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Tag Archives: chardonnay

Die Blanc de Noirs Nacht

 

1. Wilhelmshof, Blanc de Noirs Brut 2007

20 Monate Hefelager.

Der erste Wein in einer Verkostung sein zu müssen, ist immer mit Schwierigkeiten behaftet. Der Gaumen mancher Verkoster ist vielleicht noch nicht recht kalibriert, die Begeisterungsschwelle noch nicht alkoholbedingt gesunken. Der Wilhelmshof musste als leicht zu enttarnender Pirat diese undankbare Einsteigerrolle übernehmen. Für den bekanntermaßen exzellenten und vielfach dekorierten deutschen Sekterzeuger mit der hohen Champagneraffinität war die Pole-Position leider besonders ungünstig, denn Sekt und Champagner lassen sich nur ganz schwer in einer Probe, bzw. in einem flight unterbringen. Hinzu kommt noch, dass der konkret verkostete BdN mit einem unangenehmen Sauerkrautstinker nicht auf Anhieb begeistern konnte; besser wurde er dann zu allem Unglück auch nicht mehr. Keine Spur von der sonst vom Wilhelmshof bekannten Sekt-Noblesse, keine betörende Frucht, zwar ein angenehmes Mundgefühl, aber letztlich zu wenig von allem.

2. Marie-Noelle Ledru, Ambonnay Grand Cru Brut

80PN 20CH, mit ca. 8g/l dosiert.

Von Viticultrice Marie-Noelle Ledru ist mir die Spitzencuvée de Goulté sehr ans Herz gewachsen. Ihre anderen Champagner kenne ich nicht so gut und so war es für mich schwer, mich dem Champagner blind zu nähern. Hochwertiges Lesematerial konnte man vermuten, dafür gaben Struktur und Gewicht des holzlos ausgebauten Weins genügend Anhaltspunkte. Die deutlich schmeckbare Wildkirsche kam mir allerdings allein etwas zu simpel vor, Nebenaromen konnte ich kaum ausmachen.

3. Roger Brun, Cuvée des Sires, Grand Cru "La Pelle" Extra Brut 2002

100PN aus südlich exponierter Einzellage; in kleinen Holzfässern vinifiziert. Unfiltriert, mit 3 g/l dosiert.

Kräftig, reif, vollmundig, dabei etwas pektinig und ganz leicht trocknend, daher an der Gaumenmitte vielleicht nicht gerade ein Loch, aber eine dünnere Stelle. Ich dachte wegen seiner verschwenderischen Fruchtnase (Kirsche, Banane, Bratapfel) zuerst an eine noch ganz junge Cuvée des Signataires von Régis Fliniaux, den ich erst kurz zuvor noch besucht hatte. Zumindest was den Ort betrifft, lag ich also richtig. Ein schöner Champagner, der wegen seiner durchdringenden Aromatik nicht an einen 2002er denken lässt und gut zum Essen passt.

4. André Clouet, Un Jour de 1911 Multi Vintage (2002, 2001, 2000 (?))

100PN aus Bouzy Grand Cru.

Ein langgehegter Wunsch ging in Erfüllung: mal eine etwas reifere Flasche vom 1911er trinken. Bisher habe ich diesen Champagner immer viel zu jung getrunken. Mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Denn schon in seiner Jugend schmeckt er famos, bei mir ist er als Burlesque-Champagner abgespeichert. Doch ist mir bei früheren Flaschen stets sehr schmerzlich bewusst gewesen, wie viel Potential er hat. Köstlich war der Mix aus weichen, sämig-fruchtigen Aromen vollreifen Beeren, die behutsam daruntergewobene Vanilligkeit, die unverpampte Textur. Die sehr scharf umrissenen Konturen von Goji-Beere, Cranberry und Zitrusfrüchten jüngerer Flaschen sind jetzt nicht verschwommener, aber gaumenfreundlicher, nicht mehr so dichtgedrängt und quirlig. Dieser Reifezustand entspricht seinem wärmenden Naturell – vielleicht schaffe ich es jetzt, dies Flaschen länger unangetastet zu lassen.

5. Jérôme Prévost, La Closerie, Rosé Brut Nature "fac-simile" (2007er), #58/2800, dég. Dezember 2009

100PM davon 11% Meunier Stillweinzugabe. Ausbau in jungen und alten Barriques.

Ich meine ja, dass längst nicht jeder der mal bei Anselme Selosse ein Praktikum gemacht hat, gleich ein Selosse-Schüler ist. Jérôme Prévost ist aber doch einer. Zu Hause ist er in Gueux. Das ist ein beschauliches Nest westlich von Reims, an der A4 Richtung Paris, IKEA-Freunde wissen, wo. Das Aufsehenerregendste in Gueux ist die freundlich-geschwätzige Verkäuferin im Tante-Emma-Eckladen, aber rein äußerlich gewiss nicht das Prévostische Anwesen. Daran fährt man schnell mal vorbei, denn Monsieur Prévost bewirtschaftet nicht zig Hektar und residiert nicht wie die großen Herrschaften. Über eine unscheinbare Bimmel kündigt sich der Besucher an, wenn er Einlass begehrt und wird freundlich aber bestimmt abgewiesen, wenn es nichts zu verkaufen gibt, was der Regelfall ist. Sein Champagner mit dem außergewöhnlich schlichten Etikett kam hell-zwiebelschalenfarben ins Glas. Kaum zu greifen war die Aromatik dieses noch ganz blutjungen Champagners, von dem man sich nur wünschen kann, dass er in Zukunft mehr Zeit auf der Hefe verbringen darf. Mineralisch, dicht, wandlungsfreudig. Beerig, vegetabil, mineralisch. Wispernd und leise, aber nicht vernuschelt. Kompromisslos und bestimmt, mit hoher Kraftreserve und viel Potential, allerdings von völlig anderer Machart als der 1911er in seiner Jugend. Sehr schön dürfte dieser ultrarare Champagner derzeit zu sparsam gewürztem Fisch mit hoher Eigenaromatik schmecken, noch viel schöner in fünf Jahren solo.

6. Jacquesson, Rosé, Dizy Premier Cru Extra Brut "Terres Rouges" 2003, mise en bouteille 14. Mai 2004, dég. 1er Trim. 2008

83PM, gepflanzt 1971 und 17PN, gepflanzt 1993; Mazerationsrosé mit 12 Stunden Schalenkontakt. Vinifikation im Fuder, dosiert mit 3,5 g/l.

Mit diesem Champagner kam das genaue Gegenteil des Prévost ins Glas. War der eine schon fast zu hell für einen Rosé, so war dieser hier meiner Meinung nach zu schon wieder sehr sehr dunkel und hätte ebensogut als – unzulässiger – Rotchampagner eingeordnet werden können. Dem 1959er Bourgogne Mousseux Méthode Champenoise vom Wochenende zumindest in der Farbe sehr ähnlich. In der Nase konzentriert, schwere, aber nicht bordellige Duftschwaden. Intensiv erdbeerig, mehr noch kirschig und mit viel Bodenhaftung – kein bloßer Früchtchenchampagner, sondern merklich enge Verwandtschaft zu Burgund. Sehr reif, säurearm. Überaus stark in Kombination mit Schinken, Salami, Pfeffer, Edelschimmelkäse. Faszinierend.

7. Xavier Leconte, "Les Vents d'Anges" 2005

100PM.

