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Tag Archives: 1996

Das schreiben die anderen: Jacques Dupont, Le Point Magazine

Jacques Dupont berichtet in seinem berühmten Champagnerdossier im Magazin Point über die performance aktueller Champagner; nicht jedoch, ohne zuvor darauf hinzuweisen, dass

«les champagnes sont vendus à une date trop proche de leur dosage, c’est-à-dire de leur mise en bouteille définitive. La liqueur de dosage que l’on ajoute pour remplacer le volume de dépôt que l’on a retiré de la bouteille n’a pas encore eu le temps de s’intégrer au vin. Trois mois, six mois, c’est trop court. Une année ou deux, si vous tenez le coup, c’est beaucoup mieux…».

Dann aber geht es hinein ins Vergnügen und es gibt die eine oder andere kleine Überraschung.

Aus dem Hause Pierre Moncuit stammt mit der Cuvée Nicole Moncuit Vieilles Vignes 2002 der 19/20-Knaller, nicht viele Erzeuger kommen bei Dupont so hoch, die Winzer haben es da besonders schwer und bleiben meist bei um die 17/20 liegen. René Geoffroy kommt allerdings mit seinem Extra Brut Mill. 1996 auf ziemlich großartige 18,5/20.

Bollingers Grande Année Rosé 2002 säckelt immer noch saftige 18/20 ein, nachdem sie erst jüngst in der Revue du Vin de France 20/20 kassierte. Sie liegt zusammen mit Laurent-Perriers Grand Sieècle und Pol-Rogers Cuvée Sir Winston Churchill 1998 gleichauf.

Dicht dahinter tummelt sich’s dann: Bollingers Special Cuvée wieder weit vorn mit 17,5/20, diese Bewertung holte sich auch de Sousas Cuvée de Caudalies 2002 und Jacques Diebolts Fleur de Passion 2004 ab, die sich auch in der RVF ein spannendes Rennen lieferten. Auch bei Francis Boulard dürfte die Freude groß gewesen sein, nachdem er für seine Steineichencuvée Petraea MMV 17,5 – 18/20 mit nach Hause nehmen durfte und auch sonst gut abschnitt. Immerhin liegen diese Kandidaten damit auf derselben Ebene mit Louis Roederer Cristal 2002, Taittinger Comtes de Champagne 1999, Mumm René Lalou 1998, “S” de Salon 1997 und dem großen Charles Heidsieck Blanc des Millenaires 1995 – sehr verschiedenen Champagner im übrigen.

Deutlich in der zweiten Reihe stehen indessen Krugs Grande Cuvée, Dom Pérignon 2002 und Billecart-Salmons Nicolas-Francois Billecart 2000 mit jeweils 17/20. Nur noch verhalten dürfte der Jubel über die 16,5/20 für Elisabeth Salmon Rosé 2000 und Grande Année 2000 gewesen sein.

Hier gibt’s ein kleines Interview mit Jacques Dupont:

http://www.rmc.fr/blogs/bourdinandco.php?post/2009/12/04/Special-Champagne-avec-Jacques-Dupont

Champagne-Kurztrip: Ledru, Bonnaire, Diebolt u.a.

I. Marie-Noelle Ledru, Ambonnay

Die sehr resolut wirkende Mme. Ledru öffnete

1. Extra Brut 85PN/ 15CH mit 50% 2003 und 50% Reserveweinen aus den

Jahren 1999 und 2002. Die holznahe Nase wies in die falsche Richtung,

Holz kam bei diesem Champagner nicht zum Einsatz. Der Wein wirkte

angenehm und fruchtig, ließ aber etwas rondeur vermissen. Kraft, die

er zu besitzen scheint, ist eben nicht alles.

2. Brut, gleiche Cuvée, jedoch mit 8g dosiert. Hier zeigte sich die

ganze Stärke des Spätburgunders aus gutem Hause und guter Lage.

Weich, rund, sanft, schon gut zugänglich und mit sanft kandierten

Fruchtaromen schon ein interessanter Champagner, dessen

Chardonnayanteil die nötige Portion Frische und etwas belebende Säure

einbringt.

3. 99er Brut Nature. Hart und karg, mit einer hauchzarten Chlornote,

die sich bis ins Lakritzige erstreckt, durchgängiger Säure und

rundlicher Frucht, erscheint so gar nicht brut nature; das mag für’s reife Lesegut sprechen.

4. 00er Brut. Wie der 99er, die etwas an Gougères erinnernde Note

störte mich allerdings. Mit Luft wurde der 00er dann feiner und eleganter als sein

Vorjahrescousin. Ein Champagner, der wie alle Champagner des Hauses

gewöhnungs- und luftbedüftig ist. Für eilige Proben nur schlecht

geeignet.

5. Goulté 2002, Blanc de Noirs. Weinig und rund, lecker-gschmackig und

stoffig im Mund. Ein Wein, der zwar nicht die Gaumenauskleidung

herunterreißt, aber mit etwas Temperatur, Flaschenreife und Luft zu

großer Form auflaufen kann, speziell in diesem guten, die elegante

Seite noch betonenden Jahr. Mittlerweile ist schon die sehr gelungene 2004er Cuvée de Goulté auf dem Markt, die beiden werde ich mir mal nebeneinander vorknöpfen.

II. Paul Déthune, ebenfalls Ambonnay.

Viel zu trinken gibt es bei Sophie meist nicht, im Lagerchen herrscht nämlich das ganze Jahr über ziemlicher Durchgangsverkehr mit nur sehr kurzer Verweildauer. Aber es gab zumindest:

1. Brut (2003-basiert, zzgl. Reservewein), 10g/l. Frisch, säurebetont,

kann Temperatur vertragen, die zart holzige Nase und die lebhafte

sonstige Art dieses Champagners vermitteln den Eindruck einer

besonders gut gelungenen Pomeloschorle.

2. Cuvée Prestige. Holzfaßgereift. Kandierte Zitrusfrüchte,

hintergründig etwas nussige Noten, stabiler und langgezogener

Säureteppich, im Mund von warmer, gemütlicher, fast anheimelnder Art,

gleichzeitig seidig, mit der Zeit kommt eine feine Silexnote zum

Vorschein.

Mme. Déthune erklärt übrigens gern, wie die Lotnummern

ihrer Champagner zu lesen sind: Die Großbuchstaben stehen für die

Cuvée (z.B. PR für Prestige), danach kommt die Nummer (3) und das Jahr

der Tirage (T), in unserem Fall 00 für 2000. Es folgt D für das Datum

des Degorgements und ein Kürzel für Monat (01) und Jahr (07).

III. Yves Delozanne, Serzy et Prin (86% auf der échelle, ein

Meunierspezi), Vallée de l’Ardre.

1. Brut Tradition, 80PM, 10CH, 10PN. Saftiger, süßlich wirkender

Champagner mit gut eingebundener Säure und leichter Metallnote.

Unbeschwert zu trinken und wegen seiner einfach strukturierten

Aromatik ein bequemer Essensbegleiter selbst zur Gorgonzolapizza.

2. Rosé, selbe Cuvée wie oben. Hefig, brotig, rindig. Krosse, mit Bier

behandelte Holzofenbrotrinde, dazu bananige Aromen und ein paar

Tröpfchen Rosenwasser im Bouquet. Wirkte angenehm mürbe, wenngleich

zu jung. Kann noch was werden. Dosage wirkte im übrigen recht hoch,

scheint um 11g gewesen zu sein.

3. 97 Cuvée d’Exception, je 1/3 PM, PN, CH. Quitten, Cranberry,

Sauerkirsch und zum Schluß etwas Schokolade. Eine Art Edelmoncheri

mit strammer Säure und spannendem Potential. Mittlerweile hat ja die junge Generation das Ruder bei Delozanne übernommen, die Cuvée d’Exception wird jetzt unter dem Label V. Delagarde verkauft.

IV. Pol-Roger, Epernay

wie immer eine freundliche Führung, in deren Verlauf dies und das

erklärt wurde. Zu den Champagnern gibt es nicht viel Erstaunliches zu vermelden:

1. Extra Cuvée de Reserve schmeckte wie immer, ziemlich gut.

2. Blanc de Chardonnay (im Hausjargon: flüssiger Diamant) 1998, ein

reiner Grand Cru (was viele gar nicht wissen) und der letzte dieser Art, seit dem 99er Jahrgang

heißt der “Blanc de Chardonnay” wie alle 100%CH-Champagner “Blanc de

Blancs”. Zuerst toastig und vollzuversichtlich blnacdeblancig,

dann mit plötzlich auftauchender, schockierend häßlicher Krautnase und dann erst ganz langsam wieder als vernünftiger Chardonay erkennbar. Merkwürdige Flasche.

3. Vintage 1998, 60PN, 40CH. Kraftvoll, ja wuchtig, ausgewogen und

typisch. Zwischen kräuterigen Noten und schmelzigem Karamell. Mein

Favorit.

4. Rosé 1999, Cuvée wie der weiße Vintage, jedoch mit 10% Rotwein.

Erdbeerchen, fast leichtfertige Fruchtnase, im Mund Rote Grütze,

dunkle Kirschen, wegen fehlender Säure leider etwas kurz – und im Handel leider auch viel zu teuer.

5. Sir Winston Churchill 1996. Dunkel, machtvoll, fordernde Säure und

eine Andeutung von Cognac und angebrannten Waffeln in der Nase. Wunderwunderwundervoll.

