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Tag Archives: diebolt-vallois

Sweet dreams are made of these: Champagne & Cognac

"Sweet dreams are made of this/Who am I to disagree" singt Annie Lennox und wirklich, wer wäre ich, zu widersprechen? Solange es sich um Champagner und Cognac handelt, natürlich. Und weiter: wer wäre besser geeignet, diese beiden Zutaten eurythmisch zu vermischeln, als die jüngste Barkeepergeneration nebst Adepten, Adlaten und Gefolgschaft, die u.a. im Cocktaildreams-Forum den online Austausch pflegt und sich jährlich zum Ideenwettbewerb trifft; 2014 im brausenden Berlin.

Wenn sich die jungen Leute alle schonmal aufraffen, Geld in die Hand nehmen, Zeit verplempern, Kreativsynapsen befeuern, dann haben sie jegliche Unterstützung verdient. Finden alle, die sich als Sponsoren der Veranstaltung bereiterklärt haben, einen Vorschuss auf die Kreativleistung der Cocktaildreams-Forumianer zu leisten. Mein Dank gilt daher den großzügigen Gaben der Unterstützer, die sich an der guten Bildungssache ohne groß Federlesens beteiligt haben:

                Champagne Bruno Paillard

                Champagne Gosset

                Champagne Lanson

                Kölner Weinkeller

                Noblewine München

Das sofort greifbare Resultat war trinkbare Dankbarkeit in Form der neuen Cocktailrezepte und das langfristige Ergebnis wird, wenn die gute Saat vollständig aufgeht, eine Generation von Barkeepern sein, die mir den Lebensnachmittag mit meinen Lieblingsgetränken versüßt, weil sie selbst davon begeistert ist und sich das Pfingstwochenende 2014 als Erweckungsdatum auf die Cocktailschirmchen geschrieben hat, Oliver Steffens und Torben Bornhöft sei Dank, Dank, Dank dafür.

Lanson, dessen Säure nicht jedem Teilnehmer zusagte, machte den Anfang und zeigte, welche hohe Geschmacks- und Aromensensibilität beim Einsatz von Champagner im Barbereich gefordert ist, wenn man den Barkeeper für sich gewinnen will. Champagner ohne biologischen Säureabbau sind deshalb in diesem Bereich mit einem besonderen Erklärungsaufwand verbunden.

Der Pureté von René Geoffroy hat eine für meinen Geschmack nicht abnorm hohe Säure anzubieten aber er schlug, weil Jean Baptiste  kein kein großer BSA-Fan ist, in eine ähnliche Kerbe wie Lanson, was beim Pureté vornehmlich an der fehlenden Dosage liegt. So konnten sich zum Start zwei äpfelsäuredekorierte Champagner dem Publikum stellen und den Gaumen kalibrieren.   

Als reiner Apéro-Champagner kam mit Bruno Paillard Blanc de Blancs Reserve Privée Grand Cru ein ganz ein feiner Champagner an die Reihe​. Für Cocktailmischzwecke ist der wegen seiner verschwenderischen Detailarbeit ungeeignet. Den immer stärker werdenden Bartrend zum gepflegten Glas Champagner abseits vom Mainstream befriedigt man mit Bruno Paillards Blanc de Blancs dagegen umso besser und für Gourmets, die nach der granatenschweren Rotweinprobe nicht auf Nobelgrappa oder Fruchtschnaps schielen, sondern Entspannung auf höchstem Niveau suchen ist der Fall sowieso klar.

Newcomer Chapuy aus dem Grand Cru Oger (von dem immer noch viel zu wenig bekannt ist) hatte es danach mit seinem Blanc de Blancs wiederum sehr schwer, trotz seiner wohl etwas höheren Dosage, aber das sei nachgesehen und verziehen, denn die beiden spielen in völlig anderen Preisklassen. Mit Chapuy macht man Menschen eine Freude, die einen klassischen Côte des Blancs Stil mögen, aber nicht in schwer, umständlich und mühsam zu trinken. Die Verästelungen eines Bruno Paillard spielen da keine Rolle.  

Deshalb konnte mit dem gradlinigen Gosset Brut Excellence einer der in Barkeisen sowieso schon gut eingeführten Lieblinge Beifall einsammeln. Komponenten von Nuss und Toast, die bei dieser wirklich ausnahmsweise mal für den frühen Trinkspass bestimmten Cuvée nicht bestimmend sind, konfligieren weder im Solo mit Knabberartikeln noch als Cocktailzutat. Lediglich die Dosagefrage kann man sich und seinen Gästen ggf. noch stellen, aber an der Bar kann man so viele Fragen stellen, dass es auf diese hier wahrlich nicht ankommt..

Bei Dosnon & Lepage kommt es auf den Pinot Noir an, denn das ist die Rebsorte, aus der die nächste Cuvée bestand.  Energie und Eigenständigkeit wurden von den Teilnehmern geschätzt und nicht wenige setzten den underdog von der Aube als persönliche Neuentdeckung und besonders trinkenswerten Liebling ganz oben auf ihre persönliche Trinkliste.

Semper idem hieß es bei Bollinger, der vielleicht vor vielen Jahren mal so angefangen hat, wie Dosnon et Lepage heute sind und sich deshalb zu recht einen so guten Ruf machen konnte, dass man ihn quasi unkommentiert einfach nur gut finden kann.

Aber dann! Zurück ins Gefecht, das heißt: zurück an die Aube! Von dort feuert seit 2009 Benedicte Leroy puristischen Einzellagenchampagner in die Welt des etablierten Blubbers und fordert zahlreiche Opfer. Ruppert-Leroys Fosse-Grely, ein Mix aus 80PN 20CH, brut nature, holte die Gemeinschaft aus ihren süßen Cocktailträumen und empfahl sich als Wachmacher mit den Weckerqualitäten eines NATO-Alarms. Ideal für Gäste mit leichtem Formtief bis hin zum schweren Durchhänger und wegen der sofort einsetzenden Miosis für die letzten Barbesucher, damit sie keine Probleme mit dem Sonnenlicht bekommen.

Der selbst in reinen Champagnerkreisen kaum bekannte Diebolt-Vallois Rosé ist mit seiner süßen Beerigkeit der ideale Abschleppdrink und mag daher so manchen Cocktail ersetzen. Das spürten die Forumsteilnehmer und platzierten diesen Prachtwein im Außenbereich, auf der Terrasse, am, bzw. im Pool, aber nicht so sehr in ihren Cocktails selbst.

Wer sich weiter über Cocktails und vor allem natürlich über Cocktails mit Champagner und Cognac belesen will, macht das am besten bei den bloggenden Kursteilnehmern:

http://www.cocktaildreams.de/smf/index.php?topic=8977.0

www.cocktailwelten.de

www.augustine-bar.de

www.cocktailsoldfashioned.de

www.trinklaune.de

 

 

Champagner unter Palmen

Nein, es zog mich nicht in südliche Gefilde, die Aube ist für mich nach wie vor südlich genug gelegen, wärmer brauche ich es nicht. Dennoch habe ich meine bequeme Schlafstätte verlassen und mich auf den Weg nach München gemacht. Denn mit Nicola Neumann vom Nobelweinladen "Noblewine" im Palmengarten des Café Luitpold Champagner zu trinken, lasse ich mir keinesfalls entgehen. Wenn ich dann auch noch meinem von der Umwelt oft als lästig empfundenen Redebedürfnis Genüge tun kann und salbungsvolle Worte an ein staunendes Publikum richten darf, alles im Dienste der guten Sache und der Frohen Champagnerbotschaft, ist quasi schon im Vorfeld alles geritzt. Dasselbe ergab die Nachbetrachtung:   

I. R. Geoffroy Pureté Brut Zero

50PM 50PN

Zuletzt hatte ich die Pureté im Frühjahr 2012 getrunken, als sie noch ungehobelt und splitterig wirkte, etwas schmirgelnden Dosagezucker hätte ich mir da gewünscht; doch Jean-Baptiste wusste es besser und beweist einmal mehr, dass undosierter Champagner von Flaschenreife erheblich profitieren kann. Sämiger Pinot, dessen ungefährliche Säure milden Trinkfluss fördert.

II. Janisson-Baradon Grande Réserve

50CH 50PN, mit 5 g/l dosiert

Fünf Jahre Flaschenlager, 30% Reservewein aus dem Holzfassl, was sich in Form zartröstiger Notem im krossen Briochearoma bemerkbar macht. Sonst ausgewogen, weinig, seriös, eher mittelgewichtig als schwer.

