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Tag Archives: bordeaux

Brüsseler Spitzen – Champagner- und Weinoldies verkostet

I. Weingut Fritz Allendorf, Winkeler Hasensprung Riesling Cabinet 1969, AP.-Nr. aus 1973

Erdig, etwas muffig und moosig, mit einer aparten Kräuteraromatik und angegorener Maracuja, wirkt exotischer und fetter, weil säurearm, als ein Rheingauer aus dieser Zeit. Außerdem deutliche Firne, die noch Platz für einen letzten mineralischen Druck am Zungenrand lässt. Erkennbar ausgesuchte Qualität aus der Übergangszeit zwischen altem und neuem Weinrecht.

II. Weingut Richard Nägler, Mittelheimer Goldberg Spätburgunder Weißherbst Auslese 1975

Sehr dunkel, wie Amarenakirschlikör. Auch in der Nase intensiver Kirsch-Schokoladen-Duft. Dessertcharakter. Im Mund sanft, samtig, wie feinpüriert und durchgeseiht. Langer, eleganter, ausgewogener, reifer, noch lange nicht am Ende angekommener Trinkgenuss, der weder optisch noch – zunächst – aromatisch den Spätburgunder Weißherbst verrät.

III. Champagne Grongnet, Carpe Diem Extra Brut avec ficelage traditionnelle

70CH 20PN 10PM.

Aus Etoges kommt dieser kleine Erzeuger, der zum Kreis der Special Clubberer gehört. Die Cuvée ist auf Chardonnay fokussiert, dessen schneidige Säure sehr sportlich daherkommt. Die beiden Pinotrebsorten bemänteln diesen flotten Sportler seidig, insgesamt ergibt das eine herbfrische, mittellange und angenehm apfel-zitrusfruchtige Neuinterpretation des Chardonnaythemas.

IV. Laurent-Perrier, Brut, Halbe Flasche aus den späten 60ern oder frühen 70ern

Zweifellos ältlich, mit nur noch ganz verhaltenem, kaum vernehmbarem Seufzer beim Öffnen. Für eine kleine Flasche dennoch überraschend frisch, am Gaumen mit der charmanten Mischung aus damals wie heute üblicher recht hoher Dosage und als pièce de résistance einer gut merklichen Säure.

V. Graves Superieur Ende der 60er

Kraftvoller weißer Charakter von altem Sauvignon-Blanc. Abgelagertes Heu, das noch einen frischen Duft verströmt, weißer Nougat, Kokos, Sahne, englische Crème. Hätte ich bei einem simplen Graves Superieur nicht erwartet.

VI. Château de Madère, Cerons, aus den 60ern

Suesser, grobgemahlener Senf, Kerbel, gebackener Estragon. Nur noch leicht süsslich für einen richtigen Süßewein und schon reichlich alt, aber noch mit etwas Freude trinkbar, z.B. zum Baguette mit eingebackenen Oliven und Chili, wesentlich besser zu eingelegten Oliven mit Anchovis, deren salzige Aromen der Wein sehr gut einbettet.

VII. Coron Père et Fils, Négociants à Beaune, Puligny-Montrachet 1955

Klassischer Chardonnayauftritt mit einer etwas trocknenden Art, aber noch mit viel frischer Zitronenmelisse und minimal medizinalem Unterton, etwas augeblichenem Apfel, vital, aber langsam, d.h. innerhalb der nächsten ca. fünf Jahre an seine Grenze gelangend.

VIII. Château Cheval-Brun, St. Emilion 1964

Ein ordentliches Trinkerlebnis war der Cheval-Brun, langsam überhand nehmende Alterssüße ist mir ja alemal lieber, als knochige, ausgezehrte Weine. Tabak, Pflaumenmus, leicht rauchige, speckige Noten, alles in allem sicher kein sehr eleganter Wein mehr, aber immerhin ein alter Schmusetiger.

IX. Château Recougne, Bordeaux Superieur 1961

Klar überlegen war da der 61er Recougne, obwohl nur ein ordinärer Bordeaux Supérieur. Süß, aber von der noch saftigen Art, reif, alt, dicht, erstaunlich tiefgründig, auch mit viel Tabak und Rauch, aber vor allem einer im Vordergrund stehenden betörenden fruchtig-sämigen Weichheit, Balance und wundervoll gereiften Tanninstruktur.

X. Château Recougne, Bordeaux Superieur 1966

Kein Wunder, dass der 66er aus gleichem Hause dagegen kaum eine Chance hatte. Nach eine korkähnlichen Phase vor allem Ladungen von Erdal Schuhcrème mit Bienenwachs, auch schwarzes Leder. Für mich am ehesten Ähnlichkeit mit einem mittelstarken Lagrein.

XI. Vieux Château Bourgneuf, Pomerol 1967

Schwer war der Vieux Château Bourgneuf. Ein Wein, der den ganzen Rachen verstopft, wie ein zu großer Bissen von einem zu trockenen Kuchen. Dementsprechend gab es Kirsche, Johannisbeere, Schokoladenkuchen, dick gesossten Tabak, Marillenkernöl. Sehr süß kam mir der Wein vor und nicht ganz entschlossen, zwischen einem letzten säuregeladenen Aufbäumen und einer schweren, müden Dichte.

XII. Beaune, Cuvée Reservée, Ende 50er Jahre

Erst Milchschokolade, dann kam mehr und mehr Liebstöckel dazu, meiner Meinung nach entwickelte sich außerdem viel Eau de Vie de Kirsch, am Ende dann eine etwas einfältige Erdnussflipsaromatik.

XIII. Clos des Papes, Schweizer Füllung 1965

Hellroter, süßlicher, griffiger, am Gaumen leicht kühlend wirkender Wein, der wie eine Mischung aus Herta Müller und Gundel Gaukeley auf mich wirkte. Trotz des erkennbar fortgeschrittenen Alters immer noch irgendwie sexy. Reichlich rote Beeren, die mit einer agilen Säure für wohltuende Abwechslung im süßlicher werdenden Aromengemisch sorgen. Der Wein baute sich mit Luft noch etwas auf, bevor er nach einigen Stunden erst abzubauen begann.

Bordeaux 1943 – 2002

Im Obergeschoss der bewährten Gesellschaft Harmonie in Bochum zog Uwe Bende die Flaschen auf und Daniel Birkner lieferte das Menu dazu. Vielen Dank beiden dafür!

Opener: ein 43er Bordeaux mit ausgefallener Farbe und ein Vieille Julienne Côtes-du-Rhône Blanc "Lieu dit Clavin" 2006

Der 43er Bordeaux war nicht nur anstrengend, sondern auch korkig, aber nicht so arg. Und umgekehrt. Ein gewaltiger Vorteil dieses Weins war der, dass nach jedem reinschnuppern dort die Vieille Julienne umso besser duftete. Orangenwässerchen und Verbene, die mich ja beide ziemlich anmachen vermochte ich wahrzunehmen und schnupperte deshalb sehr lang am Glas. Mit dem trinken tat ich mich schwerer. Ziemlich dichtes Zeug, leicht buttrig, eine Handvoll Kräuter, ölig und sämig. Sattmacher und trocken obendrein – wo ich mich eigentlich bei den Weißen nur für Mosel-Kabinettche begeistern kann.

I.1 L'Arrosée 1970, St. Emilion

Malzig, kirschig, erinnert mich an belgisches Kirschbier, mit kaltem Rauch und Speck. Im Mund leider nicht so speckig, sondern eher dünn bis mager. Für mich kein Ausdruck von Eleganz; baute dann zwar nicht wahnsinnig schnell ab, lieferte aber auch nichts mehr, was mich begeistern konnte.

I.1 L'Arrosée 1967, St. Emilion

Das war die Aufgabe des famosen 67ers. Nach einer Algenschlammnase kam im Mund ein konzentrierter, griffiger, spielfreudiger, wenn nicht sogar angriffslustiger Wein aus der Deckung und tobte sich mit Luft über bequem zwei bis drei Stunden aus, was nur ich weiss, weil ich mir den Rest der Flasche gesichert hatte. Kirsche, Minze, reifes, süsses Tannin, ganz gegen Ende dann noch frisch gemahlener Kaffee, eine Wucht, dieser Wein und für mich eine enorme Überraschung.

