VII.2 Pommery, Drapeau Sec NV (70er Jahre)

60-70PN 30-40CH, 27g/l.

VII.2 Abel-Jobart, Doux, Millésime 2004

60PM 40CH. 55g/l. 10ha Sarcy

dazu: Pfirsich | Zitronenthymian | Erdnusseis

Klarer Favorit war für mich der Falltime. Der wirkte wie ein besonders saftig geratener Standardbrut, den Chardonnay vermochte ich nicht unbedingt herauszuschmecken. Wahrscheinlich handelt es sich dabei überwiegend um Chardonnays von fruchtiger Art und vielleicht sind noch ein paar Trauben aus zugigen Ecken wie Grauves dabei, die den erfischenden Säureunterbau verantworten. Fein schmeckte mir der Falltime zum Zitronenthymian. Zum Erdnusseis passte natürlich der merklich gealterte Drapeau Sec recht gut, da kam Nuss auf Nuss, aber auch Sherry und einige flüchtige Säuren waren im Spiel und trübten mir den Gesamteindruck – wobei sich der Drapeau insgesamt wacker schlug. Keineswegs so süß wie gedacht war dann der Abel-Jobart, aber auch nicht besonders fordernd. Anders als beim Doux von Fleury kam hier keine erkennbare Säure dazu, oder ein begeisterndes Aromenspiel. Auch mit dem Dessert vermochte sich der Champagner nicht recht anzufreunden. Als Schlusspunkt des flights wirkte er am schwächsten.

Weinkrimi – Paul Grote: Der Champagner-Fonds

Der Champagner-Fonds

Paul Grote

396 Seiten

Deutscher Taschenbuch Verlag, 1. September 2010

8,95 €

ISBN: 978-3423212373

Ich bin eigentlich kein Konsument zeitgenössischer Literatur. Mein guter belletristischer Geschmack ging vermutlich irgendwo auf halbem Weg zwischen Henry Millers "Opus Pistorum" und den Lustigen Taschenbüchern verloren, ganz genau weiss ich es selbst nicht. Die Frage, weshalb ich dann berufen sein sollte, über eine Krimineuerscheinung zu schreiben, erscheint deshalb nicht unberechtigt. Die Antwort ist jedoch aus gleich zwei Gründen einfach. Immerhin ist nämlich mein zwar nur geringer, aber in Grundzügen doch vorhandener strafrechtsdogmatischer und kriminalistischer Verstand an den (Minder-)Meinungen meiner Bonner und Münsteraner Professores geschult. Darüber hinaus handelt es sich bei dem hier zu besprechenden Werk nicht um eine beliebige Räuberpistole, sondern um einen Vertreter aus der Gattung "Weinkrimis". Genauer: es handelt sich um einen Weinkrimi, dessen Handlung champagnerzentriert ist. Das wiederum ist sozusagen der archimedische Punkt, denn auch mein Handeln ist champagnerzentriert.

Die besagte Handlung könnte nun, wie stets bei guten Krimis, zeitloser nicht sein. Es geht um Geldgier und die Macht des schönen Scheins. Deren Gewandung ist vorliegend höchst modern und wie sich der Danksagung des Autors entnehmen lässt, waren die Finanzmarktkrisen der jüngsten Vergangenheit ein ergiebiger Inspirationsquell. Daraus ergibt sich eine gegen Ende immer vertrackter werdende Komposition, die hier nur andeutungsweise ausgebreitet werden soll: der Chef des angesehenen Kölner Weingroßhändlers 'France-Import' lässt sich auf die Verstrickungen eines betrügerischen Champagner-Fonds ein. Sein Chefeinkäufer Achenbach ist zunächst ahnungslos, wittert jedoch alsbald Unrat. Er geht der Sache auf eigene Gefahr in der Champagne nach. Dabei entsteht so mancher Sach- und Vermögensschaden und es wird gestorben.

Das Lektorat war gegen den allgemeinen Trend recht gründlich, bei den französischen Akzenten hätte ich mir eine konsequentere Haltung gewünscht. Denn wer Dom Pérignon mit Akzent schreibt, sollte ihn der Rhône (S. 37), dem Pétrus (S. 91), dem Dîner (S. 196) und wunderbaren Château Les Crayères (S. 342) nicht vorenthalten. Ob die Fehler, die sich bei Ludwig XV. auf S. 105 und S. 192 eingeschlichen haben, einer allgemein antiroyalistischen Haltung geschuldet sind, vermag ich indes nicht zu beurteilen. Auf S. 112 wäre hingegen zu wünschen gewesen, dass der Falsche Mehltau, bzw. Peronospora nicht nur verstümmelt wiedergegeben worden wäre. Etwas später fällt auf, dass die Wertigkeit von Grand Crus und Premier Crus etwas verrutscht zu sein scheint (S. 180 und 238), auf S. 192 wirkt es dann schon mehr als freudianisch, wenn aus dem mittleren Namenspartner von Acker, Merrall & Condit zumindest phonetisch ein Teil von Merrill Lynch & Co. wird. Über die Art, wie in Krimis mit dem StGB und der StPO umgegangen wird, werde ich nicht richten, solange ich den Eindruck habe, dass es dramaturgisch zweckmässig und umgangssprachlich nicht zu beanstanden ist. Glücklicherweise gibt es in Grotes Krimi keinen Grund zur Beanstandung, denn es geschehen keine Patzer, die so nicht auch im täglichen Polizeigeschäft anzutreffen sind – Lob dafür!

Der Reiz dieses gut erzählten Krimis liegt, der Gattungsname deutet es an, weniger in der Ausgefeiltheit seines plots, als im Champagnerwissen, das der Autor en passant weitergibt. In dieser Technik ist er nach sechs anderen Weinkrimis meisterlich geübt und so wirken die eingeflochtenen Passagen keineswegs unnötig belehrend. Frei von Schnitzern ist das Buch trotzdem nicht. Denn auch wenn Chardonnay, Pinot Noir und Pinot Meunier die mit Abstand am weitesten in der Champagne verbreiteten Rebsorten sind, so sind sie doch entgegen der Behauptung auf S. 18 nicht die einzigen für die Champagnerherstellung zugelassenen Rebsorten. Im Gegenteil, historische und vergessen geglaubte Rebsorten wie Arbane, Petit Meslier, Pinot Gris und Pinot Blanc erleben gerade eine kleine Renaissance.

