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Tag Archives: extra brut

Kleine Champagnerprobe zum Lesebeginn

I. Regis Fliniaux, Blanc de Blancs d'Ay Grand Cru

Meistens sind die Champagner von Regis Fliniaux gut, machmal sind sie inspirierend, die Cuvée des Signataires kann exzellent sein und von seinem seltenen Blanc de Blancs war ich seit dem allerersten, damals aus der spontan à la volée dégorgierten Flasche genossenen Schluck angetan, bzw. sogar begeistert. Von dieser Hochform war der jetzige Blanc de Blancs weit entfernt. Ich schiebe es darauf, dass die Flasche erst vor drei Monaten dégorgiert wurde und der Champagner noch keine Zeit hatte, sich mit dem Dosageliqueur zu vermählen.

II. Regis Fliniaux, Cuvée Prestige Grand Cru

Die Cuvée Prestige von Regis Fliniaux fand ich nie so gut wie seine anderen Champagner dieser Preisklasse, etwa den eben besprochenen Blanc de Blancs oder die feine Cuvée des Signataires. Auch dieses Mal zeigte sich die Cuvée Prestige nicht überragend schön. Sie litt leider unter derselben Unausgewogenheit und Aufgekratztheit des BdB, denn auch sie war ganz frisch dégorgiert. Also: weiter liegen lassen!

III. Joel Michel, Oeuil de Perdrix, dég. 1. Okt. 2010

50PM 25PN 25CH, 10% Fassausbau, 2004er Basis.

Ca. 5 ha, bewirtschaftet Joel Michel selbst und biologisch (seit Ende der Siebziger, Anfang der Achtziger Verzicht auf Insektizide, Herbizide usw.), das sind im Jahr ca. 50000 Flaschen. Ursprünglich stammt er aus Moussy, das er schon 1970 verließ, um in der Nähe von Château Thierry ein eigenes Weingut zu eröffnen. Die parzellenreinen Weine gären im Fassl, werden nicht geschönt, geklärt, gefiltert. Sein ganz heller OdP war zag- und schmeichelhaft zugleich, ein ganz leichter, nur schwer einzuordnender Vertreter seiner Art, wofür der hohe Meunieranteil verantwortlich sein dürfte. Nach einer reduktiven Eröffnung war der Champagner weich, ja sämig, wenig säurehaltig, jedoch mit einerm prickligen Zitrusschlenker zum Ende hin. Kein spannungsgeladener Champagner, entgegen der Etikettenanmutung auch kein jagdlich-rustikaler oder gargantuesker Champagner, sondern ein garconhafter Schmeichler.

IV. de Sousa, Cuvée 3A Extra Brut

50CH aus Avize, 50PN jeweils hälftig aus Ay und Ambonnay, dosiert mit 5 g/l

Biodynamischer Champagner; spontaner Gärbeginn, dann thermoreguliert bei – 4 ° C, mit BSA, der Ausbau findet in Beton und 600-Liter-Fudern statt, die Weine werden nicht geschönt und bleiben unfiltriert. Die Trauben stammen aus den drei einzigen Grand Crus, deren Dorfnamen mit "A" beginnen, was den Namen erklärt, aber vielleicht ist das Triple-A ja auch eine Anspielung auf Erick und Michelles Bonität, wer weiß. Der Champagner ist dunkel, glatt, mystisch, pantherhaft, etwas exotisch und leicht karamellig.

V. Domaine Dehours, Pinot Noir Vieilles Vignes Parcellaire "Maisoncelle" Extra Brut 2004, dég. 30. Aug. 2010

Über Jerome Dehours habe ich ja schon im Nachgang zur Vinexpo mit Begeisterung berichtet. Dort habe ich seinen Chardonnay Parcellaire "Brisefer" herausragend gut gefunden, den "Côte en Bosses" Extra Brut 2004 aus allen drei Reben, dégorgiert 7. Januar 2010, fand ich kurz danach im Einzeltest wieder sehr überzeugend, der "Maisoncelle" sollte meine Meinung noch einmal bestätigen. Kirschig, knorpelig, unverwachsen und naturnah, mit einem obszönen Kaviarduft.

VI. Leclerc-Briant, Premier Cru Les Authentiques "Chèvres Pierreuses"

40PN 40CH 20PM.

Was ist denn mit Leclerc-Briant los? Seit der Winzer tot ist, schmecken seine Champagner nicht mehr. Früher war der Chèvres Pierreuses mein Lieblingschampagner aus der Authentique-Kollektion von Leclerc-Briant und letztlich aus dem Gesamtangebot des Erzeugers. Nun erwische ich schon zum wiederholten Male eine Flasche in schwacher Form. Zwar an sich sehr apfelsaftig, aber dann kommt nichts mehr und baut sich auch mit Luft nichts mehr auf. Schlaff, wachsig, ohne Pfiff, wirkt überreif und müde, erinnert ein wenig an überalterten Riesling, bei dem die an sich feine Petrolnote ausnahmsweise sogar störte. Schlimm!

VII. Jacques Lassaigne, Papilles Insolites

Ein in mehrfacher Hinsicht besonderer Champagner. Seine schwarzen Trauben stammen aus Montgueux. Montgueux wird immer als der Montrachet der Champagne dargestellt, die Chardonnays von diesem kleinen Berg mit der ungewöhnlichen Südexposition sind nicht unumstritten, aber sie haben einen unbestritten eigenen, meinetwegen burgundischen Charakter und machen zur Zeit reichlich Furore. Ob der Papilles Insolites wirklich zu 100% oder "nur" zu 75% aus Pinot Noir besteht, ist unklar, der Champagner ist eigentlich sowieso nur ein Experiment, bzw. ursprünglich sogar ein Unfall. Die Trauben der hier verwendeten 2005er Ernte wurde schlicht auf der Presse vergessen, daher die ungewöhnlich dunkle Färbung. Mit dem Saft experimentierte Emmanuel Lassaigne ein wenig, ließ den Schwefel weg und verkaufte das Resultat drei Jahre später an zwei seiner besten Pariser Handelskunden (aus deren Firmennamen sich der Name der Cuvée zusammensetzt: "Les Papilles" und "La Cave de l'Insolite"). Von der Farbe her dem Oeuil de Perdrix sehr ähnlich, wenn nicht sogar noch intensiver eingefärbt. Schokolierte schwarze Johannisbeere, Blaubeerjoghurt, Milchschokolade. Säurearm, etwas scotchig, Rumtopf, dabei ohne Rancio.

VIII. Francis Boulard, Mailly Grand Cru Extra Brut, neues Etikett, dég. 18. März 2011

90PN 10CH, 2007er Basis mit 30% reserve aus 2006 und 2005, mit 5 g/l dosiert

Im Fass spontanvergorener Champagner, den man schnell für einen reinen Chardonnay halten könnte, da er eine ansprechende Apfelsaftnote hat, die hier viel gesünder, strahlender und reiner ausgeprägt ist, als beim Chèvres Pierreuses. Einer der ersten Champagner von Francis Boulard, die ich seit dem Etikettenwechsel getrunken habe; zwar habe ich die von ihm und seiner Tochter kreierten Grundweine und Cuvées schon probieren können, da war aber alles noch unrund, ungelenk und nur schwer gut zu finden. In der jetzigen Form zeigt sich die altbekannte Größe von Francis Boulard, der Neustart ist mithin geglückt.

IX. Janisson-Baradon, Cuvée Georges Baradon 2001, dég.

70CH aus der Einzellage Les Toulettes, 30PN

Der 2001er ist der Nachfolger des sehr guten 1999ers, der weitestgehend ausgetrunken sein dürfte und mir vom ersten Kennenlernen bis zum letzten Tropfen erhebliche Freude bereitet hat. Leider war 2001 kein besonders starkes Jahr, was das Reifepotential betrifft. Der 2001er Georges Baradon muss nämlich jetzt ausgetrunken werden. Er ist nicht ungefällig, nur ein bisschen zu festgelegt auf eine Kirschwassernote, die rechts und links neben sich kaum andere Aromen zur Geltung kommen lässt und nocht nicht schnapsig wirkt – doch wird das wahrscheinlich bald kommen. Bis Weihnachten 2011 gebe ich ihm noch, danach steigt er definitiv und merklich ab, für manchen Champagnerfreund dürfte er schon in diesem hochreifen Zustand problematisch sein.