I.1 Pontet-Canet 1964, Pauillac

Dünn, wässrig bis allenfalls noch milchig, eher noch metallisch. Durchgängig, glatt und sauber, aber keineswegs überragend und vom Kultstatus noch weit entfernt.

Zander auf Risotto mit Selleriegemüse, dazu Muscadet 1958. Wer hätte einen Muscadet dieses Alters für so langlebig und dann auch noch gut gehalten? Statt wie eine tote Muschel auseinanderzuklappen war hier noch richtig Zug drin, sekundiert von einer ungewöhnlichen und sehr pikanten Süße. Auch ein Überrascher an diesem Abend und meiner Meinung nach für den schon behrzt gewürzten Zander zu kräftig und intensiv.

II.1 Bel-Air 1952, 1er Cru, Haut-Neac, Pomerol

Dicker, eingekochter Bratenfonds, Liebstöckel, später Graphit. bei diesem Wein waren Nasen- und Mundentwicklung nie in gegenseitiger Sichtweite. Während die Nase immer weiter auftat und sich noch das letzte Quäntchen Duftreiz abzuringen mühte, flachte der Wein im Mund deutlich und in Wellen ab. Gequollener Dinkel, Roggenmehl und Cola in der Nase fanden kaum eine adäquate Entsprechung am Gaumen.

II.2 Thibaut-Maillet 1953, Pomerol, ts
Zu Beginn schüchtern, dünn und leicht milchschokoladig, erst mit Luft kommt Frische und Griffigkeit in den Wein. Das Resultat ist kirschig und eher schlank. Bis dorthin dauerte es eine ganze Weile. Interessant war das Wettrennen zwischen dem Thibaut-Maillet und dem de Sales. Thibaut-Maillet hatte lange die nase leicht vorn und musste sich erst ganz zum Schluss geschlagen geben, als de Sales einfach das breitere Spektrum, mehr reserven offenbarte.

II.3 de Sales 1953, Pomerol, into neck

Auch ein langsamer Wein, dessen intensive, konzentriert karamellige Nase erst gar nicht zeigen wollte, was noch alles unter der Oberfläche sass. Orangeat und Brausepulver konnte ich wahrnehmen, am Ende dann auch eine weiche, runde, noch sehr gut trinkbare Beerenaromatik, die der etwas profanen Kirsche des Flightpartners überlegen war. Auf 90 Punkte hätte ich den ohne schlechtes Gewissen gesetzt.

Grüner Spargel mit Parmaschinken und Salat, dazu Paul Anheuser, Schlossböckelheimer Königsfels Riesling Spätlese 1959. Der Anheuser mit erstaunlich frischer Waschmittelnase, danach verstärken sich die reifetöne. Ließ sich gut trinken und obwohl ich Spargel nicht gern in Verbindung mit Riesling habe, war die Kombination ganz gut.

III.1 Pichon Longueville Comtesse de la Lalande 1989, 2ème Grand Cru Classe, Pauillac
Noch jung, aber schon sehr aufregend. Warm, buttrig, minimal vanillig, mit Luft zunehmend Graphit, vermischt mit Zuckerwatte, Cassis und Schlehe.

III.2 Pichon Longueville Comtesse de la Lalande 1978, 2ème Grand Cru Classe, Pauillac
Zunächst viel rote und grüne Paprika, die sich über Kernseife, Verbene und Zitronenmelisse hin zu einer eleganten, kirschig-minzigen Aromatik mit Graphiteinsprengseln entwickelt und eine saubere Punktlandung hinlegt. Spannungsvoll und sehr dicht.

III.3 Pichon Longueville Comtesse de la Lalande 1950, 2ème Grand Cru Classe, Pauillac

Ätherisch, dabei reif, mit einer etwas nervös vibrierenden, dennoch dichten Aromatik, die vielleicht das langsame auseinanderfallen ankündigt. Noch ist der Wein jedoch stark, glatt und von seidiger Geschmeidigkeit, etwas flüchtige Säure und röstige Noten verbinden sich mit rosinierten Tönen.

Lammcarré mit Ratatouille und Kartoffelroulade, dazu passte die 89er Comtesse sehr gut, sie hatte die meiste Kraft, um gegenüber Lammfleisch und Ratatouille ein adäquates Gegengewicht aufzubauen. Die 78er Comtesse gefiel mir auch noch ganzn gut dazu, die 50er schon nicht mehr.

IV.1 Canon 1986, 1er Cru, Saint Emilion, en Magnum

– Kork –

V.1 Lafite-Rothschild 1943, 1er Grand Cru Classé, Pauillac

Delikat! Maulbeere, Saft, Grillaromen, dunkler Honig, Nüsse und Graphit, im Hintergrund einige lauernde Ketone, aber insgesamt ein vollmundiger, reifer, saftiger, spielfreudiger und lebhafter Wein, der mir wesentlich jugendlicher vorkam, als der Jahrgang vermuten ließ. 94+

V.2 Lafleur-Gazin 1961, Pomerol, ts

Am Anfang standen Waldbeermischung und ein an Kühlschrank erinnernder Duft ziemlich zusammenhanglos neben Pfeffersalami, eingelegtem grünen Pfeffer und Erdbeerdessert. Mit Luft vermählte sich das ganze zu einer sehr frischen, jugendlichen, aromatisch so intensiv schmeckenden Mixtur, wie die einzelnen Zutaten es vermuten lassen. 92 Pkte.

VI.1 La Mission Haut-Brion 1981, Pessac-Leognan

Auf den Punkt genau richtig geöffnet wurde auch LMHB 81. Pfeffer und Graphit, Zigarrenkiste und eine kühlende, balsamische, an Eukalyptus-Menthol-Bonbons erinnernde Note zusammen mit einem runder werdenden Tannin zeigten, dass bei diesem Wein die Entwicklung noch in vollem Gang ist.

VI.2 Léoville las Cases 1983, 2ème Grand Cru Classé, Saint Julien
Wachsige Oberfläche, darunter etwas diffus Kirsche und Cassis. Fest, sehr dicht, aber auch unfreigebig, mir im Ergebnis zu nichtssagend. Daran änderte auch eine später sich entwickelnde Mandelkrokant- und Frankfurter-Kranz-Aromatik nichts.

VI.3 Troplong-Mondot 1983, Grand Cru Classé, St. Emilion

Brombeer-Cassis, Schwarztee und Walnusslikör. Kräftig, zugänglich, warm und mollig. Schlampenwein. Gefiel mir besser als LLC.

VII.1 Cellier des Princes 1967, Châteauneuf du Pape

Sehr weiches, vollreifes, süßes Beerenobst, fein, elegant und schlank mit leicht röstiger Nase. Wirkte bisschen wie ein alter Charles Heidsieck. Ich hielt den Wein schließlich für einen roten Beaumes de Venise und Uwe hat völlig recht, wenn er alte Châteauneufs in Proben mit gleichalten Bordeaux als die Weine mit dem Vorteil überlegener Sexyness ansieht. Aufgrund seiner sehr hellen Rotfärbung klar als odd man im flight zu erkennen.Cantemerle 1989, 5ème Grand Cru Classé, Haut-Medoc

VII.2 Mouton Baronne Philippe (d'Armailhac) 1988, 5ème Grand Cru Classé, Pauillac
Der letzte Baronne Philippe, bevor das Château seinen neuen alten Namen, allerdings ohne das früher übliche 'q' am Ende wiederbekam. Kantig, schrundig, mit rausgebrochenen Ecken.

VII.3 Cantemerle 1989, 5ème Grand Cru Classé, Haut-Medoc

Vollmundig, geschliffen, glanzvoll, rund fein und groß dagegen der 89er Cantemerle. Frisch gesoßter Tabak, dunkles Beerenobst, süßes, schmeichelndes Tannin, minzig, mit herber Schokolade und Kaffee. Es gibt elegantere Weine, aber im Haut-Médoc dürfte es schwer werden, die zu finden.

Dessertvariation: Weiße Schokoladenmousse, Crème brûlée, Pfirsicheis, danach Forstmeister Geltz-Zilliken, Saarburger Rausch Kabinett 2007. Klar, saftig und frisch, nicht sehr schwergewichtig und mit dem Dessert überfordert war der Geltz-Zilliken. Solo ein schöner, klassischer Saar-Riesling.