Sehr gut nachvollziehbar sind Protagonist Achenbachs Fahrten durch die Champagne, die Landschaft mit ihren Weinberghügeln, Raps- und Weizenfeldern schildert Grote mit großer Überzeugungskraft und vollkommen authentisch. Jede der Routen lässt sich nachfahren, bis hin zu den beiden Kreiseln zwischen Epernay und Pierry Richtung Côte des Blancs, an denen auch ich mich fast jedes Mal verfahre. Fixpunkte wie die Abtei von Hautvillers oder das oberhalb von Champillon gelegene Royal Champagne tauchen ebenso auf, wie das Grand Cerf in Montchenot oder das Castel Jeanson in Ay, alles Lokale, an denen man in der Champagne ständig vorbeifährt, wo sich das Geschäftsleben abspielt und wo reisende Weinhändler ihre Spesen durchbringen. Aus den Gesprächen, die der Protagonist z.B. mit Michel Drappier, Raphael Bérèche und Bruno Paillard führt wird deutlich, dass er sich zu Recherchezwecken intensiv mit der Materie auseinandergesetzt hat – was bei den drei überaus sympathischen Charismatikern übrigens nicht schwerfällt und vielmehr das reinste Vergnügen ist. Zwar habe ich Ausführungen zu sehr reifen und alten Champagnern vermisst, aber immerhin lässt Grote durchblicken, dass nicht jeder Champagner innerhalb von drei Jahren getrunken werden muss. Gleichzeitig bricht er eine Lanze für die kleinen Winzer und handwerklich arbeitenden Erzeuger, selbst wenn man Drappier und Paillard nur noch mit Mühe dazu zählen kann.

Fazit: die knapp 400 Krimiseiten sind so schnell weginhaliert wie der Inhalt einer gut gelagerten Magnum und machen genauso viel Spass.

Bochum kulinarisch

 

Nicht nur Essen hat mit "Essen verwöhnt" eine kulinarische Leistungsschau seiner unternehmungslustigsten Edelgastronomen anzubieten; in Bochum lässt man sich die Butter nicht von der Knifte nehmen und deshalb gibt es seit mittlerweile sogar schon 22 Jahren die allseits beliebte Sommerveranstaltung "Bochum kulinarisch", heuer vom 11. – 15. August. Hummer und Känguruh, Currywurst und Sushi, die insgesamt sechzehn Gastronomen aus Bochum, Herne, Hattingen und Witten bieten auf, was der Frischmarkt eben so hergibt.

Wie immer sollte der Abend an Daniel Birkners Stand, dessen Restaurant seit neuestem unter dem Namen "Herr B." in der Gesellschaft Harmonie firm- und residiert, beginnen und enden.

Als erstes musste Champagner her, an den ich mich der Einfachheit gleich den ganzen Abend hielt. Der Chartogne-Taillet Brut Cuvée Ste. Anne aus 60% Chardonnay, 40% Pinot Noir, Basisjahrgang 2006 mit 20% Reservewein aus 2005 und 2004 machte mir die Entscheidung leicht und war mit 40,00 €/Flasche sehr entgegenkommend kalkuliert. Die freundliche Inka schenkte vorbildlich ein und "Peddas lecker Brötchenmix" hatten vom Start weg eine adäquate Gleithilfe. Peddas Brötchen sind nichts anderes, als kleine Laugenbrötchen, unterschiedlich überbacken und mit einer schlotzigen Crémetunke serviert. Wer die bei Bochum kulinarisch auslässt, ist selbst schuld. Zur Foie Gras von der Gans mit Kartoffelpurée und Honig-Schalottenconfit ließ ich mir als Ausnahme an dem Abend ein Gläschen von Marcus Clauss' 2005er Huxelrebe TBA schmecken. Die schmeckte zum Glück nicht so arg nach Katzenpisse und Unkraut, auch ihr Alter ließ sie sich nicht anmerken.

Mit Kartoffelknoblauchpurée ging es weiter, Michael Hau von der "Orangerie im Stadtpark" war so freundlich, zu den dazu eigentlich vorgesehenen drei noch ein viertes hausgemachtes Lammbratwürstl zu legen. Da ich nur schwer bestechlich bin, liess ich mich davon nicht beeinflussen, sondern aß auch das vierte Würstl mit gutem Appetit auf. Damit war ich am Ende der Fressmeile angekommen und konnte mich nun der Rückrunde widmen.

Dabei stieß ich als erstes auf Entenspezi Helmut Wicherek und sein Restaurant "Oekey", wo es schwerpunktmäßig selbstverständlich um Enten geht. Nicht nur wegen der sommerlichen Temperaturen, sondern auch weil ich Sülze schätze, entschied ich mich für die Entensülze mit Schmorkartoffeln und Schnittlauchcrème. Eine gute Wahl, denn die Entensülze war fest, reichlich fleischhaltig und nicht mit allzuviel Gemüseschnickschnack aufgeladen. Ein paar Erbsen, Karottenschnipsel und einige wenige grüne Pfefferkörner eskortierten das feinfaserige Entenfleisch über den Gaumen und die Pharynx herab. Die Kartoffeln hätten besser nicht sein können, mit milder Schärfe erfrischend war die großzügig beigefügte Schnittlauchcrème.

Der "Livingrom" servierte in Rotwein geschmorte Ochsenbäckchen mit Stampfkartoffeln und Wurzelgemüse. Die Ochsenbäckchen waren in Ordnung, ich habe sie zwar schon zarter gegessen, lasse aber die schwierigeren Bedingungen des Freiluftkochens als notdürftige Rechtfertigung ausreichen. Was mir jedoch nicht gefiel, war die dünne und bitter abgehende Rotweinsauce. Die hätte wesentlich besser, nämlich einem Schmorgericht entsprechend konzentrierter schmecken müssen. Über das geschnipselte Wurzelgemüse konnte ich mich mangels guter Sauce dann auch nicht mehr so recht freuen.

"Diergardts Kühler Grund" bot Original Schweizer Rösti mit hausgebeiztem Wildblüten-Lachs an. Ein Gericht, bei dem man, so meine naive Vermutung, nicht viel verkehrt machen kann. Aber man kann durchaus. Statt krachenden Röstivergnügens gab es einen etwas labberigen Kartoffelpfannkuchen. Der Lachs wenigstens war fehlerfrei, aber auf den war es mir sowieso nicht angekommen.