Nach dem Roséflight und ganz besonders nach dem mächtigen Jacquesson hatte es dieser weiße Meunierflight nicht leicht. Die Champagner von Xavier Leconte aus Troissy gehören zu den eleganteren Vertretern aus dem Marnetal. Von bäuerlicher Unbeholfenheit und trampelnder, etwas unsauberer Fruchtigkeit bei ihm keine Spur. Die Rebsortenchampagner aus seiner Serie "Les Vents d'Anges" gefallen mir alle gut, am besten gefallen mir Chardonnay und Pinot Noir. Den Pinot Meunier habe ich bei dieser Gelegenheit zum ersten Mal geöffnet. Grapefruit und Birne, reif, aber nicht überreif. Schlanker Wein ohne störende Holzeinflüsse.

8. Leclerc-Briant, Cumières Premier Cru Les Authentiques "La Ravinne"

2006er und 2005er, Blanc de Noirs von Pinot Meunier aus Verneuil. Mit 5 g/l dosiert.

Von der Frucht her dem Leconte sehr ähnlich, lediglich mit einer Spur mehr frischer Säure und einer etwas breiteren Bauart.

9. Egly-Ouriet, Blanc de Noirs Grand Cru Pinot-Noir Vieilles Vignes "Les Crayères", dég. nach 54 Monaten im Januar 2008

Erste Gärung im Holzfass (kennt man sonst noch von Krug oder Alfred Gratien). Ungeklärt, ungeschönt, ungefiltert. Kein BSA. Mit 2 bis 4 g/l dosiert.

Ein klarer Schritt nach oben und gelungener Abschluss eines schönen Blanc de Noirs Abends war der Crayères von Egly-Ouriet. Sattes Gold kündigt reife Aromen an, aber auf das dann kommende Erlebnis sollte man vorbereitet sein. Der erste Schluck ist, als würde man in eine bereits fahrende Achterbahn einsteigen. Temporeiche Entwicklung, mit Beerenfrüchte, Zwetschgenkuchen, pikant holziger Minzigkeit, die entfernt an amerikanische Eiche erinnert und ganz dezenter Hefe. Anders als in der Achterbahn rutscht man hier nicht auf einer glatten Sitzbank hin und her, sondern hat in phantastischen Sportsitzen jederzeit perfekten Halt. Völlig zu recht ein weithin begehrter Champagner.

10. Zoémie de Sousa, Blanc de Blancs, Cuvée Precieuse

Chardonnay aus Chouilly, Cramant, Avize, Oger und Le-Mesnil.

Der große Erfolg der Winzerchampagner von Erick de Sousa führte dazu, dass er den Status des négociant erwarb und begann, unter dem Namen Zoémie eine Champagnerlinie zu kreieren, bei der er Trauben zukauft. Das gelingt ihm ganz gut, denn an den Prinzipien der Weinbereitung wird dabei nicht gerüttelt. Die Vinifikation findet in 400-Liter Eichenfässern statt, es folgt ein dreißigmonatiges Hefelager. Autolytische Aromen, rote und grüne Äpfel prägen das Geschmacksbild.

Bio-Champagner nachprobiert

 

I. Françoise Bedel

Ein nettes Wiedersehen mit der stets sehr eleganten Madame Bedel und ihren Weinen. Auf ihre exzellente Cuvée Robert Winer befragt, gab Madame Bedel zur Antwort, dass sie einen 2008er in petto hat. Darauf wird die Champagnerwelt leider noch gute zehn Jahre warten müssen, fügte sie aber sogleich hinzu. Wenn der 2008er mit dem famosen 1996er vergleichbar ist, werde ich gerne warten.

1. Dis, Vin Secret Brut Nature 2003

86 PM 8 PN 6CH. Die Apfelaromen vom letzten Mal haben sich wohl ausmetamorphiert und entschieden, sich in Richtung überreifer Schattenmnorellen zu entwickeln. Trotz seiner weichen Art mit einer angenehmen Spritzigkeit ausgestattet, wobei die Säure etwas überfordert wirkt.

2. Entre Ciel et Terre Brut 2002

100PM. Das feine, leichte elegante Element der Weizenmehlnase hat sich gehalten und verfeinert. Hinzu kommt ein leicht herbes Quittenmusaroma. Der Champagner ist balanciert, lebhafte Säure und eine leichte Mürbe stehen in gutem Gleichgewicht und können sich so sicher noch ein paar Jahre spannungsvoll belauern, bevor der Champagner abbaut.

3. Origin'elle Brut 2004

78PM 9PN 13CH. Alkoholische Nase, im Mund herb. Säurearm und in gewisser Weise effizient: aus dem was er an Meuniercharakter hat, holt er das beste raus.

4. L'âme de la Terre Extra Brut 2002 – informell –

Drittelmix. Erde, Brot, Getreide, wie der Name schon ankündigt. Im Mund glatt, sauber und schnittig, wenn nicht gar seidig. Milde, charaktervolle Herbe.

II. Thierry de Marne, Champagne Frison Demarne

Die allerersten Flaschen gab es, noch ohne Rückenetikett (das später einmal das Dégorgierdatum des jeweiligen Lots tragen wird). Im Frühjahr hatte ich in Paris die damals noch namenlosen Cuvées probiert, nun gab es die in den Startlöchern stehenden Champagner quasi als pre-opening.

1. Blanc de Blancs "Lalore" non dosé, 2007er Ernte

Hatte ich auf meine Merkliste gesetzt und siehe, der Champagner hat sich ganz prachtvoll entwickelt. Frisches Chardonnaynaturell, das mich auf Anhieb an einen am Vorabend getrunkenen 2004er Blanc de Blancs "Les Vents d'Anges" 2004 von Xavier Leconte erinnerte. Knackig, lang, ein vorwärtsdrängender Chardonnay mit einer feinen Butterweck-, Buttercroissantnase. Wenn dieses junge Haus so weitermacht und seinen Champagnern später einmal noch mehr Zeit auf der Hefe gönnt, haben wir einen neuen Spitzenerzeugeranwärter.

2. "Goustan", 2007er Ernte

50PN 50CH. Auch hier lohnt es sich, den Champagner im Blick zu behalten. Rassig, mineralisch; wie seine blonde Schwester mit starkem Vorwärtsdrang, etwas dunkler, eher auf der Krustenbrotseite. Sehr charmantes Mentholfinish.

III. Jean-Pierre Fleury, Champagne Fleury

Aus der Vielzahl der Cuvées von Fleury gab es diesmal drei Champagner.

1. Fleur de l'Europe Brut Nature

85PN 15CH. 2001er Basis mit Reserve aus 2000.

Frische Baumwollnase, dicht gewebt, fast filzig. Etwas chlorig, mittelschwer. Nicht der größte Wurf aus der Fleury-Kollektion.

2. Extra Brut 1995, dég. 2009

80PN 20CH.

Reifer 95er, dem man mit ein wenig glücklicher Spekulation das späte Dégorgement abschmecken kann. Vornerum lebhafte Frische, hintenrum altersangemessen Mürbe. Ähnliche Spannung wie bei Bedels Entre Ciel et Terre 2002. Kann noch ein ganze Weile.

3. Rosé de Saignée Brut (2007)

80PN 20CH.

Herber, kräftiger Rosé, dessen Blumendekor über sein männliches Interieur täuscht.

IV. Bertrand Gautherot, Champagne Vouette & Sorbée

Bertrand Gautherot stellte die Erzeugnisse seiner Kinder vor.