Im Table Kobus dann nochmal 98er Pol-Roger (zum Steak, bzw. zum

Zander). Genuss ohne Worte.

V. Bonnaire, Cramant

Monsieur Bonnaire zeigte uns seine beeindruckende, sehr moderne

Anlage und öffnete

1. Non Dosé

Vorbildliches, sehr schönes Äußeres. Springlebendige Nase, im Mund

unbeschwert schorlig, Durstlöschercharakter. Unaufdringliche,

jederzeit diskrete, aber spürbare Säure und milde Mineralität.

2. 2002er BdB GC 10-11g/l

Saftig, weinig, rund und lecker. Orangenmarzipan, Grand Marnier,

feine, cremige Textur. Sehr schöner Champagner und mein Favorit aus dem gelungenen Program von Bonnaire.

3. Variance (Boisé), enthalten ist ein Drittel zweimal belegtes Holz,

10-11g/l. Holzige, nicht zu schwere Nase, Minze, Eukalyptus und

freche Zitrusnoten kitzeln in der Nase. Säure satt, jedoch nicht

ermüdend. Länger, dafür auch schwerer als der 2002er. In gewisser

Hinsicht eine Steigerung zum 2002er, an dem sehr warmen

Verkostungstag und bei gehoben-frivoler Laune aber etwas zu

herbstlich.

VI. Diebolt-Vallois, auch in Cramant

Monsieur Diebolt war anfangs wie immer etwas zugeköpft, kam aber schnell ins

rollen.

1. Prestige

Blitzblanke Säure, Tannenholz, Harz, Lindenblüten, Weißdorn, Honig.

Frisch, schön, sauber, zugänglich, von ruhiger Had gemacht und schon

jetzt sehr gut zugänglich.

2. Blanc de Blancs 2002, 6g/l

Süffiger als der Prestige, etwas schlanker und filigraner. Weißdorn

und Lakritzanspielungen, dabei saftig, kräuterig und voller

Kelleräpfel, abschließend warme, nussige Töne, die den gut reifenden

Großchardonnay ankündigen.

Im Keller von Monsieur Diebolt griff er en passant eine

3. Fleur de Passion 2002 heraus. Wir leerten diesen gigantischen Wein

an Ort und Stelle. Sagenhaft schöner Champagner. Potenzierter Burgunder mit feinsten Bläschen.

Zum Schluß probierten wir noch die 2006er Grundweine aus den Tanks

und die Grundweine für die Fleur de Passion 2006 aus dem Holzfässchen

(53 Fässer getrennt nach lieu dits, bzw. zum Teil bereits im Faß

vereint). Am beeindruckendsten und einer großen Tafel würdig war Faß

5, “Grosmonts”.

VI. Bollinger, Ay

Im Garten des Hauses gedeiht das Miniversuchsfeld mit den Rebsorten (Teinturier, Pinot Meunier, Pinot Blanc und Pinot Gris, Arbane und Gamay).

1. Special Cuvée: wie immer: sehr gut! Was soll man da eigentlich noch groß schreiben?

2. Grande Année 1999 (einmal im September, einmal im Dezember 2006

degorgiert), dasselbe: auch sehr gut, jetzt deutlich harmonischer als beim letzten Mal und beispielsweise für Silvester 2009/2010 ein würdiger Trunk, wenn man nicht das Glück hat, die noch bessere 2000er Grande Année zur Hand zu haben.

3. RD 1996. Immer noch zu jung (degorgiert im Dezember

2006), aber zweifellos großer Wein, der noch eine ganze Weile laufen kann.

VII. Regis Fliniaux, Ay

1. Blanc de Blancs Grand Cru (Ay). Die Flasche wurde a la

volée vor unseren Augen degorgiert, Dosage hatte er deshalb natürlich

keine, vorgesehen ist eine Dosage von ca. 8g/l. Ein außergewöhnliches

Erlebnis, einen Blanc de Blancs aus der Pinot-Hochburg zu trinken. Ähnlich wie etwa der Chardonnay von Billecart-Salmon erstklassig gediehen und

von einer für die gegend von Dizy bis Mareuil exemplarischen exotischen Fruchtfülle, der nur ein ganz kleines bisschen Säure fehlt.

2. Cuvée des Signataires 50PN/50CH. Ananas, KiBa, Vanille, verspielte Säure, trinkbare gute Laune, der perfekte Abschluß eines großartigen Kurztrips.

Kleine Champagnerprobe auf Schloss Westerholt

I. Flight
Pierre Peters Perle de Mesnil Blanc de Blancs Grand Cru NV
150000 Fl. p.a.
Liebling der französischen Sternegastronomie. Viel Le-Mesnil-Säure, mit Frucht und Malo abgedämpft. Champagner für Feingeister.

Yves Delozanne Cuvée d’Exception NV (1997)
60000 Fl. p.a.
Je 1/3 PN, CH, PM
Archetypischer Vallée de la Marne Champagner. Mürbe, biscuitig, sehr ausgewogen und schon gut reif, solo besser als mit Begleitung; sympathischer, etwas rustikaler Stil nach Art der Pfalzrieslinge

II. Flight
Michel Gonet Blanc de Blancs Grand Cru 1998, btl. no. 3801
300000 Fl. p.a.
handbemalt
Klassischer Avizechampagner mit einer Perlenkette freundlicher Aromen, von Weissdorn über Nashibirne, Ananas, Weinbergpfirsich hin zu Mandarine, Nektarine und einem Mineralrückgrat, das den Champagner immer aufrecht stehen lässt.

André Clouet Un Jour de 1911 Blanc de Noirs Grand Cru, btl. no. 800, degorgiert am 27. Feb. 2007
65000 Fl. p.a.
25% 1997, 50% 1996, 25% 1995
Grosser Champagner nach Art der Grossväter. Ein Abgrund von Pinot Noir: Erotik im Glas, würzig, weinig, warm, fast schwül, ein richiger Burlesque-Champagner.

III. Flight
Bernard Hatté Rosé NV
40000 Fl. p.a.
100% PN
Winzerrosé aus der östlichen Montagne, Verzenay Grand Cru ist zusammen mit Ay und Ambonnay eines der mächtigsten Pinotterroirs der Champagne – und bernard Hatté macht das Beste draus, je nach Jahr mit Stahltank oder Holzfass, aber immer bis ins Letzte ausgeleuchtete Aromatik, präzise sitzende Säure und ein ruckelfreises Weinvergnügen zum kleinen Preis, leider auch nur in kleiner Menge

Larnaudie-Hirault Rosé Premier Cru NV
30000 Fl. p.a.
20% Rotweinzugabe
Winzerrosé von der westlichen Montagne, Premier Crus aus Trois Puits und Rilly-la-Montagne kommen in diesem Rosé zusammen. Gaumenschmeichler mit viel Rosenblättern, Zitrusschale, Kräuterwürze. Reiner Wein aus dem Stahltank, unverkitscht auf die Flasche gebracht.

IV. Flight
Tarlant Brut Zéro Rosé NV, degorgiert Juni 2006
100000 Fl. p.a.
15% PN, 85% CH
holzfassausgebaut, Rotweinzugabe
Parkers Liebling mit einem innovativen Geschoss. Dass die Tarlants schon seit 50 Jahren mit Extra-Brut hantieren, weiss fast keiner. Deshalb staunt alle Welt immer über diese aus dem Handgelenk geschüttelten Cuvées von Jean-Mary und Benoit Tarlant. Aber diese mühelose entfachte Fruchtexplosion verdankt sich nicht dem Zufall, sondern langer Erfahrung und harter Verkostungsarbeit.

Taittinger Comtes de Champagne Rosé 1997
4,7 Mio. Fl. p.a.
70% PN, 30% CH
Maischekontakt
Der alte Adel unter den grossen Rosés und einer der besten Prestigerosés überhaupt. Trinkt sich hervorragend und kostet im Gegensatz zu den edelrosés der anderen Grosskopfeten nicht die Welt. Taittingertypische Eleganz, sportliche Sehnigkeit, der perfekte Triathlet: gut aussehen, gut duften, gut schmecken.

V. Flight
Regis Fliniaux Cuvée des Signataires NV
20000 Fl. p.a.
50% PN, 50% CH
holzfassausgebaut
Das Genie aus Ay, leider ständig ausverkauft, aber wenn man Regis mal vor dem ersten Hahnenschrei in seiner Heimstätte beim Dégorgieren (alles von Hand!) überrascht, dann darf man auch ein paar Flaschen mitnehmen. Die Signataires sind ein Wahnsinn aus Kirsche, Banane, Ananas, Mango, Passionsfrucht, mit spritziger Säure und gutem Kehlenprofil.

2003 by Bollinger
1,3 Mio. Fl. p.a.
70% PN, 30% CH
holzfassausgebaut
Hommage an ein desaströses Jahr. Einer der merkwürdigsten Champagner der letzten Jahre, hing zuerst wie ein toter Wellensittich im Glas, entwickelt sich aber seit etwa einem jahr immer besser und rollt unaufhaltsam auf seinen wahrscheinlich recht baldigen Reifehöhepunkt zu. Kaffee, Toffee, viel Apfel, wenig Säure, Mürbeteig, mineralisch-jodige Noten. Sicher nicht für jeden ein Genuss, aber auf jeden Fall eine Besonderheit.