Vom Hattinger "Gasthaus Weiß" ließ ich mir dann sechs Austern öffnen. Versöhnlich war daran vor allem, dass ich einen lebendigen Beistelltisch, bzw. Tellerhalter in Anbspruch nehmen konnte, dem, bzw. der hiermit mein vorzüglicher Dank gilt. Ausgesprochen wohlschmeckend war überdies der gebackene Ziegenkäsetaler mit Waldblütenhonig und gehackten Walnüssen auf Rucolasalat in Balsamico-Bärlauchdressing. Dieses Dressing hatte den einzigen Nachteil, den gesamten Teller sehr stark zu verölen.

Bei Herrn B. gab es abschließend noch westfälischen Schinken und eine Abschlussbuddel Champagner, bzw. ganz zum Schluß kam noch Johannes Deppisch von fränkischen Oldtimer- und Golf-Weingut gleichen Namens heran und gab eine Lage von seinem für Herrn B. gestalteten Josecco Rosé aus – ein Mix aus Schwarzriesling, Grau- und Weißbrugunder, mit gärungseigener Kohlensäure in Zell verperlt und unmittelbar ready to drink, denn ein kleiner Strohhalm ist bereits in der mit Schraubverschluss verschlossenen Flasche enthalten.

Ain’t life grand? – Grand Culinary im Kameha Grand Bonn

 

Wer Bonn kennt, weiss, dass es dort beschaulich zugeht. Hotelmäßig dominiert unter den größeren Häusern die Günnewig-Gruppe das Bild, das ehemalige Bundesgästehaus auf dem Petersberg ist in Steigenberger-Hand und Maritim-Hotels gibt es auch.  An Sternerestaurants wird in Bonn traditionell gespart, einzig Rainer-Maria Halbedel hält die Michelinfahne hoch. Wer sternemäßig gut essen gehen will in Bonn, verlässt am besten die Stadt. Freilich: auch jenseits der Restaurantführer ist Leben, so rühmt der Bonner schon lange das Sassella in Kessenich oder bestellt seinen Fisch im Petit Poisson, der Veränderung war man, scheint's abhold.

Mit der Eröffnung des Kameha Grand kam Ende 2009 doch noch frischer Wind ins Bundesstädtchen. Frech am Rheinbogen auf der anderen, der falschen Rheinseite errichtet, in Filetlage am Ufer, Telekom und Post-Tower in Griffweite, verstört das flughafenterminalähnliche Gebäude seitdem manche etablierten Gemüter. Schuld daran ist nicht nur die kontrastierend-neobarocke Inneneinrichtung von Marcel Wanders. Dessen bevorzugt verwendete überdimensionale Zwiebelmusteroptik durchzieht das gesamte Haus, von den Fussböden im Dome über Tapeten, Dekowände und alles, was sich irgendwie 'branden' lässt, ja selbst die vom Zimmerservice in meinem Zimmer freundlicherweise hinterlegte, leider schon sehr abgegriffen wirkende Kondomschachtel passte sich ins Design ein. Abgesehen davon ist für die Konkurrenz natürlich ärgerlich, dass das Kameha Grand bereits jetzt den Titel als Hotel des Jahres 2011 für sich erringen konnte. Auch der MIPIM Award 2010 für Hotels ging als einer der bedeutendsten brancheninternen Design- und Architekturpreise an das neue Haus. Hinzu kommt noch, dass die Telekom sich als einer der großen Kooperationspartner des Hotels überaus präsent gibt und eine ganze Reihe weiterer Kooperationen verspricht ebenso stetigen Besucherstrom.     

Der Haus-Champagner des Kameha Grand in Bonn stammt von Piper-Heidsieck aus Reims. Dieser Erzeuger wurde hart von der Wirtschaftskrise getroffen und musste zuletzt ein Viertel seiner Mitarbeiter entlassen. Von denen, die verschont blieben, sind zwei besonders wichtig. Kellertalent Regis Camus (Sparkling Wine Maker of the Year 2004, 2007, 2008, 2009) und International House Communications Director Christian Holthausen. Regis Camus ist seit 2002 der Nachfolger des viel zu früh verstorbenen Daniel Thibault, der damals schon die önologischen Geschicke von zwei Champagnermarken, Charles Heidsieck und Piper-Heidsieck, in den Händen hielt. Regis Camus hat dieses Erbe angenommen und eines seiner größten Verdienste liegt darin, die beiden Marken so kontinuierlich nebeneinander fortzuführen, dass jede ihren Charakter behält und der anderen nicht in die Quere kommt. Nachdem ich erst jüngst von einer Charles Heidsieck Mis en Cave 2000 Magnum zum wiederholten Male sehr freundlich für das Haus eingenommen wurde, war ich auf die Vorstellung des Schwesterhauses sehr gespannt. Kameha-Chefkoch Jörg Stricker, der das Menu zu verantworten hatte und einen sehr souveränen, dabei gelassenen Eindruck machte, stellte zusammen mit Christian Holthausen, dem deutschstämmigen, aber nicht deutschsprachigen Kommunikationsdirektor aus New York die Paarungen des Abends vor.

I. Apéritif

dazu: Cuvée Brut, mit 80% 2006er Basis, davon 55PN 25PM 20CH, min. 28 Monate Hefelager und neun Monate Ruhe nach dem Dégorgement

Der Champagner ist ein Standardbrut, der erkennbar von einem großen Haus kommt. Christian Holthausen, mit dem ich einige Geschmacksvorlieben teile, teilte dazu mit, dass der Brut mit 9 g/l Dosagezucker auskommt, was für ein großes Haus bescheiden ist. Daher verwundert es eigentlich auch, dass Piper-Heidsieck einen so großen Kundenstamm im Massenmarkt hat. Denn der herbe, gar nicht übertrieben fruchtige Stil dürfte nur eine Minderheit unter den typischen Champagnerkunden ansprechen. Mir hat er ganz gut gefallen, wenngleich ihm etwas Säure gefehlt haben mag und große Komplexität nicht aufkommen mochte. Dennoch: für ein großes Haus ist der leicht räucherige und von frischem Baguette geprägte Stil untypisch und verleiht ihm Wiedererkennungswert.

Die Apéro-Kleinigkeiten kamen als flying buffet. Es gab unter anderem Entenleberpraline, weiße Schokolade, Szechuan Mango, Lachswürfel, Avocadotartar, marinierten Ziegenkäse, Hummertartar, Kaiserschotencrème und Kokosschaum. Zur Entenleber passte der Champagner besser, als zur weißen Schokolade, das schmelzige Fett der Entenleber war ideal zu den frischen Baguettenoten. Die Kombination mit der Szechuanmango wurde von deren pikanter Würze gerettet . Solo hätte die Mango den säurearmen Champagner an die Wand gedrückt, mit der schwerpunktverschiebenden Szechuanwürze fiel das nicht so sehr auf. Zum Lachswürfel und zum Avocadotartar gab es keine Kritikpunkte, zum marinierten Ziegenkäse war der Champagner dann sehr stark. Das verdankte er wieder seiner Baguetteeigenschaft und seinen durchklingenden Honignoten. Hummertartar und Kaiserschotencrème waren ausgezeichnete Begleiter, der Kokosschaum passte auch gut, wirkte aber etwas plakativ.

