Champagner ist ein Getränk, um das sich Legenden ranken. Jedes Jahr zu Weihnachten kommen neue hinzu. Die meisten davon sind weder besonders originell, noch glaubhaft erzählt. Schlimm wird es, wenn die Legendenbildung über populärwissenschaftliche Magazine kolportiert wird, noch schlimmer, wenn eine große Nachrichtenagentur davon Wind bekommt. Jüngstes Ärgernis ist der unter anderm hier erschienene Artikel über Sekt und Champagner.

Nach der Lektüre dieser schreiberischen Lachnummer kann man sich nur noch kopfschüttelnd fragen, warum eine Redaktion völlig kritiklos einen so schlampig recherchierten Schreibmüll von dpa übernimmt.

Denn zunächst mal ist Chemie in unserer Zeit alles andere als ein Fachblatt. Fachblatt ist nämlich nicht bereits jede willenlos zusammengeschusterte Publikation, die nicht ausschließlich belanglosen Tratsch aus Politik, Wirtschaft und Kultur in die Welt plärrt. Aber sei's drum. Es erstaunt jedenfalls bei einem populärwissenschftlichem Magazin nicht, dass die Recherchearbeiten zum Champagner sich dort scheinbar auf die Einführungszeilen zu Tom Stevensons Champagnerbuch beschränkt haben; garniert allenfalls mit ein bisschen Gerard Liger-Belair, dessen Arbeiten über das Prickeln im Champagner auf deutsch in "Entkorkt!" nachzulesen sind. Etwas allgemeines durchstöbern der weiten Internetwelt auf unterhaltsame Dönekes tat dann ein übriges.

Resultat: die 0,75l-Flasche gehe auf Dom Pérignon zurück. Und nicht etwa auf z.B. die EG. Auf die Idee, dass es zur Zeit des Benediktiners geläufige Hohlmaße wie das litron gegeben haben könnte, muss man wahrscheinlich als Redakteur heutzutage nicht mehr kommen.
Ein anderes Geheimnis der verantwortlichen Redaktionen wird auch bleiben, warum man erst mit dem Versteigerungserlös eines 1928er Krug auf die Pauke hauen muss,
um kurz darauf glattweg abzustreiten, dass der Wert schäumender Getränke mit dem Alter steige. Weshalb also mancher Volldepperte sich die Mühe macht, seinen 88er "S" de Salon, Charles Heidsieck 1989 oder Diebolt-Vallois 1976 im Keller zu hegen und nach Möglichkeit auch bei höheren Anlässen noch ein Weilchen unangetastet zu lassen, wird man nach der Lektüre des dpa-Artikelchens ganz und gar nicht mehr verstehen können.