VI. Flight
Moet et Chandon – Dom Pérignon 1998
26 Mio. Fl. p.a.
50% PN, 50% CH
Der Mönch und die Mode – von Lagerfeld aufwendig in Szene gesetzt und von den Stars und Sternchen weltweit mehr oder minder besinnungslos weggeschlürft. Dabei verdient dieser Champagner und dieser Jahrgang eine genauere Betrachtung und eingehendere Würdigung; sicher: als überragend werden 98, 99, 00, 01 nicht in die Geschichte der Champagne eingehen – aber das gilt auch für 1987, 1995 und 1997. Und aus diesen Jahren gibt es sensationelle Champagner. Das wiederum zeigt: der Könner im Keller kann was draus machen. Beim Dom hat es geklappt. Kein Dom vom Kaliber eines 90 oder 96, aber einer mit einem eigenständigen, bodennahen Profil, fast ein wenig back to the roots. Mineralisch, sehr viel Toast, Kräuter, die typisch dommige Leichtigkeit und die ständige Verwandlung und weiterentwicklung im Glas machen aus diesem Champagner dann doch noch einen würdigen Dom.

Gosset Celebris 1998
900000Fl. p.a.
36% PN, 64% CH
kein BSA; Holzfassausbau
Champagner vom ältesten Weinhaus der Champagne. Völlig anders als der durchgeistigte Mönch. Von Anfang an präsent, mit starker Stimme, starken Aromen, starker Säure, von allem etwas, ohne dass man das Gefühl des non multa sed multum bekommt. Starke performance dieses etwas aus dem Blickfeld der Öffentlichkeit gerutschten Hauses.

flying buffet und passende Champagner

Vorspeisen

 

I.1 Brioche mit Foie Gras, dazu Ralf Peter Schauf Rieslingsekt (ecovin) trocken 2007

Die daumenkuppengrossen Hamburger hatten einen Tupfer zartschmelzender Foie Gras als Belag. Fast schon banal, aber wenn Burgerbrötchen und Foie Gras im richtigen Verhältnis (der Foie Gras Klacks muss ca 2/3 der größe des Miniburgers haben) zueinander stehen, ein willkommener Snack.

Dazu passt sehr gut der mit 7,50 EUR gar nicht teure Winzersekt aus Ernst an der Mosel. Gerade weil er trocken dosiert ist, paaren sich die Süße von der Foie Gras und die durch den Dosagezucker herausgehobene Rieslingfrucht optimal.

 

I.2 Rinder-Carpacchio mit Rucola, dazu Jean Moreau Brut Tradition Grand Cru NV

Etwas faseriges Rucola und extrem dünn geschnittenes Carpacchio, das bevorzugt am Teller kleben blieb oder sich nur durch Zusammenmatschen auf ein Essgerät bringen ließ. Dazu Schnipsel von irgendeinem viel zu jungen Hartkäse. Schmeckte zwar, machte aber keine Freude. Freude machte dagegen der hälftig aus Chardonnay und Pinot vinifizierte Champagner von Moreau aus Ambonnay. Für einen Brut denkbar hoch dosiert und für mich schon extra dry, aber wegen seiner gediegenen, zwischen sportlicher Chardonnayfrische und gemütlicher Pinot-Ruhe angesiedelten Art mit einem Schwenker über Butterscotchtoffee sehr sympathisch. Gut zu Rucola, zu großzügiger geschnittenem Carpacchio sicher auch.

 

I.3 Steinpilz-Tiramisu, dazu Rene James Lallier Brut Zéro Grand Cru NV

Intensives Steinpilzaroma und angenehm feste, nicht zu fluffige Konsistenz. Mir aber selbst als kleine Portion zu viel und zu einseitig. Nicht ganz glücklich dazu der "einfache" Grand Cru von Lallier aus 70% Pinot (Ambonnay) und 30% Chardonnay (Avize) als Zéro-Dosage, jedenfalls dann nicht, wenn das Dégorgement noch nicht so weit zurückliegt. Das Hauptproblem beim Zéro ist, dass er kurz nach dem Dégorgement zu frisch ist und dann nicht so konstant und zuverlässig reift, wie der leicht dosierte Champagner. Gerade die reifen Lalliers bestechen aber durch pilzige Noten und Unterholz, Kaffee- und röstige Komponenten.

 

Hauptspeisen

 

II.1 Maispoularden-Variation am Lollystick, dazu Taittinger Brut Prestige Rosé NV

Zartes, warmes Fleisch am Stiel, eine gute Sache. Mal mit Spinat, mal mit Pumpernickel, teilweise mit einer Karottencrème, jede Variante war gut zu essen. Wieder 70PN/30CH, hier in einer ganz leichten, fruchtigen Mischung, die nach Art der großen Häuser auf Massengeschmack getrimmt ist – das aber so gut, dass es schwer fällt, zu widerstehen. Etwas schwierig mit gemüsigen Speisen, aber sehr schön zur Maispoularde und zum Pumpernickel. Indifferent zu Karotte.

 

II.2 Seeteufelmedaillons auf Pestonudeln mit Lauch-Tomaten-Gemüse, dazu Duval-Leroy Femme de Champagne 1996

Gegen Seeteufel kann man ja nicht viel haben. Die Pestonudeln waren leider etwas hart, das Lauchgemüse nervte und hätte viel dezenter und in kleinerer Menge serviert werden sollen. Entschieden gut und ein großartiger partner zum Fisch die Femme de Champagne. Reife, kräftige Säure und ein zupackender Stil, eine Cuvée aus ca. 25% Pinot und ca. 75% Chardonnay, die eins zu eins dem emanzipierten Führungsstil von Carol Duval entspricht. Nichts für Schleckermäuler und mit Sicherheit kein Champagner fürs Schäferstündchen, sondern ernste Unterhaltung.

 

II.3 Hummerpraline im Kanakiteig auf Mango-Limonen-Ragout, dazu Baron Fuenté Blanc de Meuniers NV

Schöne Kombination aus zurückhaltendem, sehr dünnem Teig, gut wahrnehmbarem Hummer und auflockernder Frucht. Die originelle Flasche birgt einen nicht minder originellen Inhalt, 100% Pinot Meunier, weiß gekeltert. Eigentlich eine sehr naheliegende Cuvée für ein Haus aus Charly sur Marne, denn es handelt sich um die beherrschende Traube im Marnetal. Richtig ausgebaut kann man mit diesem underdog überraschende Ergebnisse erzielen und manche Meuniers bringen es gar zu Kultstatus. Das ist hier gar nicht gewollt, dieser Champagner ist mehr eine Hommage an das Fruchtfleisch auf den mineralischen Rippen vieler "normaler" Cuvées, denn das eine ohne das andere kann nicht sein und nur allzuoft wird mehr Wert auf das Skelett gelegt, als auf die Figur. Fortgeschrittene Reifetöne versprechen eine zum Hummer passende dekadente Üppigkeit, die sich im Mund als konzentrierte, rosinige, auch schon überreife Fruchtdominanz äußert. Säurearm und von Honigtönen umspielt, passt dieser Champagner gut zu den Säurespitzen vom Mango-Limonen-Ragout. Solo geht er mir dagegen zu schnell aus dem Leim.

 

II.4 Vanillierte rote Linsensuppe mit St. Jacques, dazu Deutz Cuvée Brut Classic NV

Sämige, gut gelungene Komposition und bissiges Muschelfleisch, da kann man nicht meckern.

Passend dazu die renovierte Bilderbuchcuvée von Deutz. Drittelmix aus gleichen Teilen Chardonnay, Pinot-Noir und Pinot Meunier, keine zu hohe Dosage und eine von dezent animierender Säure getragene Mineralität, dazu pürierte Früchte und krosser, leicht gebuterter Toast.

 

II.5 Canneloni mit Garnelenfüllung auf Zitrusspinat und Pinienkernen, dazu Franck Bonville Les Belles Voyes Blanc de Blancs Grand Cru (2004)

Bissfeste Canneloni mit etwas müder Garnele, dafür ein aromatischer, grossblättriger, gleichzeitig zartfester Spinat, die Pininekerne dazu sanft angeröstet und aromatisch aber nicht zwingend nötig.

Kein offizielle deklarierter Jahrgangschampagner, aber fakisch ein 2004er aus dem Herzne von Oger, wo die Chardonnays so tiefgründig mineralisch und von strenger Säure sind, wie im benachbarten Le-Mesnil. Die Einzellage Belles Voyes ist mit steinaltem Chardonnay – um die 80 bis 90 Jahre – bepflanzt; Franck Bonville zwingt die Reben zum Glück und lässt sie fast wie im Märchen vom tapferen Schneiderlein die letzten Tropfen aus dem Gestein pressen. Dementsprechend sagenhaft schmeckt der im alten Holzfass gereifte Wein. Großartig und wie verwandt mit Pinienkernen, gut zu den Cannelloni, auch zu den Garnelen, etwas schwierig mit dem Spinat und am besten eigentlich solo.

 

Nachspeisen

 

III.1 Kakaowürfel mit flüssigem Mangokern, dazu Pol-Roger Rich (demi-sec) NV

Ziemlich mastiger kleiner Kakaoklotz, der an Eiskonfekt erinnert, die Mangofüllung hätte mehr Biss und Säure benötigt. Nicht völlig unproblematisch aber mit etwas gutem Willen dazu der Demi-Sec von Pol-Roger. Der ins Zitrusfruchtige neigende Champagner ist gar nicht so arg süss und daher ein heikler Partner für Desserts. Mit dieser eher bitterschokoladigen und ziemlich buttrigen Kreation kommt er, wenn man nicht partout in den Diabetikerhimmel will, gerade noch zurecht.