II. Sashimi und Sushi

dazu: Cuvée Brut

Dass Champagner zu Sashimi und Sushi passt, ist reichlich bekannt und denkbar risikoarm, sollte man meinen. Das stimmt aber nicht ganz, denn Sesam, Kaviar, Sojasauce und Wasabi sind aromatische Sprengsätze, die es geschickt zu händeln gilt. Der Brut von Piper-Heidsieck war auf Deeskalation eingestellt, die milde und zurückhaltende Säure um jeden Preis auf Krawallvermeidung getrimmt. Ein Konzept, das sich auszahlen sollte und selbst dem Wasabi-Klotz von der Größe eines Mensch-ärgere-dich-nicht-Würfels nicht in die Quere kam. 

III. Himmel & Äd von der Jakobsmuschel, Kartoffel-Pringles, Apfelair, Schmorschalotten und Endiviensalat

dazu: Rosé Sauvage, 45PN 40PM 15CH, entsteht seit dem relaunch 2004 mit 25% Stillweinzugabe und 9 g/l Dosagezucker

Der Rosé Sauvage und der Brut Sauvage sind eigentlich Reminiszenzen an die Zeit, als Piper-Heidsieck Champagner noch ohne biologischen Säureabbau entstanden und in der Jugend besonders unzugänglich waren. Heute ist das anders, der Stil ist fruchtiger und frühreifer. Leider schwankt die Qualität des Rosé Sauvage für meinen Geschmack zu stark. Mal sind diese Champagner in der Jugend sensationell, leichtfüßig, fruchtig und fein, mal schmecken sie plump und schwer. Ihr Reifepotential haben sie aber scheinbar in beiden Varianten eingebüßt, denn einige Flaschen, die ich mir nach dem relaunch 2004 voller Begeisterung hingelegt hatte, sind jetzt nur noch müde. Auch die Flaschen im Kameha konnten nicht überzeugen. Einfache, dominierende Kirschfrucht und im wesentlichen war es das auch schon. Ein leichter Rotsekt aus Alicante Bouschet, Cabernet Franc oder Grenache könnte ähnlich schmecken.

Unter diesen Bedingungen anzutreten, war für die Jakobsmuschel nicht leicht. Unterstüzung kam nicht von den Schmorschalotten, auch nicht vom Endiviensalat und von Äpfeln und Kartoffeln wäre sowieso keine Hilfe zu erwarten gewesen. So musste sich die aromatisch fein komponierte Speise dem rohen, übermächtigen Druck des Champagners unterwerfen.   

IV. Kartoffel-Lauch-Ravioli in Lardo gebraten, Avocadocrème, Steinpilze, Kalbsbries und Lakritzjus

dazu: Rare Vintage 1998 en Magnum, 77CH 23 PN

Der einzige Rare, der in Magnums hergestellt wird – und zwar ausschliesslich. Eine richtige und gute Entscheidung, wie ich vorwegnehmen darf. Denn der 98er ist dem 99er an Frische klar überlegen. Eine Mischung aus Jod, Honig, Mandeln, Hefe und Malzbrot, einige gebackene und einige fleischige, wohl vom Schwefel herrührende Aromen, die aber nicht stören und mit Luft verschwinden, bilden den Grundton. Darüber wabern ätherische Öle, Mandarine, Nektarine, Bockshornklee, Orangenblüte und Lime Juice. Ein softer, schwebender Champagner und eine Prestige-Cuvée von der ich hoffe, dass sie mit den Stärken der Jahrgänge 2002 und 2004 noch einmal an Finesse gewinnt. Denn um die Rare-Reihe war es viel zu lange viel zu ruhig. 

Eine rundum gelungene Paarung ergab sich mit den Ravioli, sehr geschickt war die Kombination von Lardo, Steinpilzen, Bries und Lakritzjus. Ich weiss nicht, ob ich bedauern soll, dass der Champagner selbst noch nicht genau diese Noten als Reifetöne entwickelt hatte, oder ob es sich dann nicht zu sehr geballt hätte. So fand der Champagner in den Speisen ein adäquates Echo aus seiner eigenen Zukunft, was man auch nicht oft erlebt.

V. Sorbet von marokkanischer Minze, Süßkraut und Limette

dazu: weiterhin Rare 1998

Minze und Süßkraut verhielten sich unaufgeregt zum Champagner, die Limette gab sich etwas aufrührerisch, stiess aber beim Champagner auf keinerlei Säurewiderstand. 

VI. Coq au Vin, Pommes Pont-Neuf, Arganöl und geeiste Gänseleberflocken

dazu: Rare Vintage 1999

Auch dieser Rare ist mit dem Goldschmuck des Pariser Goldschmieds Arthus-Bertrand versehen und setzt sich wie der 98er zusammen. Doch ist er wesentlich schwächer, als sein in der Magnum ausgeschenkter Vorgänger. Nicht nur, dass ihm Finesse und Frische fehlen, auch die Aromatik kommt nicht ganz mit. Klar, er ist saftig, mit wildem Pfirsich, Mangopurée, Aprikosennektar und einem Schuss Grapefruit. Aber: es fehlt der Unterbau. Wo beim 98er Mandeln, brotige und sehr strukturierte Aromen kenntlich wurden, ist beim 99er nur diffus vernebeltes Säuregerüst. Sicher ein guter Champagner, aber kein ganz großer Wurf.

Entschädigt wurde ich durch den Hähnchenschlegel und die gestifteten Äpfel, weniger begeistern konnte ich mich für die geeisten Gänseleberflocken, die nicht nur sehr schnell ihren geeisten Charakter einbüßten, sondern im selben Augenblick auch ihr Aroma, so kam es mir jedenfalls vor. Der Champagner umfloss den Hähnchenschenkel und schien mit dessen angenehmer Konsistenz eins werden zu wollen. Von den Apfelstiften wurde diese Vermählung vorzüglich unterstützt. 