VIII.1 Leoville Barton 2002, 2ème Grand Cru Classe, St. Julien

Leicht süßer, etwas holziger, noch unfertiger, aber trotzdem schon seltsam schmockiger Wein. Könnte von allem etwas mehr zeigen, wurde neben dem Holz vor allem von Blütentönen und vegetabilen Noten nebst einigen Kräutern geprägt. Derzeit nicht so sehr mein Fall.

VIII.2 Pichon Longueville-Baron 2001, 2ème Grand Cru Classe, Pauillac
Tiefgründig, stoffig und dicht. Speck, Erde, Kräuter, Cassis und Tabak, ein Füllhorn an Aromen, ein buntes Durcheinander von Kraft, Säure, Frucht und Gewicht. Lockere 93 Punkte.

 

 

 

 

 

 

Weinsause bei Essen-Privat

A. Als Menu gab es

I. Lachsterrine und Variation vom Wildlachs

II. Flusskrebssuppe mit Zitronenbutter-Croûtons

III. Wiesenkräuter an Rinderfiletspitzen

IV. Lammhüfte vom Grill mit Haricots verts, Fenchelgemüse und Trüffelkartoffelpurée

V. Dessertvariation mit Erdbeersorbet

 

B. Dazu die folgenden Weine

Opener:

Champagne Eric Isselée, Blanc de Blancs Grand Cru 2002 en Magnum

Schon wieder der Isselée. Weil er immer noch gut ist, der Isselée. Zusammen mit Voirin-Jumels Blanc de Blancs Grand Cru ist das bis auf weiteres mein favorisierter Partychampagner aus der Magnum. Saftig, wohlgerundet, mittellang, ein echter Appetitanreger, der aus der Magnum immer genauso schnell verschwindet, wie aus Normalflaschen.

Weiss:

I. Reichsrat von Buhl, Weissburgunder "Ruhr-Edition" 2009

Dieser Wein wird nicht ohne Grund den Sommer an Rhein und Ruhr beherrschen. Fruchtig, mit kerniger, für Weissburgunder schon sehr stattlicher Säure, zur Seite hin mit hellen Blüten und weissem Pfirsich abgepolstert. Der typische crowd pleaser.

II. Pompaelo Blanco 2009

Auf der ProWein erstmals probiert und als Muster mitgenommen. Wenn ich das richtig erinnere, ein Mix aus Viura und Chardonnay mit Muscat Gros Grains, es kann aber auch alles ganz anders sein. Das wohlige, reichhaltige Bouquet spricht für den von mir jetzt einfach mal unterstellten Rebsortenmix, im Mund fiel er leider nach dem Buhl deutlich im Säurewert ab und wirkte laff. Doch nochmal solo nachprobieren.

III. Badet, Clement & Cie., Révelation 2008

Chardonnay und Viognier verpartnern sich in diesem Wein ganz köstlich. Durch den Fassausbau kommt eine leicht speckige Note dazu, die sich mit dem Duft aus Opas Zigarrenkiste vermengt. Im Mund kühlend, mittelgewichtig, mit einer etwas breiten, aber liebenswerten Säure.

IV. Bodegas Piedemonte Garnacha Rosado 2008

Rosé gekelterte Grenache aus Navarra. Erdbeerig, himbeerig, auch schokoladig. Trotz der klaren und allgegenwärtigen roten Aromatik hat man nicht den Eindruck, einen roten Wein im Mund zu haben, dafür ist er dann wieder zu frisch und leicht. Einen transsexuellen Eindruck machte der Wein auf mich aber auch nicht. Gut gelungener Balanceakt in einer immer wieder bespöttelten Kategorie.

V. Reichsrat von Buhl, Forster Pechstein Großes Gewächs 2008

Nach dem jüngsten GG-Performance-Check hatte dieser Pechstein nur wenige Pflichtaufgaben zu erfüllen. Aromatisch war alles da, was junger, ungestümer Pfalzriesling haben darf, Apfel, Melone, Aprikose und Pfirsich, sehr viel Schmiss und eine mitreissende Offenherzigkeit.

VI. Elena Walch, Beyond the Clouds 2007

Aus den Traminer Steillagen Castel Ringberg und Kastelaz stammen die Trauben für diesen eigenwilligen Wein. Chardonnay soll vorwiegend drin sein, aber auch Traminer und am Ende noch Sauvignon Blanc. Aber genaue Angaben fehlen leider. Sie hätten auch nichts an meinem Verdikt geändert: kein Wein, der mir geschmeckt hat. So filigran und einfallsreich wie eine Sonnenblume, so aromatisch wie Sonnenblumenöl. Von Säure keine Spur, dafür ein seltsam verlorenes Zuckerl. Vielleicht in fünf Jahren nochmal trinken, aber im Moment würde ich die Finger davon lassen.

Rot:

I. Château Citran 1996 Mise du Château de Preuilhé, en Magnum

Jedes Mal, wenn er auf den Tisch kommt, überrascht dieser Wein. Diesmal hatte ich mir als allerersten, sich mir sofort in der Nase auffälligen Ton getrockneten, mit Sesamöl eingepinselten und mild gesalzenem See-Lattich notiert, wegen der jodigen Note und weil er tatsächlich danach duftete – und ich bin ein großer Vertilger von getrocknetem, mit Sesamöl eingepinseltem und mild gesalzenem See-Lattich. Eine etwas scharfe Beerenfrucht kam noch dazu, wie ein Dessert aus Erdbeeren, Orangensaft und Pfefferkörnern. Obwohl ich nie ein Fan von Citran war, mit diesem Wein könnte ich es mir vorstellen.

II. Würtz-Weinmann Pinot-Noir 2005

Der Wärtz in rot, was ja gut passt. Knackig war er, die Runde rief sehr schnell und überwiegend "deutsch", vielleicht wegen dieser kühles Klima vermuten lassenden Knackigkeit, vielleicht wegen des für deutschen Spätburgunder typischen, hier aber nicht stereotypischen Charakters von Einmachobst und einer freundlich-warmen Waldboden- oder Humusnote. Verhaltene Kraft und einen süsslichen, entfernt an Weihrauch erinnernden Abgang hatte er ausserdem.

III. August Kesseler, Assmannshäuser Höllenberg Pinot-Noir 1990

Erdig, waldbodig und pilzig duftete dieser Wein. Mit Luft wuchsen die ersten roten Beeren aus dem Glas und lieferten sich einen Wettlauf mit der nicht unbeträchtlichen Säure. Das griffige Tannin spielte daneben keine grosse Rolle, viel spannender war es, den beiden Komponente bei ihrer Entwicklung beizuwohnen. Fast muss man sagen, dass der Wein mit seinen nunmehr zwanzig Jahren noch nicht am Ende der Fahnenstange angekommen ist, so wandlungsfreudig wie er sich zeigte.

IV. Warrenmang Estate Grand Pyrenées 1998

Dieser Bordeaux-Blend passte so gut zum Fleisch, wie nur dasselbe Fleisch selbst noch einmal gepasst hätte. Brombeer und Cassis waren so selbstverständlich da, als wären sie meine direkten Tischnachbarn, dazu kam noch ein neuweltliches, etwas minziges Tannin, das dem Wein ein schlankes, raffiniertes Gewand lieh. So soll Wein zum Fleisch schmecken.

V. Grand Puy Lacoste 1997

Meiner Meinung nach Kork. Wirkte aber unabhängig davon als sei er noch gut beisammen.

VI. Torbreck Juveniles 2001

Über David Powells Weine kann man viel philosophieren. Man wird aber immer auf die Person zurückkommen, die diesen Wein macht. Und ein Stück seiner Persönlichkeit, mehr als nur eine persönliche Randnotiz, steckt in jedem seiner Weine. Holzfäller und Weinmacher, Grobe Kraft und kunstsinniger Feingeist, das sind einige der Stichworte zur Person, an die man sich erinnert, wenn man seine Weine trinkt. Dieser Juveniles kam leider nicht in Höchstform ins Glas, zeigte aber die typischen tiefdunklen, aus den Wäldern der schottischen Highlands stammenden Beerenaromen. Aus 60% Grenache und jeweils 20% Mourvédre/Mataro und Shiraz gekeltert, im Stahltank vinifiziert.