X. Janisson-Baradon, Blanc de Blancs Special Club "Les Toulettes" 2004

Eine ganze Stufe über dem Georges Baradon steht die 1947 bepflanzte Einzellage "Les Toulettes", in dieser Form nach dem 2000er überhaupt erst zum zweiten Mal auf den Markt gebracht und wiederum ein voller Erfolg. Aus den Toulettes bedient sich die Cuvée Georges Baradon zum größten Teil (und soweit ich weiß hat dort auch der famose Jacques Diebolt von Diebolt-Vallois Reben stehend), wie man weiß, mit allen Stärken und allen Schwächen die eine solche Cuvée dann hat. Im reinen Einzellagenchampagner findet sich dafür alles völlig fugenlos gefügt, geht Toffee mit Fruchtpüree Hand in Hand, ohne dass die fruchteigene Säure für Komplikationen sorgt. Brioche, Mandelsplitter, Lemon Curd, ein stattlicher Champagner mit Körper und Biß.

XI. Bérèche et Fils, Instant "Le Cran" 2004, Handdégrogement am 5. November 2010

55CH 45PN, alte Reben gepflanzt von Großvater Pierre Bérèche, mit 2 g/l dosiert

Köstliches Himbeeraroma und ein verführerischer Knackarsch, ultrafein, gleichzeitig unaufgesetzte, ungekünstelte Coolness, eine Mischung aus der kess-frechen Bryce Dallas und der naiv-holden Jennifer Finnigan. Kauftip.

XII. Piper-Heidsieck, Rosé Sauvage

Zum Zeitpunkt der Neuauflage des Sauvage-Champagners war die angesprochene Käuferschicht zu jung, um sich an den alten weißen Extra Brut Sauvage von Piper-Heidsieck zu erinnern, daher gab es wahrscheinlich keinen Konflikt zwischen den beiden. Der Rosé Sauvage ist jung, jugendlich und schmeckt möglichst früh nach der Marktfreigabe sehr gut, mit zunehmender Lagerdauaer baut er leider unverhältnismäßig schnell ab. So war es hier. Zwar prägten viele rote Beeren das Bild, aber alles wirkte zusammengequetscht, gedrückt, eng, schwer und gezwungen. Keine Leichtigkeit, keine sündige Sorglosigkeit; zum Steak noch gut, allein nicht mehr so recht zu genießen.

Bericht von der Champagne Master Class

Die I. Champagne Master Class im Club B der Résidence in Essen-Kettwig war eine Mischung aus phantastischem Zweisterne-Menu und einer tour d'horizon durch die Champagne, bei der es mir darum ging, möglichst viele Typizitäten und Facetten des Champagners zu illustrieren. Die überragende Küchenleistung von Henri Bach verdoppelte dabei das Champagnervergnügen und kitzelte bei manchem Champagner noch Eindrücke heraus, die in einer reinen Nur-Champagner Probe sicher verlorengegangen oder nicht ausreichend gewürdigt worden wären. Viele Champagner stellten ihre Gastroaffinität unter Beweis, manche liefen überhaupt erst zum Essen zu Bestform auf.

Im Einzelnen:

O. Opener: Philipponnat, Royal Réserve en Magnum, dégorgiert im September 2009

40-50PN 15-25PM 30-35CH, überwiegend Stahltank, 25-40% Reservewein aus Soleraverfahren. 9g/l. Das Haus hat ca. 17ha in Mareuil-sur-Ay, Ay, Mutigny und Avenay Val d'Or.

dazu: Ziegenkäsevariationen

Den Opener von Charles Philipponnat nahmen wir bei strahlend schönem Wetter am Stehtisch vor der Résidence ein. Die Dosage war unaufdringlich, der Champagner zeigte eine schöne, herbfrische, minimal rauchige Art, war erkennbar jung, doch mit einer harmonischen, wohlgeformten Rückenpartie ausgestattet, die sich dem Solera-Reservewein verdankt.

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I.1 Jacky Charpentier, Cuvée Pierre-Henri (Extra Brut)

100PM von ca. 55 Jahre alten Reben in Reuil und Châtillon-sur-Marne, Fassausbau, Bâtonnage, dabei kein biologischer Säureabbau (BSA), 4,5g/l. Rebbesitz auf ca. 12ha in Villers-sous-Châtillon und in der Vallée de la Marne.

I.2 Tarlant, Vigne d'Or (1999, Extra Brut), dégorgiert von Hand am 13. Juli 2004

100PM, von damals 51 Jahre alten Reben aus der Einzellage Pierre de Bellevue, Fassausbau und Bâtonnage, kein BSA. 4g/l. Benoit verfügt über 13ha in Oeuilly, Boursault und Celles-les-Condé.

dazu ein erster Gruß aus der Küche: Variationen von Foie Gras als Eis, Mousse und Terrine, mit einem Stückchen Streuselkuchen

sowie ein zweiter Gruß aus der Küche: Hummerbisque mit Hummerhappen

sodann: marinierte Cantaloupe-Melone | Kaisergranat | Wiesenkräuter

Den ersten flight gab es vorweg als winziges Verkostungsschlückchen ins Glas, denn die freundlichen Küchengrüße bedurften einer adäquaten Begleitung auf dem Weg den Schlund hinab. Zum analysieren war das natürlich nichts, das ging erst mit dem ersten größeren Schluck, der passgenau vor dem Kaisergranat serviert wurde.

Der Charpentier zeigte sich herb, mit der kräuterigen und leicht rauchigen Nase, die er in seiner Jugend scheinbar immer hat. Säure und Holz waren nicht wahrnehmbar, der Champagner wirkte mürbe, ja etwas schläfrig und gewann mit Luft nicht hinzu, sondern blieb die ganze Zeit so. Damit bildete er jedoch einen sehr schönen Begleitchampagner für den Kaisergranat und die Wiesenkräuter.

Wie anders dagegen der Tarlant. Ein Kickstarter mit knalligem Eukalyptusduft und einer Duftfülle, die ich sonst noch von australischen Syrahs gleichen Alters kenne, der Elderton Command Shiraz beispielsweise, der Noon Eclipse Grenache 1999 oder der Fox Creek McLaren Vale Reserve Shiraz 1998 waren auf Anhieb so. Zum Krustentier verhielt er sich etwas angestrengter gespannt, trug jedoch solo deutlich den Sieg über den Pierre-Henri davon, auch weil er sich unentwegt fortentwickelte und noch längst nicht den Eindruck erweckt, als wollte er langsam Reife- oder gar Alterungserscheinungen zeigen.

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II.1 Champagne Doyard, Cuvée Vendémiaire Multi Vintage (2004, 2002, 2001), dégorgiert im Dezember 2009

100CH, 50% Fassausbau ohne Bâtonnage, BSA bei 30%. Flaschenfüllung im Mai 2005. 7g/l. Yannick Doyard hat 10ha in Vertus, Le Mesnil-sur-Oger, Oger, Avize, Cramant, Dizy und Ay.

II.2 Robert Moncuit, Grande Cuvée Blanc de Blancs Grand Cru 2004

100CH von über 40 Jahre alten Reben. 8g/l. 8ha ausschließlich Chardonnay, ausschließlich aus Le-Mesnil-sur-Oger.

dazu: geräucherter Yellowfin als Filet und Tartar, in der Petri-Schale serviert | Wasabimayonnaise | Felchenkaviar

Als der Thun hereingetragen wurde, war noch nicht zu ahnen, was da kommen würde. Lediglich ein gewisses Klappern schien ungewöhnlich. Das Klappern rührte daher, dass der Thun in Petrischalen serviert wurde, die mit Glasdeckeln verschlossen waren. Mit dem Abheben der Deckel entfaltete sich dann schlagartig ein Duft von Lagerfeuer, Buchenholz und frischem Rauch im Club B der Résidence – ein schöner Auftakt für den nächsten Gang. Da es sich um einen reinen Chardonnayflight handelte, war mir die Wahl der passenden Champagner vorab schwer gefallen. Wohl hätte man "S" de Salon, Clos du Mesnil, Perrier-Jouet Belle Epoque Blanc de Blancs öffnen können. Denn jeder dieser Champagner ist hochgradig typisch für seine Gattung und gleichzeitig hochgradig außergewöhnlich. Doch bin ich der Ansicht, dass diese Champagner ein wesentlich höheres Maß an Konzentration verdienen, als sich das in einer Verkosterrunde gewährleisten lässt, bei der es nicht nur um den akademischen Aspekt der Probe geht, sondern vor allem auch um den Genuss im Rahmen eines ausgedehnten Menus. Daher blieb ich am anderen Ende der Preis- nicht jedoch der Qualitätsskala.