VII. Dessertauswahl 

dazu: Cuvée Sublime

Mit 35 g/l Dosagezucker muss man schon sehr vorsichtig arbeiten, wenn man nicht Gefahr laufen will, eine ermüdende Zuckerbombe im Mund platzen zu lassen. Regis Camus weiss das natürlich selber gut genug und gibt sich alle erdenkliche Mühe, dem gerecht zu werden. Mit Erfolg. Der Sublime gehört zusammen mit dem 98er Rare zu den Gewinnern des Abends. Ausgewogen, nicht zu süß, sondern mit einem für Piper-Heidsieck schon mutig wirkendem Säuregerüst, weinig, sauber und lang.

Die Dessertauswahl bestand aus Kirsch-Ingwer-Jelly, Mon-Chéri-Lolly, Mascarpone-Kirsch-Eis und verschiedenen Maccarons, darunter Zitrone-Thymian, Pistazie mit weißer Schokolade und Matcha-Tee. Die Kirscharomen waren genau das, was dieser Champagner am besten gebrauchen konnte, tiefe, dunkle, rote, sinnliche Aromen in nicht zu großen Happen. Beim Kirsch-Eis wurde es etwas schwierig, weil die Süßeverhältnisse sich zu Lasten des Champagners verlagerten. Die Maccarons waren mir etwas zu dick geraten und litten unter erhöhter Luftfeuchtigkeit oder sonstwas, jedenfalls krachten sie nicht beim reinbeissen. Am besten schmeckte mir der Zitrone-Thymian Maccaron zum Sublime, aber auch die anderen beiden konnten gefallen.

Abschließend gab es für diejenigen die wollten Champagner aus dem von Christian Louboutin gestalteten Glas High-Heel. Der liegt sehr gut in der Hand, wenn man ihn an der Fläche zwischen Absatz und Fussballen nimmt. Trinkt man daraus, kann man mit der anderen Hand die Fussspitze unterstützen nach oben drücken, man muss sowieso den Kopf weit in den Nacken legen, um jeden Tropfen aus dem Schuh heraus zu holen. Ein Nachteil des Schuh ist die geringe Füllmenge, man kann nämlich praktisch nur den Zehenbereich füllen. Ein Vorteil des Schuhs ist die ergonomisch gestaltete Fersenpartie, jedenfalls für meinen Mund ist die sich dort ergebende Trinkkante optimal.

Sommerchampagner – Champagne im Sommer

Ein kleiner Auszug jüngst in der sommerlich-heißen Champagne verkosteter Champagner. 

Seit zwei Wochen sind in Frankreich Sommerferien. Das hat den großen Vorteil, dass man auch in der Pariser Innenstadt vergleichsweise mühelos Parkplätze bekommt und seinen Wagen zwischen z.B. dem von mir wegen seiner touristenfreundlichen Lage geschätzten Waldorf Trocadéro in der Rue Lauriston und einer der vielen kleinen in Laufnähe gelegenen Boutiquen parken kann. Ein wesentlicher Nachteil dieser Sommerferien ist, dass viele Champagnerwinzer Badehosen und Bikinis in den Kofferraum ihrer nagelneuen S-Klassen schmeißen und in Richtung ihrer Domizile zwischen Juan-les-Pins und Cap Martin abdampfen. Wer dennoch in der Champagne bleibt, wird gnadenlos von mir aufgesucht.

Hier die ersten Opfer:

1. Colin, Blanc de Blancs "Blanche de Castille" Premier Cru

Chardonnaygrundweine zu 70% aus Vertus und 30% aus Bergères-les-Vertus

Vertus. 12 ha überwiegend in der Côte des Blancs und im Sézannais.

Einfacher Champagner, blumig, wenig Säure, geht gerade so.

2. Remy Massin, Brut Réserve

70PN 30CH

2006er Basis mit Reservewein aus 2005 und 2004.

Ville sur Arce, Aube. Der Erzeuger hat 20 ha und bringt mit seinem Brut Réserve einen Champagner auf den Markt, dessen kandiert wirkende Nase sich am Gaumen zwar einfach, aber spritzy zeigt. Auch kam mir trotz des ersten Naseneindrucks der Champagner nicht zu bonbonig vor. Die andeutungsweise vorhanden Weinigkeit ließ aus dem insgesamt eher einfachen Champagner dennoch kein Irrsinnsgeschoss werden.

3. Gaidoz-Forget, Carte d'Or

80PM 10PN 10CH

2007er Basis mit Reserve aus 2006, ca. 24 Monate Hefelager. 10 ha.

Ludes. Der Erzeuger wurde mir gleich mehrfach empfohlen. Also her damit! In der Nase Kaffee, Karamell, am Gaumen einfach und glatt, mittellang mit einer an Sauerampfer und Mangold erinnernden Gemüsigkeit im Hintergrund. Da geht noch mehr. Habe mir deshalb noch die Cuvée Quintessence aus den Jahrgängen 2000, 1999 und 1998 mit gut zehnjährigem Hefelager gesichert.

4. Duménil, Grande Reserve Premier Cru

Drittelmix, 50% Reservewein, drei Jahre Hefelager, ca. 11 g/l Dosage

Das Haus sitzt in Chigny-les-Roses und verfügt über 8 ha in den Premier Crus Chigny, Rilly und Ludes. Der Champagner zeigt Premier-Cru-Qualitäten. Ausgewogen, auf gehobenem Niveau frisch, mit einer etwas seltsamen, aber ansprechenden Mischung aus Campher und Sesam.

5. Carré-Guebels, Brut Rosé

70CH 30PN

Trépail. Herb, kurz und einfach, dabei ohne ersichtlichen Fehler, auch Korkschleicher würde ich ausschließen. Einfach eine schlechte Flasche erwischt zu haben ist natürlich auch keine schöne Begründung. Leider die einzige, die mir zu dem Champagner einfällt. Schade, vopn Carré-Guebels habe ich gerade den Rosé, aber auch die Spitzencuvée in guter Erinnerung.

6. Déhu, Grande Réserve

70PM 15CH 15PN, drei Jahre Hefelager

Fossoy, kurz vor Château-Thierry. Saftig, leicht, andeutungsweise bonbonig, auch sahnig, milde nussig, erinnert an Haselnusseis und an den Duft von Krokant. Ganz ordentlich, wenn man diese Aromen bei jungem Champagner schätzt.

7. Damien Cez, Cuvée Brut

Drittelmix

St. Martin d'Ablois.

Hinter den hügelig aufgeschwungenen Ufern des Marnetals, gleichsam im Rücken von Oeuilly und Boursault und auf dem Weg beispielsweise zum Château d'Etoges, liegt St. Martin d'Ablois, wo alljährlich eine der größten Wandergourmetmeilen der Champagne stattfindet.