1. Fidèle

100PN. 2007er. Dégorgiert am 14. Dezember 2009. Je mehr Flaschenreife der Champagner bekommt, desto weiter entfernt er sich von seinem niedlichen Namen. Zur Zeit wirkt er kraftstrotzend und zeigt das reinste Raubkatzennaturell. Fleischig, gerbstoffig, lang.

2. Blanc d'Argile

100CH. 2007er. Am 12. Januar 2010 dégorgiert. Immer noch Banane, immer noch üppiges Erdbeer-Himbeer-Aroma, das sich mit Luft in einen gar nicht mal unangenehmen Klebstoffduft umwandelt. Sehr sportlicher, ausgeruhter und mühelos wirkender Typ, geht wie ein Rennwagen über die Zunge. Vom Holz merkt man nicht mehr ganz so viel. Wird sich weiterhin positiv entwickeln, denke ich.

3. Saignée de Sorbée

Ein 2006er. Dégorgiert am 12. April 2010. Dieser Champagner hat sich gegenüber dem letzten Mal gefangen. Ein betörender und für Roséchampagner ungewöhnlich geheimnisvoller Boudoirduft macht sich bemerkbar, floral, mit Maiglöckchen und Lilie. Ein Verkoster meint: das ist der Duft von getragenen Damenstümpfen. Wenn ich meine Damenstrümpfe ausziehe, duften die nicht so, aber wahrscheinlich meinte der Kollege das auch nicht. Am Gaumen ist der Champagner eigenwillig schön, die florale, etwas cremige Textur bleibt lang am Gaumen.

V. Vincent Laval, Champagne Georges Laval

Ohne Bart sieht er nicht mehr aus, wie Käpt'n Haddock; cool und entspannt, prächtig gelaunt präsentiert er seine Champagner, dass es eine Freude ist.

1. Cumières Premier Cru Brut Nature

2006er. 50CH 25PN 25PM. Kraftvoll, crèmig, etwas fleischig, milde Parfumnote, Duft von Nivea und Zitrusfrüchten. Am Gaumen dann pinotgeladen, weinig und gefühlvoll. Entwickelt sich scheinbar recht flott.

2. Les Chênes Cumières Premier Cru 2005

100CH. Starker Champagner in kleiner Auflage (1776 Flaschen und 49 Magnums). Haselnussnote und Aromen aus der Thaiküche. Immer wieder Zitronengras, Ingwer, Limette. Mildes Holz, superbe Sauberkeit und enormes Entwicklungspotential.

3. Cumières Premier Cru Brut Nature 2002 en Magnum

Schwebend leicht, fein, weich, haselnussig, mittelgewichtig. Schlank, doch im Kern sehr konzentriert. Da findet sich eine Ahnung von Ammoniak, die aber nicht zehrend oder sonstwie beschwerend wirkt, sondern dem Wein eine sportliche Aggressivität verleiht, die mir gut gefällt.

4. Coteaux Champenois Rouge Cumières Premier Cru 2008

Langpfeffer, Tellycherrypfeffer, Kirsche, mandel- und Aprikosenkerne. Weich, mit dennoch kerniger Säure, die sich aber nicht aufdrängt und gegen Ende etwas seifig wirkt.

VI. David Léclapart, Champagne David Léclapart

Immer Chardonnay, immer Jahrgang, immer ohne Dosagezucker und stets mit vollem BSA. Das ist die scheinbar einfache Formel, auf die sich David Léclaparts Champagner bringen lassen.

1. Amateur 2007

100CH von sechs Parzellen. Stahltankausbau. Nur ca. 2-3 freies SO2 mg/l. Rund, weinig, etwas kratzig, auch gerbstoffig.

2. Alchimiste 2007

Marzipan, Rosenwasser, Aprikosenmus, weißer Pfirsich, Orangenblüten, auch Fleur de Sel und was das Verblüffendste ist: ein Geschmack von frischer Foie Gras. Enorm.

3. Artiste 2005

100CH von zwei Parzellen. Halb Stahl, halb Barrique. Weich, schaumig, rund und lang. Schmeichelhafte und leichtfüßig daherkommende Mineralität mit darübergestreuten Zuckerblüten. Sanftes Timbre, das ein wenig der Stimme von David Léclapart entspricht

VII. Champagne Leclerc-Briant

Pascal Leclerc-Briant ist leider am 6. Oktober 2010 verstorben.

1990 begann er mit dem biodynamischen Weinbau nach Jacques Puisais in einer nur 50 Ar großen Parzelle. Im Jahr 2000 wurden erst die Lagen Les Crayères und Les Chèvres-Pierreuses, dann der gesamte Rebbestand in Cumières und Verneuil biozertifiziert. Seit 2006 ist der gesamte Rebbesitz von Leclerc-Briant bio-, seit 2008 demeter-zertifiziert. Pascal Leclerc-Briant war einer der unermüdlichen Antreiber in der Region und einer der wirkmächtigsten Biopioniere der Champagne. Auf ihn gehen die Bio-Tastings der AIVABC zurück.

1. Cuvée de Reserve Brut

70PN 30CH aus 06, 05 und 04. Mit 8 g/l dosiert. Entweder hat die zusätzliche Flaschenreife dem Champagner sehr gut getan, oder die vor einem halben Jahr probierte Cuvée de Réserve hatte einen Hau, bzw. war eben einfach noch nicht soweit. Saftig, g'schmackig, mit einer für 8 g/l schon mehr als nur leichten Süße, dennoch mit hintergründiger Kraft. Schöner Standardbrut.

2. Les Chèvres Pierreuses Cumières Premier Cru

40PN 40CH 20PM.

Mein Liebling aus der Kollektion von Leclerc-Briant. Fordernder, druckvoller Mix aus quietschlebendigem Chardonnay und nur scheinbar um Seriosität besorgtem Pinot, der gegen Ende handzahm wird.

3. Cuvée Divine 2004

50PN 50CH.

Weicher Champagner mit dem Charakter von Kalbfleischrollbraten. Was ich auf der Master Class schon festgestellt habe, bewahrheitet sich hier erneut. Der Champagner ist dicht, aber nicht fokussiert, wuchtig, aber nicht massig.

VIII. Bruno Michel

Bruno Michel erklärte mir, weshalb sein "Rebelle" diesen und nicht einen anderen Namen bekommen hat. Weil er die Biobewegung als eine rebellische Bewegung ansieht, die sich gegen den industriellen Massenwein zur Wehr setzt. Eine sympathische Begründung, wie ich finde.

1. Cuvée Blanche Brut

50PN 50CH. 07er Basis mit Reservewein aus 2006. Mit 8 g/l dosiert. Fruchtiger, für die Chardonnays aus Pierry und Chouilly recht typischer Stil, angereichert mit floralen Aromen von Geißblatt und Weißdorn. Stoffig und etwas rauh am Gaumen. Schön.

2. Cuvée Rebelle Extra Brut

2006er von alten Reben. Mit 2 g/l dosiert. Herb, griffig, gegenüber der letzten Probe deutlich runder und nicht mehr so stürmisch-kämpferisch. Kirschkerne und Birnengehäuse, drumherum weiches, sehr aromatisches Fruchtfleisch.

3. Cuvée Blanc de Blancs Pierry Premier Cru

Gegenüber der Cuvée Blanche verfeinert, geschliffener, eleganter, länger und tiefer.