Mit Yannick Doyards Vendémiaire konnte ich ein Gewächs öffnen, auf das der Erzeuger zu Recht sehr stolz ist. Jung, stämmig, bärenstark. Auf dem Teller fand er sein Pendant im Thunfischfilet, das dunkel, saftig, lüstern, einladend, und auf mich sogar ein wenig geheimnisvoll wirkte, es bildete sich eine sehr fordernde Allianz. Der Kombination fehlte es dennoch etwas an Eleganz.

Klarer Sieger am Tisch war auch nach meiner Meinung in diesem flight der Jahrgangschardonnay von Moncuit. Der hatte seinen Einstand ja schon bei anderer Gelegenheit in der Résidence gefeiert. Damals hatte ich ihn zur Frühlingsrolle und zum Wan-Tan-Hummer, zum Sellerie-Pumpernickel und zu anderen Variationen mit Fenchel genossen. Dieser Champagner bietet Apfelsexyness, die man Ernst zu nehmen hat. Zum feinen Tartar entafaltete sich ein zauberhaftes Ingwer-Bitterorangenaroma, das wohl jeden am Tisch betört hat. Im Gegensatz zum Doyard, bei dem die mitschwingende Räuchernote Cowboyfeeling verbreitete, wairkte sie hier von so asiatisch und puristisch wie ein Parfum von Issey Miyake.

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III.1 Cedric Bouchard (Les Roses de Jeanne) Cuvée Inflorescence (2008, Brut Nature)

100PN aus der Lage Val Vilaine, fussgestampfter Most, in Edelstahltanks vergoren. Kein Dosagezucker. Cedric Bouchard verfügt über insgesamt nur 3ha in Celles-sur-Ource.

III.2 André Clouet, Un Jour de 1911 Multi Vintage (2002, 2001, 2000)

100PN. 10ha in Bouzy.

1911 Flaschen von alten Reben, unfiltriert, ungeklärt, ungeschönt, vinifziert wie 1911.

dazu: Jakobsmuscheln | Wakame Algen | Ingwergelée | Tom Ka Kai

Die Inflorescence von Cedric Bouchard wirkte rund, zeigte minimalen Babyspeck und machte noch nicht den Eindruck, als sei sie besonders ausgereift, was angesichts des Jahrgangs und der kurzen Hefeverweildauer kaum überrascht. Diesen raren Champagner wollte ich der Runde aber nicht vorenthalten haben, denn er ist ein Vertreter von der "neuen Aube". Dieses Stieftochtergebiet macht zur Zeit eine positiv unruhige Zeit mit vielen Neugründungen und experimentierfreudigen Winzern durch. Cedric Bouchard ist einer der wichtigsten Vertreter dieser Entwicklung und seine Inflorescence ist alles andere als ein Vieilles Vignes Francaises – doch dieser Champagner ist ein emblematischer Pinot-Noir aus einer Gegend, die in der Champagne niemand für konkurrenzfähig mit Bouzy, Ambonnay oder Ay gehalten haben würde. Seine seidige, verführerische Art passte meiner Ansicht nach besonders gut zu dem zwischen Jod und Gurke changierenden Algensalat und zur Jakobsmuschel.

Die "Jour de 1911" Champagner öffne ich immer zu früh. Sie machen mir aber jedes Mal so viel Spass, dass ich nicht die Finger davon lassen kann. Hier zeigte er sich wieder mit höchster Spielkultur, dem würzigen Tom Ka Kai locker auf Augenhöge begegnend: Galgant, Kokosmilch, Brühe, Zitronenmelisse, Verbene, Hagebutte, Goji-Beere, Cranberry, Schattenmorellen – alles lief so mühe- und kollisionslos durcheinander, dass ich zeitweise nicht wusste, woher welches konkrete Aroma kam, vom Tom Ka Kai oder vom Champagner.

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Pirat I.1 Bagrationi 1882, Finest Vintage 2007

100 Chinuri, Flaschengärung.

Pirat I.2 Robert Camak, Brut 2007

80% Riesling 20% Chardonnay, Flaschengärung. Kein BSA. 15,2g/l.

Die beiden Piraten wurden schnell als solche erkannt, womit ich bei der Probenplanung gerechnet hatte. Nachdem die drei Hauptrebsorten Gelegenheit hatten, sich vorzustellen, wollte ich nicht nahtlos mit den Rebsortencuvées beginnen. Eine Zäsur musste her und zum Glück hatte ich zwei etwas abseitig erscheinende Schäumer parat, die nichtsdestoweniger einem guten didaktischen Zweck dienen konnten. Den Georgier in einem so noblen Umfeld zu erleben, war für mich besonders spannend, er schlug sich dabei nicht schlecht, traf jedoch niemandes Geschmack so richtig. Der kroatische Sekt konnte durchaus einige Stimmen auf sich vereinigen, seine Aprikosenmusnatur, vermischt mit der milden, eigentlich gar nicht vorhandenen Säure und dem Ausklang von naturtrübem Apfelsaft ist sicher kein Sekterlebnis, das einen befeuert, dafür ist der Sekt zu behäbig. Er ist aber auf eine angenehme, pfälzisch anmutende Weise behäbig, die ihn sympathisch macht.

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IV.1 Chartogne-Taillet, Cuvée Fiacre 2000

40PN 60CH von alten, zum Teil wurzelechten Reben. Mit geringerem Flaschendruck von ca. 4,5 bar als klassischer Crémant erzeugt. 8g/l. Alexandre Chartogne hat 11ha in Merfy, Chenay und St. Thierry. Selosse-Schüler.

IV.2 Leclerc-Briant, Cuvée Divine 2004

50CH 50PN aus Dizy, Cumières, Daméry, Hautvillers. Biodynamisch (demeter). 7-8g/l. Pascal Leclerc bewirtschaftet 30ha und betreibt ein Resozialisierungsprojekt für Jugendliche auf dem Gut.

dazu: Tramezzini vom Kaninchen | Vanillemöhren | Löwenzahn

Dann ging es auf zum ersten Cuvéeflight. Wieder sollten sich zwei Champagner den Verkostergaumen stellen, die alle noch in guter Verfassung waren.

Beim Fiacre merkte man den niedrigeren Flaschendruck nicht unbedingt. Er war in frischer Verfassung, die Balance zwischen Pinot und Chardonnay war praktisch perfekt, ein klarer Rebsortencharakter ließ sich nicht mehr ausmachen, hier zeigte sich zum ersten mal im Laufe des Abends, was Verschneidekunst bewirken kann. Die Vanillemöhren – manchem waren sie zu krachend, andere mochten genau das – und der Champagner waren eine gelungene Kombination und gefielen mir an diesem Gang besonders gut.

Druckvoller, stärker moussierend wirkte im Vergleich der Divine von Leclerc-Briant. Ich meine nicht, dass die Perlage groib wirkte, wie versciedentlich angemerkt wurde, will das aber auch nicht kategorisch ausschließen, wobei ich das hauptsächlich mit dem Crémantcharakter des Fiacre erklären würde. Der Divine ist ein Champagner, der auch im klaren Kontrast zu den Monocrus von Leclerc-Briant steht. Dieser Champagner ist dicht, wuchtig, aber er gehört nicht zu den rasiermesserscharfen, ultrapräzisen Champagnern. Darin unterscheidet er sich z.B. von den Chèvres Pierreuses aus gleichem Hause.

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V.1 Armand de Brignac, The Ace of Spades Blanc, dégorgiert im März 2009

40CH 40PN 20PM. 2005er Basis mit Reservewein aus 2003 und 2002. Trauben aus Grand- und Premier Crus (Chouilly, Cramant, Avize, Oger, Le Mesnil und Ludes, Rilly-la-Montagne, Villers Allerand, Taissy, Villers Marmery, Montbre, Pierry, Damery, Vertus, Mareuil-sur-Ay). 9,65 g/l. Der Dosageliqueur lagert neun Monate im burgundischen Holzfass. Erzeuger ist das Haus Cattier aus Chigny-les-Roses.