8. Nowack, Brut Carte d'Or

Rund um Kreuzzugspapst Urban II. kleben die Örtschaften an den Hügeln des Marnetals. Einer dieser Orte ist Vandières, wo auch Biodyn-Winzer Ardinat-Faust zu Hause ist. Diesmal ging es aber zu Champagne Nowack. Die Ahnen sind 1770 aus Österreich in die Champagne gekommen und die Nachfahren machen nicht nur Champagner, sondern betreiben auch einen eigenen Campingplatz auf dem Grundstück.  

Das schreiben die anderen: Patrick Dussert-Gerber

Der aktive Autor hat sich in der aktuellen Ausgabe von "Millésimes" mit seinem Champagner-Classement für 2010 zu Wort gemeldet. Nicht zur Unzeit, wie ich meine, denn Zeit für Champagner ist bekanntlich immer – nicht nur kurz vor Weihnachten. Also, was schreibt er denn? Zunächst mal muss man seine Classements kennen. Darin unterscheidet er zwischen erst-, zweit- und drittklassifizierten Weinen. Diese Classements stellt er für jede Weinbauregion gesondert auf, d.h. ein erstklassifizierter Champagner unterliegt den Regeln seines Champagner-Classements und ist insofern nicht vergleichbar mit einem von ihm erstklassifizierten Bordeaux. Innerhalb der jeweiligen Classements herrscht nochmal eine Hierarchisierung, wobei Dussert-Gerber im Champagner-Classement jede Klasse nochmal in kräftige und elegante Champagner unterteilt. Dabei fließen Werte wie Reifevermögen, Preis-Leistungs-Verhältnis und Kontinuität der letzten Jahrgänge einer Cuvée ein. Wer also in der Spitze eines Classements steht, dem kommt eine gegenüber den nachfolgenden Weinen herausgehobene Bedeutung zu.

Neu hinzugefügt hat er die folgenden Champagner (A steht jeweils für die Gruppe der körperreichen Champagner, B für die eleganten Champagner):

AVENAY-VAL-D'OR, CHAMPAGNE LAURENT-GABRIEL, 2ème A

AY , CHAMPAGNE GOSSET, 1er B

BOUZY, CHAMPAGNE MAURICE VESSELLE, 2ème A

CHAMERY, CHAMPAGNE PERSEVAL-FARGE, 2ème B

CHIGNY-LES-ROSES, PHILIPPE DUMONT, 2ème A

CHOUILLY, CHAMPAGNE LEGRAS ET HAAS, 2ème B

COURTERON, CHAMPAGNE FLEURY, 2ème A

CRAMANT, CHAMPAGNE P. LANCELOT-ROYER, 3ème A

DAMERY, CHAMPAGNE DANIEL CAILLEZ, 2ème B

DIZY, CHAMPAGNE VAUTRAIN-PAULET, 2ème A

EPERNAY, CHAMPAGNE ELLNER, 1er A

LE BREUIL, CHAMPAGNE PIERRE MIGNON, 2ème B

POUILLON, CHAMPAGNE BOURDAIRE-GALLOIS, 2ème A

RILLY-LA-MONTAGNE, CHAMPAGNE ANDRE DELAUNOIS, 2ème B

Um einen Eindruck von seinem Classement zu bekommen, ist es hilfreich, sich seine erstklassifizierten Champagner anzusehen.

In der Gruppe A, bei den körperreichen Champagnern, finden wir:

CHARLES HEIDSIECK (Millénaire)
KRUG (Grande Cuvée) (r)
MOËT ET CHANDON (Dom Pérignon)
POL ROGER (Sir Winston Churchill) (r)
TAITTINGER (Comtes de Champagne) (r)
ALAIN THIÉNOT (Grande Cuvée)
DEVAUX (D) (r)
ELLNER (Réserve) (r)
PHILIPPONNAT (Clos des Goisses)
(BOLLINGER (RD))
CANARD-DUCHÊNE (Charles VII)
RENÉ GEOFFROY (Volupté)
LAURENT-PERRIER (Grand Siècle)

In Gruppe B, bei den eleganten Champagnern, finden wir:

GOSSET (Grand millésime) (r)
PIPER-HEIDSIECK (Rare)
ROEDERER (Cristal)
DE SOUSA (Caudalies)
DE TELMONT (O.R.1735)
Pierre ARNOULD (Aurore)
PAUL BARA (Réserve) (r)
Pierre PETERS (Spéciale Millésime)
RUINART (Dom Ruinart) (r)
DE VENOGE (Princes)

Was sagt uns das? Das sagt uns, dass Monsieur Dussert-Gerber einen, sagen wir mal: sehr eigenständigen Gaumen hat. Wie sonst ist es zu erklären, dass er Dom Pérignon, den Inbegriff der Leichtigkeit und des schwerelosen Genusses in die Gruppe der körperreichen Champagner einordnet? Liegt es vielleicht daran, dass er nur die klobigeren, angestrengteren Jahrgänge aus den späten Neunzigern getrunken hat? Wir wissen es nicht. Auch eine Erklärung über die Jahrgangschampagner aus dem Hause Krug bleibt der Meister schuldig. Doch der Seltsamkeiten noch nicht genug, finden wir unter den erstklassifizierten Champagnern Häuser wie Devaux, Ellner und Canard-Duchêne, nicht jedoch die Grande Dame von Veuve Clicquot, keine Champagner aus dem Haus Perrier-Jouet, Delamotte, Salon oder Besserat de Bellefon, die alle wahrlich keine Geheimtips mehr sind und es mit einigen der erstklassifizierten Champagner ohne weiteres aufnehmen könnten.

Sehr seltsam ist auch, dass sich im gesamten Classement Winzer finden, die gut und gerne trinkbare Champagner machen, Erzeuger wie Selosse, Prevost, Ulysse Collin, David Leclapart, Jacques Lassaigne, Tarlant, Cedric Bouchard, Vouette et Sorbee, Georges Laval, Diebolt-Vallois jedoch noch nicht einmal unter den drittklassifizierten auftauchen. So ist doch ausgesprochen fraglich, ob die süffigen, aber nicht besonders inspirierten Champagner beispielsweise vom Château de Boursault und Abel-Jobart einen Platz im Classement halten könnten, wenn die anderen genannten Winzer dort ebenfalls vertreten wären.