4. Cuvée Rosé

80PM als Saignée und 20CH als Assemblage dazu. Dieser Champagner passt zu Andouillettes, das habe ich beim ersten mal festgestellt und dabei bleibt es nach meiner Meinung auch. Jetzt schmeckt er allerdings schon deutlich feiner nach pürierten Erdbeeren, bzw. Erdbeermargarita. Schlotzig.

IX. Franck Pascal

Neue, wie Franck Pascal einräumte auch schönere Etiketten zieren nun seine Flaschen. Der Inhalt entspricht dem, was ich bereits von ihm kennengelernt habe.

1. Sagesse Brut Nature, dég. 11. Mai 2010

57PM 38PN 5CH.

Alkoholische Nase, wässriger Gaumen. Dann viel Säure. Wieder mal ein viel zu junger Champagner von Franck Pascal. Ich wüsste zu gerne mal, wie die denn in reif schmecken. So kann ich wenig drüber sagen.

2. Tolérance Rosé, dég. 6. Juli 2010

Aus Assemblage entstanden, bilden 96% Sagesse und 6% Pinot-Noir + Pinot Meunier die Cuvée. Etwas enger zusammengeschnürt sind bei diesem Champagner die verschiedenen Stränge aus Säure und wässrig-flüssigem Aromen-Liktorenbündel. Leicht, mineralisch, fruchtarm.

3. Coteaux Champenois Rouge Confiance

Erinnert in der Nase an gedeckten Pflaumenkuchen und an den selbstgebrannten Pflaumenschnaps der Bauern in der Gegend um Nevers. Griffige, konsequent kühl und etas steinig wirkender Pinot.

Sommerchampagner – Champagne im Sommer

Ein kleiner Auszug jüngst in der sommerlich-heißen Champagne verkosteter Champagner. 

Seit zwei Wochen sind in Frankreich Sommerferien. Das hat den großen Vorteil, dass man auch in der Pariser Innenstadt vergleichsweise mühelos Parkplätze bekommt und seinen Wagen zwischen z.B. dem von mir wegen seiner touristenfreundlichen Lage geschätzten Waldorf Trocadéro in der Rue Lauriston und einer der vielen kleinen in Laufnähe gelegenen Boutiquen parken kann. Ein wesentlicher Nachteil dieser Sommerferien ist, dass viele Champagnerwinzer Badehosen und Bikinis in den Kofferraum ihrer nagelneuen S-Klassen schmeißen und in Richtung ihrer Domizile zwischen Juan-les-Pins und Cap Martin abdampfen. Wer dennoch in der Champagne bleibt, wird gnadenlos von mir aufgesucht.

Hier die ersten Opfer:

1. Colin, Blanc de Blancs "Blanche de Castille" Premier Cru

Chardonnaygrundweine zu 70% aus Vertus und 30% aus Bergères-les-Vertus

Vertus. 12 ha überwiegend in der Côte des Blancs und im Sézannais.

Einfacher Champagner, blumig, wenig Säure, geht gerade so.

2. Remy Massin, Brut Réserve

70PN 30CH

2006er Basis mit Reservewein aus 2005 und 2004.

Ville sur Arce, Aube. Der Erzeuger hat 20 ha und bringt mit seinem Brut Réserve einen Champagner auf den Markt, dessen kandiert wirkende Nase sich am Gaumen zwar einfach, aber spritzy zeigt. Auch kam mir trotz des ersten Naseneindrucks der Champagner nicht zu bonbonig vor. Die andeutungsweise vorhanden Weinigkeit ließ aus dem insgesamt eher einfachen Champagner dennoch kein Irrsinnsgeschoss werden.

3. Gaidoz-Forget, Carte d'Or

80PM 10PN 10CH

2007er Basis mit Reserve aus 2006, ca. 24 Monate Hefelager. 10 ha.

Ludes. Der Erzeuger wurde mir gleich mehrfach empfohlen. Also her damit! In der Nase Kaffee, Karamell, am Gaumen einfach und glatt, mittellang mit einer an Sauerampfer und Mangold erinnernden Gemüsigkeit im Hintergrund. Da geht noch mehr. Habe mir deshalb noch die Cuvée Quintessence aus den Jahrgängen 2000, 1999 und 1998 mit gut zehnjährigem Hefelager gesichert.

4. Duménil, Grande Reserve Premier Cru

Drittelmix, 50% Reservewein, drei Jahre Hefelager, ca. 11 g/l Dosage

Das Haus sitzt in Chigny-les-Roses und verfügt über 8 ha in den Premier Crus Chigny, Rilly und Ludes. Der Champagner zeigt Premier-Cru-Qualitäten. Ausgewogen, auf gehobenem Niveau frisch, mit einer etwas seltsamen, aber ansprechenden Mischung aus Campher und Sesam.

5. Carré-Guebels, Brut Rosé

70CH 30PN

Trépail. Herb, kurz und einfach, dabei ohne ersichtlichen Fehler, auch Korkschleicher würde ich ausschließen. Einfach eine schlechte Flasche erwischt zu haben ist natürlich auch keine schöne Begründung. Leider die einzige, die mir zu dem Champagner einfällt. Schade, vopn Carré-Guebels habe ich gerade den Rosé, aber auch die Spitzencuvée in guter Erinnerung.

6. Déhu, Grande Réserve

70PM 15CH 15PN, drei Jahre Hefelager

Fossoy, kurz vor Château-Thierry. Saftig, leicht, andeutungsweise bonbonig, auch sahnig, milde nussig, erinnert an Haselnusseis und an den Duft von Krokant. Ganz ordentlich, wenn man diese Aromen bei jungem Champagner schätzt.

7. Damien Cez, Cuvée Brut

Drittelmix

St. Martin d'Ablois.

Hinter den hügelig aufgeschwungenen Ufern des Marnetals, gleichsam im Rücken von Oeuilly und Boursault und auf dem Weg beispielsweise zum Château d'Etoges, liegt St. Martin d'Ablois, wo alljährlich eine der größten Wandergourmetmeilen der Champagne stattfindet.

8. Nowack, Brut Carte d'Or

Rund um Kreuzzugspapst Urban II. kleben die Örtschaften an den Hügeln des Marnetals. Einer dieser Orte ist Vandières, wo auch Biodyn-Winzer Ardinat-Faust zu Hause ist. Diesmal ging es aber zu Champagne Nowack. Die Ahnen sind 1770 aus Österreich in die Champagne gekommen und die Nachfahren machen nicht nur Champagner, sondern betreiben auch einen eigenen Campingplatz auf dem Grundstück.  

Unabhängige Winzer unter der Lupe – Sézannais: Olivier Collin, Broyes

Olivier Collin, Broyes

Der Namensgeber des Erzeugers aus Broyes ist der Vater von Fabrice, dem derzeitigen Chef. Der Ertrag von gut 7 ha geht an die Genossenschaft CRVC in Reims, die u.a. Champagne de Castelnau herstellt. Über Cuvée und Dégorgement bestimmt Monsieur Collin jeweils nachdem er den versekteten Wein von der Genossenschaft zurück erhalten hat. Verschluss ist Diam Mytik. Mit Olivier Collin von Ulysse Collin in Congy besteht übrigens kein Verwandtschaftsverhältnis.

1. Brut (2007)

2007er Jahrgang, 40CH 15PN 45PM, 40% Reservewein. 10 g/l Dosage.

Reifer, runder, gemütlicher, ziemlich klassischer, nicht gerade ultrafrischer Champagner von sehr kundiger Hand.

2. Cuvée Prestige, Blanc de Blancs (2004)

2004er Jahrgang.