V.2 Vilmart, Coeur de Cuvée 2001

80CH 20PN von über 50 Jahre alten Reben, Fassausbau ohne biologischen Säureabau, verwendet wird nur das Herzstück der ersten Pressung. Laurent Champs verfügt über 11ha in Villers-Allerand und Rilly-la-Montagne.

dazu: Perlhuhnbrust | Steinpilze | Fregola | Paprikacoulis

Rund. Harmonisch. Sehr elegant. Animierend und balsamisch die Kehle heruntergleitend. Das ist der beste Champagner der Welt. Das süssliche Paprikacoulis war ein anspruchsvoller und geeigneter Partner für den Armand de Brignac.

Wuchtig, holzig, aus dem Glas drängend, dabei so seidenglatt und trotzdem raumgreifend ist das Schätzchen von Vilmart. Von Beginn an zeigt er eine Nase von frischgeschnittenen Pilzen, die sich oft bei reifenden Champagnern entwickelt und die fabelhaft zu den Steinpilzen passte. Bemängelt wurde, dass Vilmart mit dem offensiven Holzaroma Leere zu überdecken versuchen könnte. Das finde ich eindrucksvoll anhand der schillernden Aromenvielfalt des Champagners widerlegt. Bei reifen Vilmarts zeigt sich, dass die herausgehobene Holzaromatik sich einbindet, nicht indem sie zurückgeht oder auf unerklärliche Weise abgebaut wird, sondern weil die fortschreitenden Flaschenreifearomen aufschließen, der Kontrast zwischen Primärfrucht und Holz ist eben doch ein anderer, als der von Champignon und Fass.

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VI.1 Perrier-Jouet, Belle Epoque 1979 en Magnum

45PN 5PM 50CH. 95 Punkte bei Richard Juhlin.

VI.2 Laurent-Perrier, Grand Siècle Lumière du Millénaire 1990

58PN 42CH. 95 Punkte bei Richard Juhlin.

dazu: Ziegenfrischkäse | Schwarze Oliven | Ofentomate

Dann kam der Rocker des Abends. Die Belle Epoque zeigte sich in famoser Form. Reif, gewiss mit Apfeltypik aus Cramant unterlegt, doch spielte das für mich nicht die Hauptrolle. Viel wichtiger war mir der bestrickende Mundeindruck. So präzis und messerscharf wie das japanische Seppuku-Kurzschwert, mit dem man früher u.a. die Köpfe gefallener Gegner abgetrennt hat. Kühlend, ohne ein Übermaß an reifetönen, die gleichwohl merklich vorhanden waren. Unausgezehrt, vielschichtig und entwicklungsfreudig, trotz praktisch fehlender Perlage klar als Champagner erkennbar und schnurgerade auf dem Weg in eine burgundische Zukunft. Sehr schön zum Ziegenkäse, der die feine Säure des Champagners angemessen erwiderte, sehr schön auch zu Oliven und Tomate und wahrscheinlich der Champagner mit der rundum besten performance des Abends.

Schwächer war der Grand Siècle, ich vermute deshalb, dass die Zeit für diesen Champagner trotz vereinzelt vielleicht noch anzutreffender besonders schöner Exemplare gekommen ist. Obwohl erkennbar jünger als die Belle Epoque, schien mir hier die Substanz schon wesentlich weiter von Reife- und Alterstönen in Mitleidenschaft gezogen. Nicht, dass der Sonnenkönig mit zerkratztem Gesicht dagestanden hätte, aber er wirkte doch, als sei ihm die Schminke arg verlaufen. Er konnte das aber bei Tisch noch wettmachen, zusammen mit den schwarzen Oliven und der gebackenen Tomate kam mir der Champagner um Längen besser vor.

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Pirat II.1 Bergdolt, Weissburgunder-Sekt 2005 (Extra Brut), von Hand dégorgiert 2008

Grundweine in Kabinettqualität aus dem Kirrweiler Mandelberg – kalkhaltiger Lössboden – im Stahltank ausgebaut. Kein BSA. 3g/l.

Pirat II.2 Robert Dufour, "Les Instantanés" Blanc Gormand Extra Brut (genauer: Blanc de Pinot Blancs, Brut Nature), 2003, Tirage am 12. Mai 2004 , dégorgiert am 15. Juni 2009

100PB. 10ha in Landreville.

danach: Himbeeren | Sauerrahmsorbet

Bergdolts Weißburgunder war ordentlich, für Sektverhältnisse sogar ziemlich gut, doch kam es darauf nicht an. Denn er sollte sich einer Herausforderung aus der Champagne stellen, sich auf ein Duell einlassen, das nicht offensichtlich von den Stärken der Champenois dominiert wurde. Denn sein Flightpartner war ein ebenfalls aus Weißburgunder gewonnener Champagner. Beide verfügen über eine für ihre jeweiligen Verhältnisse recht lange Hefeverweildauer, liegen technisch am untersten Ende der Süßeskala und selbst die Bodenverhältnisse sind sich nicht unähnlich. Umso überraschender war es – oder auch nicht -, dass der Champagner überwiegend, schnell und ohne Zweifel als Champagner identifiziert wurde. Besonderen Trinkspaß, das sei noch hinzugesetzt, hat er aber nicht bereitet, dafür fehlte ihm meiner Meinung nach Pfiff, Witz, Rasse, Schwung, Aroma, Sapnnung, ja eigentlich alles, was einen guten Champagner ausmacht. Zu den Himbeeren ließen sich dennoch beide Schäumer gut vertilgen und abgesehen davon, dass die Himbeeren mit dem Sauerrahm schon sehr gut waren, kam mir die Kombination von beidem mit jedem der beiden Blubberer exzellent vor.

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VII.1 Pommery, Falltime Extra Dry

100CH. Drei Jahre Hefelager.

VII.2 Pommery, Drapeau Sec NV (70er Jahre)

60-70PN 30-40CH, 27g/l.

VII.2 Abel-Jobart, Doux, Millésime 2004

60PM 40CH. 55g/l. 10ha Sarcy

dazu: Pfirsich | Zitronenthymian | Erdnusseis

Klarer Favorit war für mich der Falltime. Der wirkte wie ein besonders saftig geratener Standardbrut, den Chardonnay vermochte ich nicht unbedingt herauszuschmecken. Wahrscheinlich handelt es sich dabei überwiegend um Chardonnays von fruchtiger Art und vielleicht sind noch ein paar Trauben aus zugigen Ecken wie Grauves dabei, die den erfischenden Säureunterbau verantworten. Fein schmeckte mir der Falltime zum Zitronenthymian. Zum Erdnusseis passte natürlich der merklich gealterte Drapeau Sec recht gut, da kam Nuss auf Nuss, aber auch Sherry und einige flüchtige Säuren waren im Spiel und trübten mir den Gesamteindruck – wobei sich der Drapeau insgesamt wacker schlug. Keineswegs so süß wie gedacht war dann der Abel-Jobart, aber auch nicht besonders fordernd. Anders als beim Doux von Fleury kam hier keine erkennbare Säure dazu, oder ein begeisterndes Aromenspiel. Auch mit dem Dessert vermochte sich der Champagner nicht recht anzufreunden. Als Schlusspunkt des flights wirkte er am schwächsten.

Privat Essen bei Essen-Privat

2010 schwer im Trend: Guerilla-Restaurants. Überall schießen sie angeblich wie Pilze aus dem Boden, aber wie bei den kleinen Eukaryonten ist es auch mit den Restaurants: Pfifferlinge und Steinpilze findet man leider nicht so oft. Umso schöner, dass der Essener Stadtteil Frohnhausen mit Essen-Privat einen solchen Edelpilz vorzuweisen hat. Ein Besuch bei Achim und Conny Lichte lohnt sich immer, am besten mit munterer Truppe. Vorabeindrücke gibt es unter www.essen-privat.de.