III. Gatinois Grand Cru Brut

90PN 10CH, mit 6 g/l dosiert

Mit eigener Hefe stahltankvergoren. Saftig, dickbackig, rund und süffig. Ob der aus Massenselektion stammende Petit Pinot d'Ay dafür allein verantwortlich ist? Das wird vielleicht auf immer unklar bleiben. Was aber klar ist: der Brut Grand Cru von Gatinois ist ein für Ay archetypischer Champagner, nicht nur wegen seines hohen Anteils nur dort gelesener kleinbeeriger Pinottrauben (deshalb Petit Pinot d'Ay), sondern auch wegen seiner typischen, zwischen robust und elegant changierenden Art, die ein bisschen an Pfälzer Rieslinge der Spitzenklasse erinnert.

IV. Diebolt-Vallois Blanc de Blancs Millesime 2006

Eine Stufe unter dem berühmten Blanc de Blancs Prestige steht bei Jacques Diebolt der Jahrgangschardonnay. Weißer Pfirsich, Birne, Haselnuss, ein paar Toastkrümel. Der Jahrgang wirkt noch etwas zerknittert und unausgeschlafen, über frische Luft freut er sich deshalb sehr. Dann hellt er sich auf und zeigt, welche Pläne er für die Zukunft hegt. Da will er mal ein generöser Essensbegleiter werden, der sich rechtzeitig vor dem Hauptgang diskret zurückzuziehen weiß, um andernorts für pikante Unterhaltung zu sorgen.

V. Marie Courtin Extra Brut Resonance

100PN

Aube-Pinot, so rein, so klar, so unverfälscht. Wirkt wie drei gleichzeitig mit viel Kaffee runtergespülte Koffeintabletten.

VI. Cédric Bouchard Inflorescence Val Vilaine 2009

Einer der eigenwilligsten, vielleicht seltsamsten Champagner(winzer). Der Champagner wirkt zunächst reduktiv bis böckserig, mit Jod und Schwarzpulver, präzisiert sich dann aber in Richtung Austernschale, um sogleich mit Marzipan und Birne zu irritieren, die sich nicht widerstandslos zur Auster gesellen wollen. Erst mit sehr viel Luft bekommt der Wein seine leicht glänzende Speckschicht und ein sanfteres, unaufgerauhtes Äußeres, da wird er so streichelzart wie Mädchenhaut nach einem basischen Bad. Nichts für Anfänger; diesen Champagner muss man sich mit viel Verostungsmühe erarbeiten.

Kleines Champagnerflorilegium der letzten Wochen

Bei verschiedenen Gelegenheiten mitnotierte Champagner, von ganz klein bis ganz groß, von enttäuschend bis überraschend.

1. Bernard Girardin Cuvée BG

52CH 35PM 13PN
Erfrischend, zitronig, leicht, aber noch griffig. Eine unbeschwerte Morgenserenade und mehr als nur ein Frühstückschampagner zum getrüffelten Ei.

2. Paul Dangin Carte d'Or

Drittelmix

Weniger ausdrucksvoll, in der Nase mehr Cerealien als Brioche, im Mund sauerampferig. Mich beschäftigt bei dieser Art von Champagner immer die Frage, ob der Champagner Flaschenvarianz zeigt, die ins fehlerhafte geht, oder ob dieser "Stil" gewollt ist. Ich fürchte, es soll sich dabei um einen Stil handeln. Für Dangins Carte d'Or nehme ich, da es meine erste Begegnung war, Flaschenvarianz an.

3. Varry-Lefevre Premier Cru

90PN 10CH; Ecueil
Süffig, mit Apfel und Mirabelle, ingesamt auf der gelbfruchtigen Seite; schon mit bemerkenswerter Reife, wobei ich natürlich nichts über den reserveweinanteil weiß. Und siehe da, ein weiterer Erzeuger aus Ecueil, den man auf dem Plan haben darf.

4. Collard-Picard

50PN 50PM
Frisch, glatt, säuerlich-schlank, Haselnuss und zitronige Sauce Gribiche, quirlig, aber etwas kurz. Zwischen diesem Einstiegschampagner und der Spitzencuvée des Hauses, den herrlichen Les Archives, klafft noch ein ziemlich großer Spalt. Schön wäre es, wenn sich die einfacheren Cuvées künftig weiter nach oben orientieren könnten.  

5. Henin-Delouvin Brut Tradition
Sehr überrascht hat mich dieser Chez Max getrunkene Standardbrut des 7-ha-Erzeugers aus Ay. Großzügig, aber nicht unfokussiert, schmiegt sich bis in die letzte Gaumenfalte. Das Latexkleid unter den körperbetonten Textilien.

6. Dourdon-Vieillard Brut Tradition
Noch eine Überraschung, diesmal von Fabienne Dourdon aus Reuil. Obstig. Von Peter Maria Schnurr aus dem Leipziger Restaurant Falco habe ich wenig später molekularküchenangehauchte Soja(?)/Joghurt-Multivitamin-Drops bekommen, die so ähnlich schmeckten. Trotz gewisser Anklänge an den fruchtigen Stil mancher großen Häuser kein blockbuster, dafür sehr ordentliche Ware, die sich in starkem Umfeld bemerkbar zu machen verstand.

7. Lilbert Fils Blanc de Blancs Brut Grand Cru 2002
Orange, Marzipan, Bitterschokoladenganache, Rum. Für einen 2002er vielleicht etwas überladen und man muss sich fragen, wie lange das Grundgerüst dieses Champagners die Aromenlast noch tragen kann. Ich bin aber bereit, das Lagerrisiko einzugehen.

8. Coessens L'Argillier Blanc de Noirs

Einer der Aube-Lieblinge in der französischen Champagnerkritik. Hierzulande völlig unbekannt. Gewöhnungsbedürftiger Stil, wenn man Aube mit Behäbigkeit gleichzusetzen gewohnt ist. Für mich auf Vallée de la Marne Grand Cru Niveau und für die dortigen Erzeuger ähnlich gefährlich, wie der fidèle von Vouette & Sorbée.

9. Tarlant Cuvée Louis, dég. 2008

Dieser Champagner ist teilweise in Frankreich noch für 39 EUR zu bekommen, ab Gut kostet er jetzt 48 EUR. Das ist lachhaft wenig, wenn man sich überlegt, dass es eine der längsteingeführten Winzer-Prestigecuvées ist, die, unvermeidliche Flaschenvarianzen hin oder her, außerdem zu den besten gehört.

10. Diebolt-Vallois Rosé
Den Rosé von Jacques Diebolt habe ich nur ganz selten getrunken, für mich lag es einfach nie nahe, mich näher damit zu beschäftigen. Dass ich mir damit ein fruchtiges Vergnügen erster Klasse abgeschnitten und selbst verwehrt habe, ist mir erst jetzt klargeworden. Der Champagner in der schlichten, diebolttypisch rosenverzierten Aufmachung ist so erfrischend wie ein Himbeerparfait.

11. Bernard Tornay Blanc de Blancs 2000

Für einen Bouzyerzeuger untypisch und blind trotzdem nicht ganz leicht zu erkennen. Hatte ich etwas älter als 2000 getippt, ein gut erhaltener 98er oder 99er dürfte so schmecken. Der Champagner wirkte wie ein Zwölfjähriger, der seinen ersten Tag im Internat verbringt. 

12. Vignon Père et Fils Blanc de Blancs Grand Cru Les Marquises

Reiner 2009er Chardonnay von ca. 30 Jahre alten Reben, Vinifikation teils im Stahl, teils im Fass, mit 5 g/l dosiert; ungeschönt, unfiltriert; 1500 Flaschen. Das Ergebnis ist recht prosaisch, eine aufgeklärte, unverdorbene Marquise. Klare Zitrusfruchtorientierung mit minimal exotischem touch und nur wenig Hefe.

13. Alain Thienot Rosé NV

35CH 45PN 20PM, Assemblagerosé mit 7% Ay Rouge, von alten Reben. Ca. 36 Monate auf der Hefe, dann mit 10 g/l dosiert.

Mit ca. einem Jahr Flaschenreife ist aus dem stimmigen Rosé ein richtig guter, saftiger, schnittiger Rosé geworden. Das ist keine Selbstverständlichkeit, denn viele Rosés sind auf schnelle Trinkbarkeit getrimmt. Dieser nicht, selbst wenn er schon jung gut getrunken werden kann.

14. Jean-Pierre Launois Brut Blanc de Blancs
Chardonnay aus Le-Mesnil. Mehr muss man fast nicht sagen, denn das was man von Le-Mesnil erwarten darf, bietet der Blanc de Blancs von Jean-Pierre Launois. Dabei pflegt er einen stahligen, ziemlich nüchternen Stil, dem eine Spur Holz vielleicht gar nicht schlecht zu Gesicht stünde.

