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Tag Archives: grande champagne

Cognac – Einsatz in Düsseldorf (Teil I)

Die ProWein beherbergt jährlich nicht nur Weingutsbetriebe und deren Vermarkter, sondern auch ein veritable Anzahl Spirituosenhersteller. Die anwesenden Cognacproduzenten besuche ich dort nach Kräften, weil die Autofahrt nach Cognac eben am Ende doch beschwerlicher ist, als die in die Champagne und die Fliegerei nach Cognac zwar aller Mühen wert ist, aber wegen der schlechten Zulademöglichkeiten nur zweite Wahl. 

I. Camus

Camus gehört zu den große Marken mit ungeöwhnlich viel eigener Rebfläche. Das ist in Cognac wie in der Champagne selten. Den meisten eigenen Rebbesitz hat Camus in den Borderies, es kommt dehsab nicht von ungefähr, dass es hier bei den XO Cognacs einen reinen Borderies gibt. Eine eigenständige Linie bilden die Inselcognacs unter der Bezeichnung Île de Ré. Den Inselwhiskys nicht ganz unänhnlich, haben sie einen mineralisch-jodigen bis salzig-herbbitteren Charme. Die Frage, ob mit oder ohne Hefen destilliert wird, beantwortet Camus undogmatisch. Der einfache VS wird ohne, der komplexere VSOP mitsamt der Hefen destilliert, ganz so, wie es das gewünschte Geschmacksbild und die angestrebte Komplexität erfordert. Der Stil des Hauses ist rund, weich, elegant und leicht, am besten wird er meiner Meinung nach vom XO Borderies verkörpert, am speziellsten von den Inselcognacs.

1. Île de Ré Fine Islands

Feiner, weicher, nicht zu trocken-gerbend wirkender, dabei leicht jodiger Cognac. Hintenraus lang und schlank, trinkt sich gut pur, passt aber auch auf die Auster getröpfelt.

2. Camus XO

Frische nussige Töne stehen im Vordergrund, Nicht ganz reife Walnuss und ihr Gerbstoff, Kastanienlikör, auch Mahagoniduft, vermischt mit Vanille. Am Ende ist der XO bei aller Weichheit doch etwas hitzig.

3. Camus XO Borderies

Von den ältesten Rebbergen des Hauses, lang in der Eiche gereift. Runder, leichter, mit milder Salznote, wie man sie in Heilwässern findet. Etwas gedämpfte Aromatik, die Orangenschale, Curry, Zitronengras und zum Schluss Schokobrownie freigibt.

4. Camus XO Extra

Der luftbedürftigste Cognac ist auch der reichhaltigste unter den verkosteten Cognacs. Anfangs Kochbanane, dann Orange und Limette, später Kräuter und Crème brûlée. Trotz der teilweise fetten Aromatik ein Cognac, der nicht belastet, sondern beschwingt und leicht wirkt.

 

II. Leopold Raffin

Seit 1989 gibt es das Haus Leopold Raffin, das nordwestlich von Cognac über etwas mehr als 30 ha Rebbesitz im Fins Bois Gebiet verfügt. Neu ist der Leo, ein VS Cognac aus Fins Bois und Borderies, der im Sprühflacon angeboten wird. Damit kann man sich so wie früher mit Odol, das den Eltern einen allzuheftigen Bierduft verschleiern sollte, angenehm den Rachen erfrischen oder andere Alkoholkontrolleure als die eigenen Eltern in die Irre führen. Sinnvoller ist dieser Cognacflacon aber in der Küche einzusetzen, beim besprühen von Fleisch, Baisers, Sahnehäbchen, Obst, usw.

1. Marquee Sparkling Eau de Vie de Vin

Marquee Sparkling entsteht aus Eau de Vie de Cognac, also aus einem Traubendestillat, aus dem sonst ganz normaler Cognac werden würde. Statt ihn aber im Fass zu bräunen, bleibt er im Kupferkessel unschuldig und transparent, wird mit Wasser auf Trinkstärke herabgesetzt und mit Kohlensäure versetzt. Das Resultat ist so erstaunlich und gewöhnungsbedürftig wie Sparkling Sake und schmeckt sogar etwas ähnlich. In Nase und Mund hatte ich eine starke Birnennote und einen mostig-fruchtigen, etwas hefigen Nachhall, der mit mild-einlullender Süße einherging.

2. VS

B/FB

Der zwei Jahre gereifte VS ist recht holzig, mit seiner nicht besonders komplizierten Fruchtmischung, die zwischen Nashibirne, Litschi und gelben Pflaumen rangiert, eignet er sich gut für die Mixology.