VII. Pikes Merlot 2000

Hier zeigte ein Wein ab der ersten Sekunde, was er kann. Dem Assmannshäuser in der Beziehung verwandt. Mich erinnerte der Wein zunächst an Thymian und medizinische Präparate, dann trat aus dem dichten Schleier langsam der fruchtige, beerige Charakter hervor. Von seiner Art her kühl, hatte der Wein ein durchaus hanseatisches Auftreten. Mit diesem Wein werden in Hamburg-Pöseldorf die künftigen Schwiegersöhne bewirtet, bevor es ans Heiraten geht.

VIII. Robert Groffier Chambertin Clos de Bèzes 1995

Das folgende Gewächs kam von Groffier, der zu den Spitzenwinzern der Region zählt. Ich wusste nicht recht, ob sich der Wein hauptsächlich gegenüber meinem Gaumen, oder seinem eigenen fortschreitenden Alter so angriffslustig zeigte. Die Bewegung tat ihm jedenfalls gut. Eine mürbe, etwas mehlige, nussige Art konnte er nicht verhehlen, verkaufte das aber sehr gut als Esskastanie. Die vereinigte sich ausgesprochen glücklich mit gewissen Kirsch- und Beerenaromen, umspielt, oder besser gesagt umlaufen von einer sehr agilen Säure, die wie ein Schäferhund die Herde an noch frischen Aromen hütete.

IX. Fox Creek Reserve 1998

Sehr viel getrocknete Sellerieschnipsel und Brühwürfel. Unter diesem Konzentrat eine sehr dicht ineinandergewobene Mischung aus allem, was man in der Küche verwenden kann und dunkel ist. Schokolade, Crema di Balsamico, schwarzer Pfeffer, Morcheln, Nelken. Nicht leixcht zu trinken.

X. Léoville Poyferré 1996

Starker Wein für starke Männer. Hat aber auch den Frauen geschmeckt, soweit ich das beobachten konnte. Denn überwiegend habe ich entweder ins Glas geschaut, oder die Augen beim Trinken geschlossen. Nach kurzer Aufwärmphase schiessen saftige Frucht, seidenweiches, reifes Tannin und eine beides sehr dezent umklammernde Mineralität aus dem Glas. Rund und gut, ein Wein, für den man sich ohne falsche Scham prostituieren darf.

Schließer:

I. Horst Sauer, Escherndorfer Lump Riesling Auslese 2009 Fassprobe

Einen guten Riesling hat der Horst Sauer da ins Glas gebracht. Genauso topfit, wie er selbst. Nun bin ich kein großer Kenner der Frankenrieslinge und schon gar keiner der edelsüssen Frankenrieslinge. Das mag erklären, warum mir der Wein so schwer identifizierbar vorkam. Trotz vorhandener, junger, leider noch arg hefiger Frucht wirkte der reichlich massige Wein gebremst und nicht ganz balanicert. Ich hoffe, das renkt sich demnächst ein.

II. Dr. Crusius, Schlossböckelheimer Felsenberg Riesling Auslese 2008

Altersbedingt eine ganze Stufe weiter war der Riesling von Crusius. Quietschlebendig, mit einem pumucklhaften Übermut und Lust an der Komplementärfarbe. Grüne Aromen von Apfel, Kiwi und Stachelbeere standen knallroten Aromen von Johannisbeere und Cranberry gegenüber. Dazu kam Mirabelle, gelbe Pflaumen nicht zu vergessen. Also letztlich genau die Hausfarben vom bayrischen Kobold. Feiner Wein!

III. Fox Creek Vixen Sparkling Shiraz

Schoko und Kirsche in prickelnd. Wenn man ganz genau auf seine Geschmacksknospen horcht, hört man auch, wie sie "grüne Paprika" oder "ladybird taint" rufen. Darüber bin ich mir selbst nicht ganz sicher, aber je mehr ich darüber nachdenke, desto mehr glaube ich, das vernommen zu haben. Schliesslich passt es sogar ganz gut zu diesem in Deutschland völlig exotischen Wein.


Ruhr-Karussell Teil II

Zweite Station war der Kölner Hof in Frohnhausen

 

Amuse Gueule: Strammer Max mit Wachtel-Spiegelei und Grubensalz, Meerrettichschaum, roter Bete und Brikett von der Schweinskopfsülze, dazu Champagne Alfred Gratien Brut Classique NV

Eine sehr schöne Eröffnung mit einem perfekten, trotz seiner geringen Größe ungeheuer aromatischen Spiegelei. Der Meerrettichschaum mit der roten Bete war auch schön abgestimmt, vertrug sich aber mit dem Champagner nicht so wundervoll harmonisch, wie der stramme Max. Die Sülze wiederum war einwandfrei abgestimmt mit der knusprigen Ummantelung und passte sehr gut zum Champagner.

 

I. Kaninchenfilet und Aal mit gebackener Schwarzwurzel, dazu Markgraf von Baden, Müller-Thurgau, Birnauer Kirchhalde 2008

Aromatischer, nicht zu fetter und schön festfleischiger Aal, sehr schön dazu die Karottencrème und auch die nussige Würze des fesch-eleganten Müllers machte sich gut dazu. Wenn ich ehrlich bin, habe ich ja für Müller-Turgau nichts übrig. Aber es gibt immer wieder Kombinationen, in denen er sich gut macht, so wie hier. Das Kaninchenfilet als zweiter Prüfstein für den Müller erwies sich eenfalls als nicht zu abgehoben. Insbesondere mit der bissigen, aussen krossen Schwarzwurzel ein schöner Partner für den Müller.

 

II. Taubenwürstl und Blutwurst mit Himmel und Erd, dazu Blankenhorns Spätburgunder aus der Ruhr-Edition

Das Taubenwürstl war im Grunde eine aufgeschnittene Boudin Blanc mit einem Taubenkern. Was eine pikante, auch sehr sättigende Kombination war. Die weiche, feinteigige Blutwurst war nicht zu salzig und arrangierte sich glänzend mit dem Kartoffelpurée und dem roten, kirschtomatenförmigen Apfelgelee. Der fruchtige Spätburgunder wirkte eine Spur metallisch mit der Blutwurst, bettete aber das taubenwürstl schön ein.

 

Entr'acte: Limetten-Basilikum-Sorbet mit Minzpesto

Ein Traum! Das Basilikumaroma passte perfekt zu der herbfrischen Limette, das Sorbet war nicht zu fest, aber auch nicht an den Rändern schon wässrig geworden, das Minzpesto brachte einen zusätzlichen, nicht erdrückenden oder gar an Krankenhaustee erinnernden Kick. Könnte ich kiloweise essen.

 

III. Hecht und Lachsforelle mit Graupeneintopf und Steckrüben-Roulade auf Kressesauce, dazu Weissburgunder von Buhl aus der Ruhredition

Die Forelle war von etwas weicher Konsistenz, auch die Graupen waren schon eine Spur zu weich. Die Roulade hingegen war etwas innen etwas musig, schmeckte aber sehr vollmundig; die Kressesauce war insgesamt von einer frischen, dezenten Kresseschärfe, die gut zu Hechtklössen und Forelle passte, aber ruhig etwas stärker hätte ausgeprägt sein können. Der betont fruchtige Weissburgunder zeigte sich sehr konziliant, alles in allem war das aber der schwächste Gang.

 

IV. Rücken und Keule vom Lamm mit Schnibbelbohnen und Eierkohlen-Kartoffeln, dazu Lestage-Simon Cru Bourgeois Supérieur 2005

Hier zeigte Heinz Furtmann wieder die volle Breitseite, speziell die Sauce war die reinste Lämmchenessenz. Die Rückenstücke waren in einer kräuterigen Kruste, innen war das Lamm von hellstem Rosa. Die Stücke aus der Keule profitierten besonders von dem kraftvollen Sud und entfalteten eine herbkräftige Aromatik, die gut zu den mundgerechten, leicht mürben Happen passte. Der Bordeaux war zur Keule die bessere Kombination und brachte mit feinen Graphitstrichen, Mandel und Kirscharoma noch eine weiter Komplexitätseben ins Spiel. Als Solist wäre er indes nicht geeignet gewesen, für mich eher der klassische Speisenbeleiter.