 

III.2 Quittenmousse mit Lakritzreduktion, dazu Charles Heidsieck Blanc de Millenaires 1995

Feine, sehr saubere Quittenaromen, angenehm samtige Textur, dezente Süßholzaromen, die auch nicht stärker hätten sein dürfen. Diesen Blanc de Blancs muss man allein deshalb zur Quittenmousse trinken, weil er die Quittenaromen so völlig auf Augenhöhe wiedergibt. Da die Quittenmousse nicht zu süss ist, wirken die Aromen prachtvoll und holzschnittartig vergröbert, aber immer noch sehr kunstvoll.

Bordeaux gegen Bordeaux-Blend im Vecchia Roma

I Amuse Gueule

1. Opener: Diebolt-Vallois Blanc de Blancs Grand Cru 1997

Jahrgangstypischer, deshalb leicht diebolt-untypischer Champagner, der sich erstaunlich freigebig, mit Äpfeln und Birnen präsentiert. Runde, milde Säure, volles Mundgefühl, mittellang.

II. Kurz gegrillter weißer Thunfisch auf lauwarmen dicken Bohnen

1. Beauregard à Pomerol 1993

Gut entwickelte, reife, warme Nase mit Pflaumenmus und Röstnoten. Einen Hauch über dem Léo, dem mehr Luft sicher zu einem besseren Abschneiden verholfen hätte.

2. Léoville-Barton, 2éme GCC à St. Julien, 1993

Verhalten, sperrig, schnappte regelrecht nach Luft, dann langsame Entwicklung von roter Grütze und einer noch ziemlich maskulinen Säure.

III. Gebratene Entenleber auf bitter-süsser Orangengremolata

1. Reichsrat von Buhl, Forster Jesuitengarten Spätlese 1998

Der pfälzische, selbst von Zesten geprägte Stil dieser Zeit passte perfekt zur Orangengremolata. Locker auf Ausleseniveau.

2. Warwick Estate Trilogy, Stellenbosch, 2000

Zunächst eine Nase wie von staubig gewordenen Maggiwürfeln, im Mund auch ziemlich staubig, etwas fleischig, wobei sich mit der Luft eine konzentrierte, amaronige Art entwickelte, die den Wein dann als neue Welt enttarnte.

3. Louis M. Martini Napa Cabernet-Sauvignon 2005

Eine parfumierte Art, wie die Fruchtjoghurtdrops von Katjes. Schmeckte nicht schlecht, aber so beliebig, wie jeder andere Bordeaux-Klon.

Die Roten waren beide keine Knüller, wobei der Warwick der interessantere, entwicklungsfreudigere Wein war.

IV. Geschmorte Kalbsbäckchen auf warmen Linsen

1. Ornellaia 2005

Kraftvoll, kirschige Nase, viele gemahlene Mandel- und Aprikosenkerne, Spuren von Bleistift; im Mund mit einem Knall präsent, vielleicht sogar zu alkoholisch, aber eben eine jugendfrische Schönheit gegen einen schwierigen, da wesentlich älteren, reiferen, voll ausentwickelten Flightpartner. Für mich trotzdem eine Nasenspitze vor dem Bordeaux, der zweifellos sein bestes gab.

2. Grand Mayne, GCC St. Émilion, 1990

Kleiner Stallstinker, gefolgt von einer sehr gelungenen Mischung aus Graphit, Unterholz, Pilznoten und einer darunter liegenden Schicht reifer, süsser Tannine. Dabei durchweg konzentriert, ganz ohne Unschärfen und insofern wohl auf dem Reifehöhepunkt angekommen, bzw. mitten im sweetspot getroffen.

V. Farfalle tradizionale mit Rehrückenragout

1. Grand Corbin Despagne, GCC St. Émilion, 2000 en magnum

In der Nase Zündhütchen von der Karnevalspistole, pfeffrige Noten, sonst eher schwache Nase. Im Mund süsslich, mit Zimt und Kardamomaromen, auch hier wenig Frucht, kam dann erst mit der Zeit aus der Deckung und war dann durchaus erfreulich. Machte sich auch ganz gut zum Kalbsbäckchen, harmonierte aber nicht völlig einwandfrei, gefiel mir deshalb einfach so im Glas besser.

VI. Reiner Weinflight:

1. Lagrange, 3ème GCC à St. Julien, 1990

Sehr kraftvoll, dabei glatte, seidige Tannine, eine Mischung aus Pauillacpower und St. Julien Eleganz. Konzentrierte Frucht und ledrige, auch an Zigarrenkiste erinnernde, mit erstaunlich viel Minze vermischte Noten. Wird jetzt nicht mehr besser – muss er aber auch nicht.

2. Pichon Comtesse de Lalande, 2ème GCC à Pauillac, 1989

Feine Struktur, ebenfalls mit Minze, die aber dezenter und zurückhaltender als beim Lagrange war. Außerdem Laub, Efeu, grüner Pfeffer, reifes, etwas mürb-süsses Mundgefühl, ein langer, harmonischer, fast schon kitschig guter Bordeaux.

VII. Lammfilet aus der Röhre, im gekräuterten Pancettawickel mit Rosmarinreduktion und Artischocken-Oliven

1. Henschke, Mt. Edelstone, Barossa Valley Shiraz, 1996

Joghurt, gekochtes rotes Obst, dunkle Beeren, sehr feines Eukalyptus-Menthol, ziemlich konzentriert und speichelflussfördernd, strukturierter, ansprechender Wein.

2. Gallo Estate, Sonoma, 1996

Hitzig, etwas brandig, konzentriertes, etwas scharfes, beinahe angebranntes Früchtemus, Minze, Zigarrenkiste, vielleicht auch schon zu alt. Entwickelte sich mit Luft und gehörte zu den unterschätzten Weinen des Abends, konnte aber auch nicht in der Spitzengruppe mitspielen.

und einzeln:

VIII. Cantenac-Brown, 3ème GCC à Margaux, 1999 en magnum

Der befand sich in sehr guter Verfassung, war aufgeschlossen, mit harmonischen, eher in Richtung Erdbeer-Himbeer als Cassis-Brombeer gehenden Noten. Zartes Holz, minimal ätherisch-ölige Art, stabile Säure, selbst eine gewisse herb-ledrige Art war noch zu finden. Zurückhaltender, bescheidener Wein, der nicht auf die Pauke haut, sondern als Hintergrundwein eine beständig gute Figur macht. Für mich einer der Überrascher in dem starken Bordeauxfeld.

IX. Weinflight

1. Ducru Beaucaillou, 2ème GCC à St. Julien, 1995

Mürbe, zart nussig, oatmeal cakes, Pumpernickel, ganz leicht metallisch-blutig, aber auch saftige Frucht und kerngesundes Tannin. Elegant und mit sehr rosiger Zukunft.

2. Léoville-Barton, 2éme GCC à St. Julien, 1996

Kernig, trocken, toastig, etwas flintig, auch Rosenblüten, für mich der Riesling unter den Bordeaux, konzentriert, mineralisch, konzentriert aber nicht streng. Enger als der Ducru-Beaucaillou.

X. Weinflight

1. Remelluri, Rioja Reserva, 1995

Kühle Stilistik, entfernt an Waldmeister angelehnte, grünlich-kräuterige, keinesfalls unreife Art. Im Mund dann voll, saftig mit viel Kirsche. Nicht nur dafür, dass der mal 25 DM (!) gekostet hat ein echter Knaller!

2. Figeac, GCC B St. Émilion, 1995

Eng, hart, metallisch, etwas röstig, im Mund dünn, keine Spur von Figeac. Bestätigt meinen Eindruck von früher, als der Wein sich wie ein völlig ungebärdiger Kraftmeier aufführte, ohne Eleganz, ohne Frucht, ohne Spass. Sehr schade, ich hatte mich auf den Wein gefreut und erwartet, dass der sich ein bissche harmonischer zeigen würde.

XI. Fonraud, Listrac, 1959

Rosinig, von einer sehr warmen Art, Kräuterhonig, Garrigue, konzentriert, straff, gesund. Hätte ich NIE für einen völlig unbekannten 59er Listrac gehalten.

XII. Käse

1. Kracher Nouvelle Vague No. 10, Welschriesling, 1999

Aprikose, Ananas, Pfirsich, viel Süße, gleichzeitig ein gesundes Säuregegengewicht, strukturierter, sehr raffiniert gemachter Wein. Großartig mit dem Fourme d’Ambert, aber auch zum Langres.

XIII. Montrose, 2ème GCC à St. Estèphe, 2000

Jung, eng, seidig, schon etwas würzig, mit erdigen, auch an Schiefer erinnernden Noten im Vordergrund. Nach dem Kracher etwas schwierig, vor allem ist der Wein kein Drängler und Schreihals, sondern ausgesprochen distinguiert.

Champagner Impromptu

I. Veuve Clicquot Ponsardin Carte Jaune, 3. Dég. 1996

Optisch von einem etwas matten Gold, mit noch ganz ansehnlicher Perlage. In der Nase zurückhaltende, nicht nur gereifte, sondern schon gealterte Töne, milde Räuchernote, Toast, Milchschokolade. Im Mund gesunde, reife Säure, aber kurz vor dem Kippen. Dazu sehr kräftiges Backpflaumenaroma. Erfreulicher Champagner, der meine positiven Erlebnisse mit älteren Standardbruts der großen Häuser bestätigt.