3. VSOP

GC/PC/FB

Schon ein anderes Kaliber ist der ambitionierte VSOP. Zehn Jahre gereift, mit der Kraft und Struktur, dem floralen Element und der raffinierten Würze kalkiger Champagne-Lagen und dem freundlich-fruchtigen Anteil aus den Fins Bois. Zwetschge, Sauerkirsche, Edelholz, Tulpe und Iris.

4. XO

Mehrere Jahrzehnte mussten sich die hier verwendeten Eaux de Vie gedulden, bevor sie im XO zusammengeführt wurden. Viele sind es übrigens nicht, ca. zwanzig verschiedene Brände bilden die Basis für diesen noch nicht stark ranciobehafteten, eher jugendlich wirkenden XO. Gebrannte Mandeln, Bratapfel, Zimt, Safran.

5. XO Extra

Ganz folgerichtig kulminiert alles im Extra, der deutlich dunkler, tiefer und mitreißender ist als der XO. Dick und ölig, mit Röstnoten, Kaffee, Walnuss, Krokant, Trüffel, Ingwerstäbchen, Orangenschale.

 

III. Francois Voyer

Bei Cognac Voyer liegt die Kontrolle über den gesamten Produktionsprozess allein in der Hand des Hauses. Keine Zukäufe, sondern der Ertrag eigener knapp 30 ha Rebflächen, ausschließlich in der Grande Champagne belegen, sind das Ausgangsprodukt. Die Hefen werden mitdestilliert. In der französischen Spitzengastromie sieht man Cognac Voyer oft, in Deutschland gehört er zu den unbekannteren Cognacs.

1. VS

Dunkle Färbung, Mandelmilchnase, geröstetes Zitronengras und etwas Vetyver machen klar, dass es sich bei diesem zweieinhalb Jahre im Fass gereiften Cognac nicht um einen einfachen Einsteigerstoff handelt. Wie in Embryonalstellung sind hier schon alles Anlagen der lange gereiften Großcognacs des Hauses erkennbar.

2. VSOP

Zwischen im Schnitt zehn Jahre alt sind die Eaux de Vies in diesem VSOP. Der Cognac ist elegant, weich und lang, bringt mit seiner Grande Champagne Herkunft einen ganzen Schwung blumiger Noten in die Nase und lässt sich mit einigen gelbfruchtigen Aromen aus dem Bereich Quitten, Marillen, bis hin zur Mango nicht lumpen.

3. Napoleon

Der Napoleon besteht aus Bränden, deren jüngster ganze fünfzehn Jahre im Eichenholz zubrachte. Rund und holzig, mit ausgeprägterem Röst- und Schokoladenton, etwas Rauch, viel Dörrobst und gut entwickeltem Rancio.

4. XO GC

Ganz anders als der Napoleon ist der erste XO von Voyer. Die Komposition mit den gegenüber dem Napoleon noch älteren Bränden hat die Erkennbarkeit einzelner Aromen fast völlig aufgehoben, der Cognac ist trotz zunehmender Komplexität raffinierter und rassiger, wirkt beweglicher und eleganter als der Napoleon.

5. XO GC Gold

Der jüngste Brand hat hier 25 Jahre hinter sich gebracht. Noch wuchtiger, noch dichter als der normale XO ist der XO Gold, die Komponenten schwimmen schillernd ineinander und sind so dicht miteinander verwoben, dass der Cognac sehr viel Luft braucht, um sich angemessen entfalten zu können. Die Gewürze der Malabarküste finden sich hier vereinigt, gebackene Banane, alter Honig, Nougat de Montélimar, eine leichte Pilznote, orientalische Süßspeisen, Orangenschale.

6. XO GC Extra

Vollends in den orientalischen Bann zieht der XO Extra, der mit seiner Nase einem kleinen Opiumrausch nicht nachsteht. Safran, Curry, Orangenschale und ein hitziges, Durst verursachendes Nachklingen.

Norwegalicious: Cognac Bache-Gabrielsen

 

Jean-Philippe Bergier, Maître de Chai und Vorstandsmitglied bei Bache-Garbielsen/Dupuy, nahm sich einige Zeit für die gemeinsame Verkostung, wofür ich ihm sehr dankbar bin. Denn das norwegischstämmige, bis heute familiengeführte Haus Bache-Gabrielsen gehört zu den Erzeugern, mit denen ich einige meiner besten Cognacerinnerungen verbinde.

I. Bache-Gabrielsen, X.O. Fine Champagne

70GC 30PC, Brände zwischen 10 und 30 Jahre alt.