 

V. Törtchen und Mousse von der Quitte mit Steckrübeneis, dazu Guntrum, Penguin Silvaner Icewine 2007 aus der amerikanischen Broadbent Selection

Der Eiswein zunächst mit viel Reiswaffel, Aprikose und Pfirsich in der Nase im Mund praktisch null Säure, aber eine smoothe, loungige Atmosphäre. Passte sehr gut zu den Quittenaromen und auch zum nur dezent süßen Steckrübeneis; besonders gut meiner Meinung nach zu dem herrlichen kleinen Quittentörtchen.

Von Selosse bis Elderton

I. Jacques Selosse Extra Brut NV 100% Chardonnay. Sattes

Gelbgold, lebhafte, recht feine Perlage, wenig Kettenbildung, dafür

üppiger Cordon; opulente, komplexe und bereits sehr finessereich

changierende Apfel-/Hefenase, die erstaunlich wenig Holz aber viel

reife Frucht und gutgebauten Körper verspricht. Im Mund frisch, mit

sofort spürbarer, frecher Granny-Smith-Säure und frischem

Hefekuchenteig. Füllig (reife, exotische und vor allem fleischige

Früchte, vielleicht Mango, Ananas) aber nicht plump, durch den

Dosageverzicht höchst agil und mit anhaltendem Fruchtaroma.

 

II. Lacryma Christi di Vesuvio 2002, Mastroberardino. Mittleres

Rot, Pfeffrige Nase (anfangs sogar recht dominant, später abflachend

und besser eingebunden zugunsten floraler Noten und pikanter Kräuter)

mit zerriebenen Veilchenblüten. Im Mund geschmeidig weich und wohlig

anwärmend, ganz sparsames Tannin, könnte etwas griffiger sein,

Luftzufuhr kitzelt noch etwas Lakritz und mehr Struktur heraus;

insgesamt leichter als erwartet "weißer Vinho Verde".

 

III. Cantenac Brown 2000. Dunkelrot-violett, schwappt sehr

anmutig ins Glas. Feurige, aktionslustige Nase mit reifen roten

Beeren, saftiger dunkler Kirsche und zarter Kakaonote. Kommt

kraftvoll aber nicht aufdringlich in den Mund, von süßlichen Noten

durchzogenes, sonst seidenzartes Gewirk ohne zu viel Holz oder

Tannin, sind doch schon erstaunlich gut eingebunden, beide. Das

mildert den ersten feurigeren Eindruck zugunsten einer eleganten,

aufbauenden Frische und Eleganz ab, hält sich sehr angenehm und lang,

gute Zukunft, leider zu schnell leer gewesen, den hätte ich gern noch

weiter im Glaserl verfolgt.

 

IV. Felsina, Berardenga, 2000er Chianti Class. Riserva Rancia.

Dunkles, erdverwachsenes Rot, vielleicht etwas dunkler als der

Cantenac Brown, leicht wäßrig schimmernder Rand, zarte Andeutung

einer Sherrynote, sehr zarte, zunächst spritig wirkende, dann

erdigere- und Röstnoten entwickelnde Nase, im Mund toskanische

Bauart, Kirschfrucht, etwas Marzipan.

 

V. Dom. Léon Barral, Jadis 1998. Sehr dunkel und von ganz

zurückhaltender Nase, wohl auch Brett, aber man weiß es beim Barral ja immer nicht,

wird dann pfeffrig und plustert sich mit mehr Luft regelrecht auf,

zeigt von Nelken über

moosiges Gestein und verdorrte Tabakblüten oder getrockneten Kräutern

eine ganze Menge hübscher Aromen und schmeckt eigenwillig, wild, wie

ein Sud aus Reinhold Messners Bart nach einer mittleren Bergtour oder

so ähnlich. Cuvée aus G-S-M. Gut.

 

VI. Elderton Command Shiraz 1997. Sattes dunkelrot, schwappt

lockersanftwässrig im Glas. Große Fenster, kein Wunder. In der Nase

allerlei Nüsschen, Mandel, Walnuß, auch Rosenwasser; im Mund fester

und saftiger Kirschkuchen, keinerlei eingekochte Aromen oder

Holzexzess, eher delikate Noten von Kirsche, Pflaume und Tabak,

Schoki und wieder Rosenwasser, die bestens aufeinander abgestimmt

dennoch sehr munter durcheinanderwirbeln. Kann noch lange und

bereitet sehr viel Freude.

 

VII. Donnafugata Mille e una notte 1996. Mittleres dunkelrot; in

der Nase deutlich gereifte Veilchen- und Tabaknoten, leicht süßliche,

lakritzige Töne dabei, schon etwas alkoholisch aber noch nicht zu alt.

Im Mund immer noch recht füllig, wenn auch nachlassend, nicht mehr

ganz frische aber immer noch sehr ansprechende, würzige Frucht, ging

leider beim Essen etwas unter.

 

VIII. Canon la Gaffelière 1990. Im Kern dunkelrot, zum Rand heller

werdend, sieht noch recht jung aus, schmeckt auch so. Sehr eleganter

Auftritt, großzügige, sehr einladende Nase voll schwarzer Beeren und

Pflaume, zurückgehaltenes Holz deutet die Vanillespuren nur an, was

einen sehr positiven Eindruck hinterläßt. Im Mund eine ruhige

dreispurige Autobahn an einem Sonntagmorgen, hier läßt sichs bequem

fahren und so schmeckt der Wein auch, wie ein ausgeglichenes

Dahingleiten bei Reisegeschwindigkeit 210 km/h.

peek-a-boo: Neue Welt

Roadshow Freund/Pacific Wine im Interconti, Düsseldorf, 08. Sep. 2009

I. Schug

Walter Schugs Carneros Estate liegt in der kühleren Sonoma-Küstenzone, daher die Konzentration auf Pinotrebsorten. Morgendlicher Nebel hüllt die Trauben im Sommer oft bis zur Mittagszeit ein, bevor Sonne und der ständig fächelnde, mitunter heftig pustende Wind ihn auflösen.

1. Pinot-Noir Sonoma Coast 2007

Europäisch anmutender, holzarmer Stil, Konzentration auf schlanke Mineralität und rotes Beerenobst

2. Pinot Noir Carneros 2007

Griffig, stärker holzgeprägt (neun Monate in frz. Barriques, davon 30% neues Holz), bei gleichbleibend kühler Stilistik

3. Pinot Noir Heritage Reserve Carneros 2006

40% neues französisches Barrique, bissig, mit viel Kirsche und einer leicht dropsigen Art

II. Shafer

Im Stag’s Leap zu Hause und prominent vor allem wegen des Hillside Select Cabernet. Der Relentless ist praktisch das Rhônegegenstück dazu.

1. Relentless 2004

80% Syrah, 20% Petit Syrah, satte 30 Monate im Barrique, dunkelst, dickflüssig, wälzt sich der Wein wie Lava ins Glas. Opulente, schwarzbeerige, etwas rosinige Nase mit Zedernholz und Muskatnuss, im Mund weich, dicht, amaronig mit einem Veilchenblütenbelag am Gaumen, sehr lang

III. Francis Ford Coppola

1. Pinot Noir Silver Label Diamond Collection 2007

Eukalyptus-Mentholnase, Erdbeer-Himbeermix, gut strukturierter, ganz munterer Wein

2. Cabernet-Sauvignon Ivory Label Diamond Collection 2006

Weiche an Kirschjoghurt erinnernde, milde Neuweltnase, mit einer Spur Graphit. Im Mund leicht, flauschig, wie Trinkjoghurt, süssliche Art. Nicht mein Fall.

3. Director’s Cut Pinot Noir 2007

Zwölf Monate in 60% neuen Barriques lassen Veilchen, Lavendel und Kräuter im Wein zum Vorschein kommen. Auch eine etwas herb-muffelige Note ist darunter, gefällt mir nicht so kolossal und ist auch nicht besonders lang, Sonoma geht auch besser.