II. Bernard Tornay Blanc de Blancs 1999

Winzer aus Bouzy Grand Cru mit einem herausragenden 1970er, den er aber nicht hergibt. In der Nase zunächst Geißblatt, Campher, sehr entwicklungsfreudig mit hinzukommenden kalkigen, pudrigen Noten und schließlichnoch sehr jugendlichen, primärfruchtigen Obstaromen, Kirsche, Banane, exotische Früchte. Ziemlich typisch für Blanc de Blancs aus dieser Region der Champagne und erstaunlich frisch für einen 99er. Im Mund derselbe Eindruck, mit einer stärkeren Betonung auf nussigen, rauchigen, Reife anzeigenden Aromen.Toller Winzer mit für Champagnerwinzer ungewöhnlich moderner website: www.champagne-tornay.fr

III. Jacques Selosse Rosé, dégorgiert am 19. Nov. 2007

90% Avize Chardonnay Grand Cru und 10% Ambonnay Pinot-Noir Grand Cru, daher ziemlich helles Rosé. Mix aus zwei aufeinanderfolgenden Jahren, biologischer Anbau, im Holzfass ausgebaut. Daher ein starker Holzton merklich, der aber in dem Duftzirkus, der sich ab der ersten Sekunde entfaltet und ständig weiterwandelt, schnell eingebunden wird – in anderen Weinen wäre dieses sehr prägende Holz wahrscheinlich absolut dominant, hier ist es eine von vielen Komponenten, was für sich schon beeindruckt. Bitterorangenliqueur, Pink Grapefruit, Kalk, Kirsche, Kräuter, einige vegetabile Noten, Nektarine, Mandarine, Verbene, Weißdorn, alle geben sich ein Stelldichein. Im Mund nochmal die gleiche Show. Enormer Champagner, leider sehr rar.

IV. Yves Delozanne Vintage 1995

Der sympathische Weinbauer aus dem letzten, wirklich allerletzten Winkel der Champagne steht mit seinem Konterfei für jeden seiner Champagner. Freundlich und von sich überzeugt lächelt er von jedem rechten unteren Eck der Rückenetikette seiner Champagner, gleich neben dem Barcode. Der meuniergeprägte, rustikale Stil des Vallée de l'Ardre Winzers ist aber längst nicht alles, was der Kollege kann. Immer wieder bringt er nämlich höchst interessante, in vielfacher Hinsicht beeindruckende Champagner zustande, die den Vergleich mit den großen und begehrten Champagnern nicht scheuen müssen. So auch hier. Nachdem die Liebstöckelnote sich verflüchtigt hat, kommt der Duft einer ganzen Tüte Haribo-Saftbären zur Geltung. Vom Stil her irgendwo zwischen Roederer und Bollinger, mit viel frischem, dickem Quittenmus. Wirkt auch im Mund jugendlich, frisch und eher wie 2004 als 1995.

Krug: Clos du Meunier in Aussicht?

Nach dem legendären Blanc de Blancs Clos du Mesnil (der Eigentümer Julien Tarin hat die Parzelle 1973 an Krug verkauft, deren Jungfernjahrgang von dieser Anpflanzung war der 1979er Clos du Mesnil) hat das Edelhaus jüngst einen Blanc de Noirs Clos d'Ambonnay (100% Pinot-Noir, Jungfernjahrgang 1995, Nachfolgejahrgang 1996 wird Anfang 2010 erwartet) herausgebracht. Und dieser Weg wird konsequent weiter beschritten: Offenbar plant man bei Krug, einen dritten "Clos" herauszubringen – und zwar einen 100% Pinot Meunier. Krug gehört zu den wenigen Häusern, die in ihren Spitzenchampagnern Meunier verwenden, insofern wäre es höchst wünschenswert und lehrreich, einen reinen Meunier von Krug zu trinken. Wenn sich der Preis indes ebenso konsequent nochmals verdoppelt, gibts im Marnetal natürlich auch viele andere hübsche Alternativen aus 100% Pinot Meunier.

Menu vom Grand Chapitre 2009

A. Champagne-Apéritif

I. Moet et Chandon Grand Vintage 2000 en magnum, 50 CH, 34 PN, 16 PM

Kein Moet-bashing an dieser Stelle. Der Grand Vintage 2000 ist ein sehr gut gelungener Jahrgangsvertreter mit Akazienduft, Lychee, Mandelgebäck und Dosenobstmischung “Tropical”. Im Mund unaufdringliche, aber sehr lange und elegante Säure, der ideale gehobene crowd pleaser.

II. Laurent-Perrier Brut en magnum, 45 CH, 40 PN, 15 PM, [Premier Cru], ca. 15% Reserveweine, 12 g/l dosiert

Frischer, leichter, etwas kühler Standardbrut, mit 12 g Dosage am obersten Ende der Brutskala und im Übergangsbereich zum Extra Dry. Im Mund sauber, mit kreidiger Textur und sanfter, seriöser Säure.

III. Nicolas Feuillatte Palmes d’Or 1996, 50 CH, 50 PN

Vollreife Ananas, Orangen, Pomelos, Hibiskusblüten, Akazienhonig, Nüsse und Äpfel, nelkengespickte Orangen, flüssige Weihnachtsstimmung. Im Mund eine ungewöhnliche, fast bodenlose Tiefe, Säure, die wie eine Nadelrad die Kehle runtergeht, ohne Wunden zu reissen, gleichzeitig heilende, balsamische, medizinale Noten, die aber nicht an bittere Pillen, sondern an Fruchtgelee erinnern. Unverschämt guter Champagner.

B. Menu

I. Millefeuille von Jakobsmuschel, Thunfisch und bretonischem Algensalat mit Gillardeaux-Auster und gebratener Garnele, dazu: Taittinger, Comtes de Champagne Blanc de Blancs 1999 en magnum

Einer von den schlanken, beinahe hageren Comtes, die so gar nicht zu Pierre-Emmanuel Taittinger passen. Kaffeedurft, mineralische Noten und geröstetes Brot, im Mund schlanke, frische Säure, die sehr gut zu den leicht salzigen Algen, zur Jakobsmuschel und zum Thun passte. Auch die gebratene Garnele war ein dankbarer Partner für diesen Comtes, die Auster hätte allein besser geschmeckt.

II. Warm geräucherter Ruhraal mit Bohnen, Speck und Birne, dazu: Lanson Noble Cuvée 1995 en magnum, 70 CH, 30 PN, aus Avize, Oger, Cramant, Bouzy, Verzenay

Einer der beeindruckendsten Vertreter aus dem Haus Lanson, jedenfalls was die letzten zwanzig bis fünfundzwanzig Jahre betrifft. Reiche Apfelernte, Birne, Weinbergpfirsich, ein Sack voll grüner Kaffeebohnen und Kastanien, auch Kräuterduft und eine warme, erdige Art. Grossartige Entwicklung über Stunden hinweg, wurde immer besser, komplexer und schöner, zusammen mit dem 97 R.D. mein Favorit des Abends. Der Rujraal war zum Glück überhaupt nicht fett und gab zusammen mit der Birne eine traumhafte Kombination zum Champagner ab.

III. Moorhuhn auf Pastinakenpurée im Sellerieblatt, mit Champagnersauce, gebratenen Pfifferlingen und Rosmaringlacé, dazu: Bollinger Grande Année 1997 RD, dég. 28. Sep. 2008, en magnum, 65 PN, 35 CH, extra brut dosiert

Schier unfassbar, wie der völlig unspektakuläre, will sagen: auf gehobenem Niveau gut trinkbare, wirklich nicht unleckere, aber auch nicht als Champagner für die Ewigkeit gemachte Grande Année in der R.D.-Fassung aufgeht. Dunkle Vinosität, klare Pinotnatur, Fleisch, Saft, ein druckvoll und vulkanartig aus dem Glas strömendes autolytisches, von Honig, Zitrus, Ingwer und Ginseng geprägtes Aroma. Im Mund ein ebenso explosives Gefühl und eine absolut adäquate Säure. Die Pastinaken dazu waren etwas zu laff, das Moorhuhn hingegen genau das richtige, von mir aus hätte es auch rohes Wildschweinfleisch sein können, dieser Champagner hätte das in der derzeitigen Hochform locker verkraftet.

IV. Chaource, dazu: Duval-Leroy Rosé Brut

Schöner, etwas zu junger Chaource, der Duval-Leroy Rosé mit seiner sehr massenkompatiblen, fruchtigen Art machte das wieder wett.

V. Tarte Tatin mit Marc de Champagne-Granité und Sauerrahmeis, dazu: Veuve Clicquot Rich Reserve Vintage 2002

Schöne warme Tarte, deren Granité schon ziemlich alkoholisch schmeckte und eine ziemliche Herausforderung für den Veuve Clicquot Rich Reserve war. Warum Veuve dieses Granatenschöne Jahr als demi-sec vinifiziert hat, wird wahrscheinlich ein Geheimnis bleiben, jedenfalls geht die besondere Eleganz und ultraelegante Feinheit dieses Jahrgangs unter dem Dosagezucker völlig verloren. Schlechter wird der Rich in seiner Eigenschaft als demi-sec dadurch indes nicht.