Wir hatten uns folgendes Menu zur Schaumparty ausgesucht:

Als opener gab es "Fraenzi" Rotling secco von Castell, sehr fruchtig, von fast leichtsinniger Süße, die nach Erdbeer-Sahne Bonbons von Campino schmeckte, harmonierte aber gut mit dem Amuse:

I. Amuse Gueule: Spinathäppchen, Gravad Lax, Ketakaviar und Crème,

dazu Cava, "A Posteriori" Rosé, Brut (7,5 g/l) von Colet aus dem Penedes, Merlot, ca. 15 Monate Flaschenlager, 11,5% vol. alc.

Wirkte zum Amuse flacher und karger als der Fraenzi, als standalone zeichnete sich em-eukal-Kirsche ab, das war's. Man merkt's: nicht sehr beeindruckend und ziemlich cavauntypisch.

II. Möhren-Chili-Ingwersuppe mit Flusskrebsschwänzen,

dazu Crémant Brut von Ponsot aus Gevrey-Chambertin, dagegen Yarden Brut, Blanc de Blancs Jahrgang 2000, koscher, von den Golan-Höhen, Israel

Der Burgunder fast rosé in der Farbe, anfangs mit überreichlich Schwefelgestank und erst im Mund schmeichelnd-fruchtig, passte sich gut der Suppe an und vertrug sich besser damit als der chardonnayuntypisch schmeckende Yarden, der trocken, fast sandig schmeckte und erst nach etwa einer Stunde und später noch, allerdings nur mit einem gewissen Exotenbonus Trinkfreude bereitete.

III. Wildkräutersalat mit gebratener Wachtelbrust und gebackenem Ziegenkäse, Nuss-Himbeervinaigrette,

dazu Cava Artesa, Katalonien, "Bocchoris" Brut Nature Reserva aus Xarel.lo, Macabeo, Parellada, dagegen Colet Assemblage Extra Brut, 55% Pinot-Noir, 45% Chardonnay, 36 Monate Hefelager, 90 Parkerpunkte (also Jay Miller Punkte)

Der Bocchoris war geschmacklich dicht am Fraenzi, scheinbar sehr kühl vergoren, mit viel viel Bonbon, Gummibärchen und überhaupt eher Aromen aus der Kindheit als aus dem Geschmacksleben eines Erwachsenen, dafür mit angenehmem Druck ausgestattet und leidlich passend zur Vinaigrette. Der Assemblage dagegen als rechtes Dickschiff etwas klobig, sparsame Aromen und keine zum Salat passende Wendigkeit. Auch mit der Wachtel und dem Käse tat sich der Assemblage schwer. Noch nichtmal allein konnte er so recht überzeugen. Vielleicht fehlte da die nötige Flaschenreife, der wein wirkte jedenfalls allzu verschlossen.

IV. Dorade Royal, Hummer und Jakobsmuschel mit Sepialinguine,

dazu Schloss Vaux Rosé Brut, Pinot Meunier/Portugieser, dagegen Langlois Château Rosé aus Chenin Blanc, Chardonnay + Cabernet Franc

Der Vaux mit einer behenden Leichtigkeit, die Freude bereitet, leider auch mit einem etwas konventionellen, langweiligen Aromenspektrum und muffiger, ältlicher Frucht zum Ende hin. Der Langlois dagegen mit mehr Grandeur, lebhafter Säure und zupackender Art, ein Freund von Cabernet Franc im Schaumwein werde ich aber bis auf weiteres trotzdem nicht. Beide machten sich gut zum Meeregestier, wollten aber allein nicht so recht schmecken.

V. Perlhuhnbrust im Speckmantel, Risoléekartoffeln, Pfirsichsauce,

dazu Schloss Sommerhausen Riesling Brut 1997, dagegen Raumland Weissburgunder Brut 1997

Der Schloss Sommerhausen 97 ist nach wie vor einer meiner erklärten Lieblinge, 2004 degorgiert schmekt er ausgesprochen frisch, glänzt mit attraktiver Säure, einem für Brut-Rieslinge verschwenderisch anmutendem Aromenreichtum, hält sich aber noch im Rahmen einer unverspielten, ernstzunehmenden Stilistik und schmeckt keineswegs nach Robby Bubble o.ä. Der Raumland leider etwas schwächlich daneben, angefirnte Note, merklich gealtert, aber nicht kaputt oder fehlerhaft, sondern gut geeignet für Freunde des kräftigen Schäumers mit herben Aromen; immer noch genügend power, um mit Speckmantel und Pfirsich eine ménage à trois einzugehen.

VI. Tiramisu und Waldbeeren,

dazu Rives-Blanques, Blanquette de Limoux aus 90% Mauzac, 10% Chenin Blanc + Chardonnay, dagegen Marcus Stein, Kinheimer Sekt vom Moselschiefer aus 90% Weissburgunder und 10% Riesling + Müller-Thurgau

Der Blanquette muffig, bäuerlich, herb, klobig und säurearm, ein milder Ausgleiter für den Abend, vom Tiramisu aber erstaunlicherweise nicht überfahren, sondern, wohl weil er ziemlich dickfellig ist, in ganz aparter Weise als sparringspartner aufgenommen, verhielt sich sehr gut zu den Beeren (speziell Himbeere und Blanquette sind eine viel schönere Kombination, als das Cliché Erdbeere und Champagner). Der Stein-Sekt mit würziger Säure und gleichsam das Messer, das durch die Tiramisu glitt, weniger harmonisch mit den Beeren, dafür gut als Fettabbauhilfe und Geschmeidigkeitsverleiher, im übrigen auch keine unedle Kombination mit dem Espresso, aber alles in allem kein überragender Sekt.

Schaumparty im Kloster Besselich – Champagnerverkostung für Einsteiger

Am Sonntag, 4. Juli 2010 um 19:00 Uhr ist es wieder so weit: ich halte eine meiner beliebten Champagnerproben ab. Und zwar im Weinstein/Klostergut Besselich, dem Showroom des Gourmetdepots von Marcus Stein in Urbar. Mit traumhaftem Blick auf das Deutsche Eck in Koblenz (BuGa-Stadt 2011, der Besuch dort lohnt sich schon jetzt!).

Zu probieren gibt es eine ganze Reihe aufregender Champagner, die nicht im Supermarkt stehen. Coole und verrückte Winzer, Kultstöffchen, Holzfasschampagner, Prestigecuvées, Grand Crus, Magnumflaschen, Biochampagner, kurz: alles, was das Herz eines Champagnerverrückten schneller pumpen lässt, wird aufgemacht. Dazu gibt es Kurzweiliges und lehrreiche Erläuterungen, Knabberspass aus dem Gourmetdepot und jede Menge Schaumschlägerei. Geplant sind folgende Champagner – kurzfristige Änderungen im lineup, die der Verbesserung dienen, natürlich vorbehalten:

Eric Isselée, Blanc de Blancs Grand Cru en Magnum

Voirin-Jumel, Blanc de Blancs Grand Cru en Magnum

Bernard Tornay, Bouzy Grand Cru Extra Brut

Tarlant, Extra Brut

Cattier, Renaissance

Vilmart, Grand Cellier d’Or

Gaston Chiquet, Blanc de Blancs d’Ay Grand Cru

Paul Déthune, Blanc de Noirs

Agrapart, Les Demoiselles Rosé

Frank Pascal, Tolérance Rosé

Moet et Chandon, Cuvée Dom Perignon 2000

Pol-Roger, Cuvée Sir Winston Churchill 1995 en Magnum

 

Teilnehmerzahl: max. 20

Teilnahmegebühr: 89,00 € pro Person

Anmeldung: bis spätestens 28. Juni 2010, Platzreservierung erfolgt durch Überweisung der Teilnahmegebühr

Besuch bei Champagne Bernard Tornay

Besuch bei Bernard Tornay

Alle Champagner dieses sympathischen Winzers aus dem Grand Cru Bouzy sind mit 9-10 g/l dosiert und durchlaufen einen biologischen Säureabbau. Verschlossen wird seit sechs Jahren mit Mytik. Thierry Gasco, Kellermeister und Nachfolger von Prince Polignac bei Pommery, ist ein langjähriger Freund des Hauses und kauft die nichtklassifizierten Trauben von Tornay aus Riceys. Und das coole, loungige Design des Verkostungsraums hat die Frau von Pol-Roger-Chef Hubert de Billy zu verantworten. So klein ist die Champagne. Schön übrigens, dass der Erzeuger versucht, eine Bibliothek mit alten Jahrgangschampagnern anzulegen.