15. V. Delagarde Brut Rosé

Delagarde ist der neue Delozanne. Und den – gar nicht soo – alten Yves Delozanne wirds freuen. Seine Champagner waren ja schon immer so etwas wie kleine Klone bekannterer Häuser; so ähnlich wie die Parfums die man in Grasse bekommen kann und die in Aufmachung und Duft den Weltmarken beim ersten Reinschnuppern immer erstaunlich ähneln. Mir gefiel der Rosé nicht schlecht, wenn man ihm keine Gelegnehit gibt, warm oder alt zu werden, kann man es gut mit ihm aushalten.   

16. Michel Turgy Blanc de Blancs Grand Cru 2002

Der Salon unter den Winzern von Le-Mesnil, so wird er ja adressiert. Das ist weder falsch noch richtig. Im Stil Salon tatsächlich nicht unähnlich, nur früher zugänglich und genau da liegt der Unterschied. Die Champagner haben ein ganz anderes Reifeprofil. Aber das mag bei einem Preisunterschied von ca. 120 EUR dahinstehen- Die Jahrgänge von Turgy jedenfalls sind ausgreifend, haben tiefe, dunkle, urwüchsige Säure und nichts ist ihnen ferner als tändelnde Fruchtigkeit.

17. Louis Roederer Cristal 2002

Frisch schmeckt er, der Cristal, auch süß; nicht nach pampiger Dosagesüße, sondern nach Reifesüße. Die wiederum ließ sich widerstandslos von den Trüüffelgnocchi aus dem Essener Hause Frattesi den Gaumen hinab entführen. Der weinige Geschmack im Mund schaukelte noch sanft aus und hinterließ einen weiterhin guten Eindruck vom jetzt nicht mehr ganz aktuellen Cristal, dessen Nachfolger mir, wie oft beim Cristal, schon jetzt besser schmeckt.

18. Dom Pérignon 2002

Im besten Dom Pérignon seit dem 1996er kommen jetzt pilzige Töne zum Vorschein, die zu dessen Reife dazugehören, wie große Reifen zu Monstertrucks. Passt wunderbar zu Sashimi, Datteln, Backpflaumen und übrigens auch zu Pimientos de Padron.

 

 

 

 

 

Bubbles over Berlin (II/II)

V. Reinsortiger Pinot Noir, Cumières Premier Cru und unklassifiziertes Aubeterroir

Lavals Champagner müssen bei mir immer dann ran, wenn ich richtig gute Aubewinzer vorstelle.

1. Georges Laval Hautes Chèvres

Der Hautes Chèvres gehört mit zu den stärksten Pinot Noir-Champagnern, die ich kenne. Weil er zu den burgundischsten Champagnern gehört, die ich kenne. Wer dagegen anrennen will oder soll, muss sich ganz schön was einfallen lassen. Kraft, Pfeffer, KIrsche, eine Aromenmitrailleuse.

2. Vouette & Sorbée Fidèle

Die Aube mit ihren verführerischen Pinots hält mit Macht dagegen. Raubkätzisch, mit samtpfotiger Eleganz und verspielter Brutalität, wie sie Katzen beim Erlegen ihrer Beute aus unserer Sicht an den Tag legen. Das erklärt vielleicht auch, warum Martin Zwick, der sich vom Laval nicht das Herz berühren lassen wollte, den fidèle so offensichtlich bevorzugte.

VI. Clin d’Oeuil: Oeuil de Perdrix

1. Charles Dufour Oeuil de Perdrix Brut Nature

Die Entstehungsgeschichte (beim pressen ging die Presse kaputt, daher die Roséfärbung) erinnert ein bisschen an die der Papilles Insolites von Lassaigne (der die Beeren einfach auf der Presse vergessen hat). Auch der Champagner ist besonders, mit einer von Herzen kommenden und zu Herzen gehenden Wärme, die keine alkoholische Hitze ist; griffig wie die Mannequins der Stummfilmära und mit einem überraschend weit ausgreifenden Fruchtspektrum versehen; Orange, Melone, rote, blaue und schwarze Beeren, Kirsche, Zwetschgenröster. Dahinter tun sich immer weitere Aromatürchen auf, wie die Wächter in Kafkas Erzählung „Vor dem Gesetz“, mit dem Unterschied, dass der Champagner bereitwillig Zutritt gewährt.

VII. Winzer-Prestigecuvées: Janisson-Baradon trifft Billiot.

1. Janisson-Baradon Tue Boeuf 2005

Über den Tue Boeuf als den Pinot-Bruder des Toulettes habe ich schon verschiedentlich geschwärmt, nachdem ich ihn solo getrunken hatte, nun musste er sich mit Laetitas Tochtercuvée einlassen. Ein Date der besonderen Art. Schnaubend, kraftgeladen, männlich, ganz ohne BSA der Champagner von Cyril Janisson, ganz der Vertreter einer erobernden Gattung.

2. Henri Billiot Cuvée Julie

Leichtherzig, frohgemut und in bester Raffaello-Werbefilmlaune war die ebenfalls ohne BSA entstandene Julie. Fruchtig, twenhaft, unverkitscht, eine selbstbewusste junge MIss und ein guter Fang allemal.

VIII. Aube und Grand Cru

Rein formal gesehen nochmal eine Steigerung zu der Kampfansage von Bertrand Gautherot an Lavals Premier Cru war dieser flight mit einem Minivinifikatuer von der Aube und einem Champagner aus dem kernhaftesten Kerngebiet der besten Champagnerpinots.

1. Cedric Bouchard Inflorescence Val Vilaine

Eigensinnig bis fanatisch darf man die Champagner von Cedric Bouchard wohl stellvertretend nennen. Bei der allerersten Konfrontation können sogar Zweifel aufkommen, ob der Inflorescence Val Vilaine überhaupt dem Champagner zuzurechnen ist. Ist er natürlich, nur dass die im Frühstadium prägnante Birnennote auf die falsche Fährte lockt. Mit mehr Luft kommt ein herberes, atlantischeres, mehr Salzgeschmack und Seeluft vermittelndes Aroma durch und selbst wenn dieser Champagner keine Fruchtbombe ist, punktet er ab diesem Stadium gerade mit seinen sparsam gesetzten, aber effektvoll kontrastierenden Birnen-, Apfel- und Marillenakzenten.

2. Gatinois Grand Cru Brut Réserve

Unberührt von den sich wandelnden Zeitläuften prangte die so klassische wie gute Reserve von Gatinois im Glas und wirkte, so Budi, wie ein Gentleman im Kordanzug. Nach meiner Auffassung und nach dem Genuss der Inflorescence allerdings auch einer, der für die deflorescence der Erstgenannten verantwortlich gemacht werden kann.

IX. Der Winzer und das Holz

Holz ist bei der Weinbereitung immer ein dankbares Thema. Deshalb gab es zum Ende hin einen flight, bei dem unter anderem der Holzeinsatz besonders schön nachvollzogen werden konnte.

1. Ulysse Collin Blanc de Blancs

Ganz behutsam und den jungen, auch jung vermarkteten Champagner nur leicht kitzelnd, setzt Olivier Collin seine Fässer ein. Heraus kommt ein kleiner, den silexdurchsetzten Boden des Sézannais funkensprühend und mit einer Note von Senfsaaten ins Glas transportierender Feuerteufel.

2. Vilmart Grand Cellier d’Or 2003

Laurent Champs kann wahrscheinlich mit solchen Feuerteufeln nichts anfangen, seine Champagner sind ganz anders, duftiger, konditorenhafter. Vielleicht, weil er auf seinem Gut von Kirchenfenstern umgeben ist. Ob nun freilich das himmlische Element obsiegt, oder das lokihaft-unterweltliche, kann bis zum apokalyptischen Weltenbrand nicht entschieden werden. Sicher ist nur, dass der zu 80% aus Chardonnay hergestellte Grand Cellier d’Or ausgerechnet als 2003er mir bislang schon so viel zuverlässigen Trinkspüass bereitet hat, wie nur wenige andere Champagner dieses Alters.

 

X. Schlussrosé Larmandier-Bernier Rosé de Saignée

Alle reden immer nur von Pierre Larmandiers Blanc de Blancs. Die sind toll, so puristisch und klar, keine Frage. Doch ist mir der Rosé der wichtigere und liebere Champagner aus seinem Programm. Für mich so etwas wie die Antwort auf Lavals Hautes Chèvres.