VI. Feingebäck und Pralinen, dazu: Cognac Hennessy Fine de Cognac, Cognac Davidoff Classic und Porto Rozès

Besuch bei Laherte, Lunch im Château de Boursault und Abendessen bei Jacky Charpentier

Laherte Frères

Laherte verwendet seit 2004/2005 Mytikkorken und weist auf die dadurch verlangsamte, reduktive Reifung hin. Beim Fassausbau geht es ihm um Oxigenisierung, nicht Oxidation, d.h. ungesteuerten, minimalen Sauerstoffeintritt durch die Poren im Fass, nicht aber Vernichtung der Aromatik durch ungezügelten Sauerstoffkontakt. Fassweine machen bei ihm im Gegensatz zu den tankausgebauten Weinen keine Malo mit.

Vins Clairs

I. Chardonnay aus der Lage Les Crayons, 2009

Harte Säure und Mineralität. Wie das Stahlbetongerippe eines Bankentowers.

II. Chardonnay vom Lehmboden, 2009

Jodig, salzig, im Mund anfangs leichtgewichtig, dann eine ziemlich dicht gewirkte Struktur.

III. Chardonnay aus der Lage Les Guichettes, 2009, ausgebaut in einem Fass von der Tonnellerie Francois Frères, Burgund

Burgundische, montrachetähnliche Nase, mildes Holz, hier sitzt das fett an den richtigen Stellen, gute Struktur, mittlere Säure

IV. Chardonnay aus der Lage Les Guichettes, 2009, ausgebaut in einem Fass von der Tonnellerie de Champagne

Röstig, Kaffeenoten, Feuerstein, im Vergleich mit dem identischen Wein aus dem Burgunderholz entwickelt sich hier eher eine Cahblisstilistik. Sehr lehrreiche Sache!

V. Pinot-Noir vom argilo-silex, 2009

Damenhafter, pudriger Duft, mostig und mit einem Aroma von angetrockneten Gojibeeren, sehr langer Nachhall.

VI. Pinot Meunier vom Lehmboden, 2009

Reife, etwas mollige, fruchtige und warme, auch parfumiert wirkende Art, im Mund anfangs schlank, später mit einer kräftigen Vitamin-C-Säure.

VII. Pinot Meunier vom Kreideboden, alte reben, gepflanzt 1047 bis 1964, 2009

Der Meunier stammt von einem klassischen Chardonnayboden und wurde dort nur gepflanzt, weil er mit den dort oft auftretenden Spätfrösten gut klarkommt. Weniger parfumiert, als VI, klar hervortetende Banane, Birne und Klebstoffnoten, erst sehr spät taucht etwas verhaltene Säure auf.

VIII. Alle sieben Champagner-Rebsorten aus einer gemischten Parzelle, 2009,

Frucht, Klebstoff, milde Säure und eine pappiger, klebriger Belag am Gaumen. Kein schönes Weinerlebnis.

IX. Alle sieben Champagner-Rebsorten aus einer gemischten Parzelle, Soleraverfahren mit den Jahrgängen 2008 – 2005

Pures Bananenmus, viel Burgunderaromatik, heisse Butter und schlanke Säure. Könnte man so schon trinken.

X. Pinot-Noir + Pinot Meunier mit leichter Malo, 2008

Apfel, herber Viez, auch sehr viel Birne, Nashibirne, später Banane, Butter und Toffee, bei mittelschwerer Säure.

XI. Chardonnay, 2008, ohne Malo

Zurückhaltend und leicht muffige Spontinote; sonst nur noch kräftige Säure.

XII. 80 PM + 20 PN, 2009 rot vinifiziert

In der Nase Roter Apfel und Graphit, am Gaumen Pektin und Bleistift, erdig, gekräutert, leicht säuerlich. Wie ein noch junger, einfacher, ehrlicher Bourgogne Pinot-Noir.

XIII. 75 PM, 25 PN, rot vinifizierter Stillwein, 2009

Fruchtig, mit Graphit und leichten Tanninen am Gaumen, etwas mehlig. Wirkt sehr “deutsch”.

XIV. Rosé Saignée de Meuniers, 2008, als Stillwein, 12-stündige Mazeration, ohne Malo

Kräftiges, sehr rotes Rosé. Etwas holziger Geschmack mit Spontinoten und viel Säure. Am Gaumen hervorstechendes Tannin und eine leichte alkoholische Schärfe.

Die Champagner:

XV. Rosé Saignée des Meuniers, 2008, schäumend (Tirage: April 2008, noch nicht im Handel), ohne Malo, gerade erst à la volée dégorgiert

Derselbe Wein, wie XIV. im Babystadium der Flaschengärung. Daher schon etwas eleganter, abgerundeter, aber immer noch etwas schwerfällig und von sehr dichter, schwer aufzudröselnder Aromatik.

XVI. Rosé Saignée de Meuniers, Jg. 2007, non dosé, wird ohne Jahrgangsangabe verkauft, ohne Malo

Kräftiges Rot, viel Mineralität, dichtgepackte Frucht mit Wildkirsche, Kirschwasser und Eau de Vie de Quetsch. Im Mund noch sehr sparsame Aromatik und eher hitzig-alkoholisch.

XVII. Rosé Saignée de Meuniers, Jg. 2006, non dosé, dég. Feb. 2009, wird ohne Jahrgangsangabe verkauft, kommt ab Feb. 2010 in den Handel

Auch sehr kräftiges rotes Rosé, das sich in Richtung Kupfer entwickelt. Leichtfruchtige Nase mit Reispapier, Weichselkirsche und Quittenmus, im Mund ebenfalls schon mehr Frucht und weniger alkoholische Wirkung. Mein Liebling unter den Rosés von Laherte.

XVIII. Rosé Saignée de Meuniers, Jg. 2005, Einzellage Les Beaudiers, alte Reben, dosiert mit 5 g/l, wird ohne Jahrgangsangabe verkauft, ohne Malo

Helles Kupfer, schon eine sehr entwickelte, sanfte Fruchtnase mit blumigen Anklängen. Im Mund schon weich und etwas müde. Für mich eine Frage des Rebenalters.

XIX. Rosé Tradition, Jahrgangsbasis mit 60% 2006, 40% 2005, hoher Anteil PM, geringer Anteil PN, 10 % Chardonnay; 12% roter Stillwein aus Pinot Meunier, dosiert mit 5 g/l

Einfacher Winzerrosé, der mehr Mineralität und wenig Frucht mit sich bringt. Passt zu Laherte, da kein Massengeschmackchampagner, aber leider auch kein unbeschwertes Trinkvergnügen.

XX. Blanc de Blancs Brut Nature, 60% 2006, 40% 2005

Alkoholische Nase, Feigenschale, Reispapier, Haselnussspuren, im Mund mineralisch und hart aber fair, mit feinen Pilzaromen.

XXI. Blanc de Blancs, 60% 2006, 40% 2005, aber mit 5 g/l dosiert

Ähnliche Anlagen wie der XX., aber von gediegener, freundlicher Art, die zeigt, dass Brut Nature nicht der Weisheit letzter Schluss ist. Wirkt am Ende leider etwas simpler, al XX.

XXII. Cuvée Les Clos Extra Brut, Cuvée aus allen sieben Champagner-Rebsorten (10% Fromenteau = Pinot Gris, 18% PM, 18% CH, 15% Petit Meslier, 8% Arbane, 15% Pionot-Noir, 17% Blanc Fumé = Pinot Blanc), Barriqueausbau als Solera, Batonnage, keine Malo, Basisjahrgang 2006, Reserve 2005, dég. 23. Dez. 2008

Komplexe, champagneruntypische Noten. Reif und fett, ziemlich kräftig, nussig, etwas Kokos; die leichte Räuchernote kommt wohl vom weißen Burgunder, der nicht umsonst auch als Blanc Fumé in der Champagne bekannt war; im Mund würzig und burgundig, kernige Säure mit einem Hauch von weissem, gemahlenem Pfeffer, aber auch Nektarine, Mandarine. Schmeckt am ehesten wie sehr guter Sekt.

XXIII. Vigne d’Autre Fois Mill. 2005, 100 PM, dég. 23. Dez. 2008, alte Reben (auf chardonnaygeeignetem, aber frostgefährdetem Kreideboden gepflanzt 1947 – 1964), mit 4 g/l dosiert, entspricht dem Stillwein VII

Dunkles Gelbgold, Papp- und Klebstoffnase, Geissblatt, Weissdorn, erfrischende Säure.

Empfang und Mittagessen auf Château de Boursault mit Daniel Lorson und Schlossherr Harald Fringhian

Das Château, das die Veuve Clicquot einst für ihre Enkelin errichten liess, wird von einem 40ha grossen Grundstück umfasst, davon sind ca. 22ha mit Rebstöcken bepflanzt, die auf dem Château vinifiziert werden.

XXIV. Variation von Bougères, dazu Pierre Moncuit Blanc de Blancs Grand Cru

Dichter, mineralischer Apéro-Champagner mit etwas in Butter gebratenem Granny Smith.

XXV. Blätterteigkekse mit Innereienfüllung, dazu Château de Boursault Cuvée Prestige, 54 PN, 6 PM, 40 CH, dégorgiert am 24. Juni 2009

Milchschokoladennase, im Mund weich, dicht, schmeichelnd, von grosszügiger Art. Glatt, mittellang, sauber. Hat Potential

XXVI. Wachtelbrust und -flügel mit Lauchgemüse, Speck-Sahnesauce und Fleur de Sel Flocken, dazu Piper-Heidsieck Brut Vintage 2000

Typischer, rauchiger, von Kaffeenoten beeinflusster Stil, hier auch schon mit reifenoten, die mir allerdings etwas verfrüht vorkommen, indes nicht jahrgangsuntypisch sind. Ausgewogener Großes-Haus-Champagner, der sich gerade während eines längeren Essens schön entwickelt.

