I. Weingut Fritz Allendorf, Winkeler Hasensprung Riesling Cabinet 1969, AP.-Nr. aus 1973

Erdig, etwas muffig und moosig, mit einer aparten Kräuteraromatik und angegorener Maracuja, wirkt exotischer und fetter, weil säurearm, als ein Rheingauer aus dieser Zeit. Außerdem deutliche Firne, die noch Platz für einen letzten mineralischen Druck am Zungenrand lässt. Erkennbar ausgesuchte Qualität aus der Übergangszeit zwischen altem und neuem Weinrecht.

II. Weingut Richard Nägler, Mittelheimer Goldberg Spätburgunder Weißherbst Auslese 1975

Sehr dunkel, wie Amarenakirschlikör. Auch in der Nase intensiver Kirsch-Schokoladen-Duft. Dessertcharakter. Im Mund sanft, samtig, wie feinpüriert und durchgeseiht. Langer, eleganter, ausgewogener, reifer, noch lange nicht am Ende angekommener Trinkgenuss, der weder optisch noch – zunächst – aromatisch den Spätburgunder Weißherbst verrät.

III. Champagne Grongnet, Carpe Diem Extra Brut avec ficelage traditionnelle

70CH 20PN 10PM.

Aus Etoges kommt dieser kleine Erzeuger, der zum Kreis der Special Clubberer gehört. Die Cuvée ist auf Chardonnay fokussiert, dessen schneidige Säure sehr sportlich daherkommt. Die beiden Pinotrebsorten bemänteln diesen flotten Sportler seidig, insgesamt ergibt das eine herbfrische, mittellange und angenehm apfel-zitrusfruchtige Neuinterpretation des Chardonnaythemas.

IV. Laurent-Perrier, Brut, Halbe Flasche aus den späten 60ern oder frühen 70ern

Zweifellos ältlich, mit nur noch ganz verhaltenem, kaum vernehmbarem Seufzer beim Öffnen. Für eine kleine Flasche dennoch überraschend frisch, am Gaumen mit der charmanten Mischung aus damals wie heute üblicher recht hoher Dosage und als pièce de résistance einer gut merklichen Säure.

V. Graves Superieur Ende der 60er

Kraftvoller weißer Charakter von altem Sauvignon-Blanc. Abgelagertes Heu, das noch einen frischen Duft verströmt, weißer Nougat, Kokos, Sahne, englische Crème. Hätte ich bei einem simplen Graves Superieur nicht erwartet.

VI. Château de Madère, Cerons, aus den 60ern

Suesser, grobgemahlener Senf, Kerbel, gebackener Estragon. Nur noch leicht süsslich für einen richtigen Süßewein und schon reichlich alt, aber noch mit etwas Freude trinkbar, z.B. zum Baguette mit eingebackenen Oliven und Chili, wesentlich besser zu eingelegten Oliven mit Anchovis, deren salzige Aromen der Wein sehr gut einbettet.

VII. Coron Père et Fils, Négociants à Beaune, Puligny-Montrachet 1955

Klassischer Chardonnayauftritt mit einer etwas trocknenden Art, aber noch mit viel frischer Zitronenmelisse und minimal medizinalem Unterton, etwas augeblichenem Apfel, vital, aber langsam, d.h. innerhalb der nächsten ca. fünf Jahre an seine Grenze gelangend.

VIII. Château Cheval-Brun, St. Emilion 1964

Ein ordentliches Trinkerlebnis war der Cheval-Brun, langsam überhand nehmende Alterssüße ist mir ja alemal lieber, als knochige, ausgezehrte Weine. Tabak, Pflaumenmus, leicht rauchige, speckige Noten, alles in allem sicher kein sehr eleganter Wein mehr, aber immerhin ein alter Schmusetiger.

IX. Château Recougne, Bordeaux Superieur 1961

Klar überlegen war da der 61er Recougne, obwohl nur ein ordinärer Bordeaux Supérieur. Süß, aber von der noch saftigen Art, reif, alt, dicht, erstaunlich tiefgründig, auch mit viel Tabak und Rauch, aber vor allem einer im Vordergrund stehenden betörenden fruchtig-sämigen Weichheit, Balance und wundervoll gereiften Tanninstruktur.

X. Château Recougne, Bordeaux Superieur 1966

Kein Wunder, dass der 66er aus gleichem Hause dagegen kaum eine Chance hatte. Nach eine korkähnlichen Phase vor allem Ladungen von Erdal Schuhcrème mit Bienenwachs, auch schwarzes Leder. Für mich am ehesten Ähnlichkeit mit einem mittelstarken Lagrein.

XI. Vieux Château Bourgneuf, Pomerol 1967

Schwer war der Vieux Château Bourgneuf. Ein Wein, der den ganzen Rachen verstopft, wie ein zu großer Bissen von einem zu trockenen Kuchen. Dementsprechend gab es Kirsche, Johannisbeere, Schokoladenkuchen, dick gesossten Tabak, Marillenkernöl. Sehr süß kam mir der Wein vor und nicht ganz entschlossen, zwischen einem letzten säuregeladenen Aufbäumen und einer schweren, müden Dichte.

XII. Beaune, Cuvée Reservée, Ende 50er Jahre

Erst Milchschokolade, dann kam mehr und mehr Liebstöckel dazu, meiner Meinung nach entwickelte sich außerdem viel Eau de Vie de Kirsch, am Ende dann eine etwas einfältige Erdnussflipsaromatik.

XIII. Clos des Papes, Schweizer Füllung 1965

Hellroter, süßlicher, griffiger, am Gaumen leicht kühlend wirkender Wein, der wie eine Mischung aus Herta Müller und Gundel Gaukeley auf mich wirkte. Trotz des erkennbar fortgeschrittenen Alters immer noch irgendwie sexy. Reichlich rote Beeren, die mit einer agilen Säure für wohltuende Abwechslung im süßlicher werdenden Aromengemisch sorgen. Der Wein baute sich mit Luft noch etwas auf, bevor er nach einigen Stunden erst abzubauen begann.