Lebhafter Champagner mit mehr Druck, Finesse und Spiel, als der einfache Brut. Wuselige, d.h. nicht ganz pointierte, etwas einfache, aber präsente Säure.

3. Cuvée Celia (2003)

2003er Jahrgang. 32CH 68PN. 9 g/l. Das Etikett ziert die hübsch anzusehende Frau von Fabrice als kniender Akt, von einem befreundeten Bildhauer aus Troyes klassisch verewigt und daraufhin von einer ebenfalls befreundeten Malerin zur Etikettenvorlage umgearbeitet. Die Dame heißt auch gar nicht Celia, sondern eine etwaige gemeinsame Tochter hätte diesen Namen tragen sollen. Bis jetzt gibt's die aber nur in Flaschenform.

Haselnussige Aromen, reife rote Früchte, ein harmonischer, teilweise ins Herbe spielender Champagner, der dadurch nicht unebenmäßig wirkt. Erinnerte mich etwas an die Champagner von Jacky Charpentier.

4. Rosé

27,5CH 27PN, 45,5PM, 13,5% Pinotzugabe. 2007er Basis und 22% Reservewein. 10 g/l Dosage.

Leichter, durchgängiger, in sich geschlossenern Rosé mit minimaler Herbe, bei der ich nicht sicher bin, ob sie zum Stil des Hauses gehört.

Unabhängige Winzer unter der Lupe – Aube: Champagne Fluteau, Gyé-sur-Seine

Fluteau, Gyé-sur-Seine

Über neun Hektar verfügt dieser unter anderem von Tom Stevenson sehr positiv bewertete Aube-Winzer, dessen amerikanische Ehefrau Jennifer einen Champagnerblog betreibt: http://champagnefluteau.over-blog.com/. Die Verwandtschaft kennt man auch: Biopionier Fleury aus Courteron.

1. Cuvée Prestige Blanc de Blancs

Mineralische, enge Nase mit Salmiakbonbon, das sich im Mund wiederfindet.

2. Cuvée Symbiose Millésime 2004

50PN 50CH.

Buttercrèmige Nase, ungewohnt griffiges, dabei sehr feinkörniges Tannin, immer noch balanciert, von herber Frische und mit ansprechendem mineralischem Druck, bei mittellangem Ausklang.

3. Cuvée Reservée

85PN 15CH.

"Sheer glugginess", sagt der Decanter (http://www.decanter.com/archive/article.php?id=121968). Hat er damit recht? Drei Wörter: er hat. Grasig, mit etwas Stachelbeere und Kiwi, ohne dass der Champagner wie ein verkappter Sauvignon-Blanc schmecken würde. Leider habe ich ihn sehr kalt getrunken, daher konnten sich die geschmeidigen, weichen und weinigen Pinotaromen nicht sofort mit der Würde und Eleganz aus dem Primäraromenkonzert lösen, wie es mit etwas Temperatur dann der Fall war.

4. Blanc de Noirs

100PN.

Auch wieder von primären Aromen, diesmal Banane und Kirsche dominiert, mit etwas Luft kalter Rauch wie von Mentholzigaretten, leider mit einer wenig ansprechenden, noch nicht direkt rapsigen, aber etwas unreif und minimal kratzig wirkenden Unkrautnote. Ich weiß, dass es Leute gibt, denen das gefällt – ich gehöre nicht dazu. Leider, wie alle Fluteau-Champagner, zu kalt getrunken, daher vielleicht das etwas getrübte Geschmacksbild.

5. Brut Rosé de Saignée

100PN.

Bildhaft gesprochen ein Bauernnase. Grobschlächtig, knollig, ja kartoffelig. Und dann: überreife Honigmelone, Beerenkompott, rote Grütze, dazu ausgeprägt hefige Noten, die sich mit Malzbier vermählen und an belgisches Kirschbier erinnern. Gehört vielleicht zu den robusteren Champagnern, mancher wird sagen: typisch für die Gegend, Bauernchampagner; für mich zeigt das esamtprogramm von Fluteau, dass man sich der Vorbehalte gegen die Aube wohl bewusst ist, die Herausforderung aber annimmt. Die Champagner scheinen, soweit ich das wegen der Temperaturprobleme beurteilen kann, alle mit einer geradezu ironischen Interpretation des Bauernchampagnerthemas auf die Flasche gebracht. Ein gut gangbarer Weg, um sich vom Image der Region zu emanzipieren. Wenn Fluteau so weitermacht, steht höheren Weihen nichts entgegen.

Unabhängige Winzer unter der Lupe – Aube: Didier Doué und Champagne Velut aus Montgueux

Didier Doué, Montgueux

Beim Örtchen Montgueux läutet im Kennerkopf sofort die Jacques Lassaigne-Glocke und das erst seit kurzer Zeit. Für die meisten, selbst gut informierten Champagnerfreunde ist Montgueux jedoch noch völlige terra incognita. Dabei ist der in mehrfacher Hinsicht abseits gelegene Ort landschaftlich überaus reizvoll und von seinen Weinbergen aus hat man eine herrliche Sicht auf die mittelalterliche Minimetropole Troyes. Die 5 ha von Didier Doué werden integriert, d.h. bei ihm quasi biodynamisch bearbeitet und über seine CO2-Bilanz macht er sich zudem noch Gedanken, weshalb die ausladenden Dachflächen der Wirtschaftsgebäude komplett mit Photovoltaikzellen bestückt sind. Seine Champagner sind setets Einzellagen-Champagner (Monocrus), die Böden verfügen teilweise über Silex-Einsprengsel, die auch das Terroir bei Ulysse Collin im Sézannais so sehr bereichern. Ecocert. Für einen Betrieb, der erst seit 1980 Champagner macht, höchst respektabel.

1. Brut Selection

80 CH 20PN, 2006er Basis mit Reserve aus 2005, 10 g/l Dosage.

Brioche mit Honig und Mandelsplittern, etwas hefiges, auch etwas hoch dosiertes Naturell. Insgesamt kräftig, kommt aber schnell aus der Puste.

2. Brut Prestige

60CH 40PN, 2005er Basis mit Reserve aus 2004 und 2002, 7 g/l Dosage.

Brioche, Honig und Mandeln, im Gegensatz zum Brut Selection angereichert durch freche Säure, druckvolle Mineralität, insegesamt viel mehr Leben, Ausdauer und Rasse. Tom Stevenson sah ihn immerhin gleichauf mit zwei so unterschiedlichen und schwergewichtigen Champagnern wie der Cuvée Louis von Tarlant und beispielsweise dem Clos Jacquin von Callot (http://www.wine-pages.com/guests/tom/fizz04_3.htm), von dem es gerade einmal tausend Flaschen gibt und den ich zufällig nur kurz nach Doués Champagner probiert habe.

3. Blanc de Blancs Millésime 2002

Mit 5 g/l dosiert.

Kraftvolle Steigerung zum Brut Prestige und zum Selection, für mich beginnt mit diesem Champagner das Portfolio von Doué hochklassig zu werden. Florale, vor allem aber auf die Silexeinsprengsel zurückzuführende tiefgründige Mineralität, die zum Kauen anregt, dazu wieder Brioche, außerdem hochelegant, weisser Pfirsisch und Nashibirne. Ein würdig vinifizierter 2002er.

4. Brut Nature

70CH 30PN, 2006er Jahrgang aus dem lieu dit le Corre.