XI. Altweinschmankerl: Perrier-Jouet Belle Epoque 1971

Die Farbe altersgerecht, gerade wenn man die alten Belle Epoques kennt, die sich bei weiß und rosé einander immer sehr annähern. Leicht pieksende, acetige Säure war alles, was mich hätte stören können, wurde aber von einer unausgetrockneten Saftigkeit gut kompensiert. Ein wenig später getrunkener de Venoge Cuvée des Princes 1973 machte keinen so wohlgestaltigen Eindruck mehr.

Bubbles over Berlin (I/II)

Bubbles over Berlin, bzw. genauer genommen im Weinsalon von Martin Zwick, dessen Liebenswürdigkeit, Gastfreundschaft und Kochkunst den spannungsvoll erwarteten Champagnerabend zusammen mit einem zu der Zeit laufenden EM-Fußballspiel, das Deutschland meiner Erinnerung nach gewann, ganz und gar vollendeten. Die Veranstaltung selbst war deshalb so spannungsvoll zumindest von mir erwartet, weil gleich mehrere Sachen auf einmal ihrer Verwirklichung harrten. Nicht nur, dass es immer eine Herausforderung ist,Expertengruppen noch etwas beibringen oder veranschaulichen zu wollen. Es ist auch ein Herausforderung, die von mir dafür vorgesehenen Champagner in Deutschland, Frankreich und den sonstigen greifbaren Märkten zu bekommen. Nicht, weil es sich um Jahrgangsraritäten aus unvordenklicher Zeit handelt, sondern weil die Champagner nach Möglichkeit im genau richtigen Reifezustand sein sollten. Da es mir nicht darum ging, die als bekannt vorausgesetzten Spitzenerzeugnisse großer Häuser zu servieren, sondern exakt das Gegenteil davon, bin ich umso dankbarer, dass das Unterfangen geglückt ist. Nachgeholfen haben dabei zwei von mir sehr geschätzte und meiner innigsten Dankadressen würdige Händler. Nämlich Noblewine aus München und Vinaturel aus Berg am Starnberger See. Insbesondere Noblewine konnte mir einige Flaschen mit der von mir so dringend gewünschten längeren Flaschenreife zur Verfügung stellen; für mich ganz essentiell, denn viel zu viele Champagner werden viel zu früh getrunken: kurz nach der Marktfreigabe. Praktisch alle Champagner profitieren aber von einer Flaschenreife zwischen 9 – 18 oder 36 Monaten. Gerade die Champagner der Winzeravantgarde, die ich in Berlin vorstellen wollte, sind darauf nachgerade angewiesen. Umso schöner deshalb, dass die beiden engagierten Händler mir so hilfreich zur Seite standen. Getrunken wurde aus dem von mir für diese Zwecke favorisierten Zalto-Süßweinglas, für das Martin Zwick gesorgt hatte.

 

I. Rebsortencuvées

Im Einstiegsflight ging es mir weniger darum, die Gaumen zu kalibrieren, was genausogut zwei gewöhnliche Brut Traditions hätten leisten können; stattdessen ging es mir darum, die Aufmerksamkeit für die feineren Töne, letztlich also die Sinne zu schärfen. Daher der Trick mit dem auch vom Namen her natürlich gut zu dem Vorhaben passenden „5 Sens“.   

1.  Emmanuel Brochet Le Mont Benoit Premier Cru non dose (2007)

Ansatzlos trocken, keine verspielte Süße, insofern eine Perspektive auf das, was kommen sollte, nämlich eine Geschmackstournee zu einigen der derzeit meistbesprochenen Champagnerwinzer.

2. Olivier Horiot 5 Sens (2008)

Bei Horiots Fünf-Rebsorten-fünf-Einzellagen-Cuvée war gleich die erste Schikane eingebaut. Für Champagner ungewöhnlich florale Noten und eine unverblümte Sherrynote. Schuld sind Arbane und Pinot-Blanc, der mir nach mehrjährigen Annäherungsschwierigkeiten zuletzt als Vin Clair sehr gut gefallen hat.

 

II. Blanc de Blancs von der Aube

Die neue Aube kann auch Chardonnays von beachtlichem Zuschnitt. Der sportliche Argile-Champagner von Bertrand Gautherot musste sich mit dem eleganten Ironman unter den Champagnern messen.   

1. Charles Dufour Blanc de Blancs Brut Nature

Ein Champagner der wirkt, wie eine von Philippe Starck designte Bombe. Organisch, formschön, sinnesschmeichelnd, dabei nicht überfrachtet, sondern durch und durch auf Zweckmäßigkeit und Funktionsveredelung angelegt. Die Kombination dieses Champagners mit Auster, Brot, Yuzu- oder geräucherter Meersalz-Butter von Bordier ist immer noch maßstabsetzend.  

2. Vouette & Sorbée Blanc d’Argile

Viel ruhiger und in sich zurückgezogener ist der Argile jetzt. Unter den Aubechardonnays mimt er damit ein wenig die mineralischen Oger-Chardonnays, nachdem er in seiner unverschämten Frühphase noch so ausgelassen fröhlich war.

  

III. Reinsortiger Pinot Meunier

Jérôme Prévost und Benoit Tarlant zeigten die Schwingungsfähigkeit der Traube.

1. Jérôme Prévost La Closerie Les Béguines Blanc de Meuniers

Aronia, getrocknete Kumqat, Cashewkerne, Walnuss; unverfälscht, naturhaft und wie aus Urzeiten stammend. Als Goethe seinen Faust den Erdgeist beschwören ließ, muss er unter dem Eindruck dieses Champagners gestanden haben.  

2. Tarlant Blanc de Meuniers Vigne d’Or Extra Brut 2002, dég. 22.  Juni 2010

Schillernd und prachtvoll, gegenüber dem naturbelassen wirkenden Prévost so – allerdings im positiven Sinne – elaboriert und verschwenderisch, wie die Hofhaltung des Herzogs in, eben, Schillers Kabale und Liebe.

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IV.  Côte des Blancs Klassiker

Als Intermezzo kam ein Dreierflight aus Chardonnays der Côte des Blancs auf den Tisch. Angeführt von Pierre Peters aus Le Mesnil dem Repräsentanten einer für den Ort typischen mineralischen Champagnerstilistik. Erick de Sousa aus Avize mit seinem sonnenhell-körperreichen Avize-Champagner sollte die Aufmerksamkeit von Selosse, den man gemeinhin allein mit dem Ort verbindet, fort- und auf sich ziehen. Jacques Diebolt aus Cramant schließlich sollte seine ganz eigene Interpretation von Würze, Mineralität und Fruchtigkeit präsentieren dürfen. Am besten schnitt in der Runde de Sousas Charmebolzen ab. Nicht, dass ich zwingend damit gerechnet hätte, denn dafür war nun doch jeder der drei Champagner auf seinem Feld gut genug positioniert. Aber es zeigte sich einmal mehr, dass die Mesnilmineralität nicht überall gleichermaßen ungeteilten Beifall findet, selbst oder gerade beim deutschen, an Riesling gewöhnten Gaumen nicht. Die Komposition von Jacques Diebolt wiederum ist zwar nicht schwer zu verstehen, aber eine klare Stilfrage. Wer mit Portraits üppiger Frauen und molliger Putto-Kinder in kräftiger Farbigkeit nicht viel anfangen kann, wird auch keine Vorliebe für großformatige Kompositionen mit figurenreichen Gruppen in idealisierten Landschaften haben und von diesem Champagner kaum berührt werden.

 

P.  Pirat Raumland MonRose 2001

Nach dem Dreierflight hatte ein Pirat seinen Auftritt, der in meiner Mainzer Probe eine sehr starke Figur neben dem Rosé von Selosse machte und zur Zeit als bester Sekt Deutschlands gilt. Nach einer Reihe ausgesucht seltener und ausgesprochen typischer bis eigenwilliger Champagner und entsprechend geschärfter Sinne war es jedenfalls schonmal eine sehr gute Leistung der Gruppe, den Raumlandsekt als Nichtchampagner zu identifizieren. Damit verbunden war zu meiner Freude auch keine Abwertung, sondern eine meiner Meinung nach allseitig sehr faire Bewertung. Ich fand ihn diesmal etwas runder, gesetzter und crèmiger.   