 

1. Palais des Dames

50PN, 50CH, 2004er Basis.

Wir stiegen mit der Spitzencuvée ein, die zugleich der am elegantesten geratene Wein des Hauses ist. Einen hohen Wiedererkennungswert hat die Hausnote, eine Mischung aus Nougat und leicht säuerlichen, vegetabilen Noten. Das hört sich unschön nach verunglückter Nutella an, schmeckt aber sehr gut.

 

2. Grand Cru Mill. 2002

Mein Liebling aus der Kollektion glänzt mit dem hauseigenen, minimal säuerlichen Nougat und ist auch sonst wie ein Traum aus Schokobaiser, gelben Johannisbeeren und Kiwi.

 

3. Blanc de Blancs Mill 1999 Extra Brut, dég. 11/2009

1998er Basis mit 97 und 96.

Dieser ältere Kollege stank nach dem Öffnen erst eine Weile lang nach Rauch, ich habe bei sowas ja immer die Vermutung, dass der Expeditionslikör mit etwas SO2 versetzt ist. Nachdem sich der Rauch gelegt hatte, kam natürlich wieder Haselnuss zum Vorschein, etwas länger geröstet, als bei den beiden anderen, aber auch mit weniger Säure. Sahnig, ein bisschen wie Irish Coffee und sehr gemütlich war dieser gut gelungene Champagner.

 

4. Grand Cru

60PN, 40CH, 2005er Basis.

Der einfache Grand Cru hatte die am schwächsten ausgeprägte Haselnussnote und machte einen gegenüber den anderen Champagnern etwas wässrigen und auch herben Eindruck. Eher austauschbar.

 

5. Rosé Vieille Reserve

2005er Basis. Assemblage mit ca. 10% Bouzy Rouge.

Hier muss er wieder dran glauben, der Mon-Chéri-Vergleich. Warme, saftige, knackige Kirschfrucht, ebenfalls wärmender, aber nicht spritiger Alkohol und zartschmelzende, mit Nougat verfeinerte Bitterschokolade.

Europäischer Dosageschummel

 

Weitestgehend unbemerkt von der schaumweininteressierten Öffentlichkeit hat die Europäische Union die Verordnung (EG) Nr. 607/2009 der Kommission vom 14. Juli 2009 mit Durchführungsbestimmungen zur Verordnung (EG) Nr. 479/2008 des Rates hinsichtlich der geschützten Ursprungsbezeichnungen und geografischen Angaben, der traditionellen Begriffe sowie der Kennzeichnung und Aufmachung bestimmter Weinbauerzeugnisse erlassen. An monströse Bezeichnungen für nachgeordnete Rechtsakte haben wir uns ja schon gewöhnt. Was aber hier drin steckt, ist einmal mehr Weinbaupolitik ekelhaftester Natur.

Worum geht's? Die Verordnung (EG) Nr. 1493/1999 des Rates vom 17. Mai 1999 über die gemeinsame Marktorganisation für Wein (auch kurz GMO Wein) ist der europarechtliche Rahmen unter anderem für die Herstellung von Schaumwein. Deren Anhang VIII D Nr. 3 bestimmt, bis zu welchem Zuckergehalt ein Schaumwein als z.B. "extra brut", "brut" oder "demi-sec" bezeichnet werden darf ("Angabe der Art des Erzeugnisses nach Maßgabe seines Zuckergehalts" heißt das im allerexquisitesten Sonntags-Normgeberdeutsch). Bisher war das mit den Süßegraden so:

Ein Schaumwein war

– extra brut, wenn sein Zuckergehalt zwischen 0 und 6 g je Liter lag;

– brut, wenn sein Zuckergehalt unter 15 g je Liter lag;

– extra dry/extra trocken, wenn sein Zuckergehalt zwischen 12 und 20 g je Liter lag;

– sec/trocken/dry, wenn sein Zuckergehalt zwischen 17 und 35 g je Liter lag.

Ohne schmutziges Hintertürchen geht es natürlich bei der EU nie. Deshalb regelte der Nachklapp schon immer, dass der Hersteller einen Begriff nach seiner Wahl verwenden darf, wenn der Zuckergehalt des Erzeugnisses die Angabe von zwei der aufgeführten Begriffe ermöglicht. Ein Schaumwein mit 13 g/l Dosagezucker geht folglich als "brut" ebenso durch, wie als "extra trocken". Ein Schaumwein mit 18 g/l kann sich "extra trocken" und "trocken" nennen, ganz, wie es der Hersteller mag.

In redaktionell gewohnt schlampiger Manier hat es die EU nun geschafft, die Vorgaben zu den Süßegraden praktisch beliebig werden zu lassen. Zwar

– muss der extra brut nach wie vor einen Zuckergehalt zwischen 0 und 6 g/l haben;

– auch nur scheinbar strenger ist die Regelung, dass brut alles ist, was unter 12 g/l liegt;

– aber dafür ist extra dry/extra trocken jeder Schaumwein, zwischen 12 und 17 g/l.

– dass sec/trocken/dry für Schaumweine gilt, die zwischen 17 und 32 g/l liegen, berührt nicht weiter.

Und eben gerade weil sowieso schon alles egal ist, erlaubt Artikel 58 Abs. 3 der Verordnung 607/2009 es jetzt, dass

unbeschadet der Verwendungsbedingungen gemäß Anhang XIX Teil A der Zuckergehalt um nicht mehr als 3 g/l von der Angabe auf dem Etikett des Erzeugnisses abweichen darf.

Dass es einen Anhang XIX gar nicht gibt, stört den Normgeber natürlich erstmal nicht. Weiss doch schließlich jeder, dass Anhang XIV damit gemeint ist. Weihnachtsmann im Sinne der EU ist bekanntlich auch der Osterhase. Viel verbraucherschützender findet es die Kommission ausweislich der scheinheiligen und unglaubwürdigen Erwägungsgründe offensichtlich, dass ein Schaumwein mit satten 9 g/l Dosagezucker noch als extra brut durchgeht; dass der Anwendungsbereich für die Bezeichnung brut lächerlich klein geworden ist; und dass ein mit 12 g/l dosierter extra trockener Schaumwein extra dicht an den extra brut heranrückt – zumal, wenn man an die 3 g/l "Toleranz" denkt (so nennt das jedenfalls, um die Verbraucher zu schützen, der Normgeber). Bei der Suche nach Sinn und Zweck der Vorschrift hilft nur das kriminalistische cui bono? weiter. Und das deutet in Richtung einer Schaumweinindustrie, die gerne auf der extra brut Welle mitsurfen möchte, ohne ihre Massenkundschaft zu vergraulen.

Silvesterchampagner

I. Gloria Ferrer Sonoma Brut

Ca. 90PN, 10CH, ca. 25% Tête de Cuvée, 20 Grundweine; 18 Monate Hefelager, 13g/l Dosage.

Saftig, mostig, Gummibärchennase. Reduktiv. Duft und Geschmack von Birne, Melone und rotem Apfel, mit Luft etwas röstig. Trinkt sich wie frischer Saft, etwas unchampagnerhaft, aber dadurch nicht schlechter.

 

II. Besserat de Bellefon Cuvée des Moines Rosé

30CH, 30PN, 40PM. Crémantstil, mit etwas weniger Flaschendruck und sehr crèmiger, sahniger Textur. Zunächst Duft von Buttercrèmetorte, Geschmack von Brombeerjoghurt, eher schwer am Gaumen. Dann entwickelt sich mehr und mehr Brioche, eine sanfte Röstaromatik gepaart mit frischer, sahniger Butter, immer noch sehr dicht.

 

III. Henri Germain Cuvée Bicentenaire 1789 – 1989, en Magnum (763/5000)

Das Haus existiert nicht mehr, die Marke gehört seit 1999 zu Vranken-Pommery. Beim einschenken sehr hell für sein Alter. In der Nase irgendwo zwischen metallischer und röstiger Aromatik. Kaffeebohnen und Kastanienschalen, wandeln sich mit Luft in deutlicher ausgeprägte Kaffee- und Nussnoten um, später kommen Röst- und Champignonaromen dazu. Leider nicht mehr sehr viel Frucht, sonst hätte ich ihn wesentlich besser gefunden. So überwogen die Altersaromen.