Nackt und herzhaft, sprich drall, jedoch nicht plump oder hitzig, sondern mit einem kühlen, etwas distanzierten Habitus. Reizvoller Champagner, bei dem mir noch nicht ganz klar ist, warum er als Einzellage vinifiziert wurde, aber da es nicht meine letzte Begegnung mit Didier Doués Champagner sein wird, kann ich darüber in Zukunft ja vielleicht noch mehr lernen.

5. Rosé

85CH 15PN, 2006er Basis mit Reserve aus 2004, 10 g/l Dosage.

Selten finde ich eine Dosage von 10 g/l oder mehr angemessen oder gar schmackhaft. Bei diesem Rosé hat mich der Schleckermaulfaktor voll erwischt. Mandeln, Holz und Rauch umwehen den ersten Schluck, bevor sich eine tiefgründige, zwischen triefend-saftig und knisternd-knackig kandiert changierende Blutorangenaromatik entwickelt. Ein herbes, etwas dünnes finish tut der Freude keinen Abbruch.

 

Champagne Velut, Montgueux

Die sieben Hektar des Erzeugers sind größtenteils mit Chardonnay bestockt.

1. Brut Tradition

75CH 25PN

Einen beeindruckenden Start legte der Brut Tradition hin, was gemeinhin als gutes Zeichen gewertet werden darf. Schnelle, starke Entfaltung ausgeruhter und sehr motivierender, von schlanker Säure getragener Apfel-Birnenaromen am Gaumen. Als gälte es, mit einem Panzerregiment tief in den feindlichen Raum vorzudringen besetzt dieser Champagner die strategisch wichtigen Punkte an Zungenspitze und -rändern. Dazu passte die etwas starre, pektinige Rüstung des Champagners.

2. Cuvée Speciale, Blanc de Blancs

Nicht mehr ganz so aufregend und rapide arbeitet die Cuvée Speciale sich vor. Klar, limettig, frisch, mit einer ununterbrochenen, sauberen, Apfel und Birne duplizierenden Aromatik aber ohne den rechten Schwung, wie ihn der einfache Brut Tradition gezeigt hatte. Trotzdem eine überaus solide Leistung.

3. Rosé

100PN

Muffig, aber nicht korkig, erdig, im Kern etwas zu dick und unausgewogen, mit einem allzustark rot durchscheinenden Charakter war abschließend der Rosé.

Privat Essen bei Essen-Privat

2010 schwer im Trend: Guerilla-Restaurants. Überall schießen sie angeblich wie Pilze aus dem Boden, aber wie bei den kleinen Eukaryonten ist es auch mit den Restaurants: Pfifferlinge und Steinpilze findet man leider nicht so oft. Umso schöner, dass der Essener Stadtteil Frohnhausen mit Essen-Privat einen solchen Edelpilz vorzuweisen hat. Ein Besuch bei Achim und Conny Lichte lohnt sich immer, am besten mit munterer Truppe. Vorabeindrücke gibt es unter www.essen-privat.de.

Wir hatten uns folgendes Menu zur Schaumparty ausgesucht:

Als opener gab es "Fraenzi" Rotling secco von Castell, sehr fruchtig, von fast leichtsinniger Süße, die nach Erdbeer-Sahne Bonbons von Campino schmeckte, harmonierte aber gut mit dem Amuse:

I. Amuse Gueule: Spinathäppchen, Gravad Lax, Ketakaviar und Crème,

dazu Cava, "A Posteriori" Rosé, Brut (7,5 g/l) von Colet aus dem Penedes, Merlot, ca. 15 Monate Flaschenlager, 11,5% vol. alc.

Wirkte zum Amuse flacher und karger als der Fraenzi, als standalone zeichnete sich em-eukal-Kirsche ab, das war's. Man merkt's: nicht sehr beeindruckend und ziemlich cavauntypisch.

II. Möhren-Chili-Ingwersuppe mit Flusskrebsschwänzen,

dazu Crémant Brut von Ponsot aus Gevrey-Chambertin, dagegen Yarden Brut, Blanc de Blancs Jahrgang 2000, koscher, von den Golan-Höhen, Israel

Der Burgunder fast rosé in der Farbe, anfangs mit überreichlich Schwefelgestank und erst im Mund schmeichelnd-fruchtig, passte sich gut der Suppe an und vertrug sich besser damit als der chardonnayuntypisch schmeckende Yarden, der trocken, fast sandig schmeckte und erst nach etwa einer Stunde und später noch, allerdings nur mit einem gewissen Exotenbonus Trinkfreude bereitete.

III. Wildkräutersalat mit gebratener Wachtelbrust und gebackenem Ziegenkäse, Nuss-Himbeervinaigrette,

dazu Cava Artesa, Katalonien, "Bocchoris" Brut Nature Reserva aus Xarel.lo, Macabeo, Parellada, dagegen Colet Assemblage Extra Brut, 55% Pinot-Noir, 45% Chardonnay, 36 Monate Hefelager, 90 Parkerpunkte (also Jay Miller Punkte)

Der Bocchoris war geschmacklich dicht am Fraenzi, scheinbar sehr kühl vergoren, mit viel viel Bonbon, Gummibärchen und überhaupt eher Aromen aus der Kindheit als aus dem Geschmacksleben eines Erwachsenen, dafür mit angenehmem Druck ausgestattet und leidlich passend zur Vinaigrette. Der Assemblage dagegen als rechtes Dickschiff etwas klobig, sparsame Aromen und keine zum Salat passende Wendigkeit. Auch mit der Wachtel und dem Käse tat sich der Assemblage schwer. Noch nichtmal allein konnte er so recht überzeugen. Vielleicht fehlte da die nötige Flaschenreife, der wein wirkte jedenfalls allzu verschlossen.

IV. Dorade Royal, Hummer und Jakobsmuschel mit Sepialinguine,

dazu Schloss Vaux Rosé Brut, Pinot Meunier/Portugieser, dagegen Langlois Château Rosé aus Chenin Blanc, Chardonnay + Cabernet Franc

Der Vaux mit einer behenden Leichtigkeit, die Freude bereitet, leider auch mit einem etwas konventionellen, langweiligen Aromenspektrum und muffiger, ältlicher Frucht zum Ende hin. Der Langlois dagegen mit mehr Grandeur, lebhafter Säure und zupackender Art, ein Freund von Cabernet Franc im Schaumwein werde ich aber bis auf weiteres trotzdem nicht. Beide machten sich gut zum Meeregestier, wollten aber allein nicht so recht schmecken.

V. Perlhuhnbrust im Speckmantel, Risoléekartoffeln, Pfirsichsauce,

dazu Schloss Sommerhausen Riesling Brut 1997, dagegen Raumland Weissburgunder Brut 1997

Der Schloss Sommerhausen 97 ist nach wie vor einer meiner erklärten Lieblinge, 2004 degorgiert schmekt er ausgesprochen frisch, glänzt mit attraktiver Säure, einem für Brut-Rieslinge verschwenderisch anmutendem Aromenreichtum, hält sich aber noch im Rahmen einer unverspielten, ernstzunehmenden Stilistik und schmeckt keineswegs nach Robby Bubble o.ä. Der Raumland leider etwas schwächlich daneben, angefirnte Note, merklich gealtert, aber nicht kaputt oder fehlerhaft, sondern gut geeignet für Freunde des kräftigen Schäumers mit herben Aromen; immer noch genügend power, um mit Speckmantel und Pfirsich eine ménage à trois einzugehen.