4. Director’s Cut Cabernet-Sauvignon Alexander Valley 2006

24 Monate in 60% neuen Barriques, duftet aber nicht vollgeholzt; kraftvoll, saftig, ziemlich konzentriert, im Mund kühlend, balsamisch. Cassis und Kräuteraromen.

IV. Rubicon Estate (früher: Niebaum-Coppola Estate)

Das Weingut im Weingut. Von Gustav Niebaum als Inglenook-Winery gegründet und von Francis Ford Coppola wiederbelebt.

1. Rubicon Estate Rutherford Cask C-S 2005

22 Monate in amerikanischen 500-Liter-Fässern, Trauben aus den Lagen Cohn und Chateau, Biozertifizierung. Bordeauxansatz, mit Graphit und feinem Sauerkirsch-Cassiston, unaufdringliche Vanille, im Mund mit einer gewissen Schärfe, pfeffrig, mit roter, süsser Paprika, wenig Säure, etwas frühreifes Tannin.

2. Rubicon Estate Garden Vineyard 2005

Genetisch ist Klon 29 identisch mit den Bordeauxklonen, die Niebaum in den 1880er Jahren aus Frankreich mitbrachte, weinhistorisch eine Besonderheit, die nur bei Rubicon wächst. 22 Monate in neuen französischen Barriques, 98,5% Cabernet-Sauvignon und 1,5% Petit Verdot. In der Nase Veilchen, Lavendel, Bitterschokolade, rosinierte Aromen, Trockenobst, von allem etwas, für meinen Geschmack too much.

V. Parducci Wine Cellars, Mendocino

Weingut mit ausgeglichener CO2-Bilanz.

1. Cabernet-Sauvignon Mendocino 2005

Schöner, fülliger Anfang, dann ist der Wein leider sehr schnell weg und hinterlässt lediglich einen milchigen Belag auf der Zunge.

VI. Stag’s Leap Wine Cellars

Berühmt wurde das Weingut durch das Spurrier-Tasting 1976 in Paris, als es namhafte Großgewächse aus Bordeaux auf die Plätze verwies. Seither hat sich das Gut mit seinen rebsortenreinen Weinen unter den Spitzenerzeugern der Welt fest etabliert. Die Stilistik orientiert sich an dem Motto “eiserne Faust im Samthandschuh”.

1. Hawk Crest C-S 2004

Einsteigerwein mit etwas zu viel ladybird taint, reichlich Tannin, kraftvoller, massiger Statur und mittlerer Länge.

2. Artemis 2005

18 Monate in 33% neuem französischem Holz. 92% Cabernet-Sauvignon, 8% Merlot, minimale Anteile Cabernet Franc und Petit Verdot. Cassis, Räuchernoten, Kirsche, Zigarrenkiste, Paprika, viel gebändigte Kraft, ein feiner, dicht an Bordeaux angelehnter Wein.

3. Fay Vineyard 2005

Zusammen mit der benachbarten SLV Parzelle das Kernstück des Weinguts. 24 Monat in 70% neuem französischem Holz. Milchschokolade, Graphit, Schwarzkirsche, erstaunlich dezentes Holz, florale Noten, seidiges Tannin, einer meiner absoluten Favoriten.

4. Stag’s Leap Vineyard (SLV) 2005

24 Monate in 43% neuem französischem Holz, das hier aber wesentlich stärker durchkommt, als beim Fay. Auch ein sehr schöner Cabernet, konzentriert, erinnert an Muscovadozucker, beinahe feurig, gleichzeitig mit kühlen mineralischen Noten und Graphit, gleichzeitig komplexe Kräuteraromatik, warmes, samtiges Mundgefühl.

5. Cask 23, 2004

24 Monate in 58% neuem französischem Holz. Elegante Kombination aus Fay und SLV, bewegt sich von der Leichtigkeit und Eleganz her genau in der Mitte zwischen beiden. Ein Pott voll dunkler Brombeeren, der aber dank einer kühlen mineralischen Note nicht pampig, breitgelatscht oder marmeladig wirkt. Herbes, gesundes Tannin zähmt die überbordende Frucht und macht den Wein zum Kraftsportler. Lagerwein.

Bordeauxsause in der Gesellschaft Harmonie

A. Bordeaux

Opener: Jakob Neumer, Riesling, Uelversheimer Tafelstein 2005

I.1 1986 Beau-Séjour Bécot

Entwickelte, rotbeerige, mit Pflaumenmus angereicherte Nase, im Mund crèmig, leicht, mittellang, wenig, aber milde, reife Säure (85)

I.2 1989 Grand Puy Ducasse
Dunkel, würzig, cassis- und graphitdurchsetzte Nase mit grtrocknetem Kräutersträußchen. Im Mund kühl, gegenüber dem Beauséjour länger und entwicklungsfreudiger (86)

II.1 1987 La Mission Haut Brion
Von Beginn an starke, sehr präsente Nase, erinnert vom Grundton an den heißen Fettrand vom T-Bone Steak, dazu Eau de Vie de Kirsch und Preiselbeersauce, zwischen Rosenblüten und Minzblättern, später auch mit Nivea eingecremtes Wildleder, etwas balsamisch; im Mund dann eine passgenaue Struktur, entwickelt, dabei butterweiches Tannin (92)

II.2 1991 La Mission Haut Brion
Zunächst eine etwas angebrannte Liebstöckelnase und Brombeeren, wirkt ganz stattlich, im Mund dennoch etwas flacher, dünner, gleichzeitig seidiger als der 87er, entwickelt sich mit Luft noch ganz erfreulich und macht in fünf Jahren vielleicht sogar noch mehr Spass (89+)

III.1 1991 Talbot

Reisgebäcknase, Schmoraromen, Spuren von Liebstöckel, kirschfruchtige Nase, Mandelkerne. Etwas enggeschnürt, aber zum Roastbeef genau richtig (83)

III.2 1986 Clos du Marquis
Mein erster Gedanke: Opas letzter Ständer, dafür aber ganz schön hart. Griffig, stahlig, etwas hartes Tannin, im Mund eher mehlig, wie angetrockneter Cassis de Dijon. Vielleicht totdekantiert?

IV.1 1990 Cissac
Offene, freundliche Nase mürbe und weich, aber eher kühl. Auch im Mund Kühl, mineralisch, mit etwas Luft rund, weich und mit seinem kräftigen Tannin auch nicht ungefällig. Gegen Ende etwas breit und alkoholisch (84)

IV.2 1988 Les Forts de Latour
Maskuliner Wein, der trotz Kokos und Schokospuren viel Graphit und Härte zeigt, mit Luft entwickelt sich bisschen Beerenfrucht. Im Mund gezehrt, dabei unfokussiert wie ein Marshmallow, auf dem letzten Viertel noch etwas griffiges Tannin (83)

V.1 1989 Cantemerle
Unter dem Duft von Pillenbox Pflaume und Brombeere, Maulbeere, im Mund jugendlich, glatt und regelrecht smart. klassische Schönheit, auf den Punkt gebrachter Wein, sehr erfreulich, der sich mit und ohne Begelitung in Höchtsform zeigt (91+)

V.2 1989 Rausan-Segla
Nase von Sauce Griottine, Limetten-Pfeffer-Himbeer-Mix, feine Noten von Eukalyptus und Menthol und Wacholder. Im Mund saftig, der reinste Rollbraten, kräftige Struktur, voll ausgerollter roter Teppich. (92-93)

VI.1 1988 Pape Clement
Minzige, balsamische Nase, bei beiden Weinen des flights nur verschwindende Unebenheiten und Unterschiede in der Nase, beim Pape Clement etwas mehr Schokolade oder After Eight. Im Mund Voll, komplex, lang und mit noch einem winzigen Schäufelchen mehr Potential (94+)

VI.2 1988 La Mission Haut Brion
Hier wieder Minze, After Eight, aber auch ein wenig Pilzduft. Im Mund kraftvoll, mit einer minimal metallischen Art. Beide Weine habe ich praktisch genau auf Augenhöhe gesehen, wobei der LMHB vielleicht schon einen Hauch weiter entwickelt ist (94)

VII.1 1987 Leoville las Cases
Grüne Paprika, Cassis und Moschus, im Mund strukturiert und klar, dabei nicht unkompliziert (89)

VII.2 1990 Beychevelle
Rote Paprika, Pilzduft, Johannisbeermarmelade, schwarzer Tee, frisch gesoßter Tabak. Komplexere Aromatik und ein etwas besseres Mundgefühl als der LLC (90)

VIII.1 1982 Calon Segur
Gemüsebouillon und Zündhölzchen, nicht so sehr flüchtige Säure. Im Mund wie Plumpudding und Rumkandis (ohne Wertung)

VIII.2 1985 Chasse Spleen

Erde, Humus, Schwarzkirsche, im Mund noch überraschend druckvoll, mit sauberen, gesunden Tanninen (89)

B. Das Essen:

I. Roastbeef | Salat | Kräuter-Crème dazu:

2006 Domaine Chanssaud Châteauneuf-du-Pape

2006 Domaine Santa Duc, Gigondas, Cuvée des Hautes Garrigues

Der Châteauneuf war fruchtig, aufgelockert, beerig, fein, elegant und lang, der Gigondas in allem etwas dichter, konzentrierter, aber nicht so beweglich.