XXVII. Warme Feigenscheiben in halboffener Marzipan-Teigtasche mit Physalis, Himbeereis und gerösteten Mandelsplittern, dazu Mercier Rosé demi-sec

Rosé demi-sec ist sehr sehr selten. manche sagen auch: völlig überflüssig. Dennoch ist es nicht uninteressant diesen Champagner zu vinifizieren und auch zu probieren. Das bestgeeignete haus dafür ist wahrscheinlich Mercier, deren Programm dadurch schlüssig abgerundet wird und die ja auch ein Rosé-Champagner-Eis mit Mövenpick herstellen. Buttrig, Himbeere und Erdbeer-Sahnebonbon, ein Hauch Mineralität, Räuchernoten und Brotrinde. Mit den Feigen etwas überfordert, dafür gut zum Marzipanteig und zu den Früchten.

Jacky Charpentier, Villers-sous-Chatillon, praktisch direkt neben der Monumentalstatue von Kreuzzugspapst Urban II. (der, der auch auf den Etiketten von Emmerich Knoll steht)

Reserveweinprobe mit Jean-Marc Charpentier

XXVIII. Pinot Meunier 2008, 6 Monate Fuder

Fruchtige, alkoholschwache Nase, pudrig und wie mit Steinstaub angereichert. Im Mund lebhaft prickelnde, frische Säure, leicht, trotzdem mittellang.

XXIX. Pinot Noir 2008, 6 Monate Fuder

Kräftig, dicht, aromatischer und runder als der PM, weniger Steinstaub, dafür mehr Kreide. Feine Säure, elegant und weinig.

XXX. Chardonnay 2008, 6 Monate Fuder

Erinnerte an Rheinhessen-Riesling vom Rotliegenden, dabei sehr trocken und staubig, auch etwas metallisch, nur leicht kalkig. Im Mund dann wieder angenehm, rund und sehr säurearm, was ich ganz erstaunlich fand. Ein bisschen wie die helleren, weissen, grünlichen und gelben Gummibärchen. Konnte man schon trinken.

XXXI. 80 PM 20 PN, davon 70% 2008 und 30% 2006 und 2005, Ausbau im Fuder

Etwas Banane und Holz, im Mund sehr mild mit gut eingebundener Säure.

Champagnerprobe

XXXII. Brut Tradition, 50 PN, 50 PM, Basisjahrgang 2005, Reservewein aus 2004, dosiert mit 3 g/l

Machte den Eindruck eines Blanc de Blancs. Zitrusfruchtnase, Kräuter, Orangenricola (spätestens dann weiss man aber, dass man es mit einem Pinot aus der Vallée de la Marne zu tun hat), Geschmack wie Fertigtortenboden mit Dosenmandarinen und Sahne, Baiser, aber auch Toffee, mittellang.

XXXIII. Vintage 2002, 45 CH, 35 PN, 20 PM, dosiert mit 3 g/l

Kaum klassische Chardonnaytypizität und eine schon etwas fortgeschrittene Nase. Auch im Mund noch elegant, aber schon einige weiche, mürbe und mehlige Noten.

XXXIV. Blanc de Blancs, 30 – 35% Barrique

Stumpfe, etwas eckige Mineralität, wirkt herb. im Mund gibt es auch Steine statt Brot, Granit, Steinmehl, Zementstaub, wenig Säure, leichter, aber xerotischer Champagner.

Dinner bei und mit Jacky Charpentier

XXXV. Presswurst Krakauer Art im Blätterteig mit Specksauce auf einer Coteaux-Champenois-Basis, dazu Comte de Chevinot, Drittelmix, Basisjahrgang 2005

Pudrige, etwas holzige Winzerinterpretation des klassischen Drittelmixes, angenehme, saftige, von exotischem Früchtemix geprägte Art mit mittlerer Säure, die mit der kräftigen, salzigen Sauce schön harmoniert und auch gut zu der Wurstscheibe passte.

XXXVI. Spießchen mit Lachs, Jakobsmuscheln und Schweinebauch in grüner Sahnesauce, dazu Cuvée Prestige, 60 PN, 20 PM, 20 CH, Reservewein aus dem Barrique

Flache Nase, aber eine forsche Säure im Mund, die den Fisch fast etwas verblassen liess und mit ihrer eigenen Kräuteraromatik mit Apfel und Acerola grossartig zu der dicken, fetten Sauce passte.

XXXVII. Scheibchen vom Lämmchen, bleu, aussen warm – innen roh, in sauce nature mit verscheidenen Bohnen und überbackener Tomate, dazu Brut aus 80 PM, 20 PN

Kräuter, Weissdorn. Im Mund milde Säure und ein wenig Apfel. Guter Winzerstandard, der problemlos zum Lämmchen ging und sich auch mit der Tomate vertrug.

XXXVIII. Käse: reifer Maroille mit Salatbouquet und Salzvinaigrette, dazu Pinot Meunier Coteaux Champenois 2004

Erstaunlicher Stillwein, kühle Graphitnase mit Pflaumen, Brombeeren und Holunderbeeren, der auch gut aus dem Maconnais hätte stammen können. Sehr gelungene Kombination zu dem traditionellen Käse, der von aussen wie ein Langres aussah und wie eine Mischung aus reifem Brie, Munster und Handkäs schmeckte.

XXXIX. Kokos-Vanilleeis im Biscuitmantel mit osa Biscuit de Reims, Vanille-Sahnesauce und Kaffee-Toffee-Dominostein, dazu Rosé Prestige

Zurückhaltender, mineralischer Rosé, dem Traditionsrosé von Laherte nicht unähnlich. Wenig Dosage, etwas eng, zum Dessert schwierig, würde aber eine Nachverkostung lohnen.

XL. Cuvée Pierre-Henri, 100 PM aus dem Barrique von alten Reben (gepflanzt 1953), ohne Malo, ohne Filtration, Schönung, usw.

Röstig, Kaffeenoten, weinig, lebhafte Säure, erinnerte mich an eine sehr leichte, gereifte Cuvée des Enchanteleurs von Henriot oder an jungen Piper-Heidsieck Rare NV, nach dem Dessert aber etwas schwierig.

XLI. Brut 1990, Pinot Meunier, kleine Anteile Pinot-Noir und Chardonnay aus dem Fuder, dég. 1995,

Rund und reif, typischer Jahrgangsvertreter der gelungenen Art, hat sich blenden gut gehalten. Ganz milde Süssholznoten künden vom relativ hohen Flaschenalter, aber sonst immer noch ein Wein, der durch Ausgewogenheit, raffiniertes Spiel von Kräuteraromen, Zitrusfrüchten und warmen Croissants besticht. Lehrreich für alle, die der Vallée de la Marne und speziell der Meunier keine Reifemöglichkeiten zutrauen.

XLII. Brut 1995, ca. 50 Pinot Meunier, ca. 27 PN, ca. 23 CH, dég. 1998

Nase von Calvados, Cognac und Sheridan’s Coffee-Cream Liqueur. Crème brûlée. Im Mund auch leichtes Süssholz, aber vor allem griffige, sehr charmant gewordene Äpfelsäure und ein leicht trocknendes Tannin.

XLIII Brut 1996, ca. 50 PM, ca. 27 CH, ca. 23 PN, dég. April 2001

Verschlossenen, praktisch zugenagelte Nase. Sehr hoh, technisch wohl auch reife, aber noch viel zu junge Säure. Langläufer, toll in 20 Jahren und später.

XLIV. Brut 1997, ca. 50 PM, ca. 27 CH, ca. 23 PN, dég. Januar 2000

Im besten Sinne typischer 97er, Riesentrinkspass, Mokkanoten, sonst noch fast keine Reifenoten, im Mund genau richtig zwischen frisch und reif, etwas balsamisch, erinnert an Grafschafter Goldsaft oder Ahornsirup, Apfelscheiben mit tröpchenweise uraltem Aceto Balsamico Tradizionale di Modena, mit Milchschokolade und milbuttrigen Aromen.

Mittagessen bei Billecart-Salmon, Abendessen bei Ruinart

Besuch bei Billecart-Salmon

Vin Clairs, Probe, Jahrgang 2009

weiß vinifiziert:

I. Pinot-Meunier aus Charly-sur-Marne, Tankausbau, noch vor dem biologischen Säureabbau

Farbe von ziegelrotem Staub, wirkte in der Nase zunächst reif, jedoch mit flüchtiger Säure/Klebstoff. Dann Fruchtentwicklung, argûmes, Grapefruit. Im Mund irre sauer und auch etwas salzig. Wie die Basis für eine Zitronen-Pfeffer-Sauce.

II. Pinot-Noir aus Mareuil-sur-Ay, Tankausbau, Einzellage Les Traverses direkt südlich vom Clos St. Hilaire

Etwas helleres rotes Schimmern als beim PM, Apfel-, Birnen-, Bananennase. Weiße Blüten, wieder Klebstoff. Schlankere Säure, als der PM, im Mund eng, dicht, auch klebstoffig und etwas salzig.