 

Das schreiben die anderen: Patrick Dussert-Gerber

Der aktive Autor hat sich in der aktuellen Ausgabe von "Millésimes" mit seinem Champagner-Classement für 2010 zu Wort gemeldet. Nicht zur Unzeit, wie ich meine, denn Zeit für Champagner ist bekanntlich immer – nicht nur kurz vor Weihnachten. Also, was schreibt er denn? Zunächst mal muss man seine Classements kennen. Darin unterscheidet er zwischen erst-, zweit- und drittklassifizierten Weinen. Diese Classements stellt er für jede Weinbauregion gesondert auf, d.h. ein erstklassifizierter Champagner unterliegt den Regeln seines Champagner-Classements und ist insofern nicht vergleichbar mit einem von ihm erstklassifizierten Bordeaux. Innerhalb der jeweiligen Classements herrscht nochmal eine Hierarchisierung, wobei Dussert-Gerber im Champagner-Classement jede Klasse nochmal in kräftige und elegante Champagner unterteilt. Dabei fließen Werte wie Reifevermögen, Preis-Leistungs-Verhältnis und Kontinuität der letzten Jahrgänge einer Cuvée ein. Wer also in der Spitze eines Classements steht, dem kommt eine gegenüber den nachfolgenden Weinen herausgehobene Bedeutung zu.

Neu hinzugefügt hat er die folgenden Champagner (A steht jeweils für die Gruppe der körperreichen Champagner, B für die eleganten Champagner):

AVENAY-VAL-D'OR, CHAMPAGNE LAURENT-GABRIEL, 2ème A

AY , CHAMPAGNE GOSSET, 1er B

BOUZY, CHAMPAGNE MAURICE VESSELLE, 2ème A

CHAMERY, CHAMPAGNE PERSEVAL-FARGE, 2ème B

CHIGNY-LES-ROSES, PHILIPPE DUMONT, 2ème A

CHOUILLY, CHAMPAGNE LEGRAS ET HAAS, 2ème B

COURTERON, CHAMPAGNE FLEURY, 2ème A

CRAMANT, CHAMPAGNE P. LANCELOT-ROYER, 3ème A

DAMERY, CHAMPAGNE DANIEL CAILLEZ, 2ème B

DIZY, CHAMPAGNE VAUTRAIN-PAULET, 2ème A

EPERNAY, CHAMPAGNE ELLNER, 1er A

LE BREUIL, CHAMPAGNE PIERRE MIGNON, 2ème B

POUILLON, CHAMPAGNE BOURDAIRE-GALLOIS, 2ème A

RILLY-LA-MONTAGNE, CHAMPAGNE ANDRE DELAUNOIS, 2ème B

Um einen Eindruck von seinem Classement zu bekommen, ist es hilfreich, sich seine erstklassifizierten Champagner anzusehen.

In der Gruppe A, bei den körperreichen Champagnern, finden wir:

CHARLES HEIDSIECK (Millénaire)
KRUG (Grande Cuvée) (r)
MOËT ET CHANDON (Dom Pérignon)
POL ROGER (Sir Winston Churchill) (r)
TAITTINGER (Comtes de Champagne) (r)
ALAIN THIÉNOT (Grande Cuvée)
DEVAUX (D) (r)
ELLNER (Réserve) (r)
PHILIPPONNAT (Clos des Goisses)
(BOLLINGER (RD))
CANARD-DUCHÊNE (Charles VII)
RENÉ GEOFFROY (Volupté)
LAURENT-PERRIER (Grand Siècle)

In Gruppe B, bei den eleganten Champagnern, finden wir:

GOSSET (Grand millésime) (r)
PIPER-HEIDSIECK (Rare)
ROEDERER (Cristal)
DE SOUSA (Caudalies)
DE TELMONT (O.R.1735)
Pierre ARNOULD (Aurore)
PAUL BARA (Réserve) (r)
Pierre PETERS (Spéciale Millésime)
RUINART (Dom Ruinart) (r)
DE VENOGE (Princes)

Was sagt uns das? Das sagt uns, dass Monsieur Dussert-Gerber einen, sagen wir mal: sehr eigenständigen Gaumen hat. Wie sonst ist es zu erklären, dass er Dom Pérignon, den Inbegriff der Leichtigkeit und des schwerelosen Genusses in die Gruppe der körperreichen Champagner einordnet? Liegt es vielleicht daran, dass er nur die klobigeren, angestrengteren Jahrgänge aus den späten Neunzigern getrunken hat? Wir wissen es nicht. Auch eine Erklärung über die Jahrgangschampagner aus dem Hause Krug bleibt der Meister schuldig. Doch der Seltsamkeiten noch nicht genug, finden wir unter den erstklassifizierten Champagnern Häuser wie Devaux, Ellner und Canard-Duchêne, nicht jedoch die Grande Dame von Veuve Clicquot, keine Champagner aus dem Haus Perrier-Jouet, Delamotte, Salon oder Besserat de Bellefon, die alle wahrlich keine Geheimtips mehr sind und es mit einigen der erstklassifizierten Champagner ohne weiteres aufnehmen könnten.

Sehr seltsam ist auch, dass sich im gesamten Classement Winzer finden, die gut und gerne trinkbare Champagner machen, Erzeuger wie Selosse, Prevost, Ulysse Collin, David Leclapart, Jacques Lassaigne, Tarlant, Cedric Bouchard, Vouette et Sorbee, Georges Laval, Diebolt-Vallois jedoch noch nicht einmal unter den drittklassifizierten auftauchen. So ist doch ausgesprochen fraglich, ob die süffigen, aber nicht besonders inspirierten Champagner beispielsweise vom Château de Boursault und Abel-Jobart einen Platz im Classement halten könnten, wenn die anderen genannten Winzer dort ebenfalls vertreten wären.

Will man Monsieur Dussert-Gerbers Gaumen kein voreiliges Unrecht antun, so kann man nur vermuten, dass er einige sehr wichtige Champagner noch gar nicht getrunken hat. Dann aber, so meine ich, muss man sich mit der Herausgabe eines Classements zurückhalten und artig gedulden, bis die Datenbasis dafür groß genug ist.

Dass er einige sehr gute Champagner auf dem Schirm, resp. im Glas hatte, zeigt sich nicht zuletzt daran, dass er Champagne Aspasie von Ariston Père et Fils hoch einstuft. Franck Bonville, Pascal Agrapart und Jacky Charpentier haben sich ihren Platz gewiss ebenfalls verdient, wenngleich ich ihre Champagner nicht zu den körperreichen zählen würde. In der Kategorie ist richtigerweise der "Comète" von Francis Boulard gut aufgehoben – auch wenn dieser Champagner ultrarar ist und die anderen Champagner von Francis scheinbar keine Berücksichtigung gefunden haben. Bei den eleganten Zweitklassifizierten stoßen wir sodann auf Gaston Chiquet, Leclerc-Briant, Legras et Haas, Bonnaire, Comte Audoin de Dampierre, Drappier und Gimonnet, sowie auf andere alte Bekannte: Blin, Bedel, Tixier, Brice, Chapuy, Robert Charlemagne und Michel Turgy. Wieder könnte man darüber streiten, ob die Champagner z.B. von Dampierre zu den allerelegantesten gehören, oder ob sie nicht wegen ihrer reichlichen Dosage bei den körperreichen Champagnern anzusiedeln wären.

Lässt man die Frage nach der Notwendigkeit eines Champagner-Classements offen, so kann man sich fruchtbar nur noch mit der tatsächlich erfolgten Umsetzung eines solchen Classements befassen. Das von Dussert-Gerber ist gut gewollt, doch unübersichtlich und die vergleichsweise umfangreichen Beschreibungen der Erzeuger wiegen nicht seine allzu kurz geratenen Weinbeschreibungen auf. Wichtige Champagner fehlen völlig, mancher nur leicht überdurchschnittliche oder gerademal durchschnittliche Erzeuger erhält durch die viel zu dünne Datenbasis ein unproportional hohes Gewicht. Das mag den betroffenen kleinen Winzer freuen und mit Sicherheit werden einige Winzer nach der Publikation des jeweils aktuellen Classements ein verdientes Maß erhöhter Aufmerksamkeit erhalten. In diesem Punkt erweist sich Dussert-Gerber nämlich als fleißiger Verkoster – was letztlich dem Verbaucher nur willkommen sein kann. Meiner Ansicht nach leidet das Classement aber noch zu sehr unter seiner Unausgewogenheit.

Black & White Probe: Blanc de Blancs und Blanc de Noirs

I.1 Victor Clicquot 1959 Extra Brut
Altersangemessene dunkle Goldfärbung, lamgsam aufsteigende, vereinzelte Perlage, kein Cordon; intensive, grobkörnige Honignase, oxidative Töne. Im Mund wieder grobkörniger alter Honig, milde, etwas flache Säure, die immerhin mitellang ausklingt und die spärliche, aber für einen doch schon beachtlich alten Champagner aus exzellentem Jahr und kleinem Haus beachtliche Aromatik gut trägt. Eine kleine Überraschung, die Flasche hätte auch mit 55 ./. 45 umgekippt sein können. Schöner Start in die Probe.