II. Wildschinken | Jakobsmuschel | Gamba dazu:

2006 Domaine Chanssaud Châteauneuf-du-Pape

2006 Domaine Santa Duc, Gigondas, Cuvée des Hautes Garrigues

III. Lammnüsschen | Kaiserschoten | Kartoffeln dazu:

2006 Domaine Chanssaud Châteauneuf-du-Pape

2006 Domaine Santa Duc, Gigondas, Cuvée des Hautes Garrigues

IV. Schokoladenfondant | Eiscrème dazu:

1985 Esteve Désiré, Maurydoré, Grenache élevé en fûts de chêne

Malzig, schokoladig, reif und süß, genau richtig zum Schokofondant.

C. Schließer:

I. 1995 Le Petit Cheval
Hart, kraftvoll, noch nicht ausentwickelt, Graphit, Metall, Mineral und Frucht stehen noch ein bisschen nebeneinander und müssen nach meinem Geschmack erst noch zueinander finden.

II. 1966 Tertre d’ Augay

Schon ein ziemlich abgefahrener Reifen mit wenig Restgrip und einem Duft nach leerer Weinflasche.

D. Kellerparty bei Uwe:

I. 2007 K.-P. Keller, Scheurebe (Morstein) trocken

Toll, was trockene Scheurebe aus Toplage so schaffen kann. Und das für kleines Geld.

II. Chartogne-Taillet, Cuvée Sainte Anne, 50CH 40PN 10 PM, 2004er Basis, 20% 2000er Reservewein

Süffiger Champagner mit gutem Säuregerüst, darüber ein Mantel von warmem Apfelkuchen, Mandeln und vor allem Quitten.

III. 2006 K.-P. Keller, Grauburgunder -S- trocken

Schmelziger, säurearmer Grauburgunder mit viel Butter und weissen Blüten.

IV. 1978 Domaine Baron Chenard, Givry

Speckduft und erdige Pinotnatur in voller Ausprägung.

V. 1988 Château Musar

Erdiger, von Cassis und Holundersirup geprägter Duft, wie ein sehr eigenwilliger Bordeaux. Durch seine ständig präsente, aber irgendwei gar nicht so sehr störende flüchtige Säure wirkt er etwas exotisch; im Mund dagegen alte Schule, mit kräftigem, noch nicht ganz eingebundenem Tannin, das sich erst langsam ins süssliche dreht, an Kardamom, Zimt und Süßholz erinnernde Würze und eine leicht hitzige Art von erkaltendem Kompott.

Bordeaux gegen Bordeaux-Blend im Vecchia Roma

I Amuse Gueule

1. Opener: Diebolt-Vallois Blanc de Blancs Grand Cru 1997

Jahrgangstypischer, deshalb leicht diebolt-untypischer Champagner, der sich erstaunlich freigebig, mit Äpfeln und Birnen präsentiert. Runde, milde Säure, volles Mundgefühl, mittellang.

II. Kurz gegrillter weißer Thunfisch auf lauwarmen dicken Bohnen

1. Beauregard à Pomerol 1993

Gut entwickelte, reife, warme Nase mit Pflaumenmus und Röstnoten. Einen Hauch über dem Léo, dem mehr Luft sicher zu einem besseren Abschneiden verholfen hätte.

2. Léoville-Barton, 2éme GCC à St. Julien, 1993

Verhalten, sperrig, schnappte regelrecht nach Luft, dann langsame Entwicklung von roter Grütze und einer noch ziemlich maskulinen Säure.

III. Gebratene Entenleber auf bitter-süsser Orangengremolata

1. Reichsrat von Buhl, Forster Jesuitengarten Spätlese 1998

Der pfälzische, selbst von Zesten geprägte Stil dieser Zeit passte perfekt zur Orangengremolata. Locker auf Ausleseniveau.

2. Warwick Estate Trilogy, Stellenbosch, 2000

Zunächst eine Nase wie von staubig gewordenen Maggiwürfeln, im Mund auch ziemlich staubig, etwas fleischig, wobei sich mit der Luft eine konzentrierte, amaronige Art entwickelte, die den Wein dann als neue Welt enttarnte.

3. Louis M. Martini Napa Cabernet-Sauvignon 2005

Eine parfumierte Art, wie die Fruchtjoghurtdrops von Katjes. Schmeckte nicht schlecht, aber so beliebig, wie jeder andere Bordeaux-Klon.

Die Roten waren beide keine Knüller, wobei der Warwick der interessantere, entwicklungsfreudigere Wein war.

IV. Geschmorte Kalbsbäckchen auf warmen Linsen

1. Ornellaia 2005

Kraftvoll, kirschige Nase, viele gemahlene Mandel- und Aprikosenkerne, Spuren von Bleistift; im Mund mit einem Knall präsent, vielleicht sogar zu alkoholisch, aber eben eine jugendfrische Schönheit gegen einen schwierigen, da wesentlich älteren, reiferen, voll ausentwickelten Flightpartner. Für mich trotzdem eine Nasenspitze vor dem Bordeaux, der zweifellos sein bestes gab.

2. Grand Mayne, GCC St. Émilion, 1990

Kleiner Stallstinker, gefolgt von einer sehr gelungenen Mischung aus Graphit, Unterholz, Pilznoten und einer darunter liegenden Schicht reifer, süsser Tannine. Dabei durchweg konzentriert, ganz ohne Unschärfen und insofern wohl auf dem Reifehöhepunkt angekommen, bzw. mitten im sweetspot getroffen.

V. Farfalle tradizionale mit Rehrückenragout

1. Grand Corbin Despagne, GCC St. Émilion, 2000 en magnum

In der Nase Zündhütchen von der Karnevalspistole, pfeffrige Noten, sonst eher schwache Nase. Im Mund süsslich, mit Zimt und Kardamomaromen, auch hier wenig Frucht, kam dann erst mit der Zeit aus der Deckung und war dann durchaus erfreulich. Machte sich auch ganz gut zum Kalbsbäckchen, harmonierte aber nicht völlig einwandfrei, gefiel mir deshalb einfach so im Glas besser.

VI. Reiner Weinflight:

1. Lagrange, 3ème GCC à St. Julien, 1990

Sehr kraftvoll, dabei glatte, seidige Tannine, eine Mischung aus Pauillacpower und St. Julien Eleganz. Konzentrierte Frucht und ledrige, auch an Zigarrenkiste erinnernde, mit erstaunlich viel Minze vermischte Noten. Wird jetzt nicht mehr besser – muss er aber auch nicht.

2. Pichon Comtesse de Lalande, 2ème GCC à Pauillac, 1989

Feine Struktur, ebenfalls mit Minze, die aber dezenter und zurückhaltender als beim Lagrange war. Außerdem Laub, Efeu, grüner Pfeffer, reifes, etwas mürb-süsses Mundgefühl, ein langer, harmonischer, fast schon kitschig guter Bordeaux.

VII. Lammfilet aus der Röhre, im gekräuterten Pancettawickel mit Rosmarinreduktion und Artischocken-Oliven

1. Henschke, Mt. Edelstone, Barossa Valley Shiraz, 1996

Joghurt, gekochtes rotes Obst, dunkle Beeren, sehr feines Eukalyptus-Menthol, ziemlich konzentriert und speichelflussfördernd, strukturierter, ansprechender Wein.