Will man Monsieur Dussert-Gerbers Gaumen kein voreiliges Unrecht antun, so kann man nur vermuten, dass er einige sehr wichtige Champagner noch gar nicht getrunken hat. Dann aber, so meine ich, muss man sich mit der Herausgabe eines Classements zurückhalten und artig gedulden, bis die Datenbasis dafür groß genug ist.

Dass er einige sehr gute Champagner auf dem Schirm, resp. im Glas hatte, zeigt sich nicht zuletzt daran, dass er Champagne Aspasie von Ariston Père et Fils hoch einstuft. Franck Bonville, Pascal Agrapart und Jacky Charpentier haben sich ihren Platz gewiss ebenfalls verdient, wenngleich ich ihre Champagner nicht zu den körperreichen zählen würde. In der Kategorie ist richtigerweise der "Comète" von Francis Boulard gut aufgehoben – auch wenn dieser Champagner ultrarar ist und die anderen Champagner von Francis scheinbar keine Berücksichtigung gefunden haben. Bei den eleganten Zweitklassifizierten stoßen wir sodann auf Gaston Chiquet, Leclerc-Briant, Legras et Haas, Bonnaire, Comte Audoin de Dampierre, Drappier und Gimonnet, sowie auf andere alte Bekannte: Blin, Bedel, Tixier, Brice, Chapuy, Robert Charlemagne und Michel Turgy. Wieder könnte man darüber streiten, ob die Champagner z.B. von Dampierre zu den allerelegantesten gehören, oder ob sie nicht wegen ihrer reichlichen Dosage bei den körperreichen Champagnern anzusiedeln wären.

Lässt man die Frage nach der Notwendigkeit eines Champagner-Classements offen, so kann man sich fruchtbar nur noch mit der tatsächlich erfolgten Umsetzung eines solchen Classements befassen. Das von Dussert-Gerber ist gut gewollt, doch unübersichtlich und die vergleichsweise umfangreichen Beschreibungen der Erzeuger wiegen nicht seine allzu kurz geratenen Weinbeschreibungen auf. Wichtige Champagner fehlen völlig, mancher nur leicht überdurchschnittliche oder gerademal durchschnittliche Erzeuger erhält durch die viel zu dünne Datenbasis ein unproportional hohes Gewicht. Das mag den betroffenen kleinen Winzer freuen und mit Sicherheit werden einige Winzer nach der Publikation des jeweils aktuellen Classements ein verdientes Maß erhöhter Aufmerksamkeit erhalten. In diesem Punkt erweist sich Dussert-Gerber nämlich als fleißiger Verkoster – was letztlich dem Verbaucher nur willkommen sein kann. Meiner Ansicht nach leidet das Classement aber noch zu sehr unter seiner Unausgewogenheit.

Bling-Bling-Champagner und Wirtschaftskrise

Champagner ist ein zuverlässiger Konjunkturindikator, sagt man. Doch was passiert eigentlich genau in der Champagne, wenn Krisenzeiten anbrechen? Klar, da werden Arbeitsplätze abgebaut, Verwaltungsstrukturen verändert, Lagerbestände weggeramscht, Modernisierungs- und andere Projekte gestoppt. Mit diesen anderen Projekten wollen wir uns einmal näher befassen.

Seit 2000 und gegen den Trend der geplatzen Internetblase waren Champagner, Vodka und Cognac die französischen Exportzugpferde schlechthin. Zuwachsraten bis zum Rand der Produktionskapazität, wie selbstverständlich vorgenommene quartalsmäßige Preiserhöhungen und eine traumhafte Aufwärtsentwicklung allenthalben, vom simplen Standardbrut über ausgesuchte Crus und Jahrgänge bis hin zu den Spezialcuvées und Prestige-Champagnern konnte man da staunend mitverfolgen. 

Wer nur irgend konnte, grub einen alten Clos aus oder legte eine Rosé-Version seiner altbekannten Champagner auf, für's doppelte vom Weißen, versteht sich. Häuser wie Perrier-Jouet feuerten die bis dato im Schatten der Spezialforen und Top-Key-Accounter-Präsente ihr sagenumwobenes Dasein fristende Belle-Epoque Blanc de Blancs für über 1000 Dollar ab, Moet et Chandon illuminierte die New Yorker Freiheitsstatue, Krug ließ sich mit dem seit 1995 in petto gehaltenen Clos d'Ambonnay nicht lumpen und Jay-Z trieb den Preis für Louis Roederers Cristal in Bereiche, bei denen selbst die seither in ihrer Leidensfähigkeit schwer geprüften Bordeauxsammler sich abzuwenden begannen. Das alles kann man noch zur ganz normalen Markttätigkeit eines Luxusgütersegments zählen. Eine Seifenblase war das noch nicht.

Denn was wäre eine Seifenblase ohne ihr regenbogenfarbiges Schillern? Und was wäre die Weinwelt ohne die vielen Trittbrettfahrer, Ahnungslosen, Etikettentrinker und Pseudokenner? Zum allgemeinen Wohlbefinden und zum weiteren aufpusten der Blase fehlte also noch etwas, mit ein paar von langer Hand lancierten Super-Prestigecuvées war es bei weitem nicht getan, zumal die nur über langweilige klassische Vertriebskanäle und meist langjährige Handelsbeziehungen zu bekommen sind. Farbe kam erst in den Markt, als eine bunte Schar von Mitverdienenwollern eigene Luxuschampagner aufzulegen begann.

Diese Club- und Discotheken-Champagner hörten auf Namen wie "Angel's" (http://www.angelchampagne.com/index.html), "Vertuze" (http://www.vertuze.com/), "Palatine" (http://www.palatine-champagne.com/), "Leon Verres – The Billionaire Champagne [die Nähe zum Buchtitel "The Billionaire's Vinegar" ist wahrscheinlich nicht gesucht]" (http://www.verres.de/english/), "Goldfinger" (http://fashions-addict-com.micrologiciel.com/index.asp?id=372&idf=660), "Diadema" (http://www.diadema-wine.com/) oder "Armand de Brignac" (www.armanddebrignac.com).

Übriggeblieben – und ich erkläre gleich auch, warum – ist davon eigentlich nur Champagne Armand de Brignac. Von den anderen existieren höchstens noch halbfertige Webpräsenzen mit vollmundigen Ankündigungen und ein paar besonders exclusive (schreibt man in diesen Kreisen so) Händler, die das Produkt gelistet haben. Seriöse Verkostungsnotizen oder Möglichkeiten zur Kontaktaufnahme? Selten bis gar nicht. Wahrnehmung in der Fachpresse oder bei Tastings? Was denken Sie denn?