VI. Tiramisu und Waldbeeren,

dazu Rives-Blanques, Blanquette de Limoux aus 90% Mauzac, 10% Chenin Blanc + Chardonnay, dagegen Marcus Stein, Kinheimer Sekt vom Moselschiefer aus 90% Weissburgunder und 10% Riesling + Müller-Thurgau

Der Blanquette muffig, bäuerlich, herb, klobig und säurearm, ein milder Ausgleiter für den Abend, vom Tiramisu aber erstaunlicherweise nicht überfahren, sondern, wohl weil er ziemlich dickfellig ist, in ganz aparter Weise als sparringspartner aufgenommen, verhielt sich sehr gut zu den Beeren (speziell Himbeere und Blanquette sind eine viel schönere Kombination, als das Cliché Erdbeere und Champagner). Der Stein-Sekt mit würziger Säure und gleichsam das Messer, das durch die Tiramisu glitt, weniger harmonisch mit den Beeren, dafür gut als Fettabbauhilfe und Geschmeidigkeitsverleiher, im übrigen auch keine unedle Kombination mit dem Espresso, aber alles in allem kein überragender Sekt.

Notizen von der Champagerprobe: rund um die drei Jahreszeiten

Opener: Charles Heidsieck Mis en Cave 2000 en Magnum

Reims. Drittelmix. 1999er Basis mit 40% Reservewein, Dégorgement 2005.

Eines der letzten Werke von Daniel Thibault, der 2002 viel zu früh verstarb. Dégorgement demnach unter der Leitung seines Nachfolgers Regis Camus. Honig, Kaffee, Kakao, empyreumatische Noten. Fast schon zu seriös für das zwanglose warming up auf der sonnenbeschienenen Terasse mit Blick auf die Marksburg.

Kleine Vorspeisenauswahl, darunter Krabben-Espresso, geschmorte Champignons mit Salat von getrockneten Tomaten, Gurken-Kräutercrème mit Scampi. Vom seriösen, sehr gediegenen Charles Heidsieck konnte man zu der leichten Sommerkost nicht so viel erwarten, die beiden herbfrischen Champagner aus dem Starterflight passten da deutlich besser.

I.1 Tarlant, Brut Zéro

Oeuilly. Drittelmix. 2004er Basis mit fassgereiften Reserveweinen. Tirage im Mai 2005, Dégorgement im Juni 2007.

Erst eine Woche vorher hatte ich diesen jetzt wunderbar gereiften und langsam seinen Trinkhöhepunkt erreichenden Champagner im Glas und freute mich, ihn jetzt, bei knallender Sonne und unverbautem Blick auf Marksburg und Rhein erneut im Glas zu haben. Pure, griffige, unausgezehrte, natürlich-herbschöne Nacktheit.

I.2 Lamiable Extra Brut

Tours-sur-Marne Grand Cru. 60PN, 40CH. 5 g/l Dosagezucker.

Nicht ganz so nackt, sondern noch mit Strapsgürtel und Schleier angetan, zeigte sich Lamiable als Flightpartner wie eine etwas versautere Schwester des Zéro Brut. Das lag vor allem an der ausgeprägteren Saftigkeit, gross kaschiert war da nichts.

II.1 Robert Moncuit Blanc de Blancs Grand Cru Extra Brut

Le Mesnil. Dieser Champagner stammt aus den Grand Crus Oger und Le-Mesnil-sur-Oger, mit 4 g/l dosiert, 42 Monate Hefelager.

Sicher hätte ich auch Lamiable gegen Moncuit antreten lassen können, aber darauf kam es mir bei der Probenzusammenstellung nicht an. Moncuit war stattdessen der Auftakt für den Blanc-de-Blancs flight dieser Probe, die ich im wesentlichen um die Jahreszeitenchampagner von Pommery herum aufgebaut hatte, was immer wieder überraschende und lehrreiche Probenresultate liefert. Natürlich konnte der erste Champagner des flights nur ein karg dosierter Champagner sein, um nicht etwa nach dem Pommery, dessen Stilistik nunmal die eines großen Hauses ist, sauer zu wirken und einen gleitenden Übergang zu schaffen. Das gelang sehr gut. Noch mit Lamiables sündiger Aromenlast am Gaumen kam Moncuits reinigender Apfelspass, der alles verruchte von der Zunge spülte.

 

II.2 Pommery Summertime Blanc de Blancs

10 Crus, drei Jahre Hefelager.

Wie auf einer Süße-Leiter konnte deshalb der Pommery in der Probe aufsteigen und sich als Schlussstein eines Mikrovergleichs über zwei flights hinweg platzieren. Nach den extra brut dosierten Champagnern kam er mir etwas glitschig vor, präzise herausgearbeitete Aromen oder eine fokussierte Säure musste man vergeblich suchen. Wobei das ohnehin nicht die Stärken der Grande Marque Champagner sind, die Pommery ja repräsentieren und um die es hier verstärkt gehen sollte. So sah es denn auch die eine Hälfte der Runde und favorisierte den Pommery, während sich die andere Hälfte, mehrheitlich die Damen, über den Moncuit entzückte.

Lauwarmer Spargelsalat mit weißem und grünem Spargel vom Niederwerth war ein guter Einschub, denn es sollte mit einem Champagnertyp weitergehen, den man nicht einfach ansatzlos folgen lassen konnte. Zum Spargelsalat war klarer Favorit der Pommery, weil bei ihm keine Mésalliance zwischen Säure und Asparagin zu befürchten war, sondern eitel Sonnenschein.

III.1 Francoise Bedel, Dis, Vin Secret

Crouttes-sur-Marne. Biodynamisch. 2003er Basis, 86 PM 8 PN 6CH. 96% Stahltank, 4% Holzfassausbau.

Den 2003er Jahrgang konnte man ziemlich deutlich merken und am Tisch wurde die überreife, rosinige, mit Apfelchips, Bratapfel und Calvados angereicherte Aromatik teils sehr begrüßt, teils als viel zu alt und mürbe abgelehnt.

III.2 Pommery Wintertime Blanc de Noirs

75PN, 25PM u.a. aus den Grand Crus Aÿ, Bouzy, Mailly und Sillery. (90/100 Juhlin)

Anders als beim letzten Mal hatte der Wintertime nun gar keine Startschwierigkeiten, Madame Bedels weichhäutiger, etwas eunuchiger Champagner traf auf einen gut vorbereiteten, agilen Wintertime, der Röstnoten, roten Apfel, einige wenige Säurespritzer und allenfalls ganz leicht morbiden Charme eines reifen Playboys ausspielen konnte. Beide Champagner kamen mir wegen ihrer Konzentration und Süße wie gute, wenngleich sehr verschiedene Flightpartner vor.

Penne mit Kalbfleisch-Salbei-Röllchen in Cointreau waren als Zäsur beim Übergang von weiss auf rosé zur Stelle, obwohl für mich nicht zwingend erforderlich

IV.1 Pommery Springtime Rosé

Reims. 25CH, 60PN, 15PM, 30 Monate Hefelager.

Auffällig war bei diesem Rosé die sehr helle, zwiebelschalenfarbene Roséfärbung, die ihn neben dem Winzerrosé fast etwas alt aussehen ließ. Geschmacklich war er mit Rosinen, Feigen und Trockenfrüchten noch ganz in der Sphäre des Wintertime, konnte aber mit seiner demgegenüber leichteren Bauweise punkten.