I.2 Raumland, I. Triumvirat 2001, mittleres hellgelbgold, langsame, ordentliche Perlage, sehr feine Nase mit Aromen von Zitrusbonbons, Stachelbeeren und Apfelkompott, im Mund derselbe Eindruck, zusammen mit einer zugunsten deutlicher Mineralik etwas schmal geratenen Säure, mittellang, aber durchweg homogen und feinziseliert; erkennbar kein Champagner. Nach dem überraschend schweren und guterhaltenen Victor Clicquot sicher nicht ganz einfach, zu bestehen, aber immerhin auch ein guter Auftakt.

I.3 Schramsberg BdB 1998, ziemlich helles Äußeres, hübsche Perlage im ganzen Glas, sehr sauberer Cordon, erkennbar kein Champagner; rotbeerige Nase, buttrig abgefedert. Trinkt sich sehr bequem, fast einfach, insgesamt eher säurearm, "europäische" Stilistik (mein unbelegter Eindruck), ich hatte in meiner Not auf Chenin Blanc getippt. Mittellang, milde, sollte man mal getrunken haben. Ebenfalls ein sehr schöner Starter und der erste BdB, somit ein optimaler Übergang.

II.1 Philippe Gonet (Le-Mesnil) BdB GC NV, festes Gold, saubere Perlage, ordentlicher Cordon, dynamisches Auftreten, appetitanregende apfelige Nase, die zwischendurch etwas ins staubige, vielleicht salzig-jodige neigt. Im Mund wieder Apfeltarte, vanillig begleitet, für Le-Mesnil ungewohnt milde Säure, wieder etwas salzig/jodig, letztlich ein bequem trinkbarer BdB.

II..2 Soutiran (Ambonnay) BdN GC NV, unauffällige Farbe, äußerlich kaum Unterschied zum BdB. Die Nase eher zurückhaltend, dabei ziemlich geschmeidig, entwickelt mit der Zeit herb-nussige Töne, dasselbe im Mund, hier etwas voller als der BdB von Gonet. Gleichfalls wenig Säure, mittellang, mit Zuckerschwänzchen, das aber ziemlich allein übrigbleibt und deshalb eigentlich nicht nötig gewesen wäre.

III.1 A.R. Lenoble BdN 1998, reichlich Perlage und schöner Cordon, sattes Gold, brotige, röstige Nase mit eine Hauch geschmolzener Butter und ganz wenig Honig. Erdige Töne kommen mit der Zeit dazu, im Mund dann ansprechende, noch nicht wachrüttelnde, aber ziemlich deutlich spürbare Säure mit leicht gerbender Wirkung. Trocken-erdiger Abgang mit etwas wenig Frucht. Wurde ziemlich schnell als Jahrgangschampagner erkannt.

III.2 Paul Michel BdB GC 1999, helleres Gelbgold, typische Perlage und Cordon. Unter einer etwas dumpf-sauerkrautigen Nase kommt der gewohnte frische Apfel mit Limette zum Vorschein, von den Caipirinhanoten der ersten Zeit ist jetzt -nach ca. 2 Jahren- nicht mehr so viel spürbar. Auch hier wurde der Champagner schnell als Jahrgangschampagner erkannt. Beibehalten hat dieser Champagner seine Luftnot, d.h. seine Eigenschaft, erst mit reichlich Luft zu sich zu kommen. In Mund und Nase zeigen sich erst relativ spät Limette und Grapefruit, Mandarine und Orange in einer würzig-pikanten Kombination, von Sauerkraut keine Spur mehr. Sollte man im Auge behalten.

IV.1 De Venoge (Epernay) BdN, ordentliches Äußeres, sanftes, etwas fahles Gold, weinige, pinottypische satte, saftige Nase, etwas fleischig. Im Mund rund, angenehme Säure, mittellang, wieder deutlich weiniger, beeriger Charakter, kann sich noch zum besseren entwickeln. Insgesamt eine brauchbare Leistung von einem Haus, das nun hoffentlich in ruhigere Fahrwasser (BCC) gekommen ist.

IV.2 Robert Charlemagne (Le-Mesnil) BdB GC 1998, unauffälliges, typisches Äußeres, helles Chardonnaygelbgold mit grünlich glänzenden Reflexen. Spritziger, frischer Eindruck mit Gummibärchennase, Birne, später eher reifer Apfel. Im Mund erneut spritzig, stramme Säure, dafür etwas zu einfache Fruchtnote, vielleicht noch zu früh getrunken. Insgesamt etwas zu zurückhaltend.

V.1 Diebolt-Vallois, Fleur de Passion 2000, typisches Champagneräußeres, deutlich erkennbares Chardonnaygelbgold mit auffällig prägnanter, blitzeblanker und tiptopsauberer Nase, urtümliche Apfelsorte von der Streuobstwiese mit prickelnder, aufmunternder, mitreißender Säure und saftiger Bissigkeit. Noch zu jung, Anfänge sich bildender Geschmackskomplexität und des typischen Passionsfruchtdufts sind überall spürbar, aber eben noch nicht ausgebildet. Leider habe ich keine 99er mehr, die wäre sicher noch etwas interessanter gewesen.

VI.1 Soutiran (Ambonnay) Rosé 100% Pinot Noir, saftiges blutorangenrot, ansprechend fruchtige Nase mit Schokolade und reifen Erdbeeren, erinnert an deutsche Spätburgunder. Im Mund neben den schokoladigen Aromen ein dauernder Wandel von Erdbeere über gequetschte, vollreife Himbeeren zu Kirsche und zurück, saftig, lecker, gut. Für kleines Geld ein angenehmer, wenn auch nicht zu allem passender Rosé älterer Machart.

VI.2 Taittinger Comtes de Champagne Rosé 1997, 100% Pinot Noir, helles kupferrot, zurückhaltend, etwas stinkig, darunter liegen aber sehr verführerische rote Beerenfrüchte, geröstete Brotrinde und ein Hauch von Zitrus umweht das Ganze. Es erscheint mühsam, auf diese Aromen zu achten, wünschenwert wäre eine deutlichere Ausprägung gewesen. Buttrige Noten erschwerten übrigens eine bessere Zuordnung der Aromen. Dennoch sehr gut zu trinken, wenn man sich etwas Zeit und Aufmerksamkeit nimmt, den Primäraromen nachzuspüren; für Freunde gereiften Champagners erst in ein bis zwei Jahren zu empfehlen.

Mehr vermischte Champagnernotizen

Dieses Jahr lag Christi Himmelfahrt günstig. Was kann man in so einem Fall besseres machen, als kurz in die Champagner zu düsen?

I. Bonnaire Blanc de Blancs Grand Cru

Chardonnay. Cramant Grand Cru.

Etwas grüner Apfel, recht lang, behäbiger als die undosierte Version, anfangs noch nicht besonders komplex, aber eben auch kein langweiliger Durchschnittschardonnay. Diesen Erzeuger und genau diesen Einstiegschampagner von ihm darf man nicht unterschätzen: ganz langsam fügen sich nämlich die Puzzleteile ineinander und wie in Zeitlupe reifen die Chardonnays aus Cramant, wie man beispielsweise von Diebolt-Vallois weiß. In groß angelegten Proben überzeugt dieser Champagner nicht, bei Blindproben dagegen hat er etwas, das innehalten lässt. Nämlich genau diese langsame Art, die sagen will, dass da noch viel mehr ist. Passt sehr gut zur Tapasplatte, insbesondere zu grünen Oliven, zum Schinken und zu fetter Salami. Die Enthüllng kommt dann zur Entenleber mit Whiskylackierung, auch wenn die Kombination nicht gerade augenfällig zu sein scheint. Die spritig-süsslichen, torfigen, schon gereiften Whiskyaromen auf der Entenleber schmecken zwar großartig, bedürfen zur Vervollkommnung aber eines Champagners wie diesem, der sich nicht aufspielt, sondern mit seiner langsam und behutsam sich einfügenden Apfel-Mineral-Aromatik das Geschmacksbild perfektioniert.

II. Lacourte-Guillemart Brut Tradition

85% Pinot-Noir, 15% Chardonnay, drei Jahre Hefelager. Ecueil Premier Cru in der westlichen Montagne de Reims. Mit charmanter Winzertochter.

Ziegenledernase. Weinig und rund, leicht oxidativ, roter Apfel, standfester Champagner mit einiger Komplexität und Entwicklungsfreude im Glas. Schön zur Büffelmozarella und reifen Kirschpaprikas, nicht verkehrt zum Langustenschwanz mit Passionsfruchtbrunoise, obwohl ich mich bei dieser Kombination immer frage, ob nicht Diebolt-Vallois' Fleur de Passion noch besser dazu schmecken würde. Werde ich irgendwann mal ausprobieren müssen.