Ist das normal, gehört das zum Luxusgütersegment dazu? Oder haben wir es mit einer unerwünschten Form von Auswüchsen zu tun? Nun, bei Newcomern wie Christian Audigier sehen wir, dass man mit gleichsam aus dem Boden gestampften Marken wie "von Dutch" und "Ed Hardy" weltweite Nachfrage erzeugen kann und durch die Nachahmungen der Markenpiratenindustrie werden solche Produkte letztlich geradezu geadelt. Das zeigt, dass zumindest die Modewelt kein closed shop ist. Doch gilt das auch für Champagner?

Jein. Wie sich nämlich nach noch nicht einmal besonders tiefgehender, sondern schon bei nur summarischer Untersuchung zeigt, hat auf dem Champagnermarkt nur Erfolg, wer einige grundlegende Prinzipien beachtet.

Qualität: Die Qualität von Champagner ist nur scheinbar abgekoppelt vom Produkt selbst. Zwar wird man bei Champagner wie bei vielen anderen Luxusgütern davon ausgehen können, ja müssen, dass nur ein Bruchteil der Kundschaft in der Lage ist, Qualitätsunterschiede auszumachen oder zu würdigen; auch verhalten sich die qualitativen Unterschiede zwischen einem sorgfälig hergestellten Winzerchampagner und einer berühmten Prestigecuvée in der Regel weder proportional zum Preis, noch lassen sie sich anhand der tatsächlichen Preisdifferenz festmachen. In Zahlen: ein "S" de Salon für 240,00 EUR schmeckt nicht zehnmal so gut wie ein Chèvres Pierreuses von Leclerc-Briant für 24,00 EUR und die Kosten für die Produktion unterscheiden sich am Ende noch nicht einmal um den Faktor 1,3. Was beide Champagnererzeuger teilen, ist ein kompromissloses Qualitätsstreben. Ohne dieses ruhelose Bemühen hätte weder der eine noch der andere seinen Status erreicht.  

Herkunft: Ein Champagner, der nicht aus gutem Hause kommt, hat es schwer. Ich weise immer wieder darauf hin, dass die Champagnergesellschaft vertikal durchlässig sein kann. Das zeigen die vielen historischen Beispiele und das bestätigen die Erfolgsgeschichten der jüngsten Zeit. Es ist also möglich, von einem namenlosen zu einem guten Haus zu werden. Ob sich die Güte eines Hauses darauf beschränkt, lediglich einen guten Namen zu haben, oder ob sich in Weinbergen und Kellern eine adäquate Substanz findet, spielt eine nur auf den ersten Blick zweitrangige Rolle. Häuser ohne namhaften Weinbergsbesitz und/oder ohne talentierte Kellermeister halten sich demzufolge nicht lange in der ersten Liga. Bei der Entwicklung einer neuen Luxusmarke darf man folglich nicht aus dem Blick verlieren, welchem Erzeuger man sich anvertraut.

Marketing und Vertrieb: Der einzigartige Erfolg des Champagners in der Welt der Luxusgüter beruht ganz wesentlich auf seinem Erfolg im Marketing. In mehr als dreihundert Jahren haben es die Champenois geschafft, Champagner als Luxus- und Festgetränk schlechthin beim Verbraucher fest zu verankern. Clevere Marketingkampagnen zu initiieren, ist heute einfacher denn je, wenn die notwenige Finanzkraft da ist. Weltweite Wein-Logistik allein ist ebenfalls kein Problem. Doch wohin kanalisieren, wenn man eine neue Marke auf den Markt bringen will? In diesen Bereichen liegt wiederum oft die einzige Stärke und das Konzept von Vanity-, Quereinsteiger und Super-Prestige-Projekten ohne tiefe Verwurzelung im Champagnergeschäft.

Die als Bling-Bling geplanten Champagnerkreationen mit den lustigen Namen sind, so meine Vermutung, deshalb verschwunden oder nie richtig aufgetaucht, weil eines oder mehrere dieser Prinzipien nicht beachtet wurden und darüber das Geld ausgegangen zu sein scheint. Die bislang einzige, mit ca. 45000 Flaschen p.a. in nennenswertem Umfang erfolgreiche Kreation ist Champagne Armand de Brignac. Hinter diesem Markennamen steht nämlich ein alteingesessener und renommierter Erzeuger aus der Montagne de Reims, Champagne Cattier. Hier stimmen demzufolge Qualität und Herkunft. Lediglich in Marketing und Vertrieb wurden neue Wege beschritten, ohne dabei die alten ganz zu verlassen. So wendet sich Armand de Brignac an Club- und Discoklientel, aber auch an etablierte Schichten. An Bord sind Profis, die Erfahrung bei Roederer gesammelt haben oder sich durch belastbare Netzwerke im Barbereich oder in der Rock- und Popwelt auszeichnen, eine Verkostungsnotiz und ausführliche Bemerkungen zu diesem Champagner habe ich bereits hier veröffentlicht.

Verblüffend ähnlich, wenngleich nicht als langfristiges profit center angelegt, ist übrigens der Erfolg der "QV Discobitch" von Benoit Tarlant. Dessen sehr ernstzunehmende Spitzencuvée Louis war in den ersten Füllungen des Spaßprojekts enthalten und sorgte im Spätsommer/Herbst 2008 für Aufregung, bevor sich alle Weinwelt wieder den beginnenden Lesearbeiten zuwenden und das Sommerloch schließen konnte.

 

 

Mehltau-updates 2010: Oidium und Peronospora in der Champagne?

Die einen frohlocken, die anderen warnen. Richard Geoffroy, der verantwortliche Kellermeister bei Moet et Chandon für die Cuvées Dom Pérignon, berichtet von einer problemlosen, teilweise schon abgeschlossenen Blüte bei Avize und Le-Mesnil. Die kühlen Morgenstunden der letzten Wochen scheinen den Pflanzen nicht geschadet zu haben. Die Pinots in den kühleren Gegenden dagegen befänden sich noch in voller Blüte. Er weist ganz besonders darauf hin, noch keine Spur von (falschem) Mehltau oder Peronospora ausgemacht zu haben, kündigt aber an, wachsam bleiben zu wollen.

Eric Rodez aus Ambonnay ist froh darüber, vom falschen Mehltau verschont worden zu sein, warnt aber davor, dass in Ambonnay unterhalb des Waldes ein immer größerer Streifen seit Jahren verstärkt vom echten Mehltau – Oidium – befallen wird. Noch ist die Situation indes unter Kontrolle.