 

IV. Arunda-Vivaldi Blanc de Blancs Extra Brut, Mise en Cave 2002, dég. 04/2008, en Magnum

100CH, 36 Monate Hefelager.

In der Nase anfänglich etwas irritierend, mit Moosbeere, vielen spinatigen, vegetabilen Aromen, grünen Kaffeebohnen, altem Männerschweiss, Campher. Im Mund der Eindruck eines zu hoch dosierten Champagners, fast klebrig am Gaumen und nicht sehr lang. erst mit der Zeit und sehr viel Luft ändert sich der Gesamteindruck. In der Nase zeigen sich komplexere Aromen, alles wirkt durchkomponierter und ansprechender, auch im Mund entfaltet sich das nicht unattraktive herbe Beerenaroma deutlich und ohne störende Nebentöne.

 

V. Bernard Tornay Grand Cru Palais des Dames

50PN, 50CH aus Bouzy und Ambonnay.

Kirschnase, Toffifee, verlockend fruchtig wie ein Kaubonbon. Im Mund dann ebenso lang, lebhaft und saftig, wie in der Nase angekündigt.

 

VI. Bernard Housset Rosé

Rotfruchtig und etwas kakaodurchsetzt, gesalzene Mandeln, Apfelchutney, aber alles ziemlich zurückhaltend. Im Mund ebenfalls zurückhaltend, aber sauber. Der Chaoswinzer schafft es doch tatsächlich, einen anständigen Champagner herzustellen!

 

VII. Perrier-Jouet Belle Epoque 1985, en Magnum

50Ch, 45PN, 5PM. Reife, würzige Kaffee-, Vanille- und Röstnase. Im Mund dann viel jugendlicher und frischer, als die Nase vermuten ließ. Lebhafte, alerte Säure, die sich gut mit der fetteren Milchkaffeearomatik verträgt und dem Champagner eine leichte, elegante Erscheinung verleiht. Sahnebonbon und eine gleichzeitig vorhandene flintige Note erinnern an den starken Cramantchardonnayanteil. Der Champagner wirkt nie unbalanciert oder einseitig und behält seine trainierte, athletische, gleichzeitig damenhafte Form stets bei.

 

VIII. Picard-Collard Premier Cru Rosé de Merveilles, demi-sec, élevé en fûts de chêne

Junges Haus mit ehrwürdigen Wurzeln: Olivier Collard ist der Enkel von René Collard aus Reuil, seine Frau Delphine Picard ist die Cousine von Chantal Gonet von Champagne Phillippe Gonet in Le-Mesnil. So kommen mächtige Chardonnays aus Le-Mesnil und raffinierte Meuniers aus der Vallée de la Marne zusammen. In der Nase hat dieser rare Rosé demi-sec Kaffeekränzchenduft mit Schwarzwälder Kirschtorte, Linzer Torte, Frankfurter Kranz und Mon Chéri. Im Mund deutlich ausgeprägte Süße, aber durch den hohen Säureanteil – der Champagner durchläuft keinen biologischen Säureabbau – noch im Rahmen des erträglichen. Viel Kirsche, gleichzeitig buttrig und zartschmelzig.

 

IX. Jean Moreau Grand Cru Millésime 2002

70PN, 30CH. Der Erzeuger hat seinen Sitz direkt neben dem Clos d'Ambonnay von Krug. Der Champagner ist in der Kooperative vinifiziert, neben Toffee und einem schwierig zu identifizierenden Aroma, das an Dresdner Christstollen und Nusssplitter/Krokant erinnert, finden sich noch Spuren von Zitrus. Im Mund glatt, eine Textur wie Marzipanrohmasse.

Von Selosse bis Elderton

I. Jacques Selosse Extra Brut NV 100% Chardonnay. Sattes

Gelbgold, lebhafte, recht feine Perlage, wenig Kettenbildung, dafür

üppiger Cordon; opulente, komplexe und bereits sehr finessereich

changierende Apfel-/Hefenase, die erstaunlich wenig Holz aber viel

reife Frucht und gutgebauten Körper verspricht. Im Mund frisch, mit

sofort spürbarer, frecher Granny-Smith-Säure und frischem

Hefekuchenteig. Füllig (reife, exotische und vor allem fleischige

Früchte, vielleicht Mango, Ananas) aber nicht plump, durch den

Dosageverzicht höchst agil und mit anhaltendem Fruchtaroma.

 

II. Lacryma Christi di Vesuvio 2002, Mastroberardino. Mittleres

Rot, Pfeffrige Nase (anfangs sogar recht dominant, später abflachend

und besser eingebunden zugunsten floraler Noten und pikanter Kräuter)

mit zerriebenen Veilchenblüten. Im Mund geschmeidig weich und wohlig

anwärmend, ganz sparsames Tannin, könnte etwas griffiger sein,

Luftzufuhr kitzelt noch etwas Lakritz und mehr Struktur heraus;

insgesamt leichter als erwartet "weißer Vinho Verde".

 

III. Cantenac Brown 2000. Dunkelrot-violett, schwappt sehr

anmutig ins Glas. Feurige, aktionslustige Nase mit reifen roten

Beeren, saftiger dunkler Kirsche und zarter Kakaonote. Kommt

kraftvoll aber nicht aufdringlich in den Mund, von süßlichen Noten

durchzogenes, sonst seidenzartes Gewirk ohne zu viel Holz oder

Tannin, sind doch schon erstaunlich gut eingebunden, beide. Das

mildert den ersten feurigeren Eindruck zugunsten einer eleganten,

aufbauenden Frische und Eleganz ab, hält sich sehr angenehm und lang,

gute Zukunft, leider zu schnell leer gewesen, den hätte ich gern noch

weiter im Glaserl verfolgt.

 

IV. Felsina, Berardenga, 2000er Chianti Class. Riserva Rancia.

Dunkles, erdverwachsenes Rot, vielleicht etwas dunkler als der

Cantenac Brown, leicht wäßrig schimmernder Rand, zarte Andeutung

einer Sherrynote, sehr zarte, zunächst spritig wirkende, dann

erdigere- und Röstnoten entwickelnde Nase, im Mund toskanische

Bauart, Kirschfrucht, etwas Marzipan.

 

V. Dom. Léon Barral, Jadis 1998. Sehr dunkel und von ganz

zurückhaltender Nase, wohl auch Brett, aber man weiß es beim Barral ja immer nicht,

wird dann pfeffrig und plustert sich mit mehr Luft regelrecht auf,

zeigt von Nelken über

moosiges Gestein und verdorrte Tabakblüten oder getrockneten Kräutern

eine ganze Menge hübscher Aromen und schmeckt eigenwillig, wild, wie

ein Sud aus Reinhold Messners Bart nach einer mittleren Bergtour oder

so ähnlich. Cuvée aus G-S-M. Gut.

 

VI. Elderton Command Shiraz 1997. Sattes dunkelrot, schwappt

lockersanftwässrig im Glas. Große Fenster, kein Wunder. In der Nase

allerlei Nüsschen, Mandel, Walnuß, auch Rosenwasser; im Mund fester

und saftiger Kirschkuchen, keinerlei eingekochte Aromen oder

Holzexzess, eher delikate Noten von Kirsche, Pflaume und Tabak,

Schoki und wieder Rosenwasser, die bestens aufeinander abgestimmt

dennoch sehr munter durcheinanderwirbeln. Kann noch lange und

bereitet sehr viel Freude.

 

VII. Donnafugata Mille e una notte 1996. Mittleres dunkelrot; in

der Nase deutlich gereifte Veilchen- und Tabaknoten, leicht süßliche,

lakritzige Töne dabei, schon etwas alkoholisch aber noch nicht zu alt.

Im Mund immer noch recht füllig, wenn auch nachlassend, nicht mehr

ganz frische aber immer noch sehr ansprechende, würzige Frucht, ging

leider beim Essen etwas unter.

 

VIII. Canon la Gaffelière 1990. Im Kern dunkelrot, zum Rand heller

werdend, sieht noch recht jung aus, schmeckt auch so. Sehr eleganter

Auftritt, großzügige, sehr einladende Nase voll schwarzer Beeren und

Pflaume, zurückgehaltenes Holz deutet die Vanillespuren nur an, was

einen sehr positiven Eindruck hinterläßt. Im Mund eine ruhige

dreispurige Autobahn an einem Sonntagmorgen, hier läßt sichs bequem

fahren und so schmeckt der Wein auch, wie ein ausgeglichenes

Dahingleiten bei Reisegeschwindigkeit 210 km/h.