III. Abel-Jobart Brut Sélection

Blanc de Meuniers. Sarcy, tief in der Vallée de la Marne, 15 Monate Hefelager.

Quitten und Holzapfel, Wildkirsche, herbe Säure, gerbstoffig, dabei fruchtig und mit einer ansprechenden, etwas devoten, sich unter der Herbe durchschlängelnden Fruchtsäure. Blind nicht leicht als Champagner zu erkennen, aber ein kleines Lehrstück über die reinsortige Vinifikation von Meunier. Dazu kann man sich ein sehr stimmiges Barbenfilet mit geschmortem Fenchel und schwarzen Oliven servieren lassen. Die Fenchelsüße und das etwas anisige Aroma verweben sich mit dem Duft des Champagners zu einer beinahe orientalisch anmutenden Komposition, die Oliven, die um Gottes Willen jeder Spur von Herbe entbehren müssen, unterstützen diesen Eindruck gekonnt und schon wird aus einem nicht gerade wahnsinnig komplizierten Champagner ein Essensbegleiter mit leicht schwülstigem Charme und gebändigter Abenteuerlust.

IV. Delaunois Cuvée Royale

Klassischer Drittelmix mit 25% Reservewein, der selbst ein Drittelmix ist. Drei Jahre Hefelager. Rilly-la-Montagne Premier Cru.

Dieser Champagner hatte mich trotz seiner beiden Sternchen im Guide Hachette beim letzten Mal nicht überzeugt und die Cuvée Palmyre von André Delaunois hatte es in der letzten Verkostung schwer gegen Bruns „La Pelle, Cuvée des Sires“, daher der re-call. Herb und kräftig, eher einfach, aber noch nicht grob, war er solo wieder kein besonderes Vergnügen. Des Rätels Lösung offenbart sich nach dem Verzehr einer mehr als nur eishockeypuckgroßen Portion Boeuf Tartare mit einer Extrabeigabe Speck und grünem Spargel: dieser Champagner passt zu allem, wozu sonst ein schönes Pils passt. Ein Durstlöscher für Männer eben.

V. Carré-Guebels Rosé

70% Chardonnay, 30% Pinot-Noir. Trépail Premier Cru im Südosten der Montagne de Reims, schon fast etwas abseits gelegen, wenn da nicht die mitunter sehr interessanten Champagner wären, die eine Reise lohnenswert erscheinen lassen.

Ein Blick auf die watchlist und der nächste Kandidat stand fest. Dieser hier nämlich. Zuletzt hatte er mit seiner weißen Seele gut gepunktet und auch dieses Mal habe ich mir notiert, daß weißes Herz und rote Haut einen kernigen, am Anfang kirschigen, gegen Ende hin gekonnt ausgewogenen, nahtlos verschweissten Champagner ergeben. Mit Luft und zunehmender Temperatur verlor er etwas an Biss und wurde leicht wärmend-alkoholisch. Muss kalt getrunken werden und passte traumhaft zum Gurkensüppchen. Eine Empfehlung spreche ich auch zum festen Fleisch vom Seeteufel mit Wildreis, Rosmarin und balsamierten Tomaten aus.

VI. Laurent Gabriel Grande Reserve. Premier Cru am südlichen Fuss der Montagne de Reims und Avize Grand Cru. Tochter Marie-Marjorie hilft seit 2001 mit.

Selbst wenn das Thema Holzfassausbau beim Champagner keinen mehr vom Stuhl fegt, probierenswert sind die Kollegen meist durchaus. Dieser war besonders gut gelungen, das Holz dominant und dennoch nicht erdrückend. Laurent Gabriel hat bereits mit seinem Rosé gezeigt, wohin bei ihm die Geschmacksreise geht und seine Grande Réserve geht beherzten Schritts weiter. Vanillekeks, Kokos, Macarons, Brotrinde, auch stark geröstete Haselnuss und eine mit Luft sich immer besser und weiter entfaltende Struktur sind Indikatoren für den vielleicht auf Anhieb etwas vordergründig erscheinenden Stil des Hauses. Wobei ich die Aromenfülle dieses Champagners nicht im negativen Sinne vordergründig finde, bzw. hervorheben will, dass die Grande Réserve im Laufe eine halben Stunde noch eine ganze Menge nachlieferte. Gut! Zum kaffeegefüllten Krokant mit Karamelleis und Fleur de Sel passt der Champagner, weil Kaffee, Karamell, Salz und mäßige Süße sich so leichtherzig und übermütig mit den Holznoten vereinigen. Wer es konservativer mag, fährt mit einer karamellisierten Apfel-Birnen-Tarte nicht falsch.

VII. Banchet-Legras Blanc de Blancs

Chardonnay. Chouilly Grand Cru.

Unauffälliger, etwas altmodischer, fruchtiger, nicht so sehr mineralischer Chardonnay. Absolut unbekannt und sehr schwer zu finden! Passte zur Foie Gras von der Ente, bloss mit etwas grobem Pfeffer und Guérande-Salz ad libitum bestreut und mit Paprikaschnipseln garniert, war mir zu den confierten Entenmägen sehr willkommen und musste erst bei den etwas salzigen Entenrillettes passen.

VIII. Paul Michel Blanc de Blancs Premier Cru 1999

Cuis Premier Cru.

In der Nase reif, schwarzer Tee (irgendetwas zwischen Friesenmischung und Lady Grey) mit viel Kandis und einem Spritzer Limettensaft. Schwierig, dazu einen passenden Speisenpartner zu finden. Tranchen vom Iberico-Schwein mit Steinpilzen, Knoblauch und Blattpetersilie überzeugen jedenfalls nicht so recht, zu viel Geschmacksdurcheinander. Besser ist da schon die junge Ente mit behutsam getrüffelten Gnocchi und getrockneten Früchten.

IX. Franck Bonville Blanc de Blancs Grand Cru Brut 1998

Avize Grand Cru.

Helle, harmlos wirkende Strohfarbe. In der Nase eine sehr entwickelte, dem Alter besser entsprechende Nussigkeit, Apfel natürlich, Butteröl und etwas Hefe. Am Gaumen wieder eine Überraschung, kein leichtgängiger, runterflutschender und irgendwie überholzter Burgunderklon, sondern eine sehr eigenständige, nicht derbe, aber zielsicher zupackende Griffigkeit, nicht zu verwechseln mit alterungsbedingter Brandigkeit oder einem sonstwie unausgewogenen Auftreten. Zur Fischsuppe mit Zitronengras gerade noch vertretbar, schmeckt aber besser allein.

X. Perrier-Jouet Grand Brut

Epernay. 35PN, 40PM, 25CH.

Viel zu selten trinke ich diesen guten Standardbrut, obwohl er mir in praktisch allen Reifegraden gut schmeckt. Als Basischampagner eines großen Hauses kommt er mit viel Pinot Meunier ins Glas, was ich begrüße. Der Grand Brut reift übrigens sehr schön, was viele gar nicht für möglich halten. Dieser hier war sehr jung und zitrusfruchtig, aber nicht von der chardonnayigen Art, sondern mit rötlichen Akzenten, wie sie von der Pomelo, Grapefruit, Blutorange und vom Sanddorn kommen können. Angenehm, frisch und saftig. Kein Wunder, dass die gebratenen Speckscheiben mit Orangenconfit und Auberginenkaviar dazu schmeckten.

XI. Perrier-Jouet Belle Epoque 1996

Drittelmix.

Komplex, buttrig, reif, abgeblühte Akazie und reichlich Nuss. Stärker werdender Honig, immer noch vorhandene Limette, etwas Karamell. Dieser Champagner scheint sich noch nicht verabschieden zun wollen, obwohl er vor einiger Zeit bedenklich gewackelt hat und oft genug gar kein Urteil zuließ, weil schlimme Flaschenvarianzen oder Kork den Genuss verhinderten. Erscheint sehr fit, ohne dass ich damit rüstig sagen will. Ein starker Partner für das gebackene Lammbries mit Röhrchennudeln und Früchtemus.

XII. Perrier-Jouet Belle Epoque Rosé 1997

55PN, 5PM, 40CH, 15% Rotweinzugabe.

Die Nase erinnert mich an ein puderzuckerüberstäubtes Pfannkuchendessert mit Blutorangenfilets und Brombeersauce. Sonst der weißen Belle Epoque nicht unähnlich, wenn man mit geschlossenen Augen reinschnuppert. Im Mund ziemlich weinig, etwas griffig, nicht besonders säurehaltig und nicht mehr ganz auf der Höhe. Passt gut zu überbackenen Samtmuscheln und zum Seewolf in Mandelschuppen.