2. Gallo Estate, Sonoma, 1996

Hitzig, etwas brandig, konzentriertes, etwas scharfes, beinahe angebranntes Früchtemus, Minze, Zigarrenkiste, vielleicht auch schon zu alt. Entwickelte sich mit Luft und gehörte zu den unterschätzten Weinen des Abends, konnte aber auch nicht in der Spitzengruppe mitspielen.

und einzeln:

VIII. Cantenac-Brown, 3ème GCC à Margaux, 1999 en magnum

Der befand sich in sehr guter Verfassung, war aufgeschlossen, mit harmonischen, eher in Richtung Erdbeer-Himbeer als Cassis-Brombeer gehenden Noten. Zartes Holz, minimal ätherisch-ölige Art, stabile Säure, selbst eine gewisse herb-ledrige Art war noch zu finden. Zurückhaltender, bescheidener Wein, der nicht auf die Pauke haut, sondern als Hintergrundwein eine beständig gute Figur macht. Für mich einer der Überrascher in dem starken Bordeauxfeld.

IX. Weinflight

1. Ducru Beaucaillou, 2ème GCC à St. Julien, 1995

Mürbe, zart nussig, oatmeal cakes, Pumpernickel, ganz leicht metallisch-blutig, aber auch saftige Frucht und kerngesundes Tannin. Elegant und mit sehr rosiger Zukunft.

2. Léoville-Barton, 2éme GCC à St. Julien, 1996

Kernig, trocken, toastig, etwas flintig, auch Rosenblüten, für mich der Riesling unter den Bordeaux, konzentriert, mineralisch, konzentriert aber nicht streng. Enger als der Ducru-Beaucaillou.

X. Weinflight

1. Remelluri, Rioja Reserva, 1995

Kühle Stilistik, entfernt an Waldmeister angelehnte, grünlich-kräuterige, keinesfalls unreife Art. Im Mund dann voll, saftig mit viel Kirsche. Nicht nur dafür, dass der mal 25 DM (!) gekostet hat ein echter Knaller!

2. Figeac, GCC B St. Émilion, 1995

Eng, hart, metallisch, etwas röstig, im Mund dünn, keine Spur von Figeac. Bestätigt meinen Eindruck von früher, als der Wein sich wie ein völlig ungebärdiger Kraftmeier aufführte, ohne Eleganz, ohne Frucht, ohne Spass. Sehr schade, ich hatte mich auf den Wein gefreut und erwartet, dass der sich ein bissche harmonischer zeigen würde.

XI. Fonraud, Listrac, 1959

Rosinig, von einer sehr warmen Art, Kräuterhonig, Garrigue, konzentriert, straff, gesund. Hätte ich NIE für einen völlig unbekannten 59er Listrac gehalten.

XII. Käse

1. Kracher Nouvelle Vague No. 10, Welschriesling, 1999

Aprikose, Ananas, Pfirsich, viel Süße, gleichzeitig ein gesundes Säuregegengewicht, strukturierter, sehr raffiniert gemachter Wein. Großartig mit dem Fourme d’Ambert, aber auch zum Langres.

XIII. Montrose, 2ème GCC à St. Estèphe, 2000

Jung, eng, seidig, schon etwas würzig, mit erdigen, auch an Schiefer erinnernden Noten im Vordergrund. Nach dem Kracher etwas schwierig, vor allem ist der Wein kein Drängler und Schreihals, sondern ausgesprochen distinguiert.

Kleine Bordeauxsause

Lilian Ladouys 1993

Traut man den Bordeauxauguren, spricht manches dagegen, diesen Wein heute ernsthaft mit Genusserwartung einzuschenken (Wine Spectator: zurückhaltende 82 Punkte bei noch zurückhaltenderer Zukunftsprognose). Wer’s trotzdem wagt, wird belohnt, denn dieser St. Estèphe zeigt reife Cassisaromen, sanftes, noch nicht völlig verschwundenes, sondern jetzt genau richtiges Tannin und etwas Graphit, entwickelt sich mit etwas Luft zu einem vorzüglich harmonischem Speisenbegleiter und das zum Schmunzelpreis (wenn man denn seinerzeit so klug war, mehr als nur für den Alltagsbedarf davon einzukaufen und hinzulegen)

Réserve du Velours 2001
Der zweite Überrascher ist nicht klassifiziert, schmückt sich nicht mit Terroir, Familie, Punkten, oder einem potenten Investor, sondern glänzt einfach nur verlockend rubinrot im Glas und lädt mit einer von Erdboden und ledrigen Aromen geprägten, sonst aber durchweg fruchtigen, nicht unseriösen Nase zum Genuss ein. Genuss ohne Reue, wie sich dann schnell herausstellt, diese Reserve du Velours bringt einen Spass, den man sonst frühestens in der Klasse der guten Cru Bourgeois zu erwarten gewöhnt ist


Pichon Longueville Comtesse de Lalande 1993

Damenhafter Wein von rehhafter Schönheit und Agilität. Getragen von Kirschnoten in tiefdunkelroter Robe und mit schelmisch durchblitzender, sozusagen mädchenhafter Säure. Für viele einer der besten Weinie des Abends.


Grand Puy Lacoste 1993

Herber, ruppiger, vielleicht auch noch nicht ganz ausentwickelt dagegen der GPL – aber Jungs sagt man ja oft nach, dass sie in der Entwicklung ein bisschen langsamer sind als Mädchen. Für mich an diesem Abend eine Nuance über der in puncto Eleganz klar überlegenen Comtesse, aber wegen des meiner Meinung nach größeren immer noch vorhandenen Potentials und der für mich besseren Kombination zum Lammkotelett in diesem flight hauchfeiner Sieger


Canon 1993
Rüber nach St. Émilion und gleich ins volle Leben! Würzig, mit Pfefferkuchen, Nuss, Pflaumenmus und einer immer noch lebhaften, kerngesunden Säure. Reichlich lang am Gaumen und ohne begleitende Speisen für mich besser als mit

Beauregard 1993
Auf der rechten Spur auch Beauregard aus Pomerol. Tannin, Süssholz, reife Kirsche, nicht so komplex wie der Canon, kein Rechtsüberholer, eher einer, der sich mit seiner ruhigen, konzentrierten, aber nicht schwermütigen Art für den Sonntagsausflug eingerichtet hat. Daher gern zum Truthahnsandwich mit Remoulade, Kalbskopfsülze, Stücken von roh geräucherter Lende oder Roastbeefscheiben


Montrose 1989
Wundervoll ist noch zu wenig für diesen dunklen, fast geheimnisvoll anmutenden Wein. In konzentrischen Kreisen finden sich außen softes Tannin mit crèmigem, nur noch Spuren von Vanille verratendem Übergang in einen Ring steiniger Mineralität und schließlich eine vibrierende Säure, die den saftigen Kern aus reifen schwarzen Beeren, Kompott und umgibt.


Angélus 1989

Bordeauxtrinken wird einem selten so gemacht wie bei diesem himmlischen Wein. Der 89er Angélus hat eine so unmittelbare, ganz selbstverständliche Präsenz, dass man sich gar nicht unterhalten mag, sondern nur den Duft aus dem Glas saugen will. Da findet sich Minze neben Pflaume, Kirsche und Cassis, Leder, Zedernholz und Tabak, ja die ganze Latte der Bordeauxaromenclichés auf einmal, aber in einer Anordnung und in einem ganz und gar unclichéhaften Varianten- und Entwicklungsreichtum. Eine bessere Heimat für den – mit um die 40% hohen – Anteil an Cabernet Franc kann man sich nicht wünschen.

Ich habe dann noch mit einem Chateau Negly, 100% Syrah, La Porte du Ciel 2003 gekontert, der Wein war nicht in Konkurrenz zu den Bordeaux zu sehen, eher als ein aliud. Warm, reichhaltig, konzentriert, trotz seiner 14,5% alc. nicht spritig oder hitzig, ähnlich wie die Bordeaux mit kraftvollen roten Fruchtaromen ausgestattet, komplex, auch mit etwas Bitterschokolade, später vermehrt erdige und würzige Noten, die an frische geschnittene Champignons erinnern.