Einige Winzerchampagner

I. J. et J. Berat, Special Cuvée

Gar nicht mal so kleiner Erzeuger in Boursault, mit schönem Blick auf das Château de Boursault der Veuve Clicquot hinter den Baumwipfeln.

Die Special Cuvvé ist vor allem eine frische, nicht sehr säurehaltige Cuvée aus 60% Pinot Noir und jeweils 20% Chardonnay und Pinot Meunier, 10% neues Holz. Mild, sogar fast sämig am Gaumen, hinterlässt einen leicht klebrigen, aber nicht unsauberen Eindruck.

 

II. J. et J. Berat, Millésime 1999, dég. 2008

70 CH, 30 PN

Da geht also noch was! Weiniger Champagner aus der Cognacnasen-Ecke, Duft von Eau de Vie und altem Holz. Im Mund keinerlei scharfe Säure, wie man sie bei einem kürzlich degorgierten Champagner hätte erwarten können, sondern eitel Sonnenschein und gute Laune. – Chardonnays aus der Vallée de la Marne einzuschätzen, ist schwierig, denn statt der unzugänglichen Mineralität und Säure junger Côte des Blancs oder der üppigen exotischen Früchte aus dem Bereich von Ay bis Ambonnay sind diese Chardonnays einfach etwas verhaltener, neigen zur Frucht und zu milder Säure und erinnern damit an die Gewächse aus Pierry und Chouilly.

 

III. J. et J. Berat, Cuvée Perle

Marzipannase, dahinter wenig bis nichts. Auch im Mund kein Champagner, der begeistert. So abwechslungsreich wie ein Würfel, ich hätte von dieser Cuvée, die der Winzer mit leichtem Nachdruck anpries, mehr erwartet.

 

IV. Paul Déthune Grand Cru Millésime 2002

Déthune aus Ambonnay muss man als Qualitätszugpferd nicht mehr vorstellen. Sophie macht einen grossartigen Job, der sich leider auch in den hohen Preisen für ihre Champagner niederschlägt.

70 CH, 30 PN. Kirsch-Banane, Acerola, sehr sparsam eingesetztes Holz. Wie so viele 2002er filigran, aber nicht zerbrechlich. Die besondere, jahrgangstypische Eleganz macht es hier schwer, den Hausstil zu erkennen, dieser Champagner hätte zwischen Regis Fliniaux' Cuvée des Signataires bis hin zu Gossets Celebris Blanc de Blancs alles sein können. Jedenfalls war er wegen der starken KiBa-Aromatik erkennbar sehr jung und ebenfalls erkennbar auf Cru-Ebene anzusiedeln. Den Jahrgang zu identifizieren, war da schon wesentlich schwieriger.

 

V. Champagne Piollot/Marie-Courtin Cuvée "Efflorescence" Extra Brut

100 PN, 2006er Basis, 10-monatiger Ausbau im Holzfass

Das Haus an der Aube gehört zu den wenigen Erzeugern, die noch einen Bestand an Arbane haben (hier ca 4% der Rebfläche). Gearbeitet wird bio-nachhaltig.

Vielversprechender Champagner von einem vielversprechenden Erzeuger, leider hatte die Flasche einen Hau. Sauerkrauttöne und Schwefel hielten sich die Waage, im Mund null Säure, für mich ein Anzeichen für übertriebene Malo und vielleicht einen Schwefelfresser. Sehr schade.

 

VI. Eric Taillet, Brut Excellence, 30 PN, 30 CH, 40 PM

Erzeuger aus der Mitte der halbmondförmigen Weinbergskerbe von Châtillon sur Marne (da wo Kreuzzugpapst Urban II. steht) bis Paradis in nordöstlicher Richtung durch die Wälder des Marnetals gegen Reims zu.

Winzerchampagner von der herbfrischen Sorte. Mostige Nase, auch am Gaumen traubig, kühlend, mineralisch. Wirkt etwas alkoholisch, insgesamt eher kurz.

 

VII. Laurent Gabriel, Brut Rosé, 100 PN

Der Winzer ist in dem Premier Cru Avenay Val d'Or zu Hause, ein Örtchen am südlichen Fuss der Montagne de Reims, dort wo der Wald aufhört und die Grand Crus beginnen.

Schönes Kupfer, Eau-de-Vie Nase, herb, erinnert an Kirsche, Acerola. Am Gaumen schwer, mit konzentrierter, aber einfacher Frucht, auch eher kurz.

 

VIII. Alexandre Lenique, Cuvée Excellence, 50 CH, 45 PM, 5 PN

Der Juniorchef von Champagne Michel Lenique aus dem Premier Cru Pierry am südlichen Ortsausgang von Epernay hat unter seinem Namen ein eigenes, modernes Label.

Fruchtige, etwas sahnige Nase, sehr einladend. Auch im Mund sehr fruchtig, mit einer diskreten Buttrigkeit und einer molligen, aber überhaupt nicht fetten Art. Sehr gelungene Kombination aus Geradlinigem, nicht zu säurebetontem Chardonnay und gekonntem Fruchteinsatz von der Meunier.

Das schreiben die anderen: Jacques Dupont, Le Point Magazine

Jacques Dupont berichtet in seinem berühmten Champagnerdossier im Magazin Point über die performance aktueller Champagner; nicht jedoch, ohne zuvor darauf hinzuweisen, dass

«les champagnes sont vendus à une date trop proche de leur dosage, c’est-à-dire de leur mise en bouteille définitive. La liqueur de dosage que l’on ajoute pour remplacer le volume de dépôt que l’on a retiré de la bouteille n’a pas encore eu le temps de s’intégrer au vin. Trois mois, six mois, c’est trop court. Une année ou deux, si vous tenez le coup, c’est beaucoup mieux…».

Dann aber geht es hinein ins Vergnügen und es gibt die eine oder andere kleine Überraschung.

Aus dem Hause Pierre Moncuit stammt mit der Cuvée Nicole Moncuit Vieilles Vignes 2002 der 19/20-Knaller, nicht viele Erzeuger kommen bei Dupont so hoch, die Winzer haben es da besonders schwer und bleiben meist bei um die 17/20 liegen. René Geoffroy kommt allerdings mit seinem Extra Brut Mill. 1996 auf ziemlich großartige 18,5/20.

Bollingers Grande Année Rosé 2002 säckelt immer noch saftige 18/20 ein, nachdem sie erst jüngst in der Revue du Vin de France 20/20 kassierte. Sie liegt zusammen mit Laurent-Perriers Grand Sieècle und Pol-Rogers Cuvée Sir Winston Churchill 1998 gleichauf.

Dicht dahinter tummelt sich’s dann: Bollingers Special Cuvée wieder weit vorn mit 17,5/20, diese Bewertung holte sich auch de Sousas Cuvée de Caudalies 2002 und Jacques Diebolts Fleur de Passion 2004 ab, die sich auch in der RVF ein spannendes Rennen lieferten. Auch bei Francis Boulard dürfte die Freude groß gewesen sein, nachdem er für seine Steineichencuvée Petraea MMV 17,5 – 18/20 mit nach Hause nehmen durfte und auch sonst gut abschnitt. Immerhin liegen diese Kandidaten damit auf derselben Ebene mit Louis Roederer Cristal 2002, Taittinger Comtes de Champagne 1999, Mumm René Lalou 1998, “S” de Salon 1997 und dem großen Charles Heidsieck Blanc des Millenaires 1995 – sehr verschiedenen Champagner im übrigen.

Deutlich in der zweiten Reihe stehen indessen Krugs Grande Cuvée, Dom Pérignon 2002 und Billecart-Salmons Nicolas-Francois Billecart 2000 mit jeweils 17/20. Nur noch verhalten dürfte der Jubel über die 16,5/20 für Elisabeth Salmon Rosé 2000 und Grande Année 2000 gewesen sein.

Hier gibt’s ein kleines Interview mit Jacques Dupont:

http://www.rmc.fr/blogs/bourdinandco.php?post/2009/12/04/Special-Champagne-avec-Jacques-Dupont