III. Chardonnay aus Le Mesnil, Tankausbau

Runde, weiche Nase, Nashibirne, im Mund wenig Salz, viel Säure. Mineralisch, steinig und etwas scharf.

IV. Chardonnay aus Le Mesnil, Holzfassausbau

Heller, klarer Wein. In der Nase Vogelbeeren, Quittenmus, Holz, Akazienhonig, Passionsfrucht, ziemlich exotische Mischung. Im Mund sehr mineralisch, heftigere Aromenentfaltung aber auch etwas schlankere Säure als beim tankausgebauten Le Mesnil.

rot vinifiziert

V. Pinot-Noir aus dem lieu dit Valofroy am Clos des Goisses, noch vor dem biologischen Säureabbau

Schweflig, reduktiv, Nase wie kalter Eiersalat mit hellen Früchten wie Apfel oder Birne. Langsam entwickelt sich dann Erdbeere, im Mund schon ziemlich robust, bei mittlerer Struktur. Sanftes Prickeln. Elsässer Pinot-Stil.

VI. Pinot-Noir, Reservewein

Farbe und Nase wie ein Bourgogne-Epineuil. Warm, leicht holzig, seidig, etwas Silex, Kirschpaprika, wenig Tannin.

VII. Rouge de Reserve, Mix aus den Jahrgängen 2008 bis 2003

Gegenüber dem 2009er PN de Reserve mehr Erdbeere, stärker entwickelte rote Früchte und etwas mehr Komplexität, sonst ebenfalls leicht und frisch, kaum Tannin.

Die Champagner:

VIII. Rosé NV ohne Dosage aus der Tirage 2008 (wird erst Mitte 2010 mit ca. 9g/l Dosage in den Handel gelangen), 40 CH, 30 PN, davon 7% Stillwein, 30 PM

Helles Rot, Weinbergpfirsich, Pfirsich, Walderdbeeren, Himbeeren, dabei eine sehr präsente Säure am gaumen, auch etwas Tannin merkt man. Noch nicht ganz reif, etwas alkoholisch und wild.

IX. Rosé NV aus der Tirage 2007, dégorgiert Juni 2009, 9 g/l Dosage,

Weicher als VIII., mehr Erdberr-Sahne-Bonbon, auch Weinbergpfirsich und Pfirsich-Maracuja-Joghurt, aber nicht säurearm. Außerdem Zitronenmelisse und Minzblatt.

X. Elisabeth Salmon 2000, wie alle Elisabeths 50 CH/50 PN, 10% Holzfassanteil, 10 g/l Dosage, der zugegebene Stillwein stammt aus Valofroy.

Zunächst Schwefel, heisser Backstein, auch Salz und mineralische Töne. Dann Sahne und ein sehr langsames entblättern bis auf die feinste Spitzenunterwäsche. Ein erotischer Champagner, der nicht mit nackter Haut, sondern durch das Spiel mit den verdeckten Reizen punktet. Sportlicher, jugendlicher Körper. Ideal dazu die Erdbeersuppe, die im Crayères extra zu diesem Champagner kreiert wurde.

XI. Elisabeth Salmon 1998

Reifer, griffiger, wollüstiger als die 2000er Elisabeth, aber immer noch von damenhafter Zurückhaltung gekennzeichnet. Dichte, vollmundige und kräftige Beerenaromen, kandierte Zitrusfrüchte, gelierter Konfekt und gesalzene Mandeln. Eher der Typ angehendes Rubensweib.

XII. Elisabeth Salmon 1996

Reduktive, feuersteinige Nase und eine milde Note von gerösteter Brotrinde, Toast und sehr wenig Frucht. Erst mit Luft kommen Früchtebrot, Honig, Rosinen, braune Butter zum Vorschein. Wild, aber weiblich, amazoniger Champagner mit viel Säure. Im Übergangsstadium zur ersten großen Reifephase mit sich ankündigenden Pilzaromen. Ganz ohne Zuckerschwänzchen.

Mittagessen bei Billecart-Salmon

XIII. Gougères und Blanc de Blancs Grand Cru NV aus überwiegend Avize, Rest ist Chouilly, Cramant, Le Mesnil, Basisjahrgang 2005, Dosage um 7 g/l

Sehr mineralische, etwas chlorierte Nase. Gut strukturiert, aber aromatisch eng, wirkt relativ mild dosiert und trotz der dünnen Nase eher saftig als streng. Langsamentwickler, der gut zu den teilweise mit Quark und Speck abgestimmten Windbeutelchen passte.

XIV. Tranchen von Ris de Veau und Foie Gras in Trüffelaspik, dazu Vintage 2004, 66 PN, 33 CH, 3 g/l Dosage, dég. Feb. 2009

Butter und Haselnuss. Ein Champagner, der sich gegenüber dem Trüfelaspik wohltuend im Hintergrund aufhielt und auch das Ris de Veau bzw. Foie Gras nur mit seiner sanften Herbe umspülte.

XV. Kabeljau, mit hauchfeinen Chorizoscheibchen auf der Haut gebraten mit Coco de Paimpol (sehr feine weisse Böhnchen), dazu Blanc de Blancs 1998 Grand Cru aus 50% CH mit Malo und 50% CH ohne Malo, 10% Holzfassanteil, 5 – 6 g/l dosiert

Waldmeister, Campher, Weißdorn, Torrone, Pasta di Mandorla und im Mund eine lebensbejahende, kräftige aber unaufdringliche, wie selbstverständlich vorhandene Säure. Wie ein frischgewaschenes Lieblingsfrotteehandtuch. Damit auch ideal zum Fisch und eine großartige Kombination mit den Aromen von Fischhaut und Chorizo. Zienlich langer Abgang.

XVI. Käseauswahl, dazu Malescot St. Exupéry 1997

Schmale Nase mit Graphit, etwas mehlig. Gemüsig, Paprika, etwas Kirsche und Milchschokolade. Im Mund der gleiche Eindruck, ergänzt um rosa Pfeffer. Entwickelt sich zu einem braven, warmen Wein.

XVII. Türmchen aus Babyananasscheiben mit Senteurs des Iles und Dattelmus, dazu Elisabeth Salmon 1991

Reifer, fetter, leider etwas alkoholischer Champagner aus einem der kleinen Jahrgänge. Mürbeteig, hefig, toastig. Süssliche, etwas parfumierte Nase mit Maronenduft. Im Mund wider Erwarten sehr frisch mit etwas metalischer Säure, machte sich sehr gut zu den Datteln und konnte auch mit der Ananas noch mithalten.

Besuch bei Ruinart

I. Rosé NV, 45 CH, 55 PN, davon 18% Stillwein aus unterschiedlichen Jahrgängen, Basisjahrgang 2005 mit 25% Reservewein aus 2004 und 2002, 11g/l Dosage

Fruchtig, an die großen Burgunder angelehnte, aber mit Betonung auf Kirsche und Erdbeere gelegter etwas zu plakativ geratener Nase, auch im Mund recht süss; trotzdem immer wieder eine Freude.

Abendessen bei Ruinart

II. Avokado-Zitronenmus auf Krebsfleisch und kaltem Pomelogelee, dazu Dom Ruinart Rosé 1996, 85 CH, 15 PN Stillwein, 6 – 7 g/l Dosage.

Harter, strenger, noch sehr enger Champagner, dessen Duft auch Komponenten von gemahlenem Krebspanzer und Jod enthält. Überwiegend jedoch feine, reife rote Beeren, im Mund dagegen ein überraschend “weißer” Charakter. Silbrige, glanzhelle Säure, die sich erstklassig zur Avovado und zum Pomelogelee verhält, außerdem Erdbeere-Orangen-Pfeffer-Kombination mit viel Spiel.

III. Gambafrikassée mit Purée von weißen Rübchen und vanillierten Kartoffeln, dazu Dom Ruinart Rosé 1988, dég. 1999,

Brot, Röstnoten, Butter, Marmeladenbrötchen, Mandeln, Vanille, alles durcheinander. Im Mund so weich wie sich ein vielgetragener Ziegenlederhandschuh anfühlt, mit reifer Süße. Blutorangenaroma, später dann Kerbel, Estragon, Fenchel und Champignonaromen. Hat noch immer sehr viel Kraft und Potential. Mein Favorit des Abends.

IV. Tandoorischeiben von der Ente mit Reis, dazu Dom Ruinart Rosé 1990 en magnum

Gediegen, rund und weich, mit Orangen, Kumqat, Mandarine, Nektarine, sehr jahrgangstypisch. Im Mund lebhaft, mit erwachsener Säure, und ganz langsam mürbe werdender Art von reifen Pitahayas; wirkte dennoch älter, als der 88er und entwicklete sich an der Luft auch etwas schneller.

V. Käseauswahl von altem Mimolette, sehr alten Gouda und Tête de Moine, dazu weiterhin Dom Ruinart Rosé 1990 en magnum

Am schönsten fand ich den 90er zum alten Mimolette, die beiden sind wie füreinander geschaffen. Der alte Gouda nahm den Dom Ruinart auch sehr gut an, weniger gelungen war die Kombination mit dem Tête de Moine, der den Champagner unnötig herb wirken liess.

VI. Brioche perdue mit gebratenen Erdbeeren, Vanilleeis und Erbeermus, dazu Ruinart Rosé NV

Fand ich nicht zwingend, die Kombination, mir hätte ein Marc de Champagne dazu besser gefallen, sonst lieber reines, leicht sprudelndes Wasser. Das Brioche perdue war allerdings extrem gut.