IV.2 Maxime Blin Rosé

Winziges Weingut in Trigny, Massif St. Thierry. 100PN und Coteaux Champenois.

Kräftiges, rötliches Rosé, viel Kirschfrucht, Goji-Beere und eine leicht gerbstoffige Griffigkeit, die den kleinen Betrieb kennzeichnet. Geringfügig medizinal, was in diesem Zusammenhang – zum Salbei – sogar ganz gut passte.

V.1 Carré Guebels Premier Cru Vieilles Vignes avec ficelage traditionnelle

70CH, 30PN, 2003er Basis mit Reserve aus 2002. (** GH)

In Deutschland praktisch unbekannter Erzeuger, der sich in Frankreichs Fachpresse schon einige gute Bewertungen gesichert hat und dessen andere Champagner mir gut gefallen. Werde ich weiterhin im Auge behalten. Diese Cuvée von alten Reben ist sehr mineralisch, hat eine kühle Ausstrahlung und wirkt zunächst geschlossen und dicht wie ein Grantiblock. Mit Luft kommen Mandarinen, Nektarinen, Reineclauden und gelbe Johannisbeeren zum Vorschein, alles läuft bei diesem Champagner sehr geordnet und zeremonienartig streng ab. Champagner für Traditionalisten.

V.2 Leclerc-Briant Premier Cru Chèvres Pierreuses

Cumières Premier Cru. Einzellagenchampagner. 40PN, 40CH, 20PM. Biodynamisch.

Knallerwein. Auch hier kalter, nasser Stein als Grundton, dahinter ist auf Anhieb richtig viel Druck abrufbar. Im Gegensatz zum Carré-Guebels herrscht hier ein – positives – Geschmackschaos, alles schwirrt und fliegt durcheinander, flavour action painting am Gaumen.

Frische Erdbeeren mit Champagnerschaum, Minze und Amarettini, verbunden mit einer kleinen Pause, lenkten den Gaumen etwas ab

VI.1 Bernard Tornay Palais des Dames

Bouzy Grand Cru. 50PN, 50CH, 2004er Basisweine aus den Grand Crus Bouzy und Ambonnay. 10 g/l Dosagezucker.

Was mir bei Tornay immer gut gefällt, ist dieser stetige Haselnussgrundton, den man in seinen Champagnern immer wiederfindet. Das verleiht dem Stil einen leicht melancholischen touch, bei der Spitzenvuvée des Hauses auf eine sehr ansprechende Art verfeinert. Also nicht: depressive Stimmung einer alternden Diva, sondern bezaubernde Nachdenklichkeit einer Salonschönen.

VI.2 Pommery Millésime Grand Cru 2000

Trauben aus sieben Grand Crus. (86/100 Juhlin, 96/100 Wine Spectator)

Der passende Gigolo für unsere Salonschönheit wollte oder konnte sich nicht finden lassen, also musste adäquater Ersatz her. Pommerys 2000er Grand Cru, den ich frühzeitig belüftet hatte, übernahm den Job mit Bravour. Jede damenhafte Feinheit von Tornay konnte dieser Champagner mit einer geeigneten Geste erwidern, ohne dabei gestelzt zu wirken. Der feine Haselnussgrundton von Tornay wurde mit minimal stärkerer Röstung beantwortet, die am Gaumen langanhaltend schwebende, zart vibrierende Früchte-Blüten-Komposition von Tornay wurde von den festen Schritten des Pommery nie allein gelassen. Wiederum eine schöne Komposition und ein famoses Pärchen, die beiden.

Belle Epoque und Grande Dame im Champagnerleistungszentrum

Im Champagnerleistungszentrum treffen nicht nur junge Talente aufeinander und messen sich im friedlichen Wettstreit, nein, auch die alten Kämpen müssen zeigen, ob sie noch Dampf haben. Selbst alter Adel wie der einer Grande Dame und einer Belle-Epoque schützt nicht vor dem unerbittlichen Blick unter den Rock.

Veuve Clicquot, Grande Dame 1985: wuchtig, herb und sehr füllig. Im Glas war der Champagner dann weniger alte Witwe, als vielmehr ziemlich knackiges, wenngleich nicht mehr ganz taufrisches Mädel. Ein schicker Twen, was ja auch zum Jahrgang paßt. Verhaltene Säure und sehr viel weinige Würze, Andeutungen von Milchkaffee, Karamell, Buttertoffee und Kakao, aber alles wirklich nur hauchfein und in den nächsten Jahren sicher immer stärker werdend. Dieser elegante, noch herzhaft jugendlich wirkende Champagner spricht sehr für das Haus, bzw. die Kunst des seinerzeitigen Kellermeisters Peters. In der Jugend sind die Champagner immer haarscharf zu hoch dosiert für meinen Geschmack – passen dafür aber zu zahlreichen Speisen sehr gut, dazu gleich mehr -, im Alter zeigt sich dann, was die Réaction Maillard alles vermag. Korrespondierende Speisen waren:
– Brunnenkressesuppe mit pochiertem Wachtelei: definitiv kein dreamteam zur Grande Dame, die beiden standen sich in respektvollem Abstand gegenüber, bzw. einander zur Seite, gingen aber keine harmonische Allianz ein. Getrennt voneinander am besten, zusammen war mir die Mixtur zu spannungsvoll.
– Jakobsmuschel mit hauchdünnem Cräcker auf blanchiertem Kohl: sehr schmackhaft, Jakobsmuschel und Champagner sowieso, in Verbindung mit dem kleingeschnipselten Kohlgemüse und dem Keks dann noch einmal bereichert.
– Kaninchen mit Linsen und Speckschaum: eine Spitzenkonstellation, für Liebhaber von herzhaften Variationen rund um den Speck ein besonders schönes Erlebnis. Dankenswerterweise war das Kaninchenfilet mit einem schützenden und gut harmonisierenden Teigmäntelchen versehen, zusammen mit den reifen Noten der Grande Dame wundervoll.

Es folgte

Perrier-Jouet Belle-Epoque 1983. Ein erstes kleines Stinkerle im Glas wich schnell, mit Zeit und Luft wurde ich dann auf Kosten der von vornherein optisch müden Perlage Zeuge eines kleinen Chardonnaywunders im Glas. Bei älteren Belle Epoques zeigt sich eben immer wieder die grandiose Standfestigkeit der Cramantchardonnays. Die Nase betörend mit kandierten Zitrusschalen, der Mund von stahlharter Säure ausgekleidet, mit langem, feinstprickelndem Nachhall. Dazu gab es:
– Stubenküken mit Knoblauchconfit: Köstlich! Punkt.
– auf der Haut gebratenen Zander samt Fenchelgemüse: ebenfalls eine ausgezeichnete Kombination und ein würdiger Platzhalter für das als Auftakt genossene 2005er Leitz'sche Magdalenenkreuz.

Die crème brûlée hatte mit den Champagnern nichts mehr zu tun und vertrug sich dementsprechend bestens mit Barbeitos 1978 Madeira Verdelho, nach dem Käffchen gab es dann Reisetbauers Elsbeere, ein Brand den man am liebsten inhalieren will, bis das Glas leer ist. Schmeckt aber auch so ganz gut, wenn man Schnaps mag.

Fazit: Beide Prestigechampagner verwöhntem auf sehr hohem Niveau, zeigten sich den Speisen überwiegend gewachsen, wobei die Grande Dame in der Konfliktsituation mit dem Ei weniger gut abschnitt, als die Belle-Epoque mit dem Knoblauch.