Champagnerquerschnitt

I.1 Maurice Philippart Cachet Rouge 1er Cru 80CH, 10PN, 10PM, 12 g/l machte den Einsteiger. Auffallend, wenngleich altbekannt war mal wieder die rotgoldene Tönung

und die weinige, sehr fortgeschrittene Nase, zum Teil mit seifigen

Cognactönen unterlegt, später mit scotchigeren, toffeeigen Aromen.

 

I.2 Alfred Gratien 12PN, 44PM, 44CH empfahl sich mit trockenholziger

aber keineswegs einfältiger Nase und sehr frischer Chardonnaywürze,

wobei man sicher darüber streiten kann, ob dieser sehr schöne

Standard nicht auch einige sehr charakterstarke Noten dem hohen

Meunieranteil verdankt. Die Säure war insgesamt sehr straff und

gefiel zusammen mit den eleganten Nuancen aus Chardonnay und Meunier.

Hier wirkte der Pinot Noir eher im Hintergrund und vermittelte eine

dezent weinige Note.

 

I.3 Tarlants Brut Zéro, Drittelmix, mußte auch mal wieder

ran. Die Nase war wiederum etwas holzig, hart, mit etwas Chlor oder

schmeichelhafter: Mineral vermischt, fruchtarm, verschlossen. Die

harte Apfelsäure hingegen wirkte nach dem Alfred Gratien wie zum

Toteerwecken und verdeckte die -meiner Einzelmeinung nach-

vorhandenen, sehr delikaten und hoffentlich bald stärker zum

Vorschein kommenden leckeren Apfel-/Weinnoten.

 

Der nächste flight wurde aus zwei Blanc des Blancs gebildet:

 

II.1 Franck Bonville Cuvée les Belles Voyes (7-8 Monate im Holz) Grand

Cru, Avize, hatte leider Kork.

II.2 Diebolt-Vallois Blanc des Blancs Prestige, Grand Cru, Cramant, altes

Holz. Ganz ohne Faxen im alten Holz ausgebaut. Die Cuvée Prestige ist für mich immer noch so etwas wie das

Urbild des Cramantchardonnays; um den Zungenrand legte sich, wie die

Midgardschlange, ein hauchzarter Säurering, der den hübschesten

Rahmen für das dann kommende Geschmackschauspiel abgab, elegant,

feine Mandelhörnchennase. Marzipan und Rosenwasser, rauchige, jodige

Noten und warmes Apfelkompott (mit den großen Stückchen), ein

Champagner, der unendlich viel zarter ist, als seine Kollegen 15km

weiter in Le-Mesnil.

 

III.1 Gosset Celebris 1995 54PN, 46CH, war sehr lebhaft in der Nase und

zeichnete sich durch etwas aus, was ich hier einmal die Ungreifbarkeit nennen

will, andere sagen Komplexität dazu. Diesen Gosset zeichnete ein ganz spezielles, schwer zu beschreibendes Duftverhalten aus. In ungewohnt schneller Folge tauchten Aromen auf, und ehe man sich versah, waren sie auch schon durch andere wieder ersetzt. Natürlich lief

alles, was an guten Düften Rang und Namen hat, durch, aber nichts

blieb länger, immer wieder vermischten und verschoben sich die

Aromenschwerpunkte, so daß der Champagner die ganze Zeit über

spannend blieb. Immerhin läßt sich festhalten, daß ein

fruchtbetontes, mit mineralischer, sehr fester Struktur

ausgestattetes Grundgerüst vorhanden war, dessen Würze sich den

reichlich vorhanden Ay-Pinot Noirs verdankt, während der Chardonnay

hier wirklich einmal die Rolle des rassig-eleganten Veredlers und

Espritgebers gespielt hat, mittlerweile mit toastigen, rauchigen Reifetönen.

 

III.2 Bollingers Grande Année 1997 folgte nach und fiel zuerst mit einer

gemüseuppigen Nase unangenehm auf. Mit Luft befreiten sich die fleischigen,

saftigen Pinotaromen aus dem Gazpacho-Würgegriff. Sehr kraftvoll und auch schon weit entwickelter Champagner – gut, dass es den jetzt als noch frischen R.D. gibt.

III.3 Schließer war die 1988er Cuvée des Enchanteleurs von Henriot, 45PN, 55CH. Viel

Kaffee und pain grillé nehmen langsam, bei immer noch stabiler Säure, überhand. Noch warm und gemütlich Champagner aber man merkt, dass da kein Scheit mehr in den Ofen geworfen werden wird.

 

IV.1 Tarlant, Cuvée d'Or, Blanc des Meuniers. Dieser

Benoit Tarlant hat verdienstvoller Weise, man kann es nicht oft genug sagen,

einen 100% Meunier vinifiziert. Auch nach Jahren der Flaschenreife noch rassig, elegant, dabei nicht ohne Bodenhaftung, schön

balanciert und sehr aromatisch, dabei mit der typischen Kräuterherbe von reinem Meunier, eine salbeibonbonartige Bitterkeit, die nicht fehlerhaft wirkt.

 

IV.2 Louis Roederer Blanc de Blancs 1997. Achtebahnchampagner. Ganz zu Beginn, kurz nach der Freigabe, war das ein erfrischender, saftiger, sehr einladender Champagner. Dann war er für einige Zeit untergetaucht, um sich fortzuentwickeln. Aus dieser Tauchphase kam er Ende 2005, Anfang 2006 herauf, um sich jetzt abschiedsreif zu zeigen.

IV.3 Louis Roederer Blanc de Blancs 1998.Immer noch ein sehr schöner Chardonnay von beachtlichem Gewicht und konstanterem Auftritt, als der 97er.

Das schreiben die anderen: Jacques Dupont, Le Point Magazine

Jacques Dupont berichtet in seinem berühmten Champagnerdossier im Magazin Point über die performance aktueller Champagner; nicht jedoch, ohne zuvor darauf hinzuweisen, dass

«les champagnes sont vendus à une date trop proche de leur dosage, c’est-à-dire de leur mise en bouteille définitive. La liqueur de dosage que l’on ajoute pour remplacer le volume de dépôt que l’on a retiré de la bouteille n’a pas encore eu le temps de s’intégrer au vin. Trois mois, six mois, c’est trop court. Une année ou deux, si vous tenez le coup, c’est beaucoup mieux…».

Dann aber geht es hinein ins Vergnügen und es gibt die eine oder andere kleine Überraschung.

Aus dem Hause Pierre Moncuit stammt mit der Cuvée Nicole Moncuit Vieilles Vignes 2002 der 19/20-Knaller, nicht viele Erzeuger kommen bei Dupont so hoch, die Winzer haben es da besonders schwer und bleiben meist bei um die 17/20 liegen. René Geoffroy kommt allerdings mit seinem Extra Brut Mill. 1996 auf ziemlich großartige 18,5/20.

Bollingers Grande Année Rosé 2002 säckelt immer noch saftige 18/20 ein, nachdem sie erst jüngst in der Revue du Vin de France 20/20 kassierte. Sie liegt zusammen mit Laurent-Perriers Grand Sieècle und Pol-Rogers Cuvée Sir Winston Churchill 1998 gleichauf.

Dicht dahinter tummelt sich’s dann: Bollingers Special Cuvée wieder weit vorn mit 17,5/20, diese Bewertung holte sich auch de Sousas Cuvée de Caudalies 2002 und Jacques Diebolts Fleur de Passion 2004 ab, die sich auch in der RVF ein spannendes Rennen lieferten. Auch bei Francis Boulard dürfte die Freude groß gewesen sein, nachdem er für seine Steineichencuvée Petraea MMV 17,5 – 18/20 mit nach Hause nehmen durfte und auch sonst gut abschnitt. Immerhin liegen diese Kandidaten damit auf derselben Ebene mit Louis Roederer Cristal 2002, Taittinger Comtes de Champagne 1999, Mumm René Lalou 1998, „S“ de Salon 1997 und dem großen Charles Heidsieck Blanc des Millenaires 1995 – sehr verschiedenen Champagner im übrigen.

Deutlich in der zweiten Reihe stehen indessen Krugs Grande Cuvée, Dom Pérignon 2002 und Billecart-Salmons Nicolas-Francois Billecart 2000 mit jeweils 17/20. Nur noch verhalten dürfte der Jubel über die 16,5/20 für Elisabeth Salmon Rosé 2000 und Grande Année 2000 gewesen sein.

Hier gibt’s ein kleines Interview mit Jacques Dupont:

http://www.rmc.fr/blogs/bourdinandco.php?post/2009/12/04/Special-Champagne-avec-Jacques-Dupont