L’Assiette Champenoise von Arnaud Lallement ist der langjährige Antagonist des Crayères (nach einigen Wechseln steht die Brigade von insgesamt 110 Mann dort jetzt auch schon wieder seit 2009 unter der Leitung von Philipp Mille) in Reims und zog vorletztes Jahr mit dem dritten Stern am Konkurrenten vorbei, nachdem der Gault Millau ihn schon 2013 zum Koch des Jahres ausgerufen und die fünfte Haube verliehen hatte. Das Hotel-Restaurant ist langjähriger Familien- und Vorzeigebetrieb, die Küche mit ihren 15 Köchen auf 200 Quadratmetern reichlich großzügig bemessen, seit 2000 besteht eine enge Kooperation mit Champagne Krug. Gute Voraussetzungen, um ein paar Happen einzuwerfen. Das geht nicht ohne anständige Champagner, an denen auf der Karte kein Mangel herrscht. Noch spannender wird es allerdings, wenn der verlässliche Frédéric Bouché für das food & wine pairing verantwortlich zeichnet und passende Champagner der frischgegründeten Winzervereinigung ‘Champagne, Terroirs etc.’ kombiniert.

Vorweg gab es
Champagne Apollonis (besser bekannt unter dem Namen Michel Loriot) Cuvée Palmyre (nicht zu verwechseln mit dem 100PN PC Palmyre von André Delaunois), die war sehr ansprechend, etwas apfelig und rotbackig, gegenüber meiner letzten Erfahrung mit dieser Cuvée schön fortentwickelt, vor allem nicht mehr so tapsig.
Piot-Sevillano aus Vincelles habe ich schon im letzten Jahr als aufstrebenden Betrieb wahrgenommen, die Cuvées “Elegance” und “Interdite” gaben erste Einblicke und die Cuvée Provocante (100M) erlaubt den aromatischen Vollzugriff auf alte Meunierreben, wobei birnige und quittige Aromen überwiegen; kurz sah ich mich auch auf die Apfelfährte gelockt und dachte an Chardonnay, was der Stimmigkeit keinen Abbruch tat.
Gaidoz-Forget 2007 Extra Brut, vor Jahren mal auf Empfehlung durchprobiert, habe ich den Erzeuger aus dem Blick verloren, um ihn jetzt als einen Klassiker, der mit viel Butter und Biscuit auftritt, wiederzuentdecken.

Hernach gab es was zu essen.

Pôtée Champenoise, d.i. der Erntehelfereintopf, schmeckte mir als großem Eintopf- und Suppenfan fabelhaft. Dazu gab es von Dauby aus Ay (8 ha in Ay und angrenzenden Premier Crus) die Cuvée Flore Extra Brut, deren ausgeprägter Aystil, konzentriert mit dem Parfum von Blumen, Küchenkräutern und gehackten Mandeln. Eine magnetische Kombination.

Taschenkrebs aus der Bretagne, Erbsen, Chip, Reimser Essig. Vor allem der Essig machte bei dem Gang sehr viel aus, die Produktqualität ist bei Fisch und Fleisch ja sowieso erhaben. Der Colin (11 ha in Vertus und Nachbarschaft bis ins Sézannais) Blanc de Blancs Vertus Cuvée Enjôleuse 2007, leicht roestig, auch buttrig, nahm den Essig gelassen auf und spielte ihn über Erbse und Krebs gekonnt zurück.

Langustine Royal als Tartar mit Zitronenkaviar, Piment d’Espelette und Timutpfeffer war vor allem durch die sparsam beigegebenen Gewürze ein Hit. Dazu gab es Francois Secondé (5,5 ha in Sillery und Umgebung), Puisieulx Grand Cru les Petites Vignes, 50PN 50CH fast 50 Jahre alte Reben, Assemblage 2009 begonnen und 2012 als Solera fortgeführt Vinifikation teils im Fass teils im Stahl, BSA, mit 6g/l dosiert. Zum Schalentier mit seiner nage crémée passte das zaghafte Vanillearoma des Champagners und dessen soleramäßige Sanftheit, die ihre Säure mehr dem Essen entlehnte, als selbst dort einbrachte.

Bar de Ligne mit Rübe und Vermouthschaum, dazu Bergeronneau-Marion 2006 ein Drittelmix mit viel Zitrus, etwas Vanille, ein wenig Brotrinde. Bekannt ist Bergeronneau-Marion vor allem durch den Clos des Bergeronneau, den sie als eine der ersten Winzerfamilien vor ca. zehn Jahren mit schickem Habit auf den Markt gebracht haben, just zu jener Zeit, als die Clos begannen, in Mode zu kommen. Der Jahrgang 2006 vereinigt sich sehr gut mit dem Wermut, die Rübe hatte dazu eigentlich nicht sehr viel beizutragen, ergänzte aber Fisch und Noilly Prat als lokale Ackerfrucht bestens.

Rind von Alexandre Polmard mit Kichererbse, Kichererbsenknusperkissen und Jus, dazu
Poissinet (aus Cuchery, mit 7 ha rechts und links der Marne), Cuvée Carte d’Or 2008, 50M 30CH 20PN, leicht gebutterter Salzkeks, am Ende etwas Veilchen und Lakritz. Den Winzer kannte ich vorher nicht. Die keksigen Aromen passten zur Kichererbse, beide lieben es, in Tunke zu baden und das Rind traf auf einen gut aufgestellten Champagner, der mir solo etwas zu schwer vorkommen würde, der aber zum Essen ganz und gar nicht undynamisch wirkte.

Comtémus mit Radieschen und Roter Bete, dazu Xavier Leconte, Scellés de Terroirs Pinot Noir Le Clos de Poiloux 2006, Fassvinifikation, BSA, 3 g/l; vorauseilend ein leichter Stinker, dahinter entwickelt sich ein etwas schwach ausgefallener Vents d’Anges, wie die Rebsortenreihe noch unter der Leitung des Vaters hieß (und mir immer sehr gut gefiel). Viel hat sich eigentlich nicht geändert unter der Leitung von Alexis, etwas gerafft und gestrafft wurden die Champagner vielleicht, einige Speckröllchen sind meinetwegen noch weggefallen, obwohl es davon nie viele gab, bei Leconte. Dem Clos de Poiloux wird man wahrscheinlich jetzt etwas mehr Zeit für die Entwicklung zubilligen müssen, als früher, da war er immer sofort da. Zum Käse passte er dem Grunde nach gut, hatte aber mit sich selbst zu kämpfen.

Dessertzitrone M. Bachès, dazu gab es René Jolly (13,5 ha, Landreville) Cuvée Editio 2005 (50PN 50CH, Fassausbau in regionaler Eiche), mit einer grossen Klassikernase, ebenso zitrusfrisch wie die irrsinnige Zitrone aus der Küche von Arnaud Lallement, nicht nur sauber, gekonnt und grosshauswürdig, sondern mit individuell rauchiger Herbe, was zum starksauren bis fast scharfen Zitronenfuellungskompott 1a passte.

Fazit:
Im Dreisternehaus der Champagne wird man satt und zufrieden gemacht. Die Küche lebt nicht von Quatscheffekten, sondern vom Produkt, abgesehen von dem mir etwas zu häufig stattfindenden Angießen der Saucen, Jus und sonstigen Flüssigkeiten am Tisch.