Die Fine Champagne Cognacs bestehen zu mindestens 50% aus Grande Champagne Bränden, der Rest stammt aus der Petite Champagne. Damit sind die besten Terroirs der Region vereint und die besten Vertreter dieser Machart sind langlebig, nicht zu schwer und darüber hinaus oft echte Preisknaller. Das überbordend fruchtige Element aus den Bois findet man hier nicht so sehr, doch sind die Cognacs deshalb nicht weniger zugänglich. Weiße Blüten, weißer Pfeffer, Nashibirne, ein Korb voller Äpfel, Sandelholz, Rancio spielt hier sonst keine bedeutende Rolle. Leicht, superelegant, mit einem regelrecht minzfrischen Nachgeschmack wie vom Zähneputzen.

II. Dupuy, Vintage 1971 Borderies

gefüllt am 8. November 2010

Harmonie ist bei diesem Cognac das Stichwort, was man schon an der Herkunft der Brände ablesen kann. Die Borderies sind nicht nur bekannt dafür, das Bindeglied zwischen den Champagne-Crus und den Bois zu spielen, sondern sie haben ein völlig eigenständiges Aromen- und Alterungsprofil. Ihr Nutzen ist also viel größer, als der für sich genommen schon erhebliche Wert ihrer Scharnierfunktion, auf die sie dann aber leider doch zu oft reduziert werden. Gut gemachte Borderies sind darüber hinaus zusammen mit Fine Champagne Cognacs preislich attraktive Alternativen zu den reinsortigen großen Crus. Mit ca. 200,00 € ist dieser Jahrgangscognac zwar keinesfalls mehr billig, aber eine ähnlich gekonnte Komposition mit vergleichbarem Genusswert ist auch in dieser Preisklasse nur schwer zu finden. Bratapfel, schwarzer Pfeffer, Früchtebrot, pikante Würze, harmonisch eingepasste Holznase.

III. Bache-Gabrielsen, "S" Solène, Single Estate

GC-Brände aus der Zeit von 1964 bis 1969

Erst eine zitrusfruchtige, etwas seifige Nase, dann eine Note von karamellisiertem Bratapfel, die eine entfernte Verwandtschaft mit altem Calvados aufweist. Crème brûlée mit angebratenem Pflaumenmus. Im Mund leicht gerbend.

IV. Bache-Gabrielsen, Hors d'Age

GC, Ugni Blanc und Folle Blanche. Brände überwiegend aus der Zeit von 1931 bis 1945, ein kleiner Anteil ist älter, ein kleiner Anteil ist jünger. Der älteste Brand stammt aus dem Jahr 1917, die jüngsten Anteile aus den 1960ern.

Mild, lang, schwebend. Den Alkohol darf man hier nicht unterschätzen, dieser Cognac sollte aus Tulpen getrunken werden, sonst wirkt er allzuleicht spritig und hitzig und der geheimnisvoll-freundliche, sphinxhafte Stil geht verloren.

V. Bache-Gabrielsen, Pure & Rustic Folle Blanche Mainxe Single Estate, weißes Etikett = limited edition (mit nur 792 Flaschen)

GC, 100% Folle Blanche, ca. 20 Jahre alte Brände.

Ob das der echte alte Cognacstil ist, wie die Pure & Rustic Linie sie verkörpern soll, oder ob es sich um eine moderne Interpretation eines untergegangenen Stils handelt, ist mir ehrlich gesagt egal. Fest steht für mich, dass dieser Cognac ein hochsommerliches Flair hat. Sehr leicht, sehr elegant, sehr fein. Weizenähren, Müsli, Sonnenblumen, Blumenwiese, Honig.

VI. Dupuy, Très Vieux Pineau de Charente

20 Jahre im Fass gereift.

Butter, Champignon, Honigtoast. Animierende Säure, das reinste Konzentrat. Könnte ebensogut alter Eiswein sein, herrlich!

Fest steht: Herve Bache-Gabrielsens freundliche Einladung nach Cognac für diesen Winter werde ich sehr gern wahrnehmen.

La Vieille Maison: Cognac Prunier

 

Der Chef von Cognac Prunier ist Stéphane Burnez, ein Mann, der perlend gutes Deutsch spricht, unter anderem, weil er Deutschland so sehr mag, obwohl der hiesige Cognac-Markt schwierig ist und bei weitem nicht die Margen abwerfen dürfte, die ein einziger chinesischer Milliardär bescheren kann, wenn er eine Hochzeit adäquat mit Luxusspirituosen auszustatten wünscht. Prunier wurde 1700 gegründet und ist damit eines der ältesten Häuser der Region. Deshalb nennt sich Prunier folgerichtig "La Vieille Maison". Eigene Weinberge gibt es nicht, daher wird überwiegend aus den Fins Bois, der Petite Champagne und der Grande Champagne Eau-de-vie gekauft. Die Lagerung erfolgt in alter Limousin-Eiche. Für die Reduktion der Brände bedient sich das Haus einer speziellen Methode: die frisch destillierten Brände werden mit einem Schluck Wasser von ca. 72% auf 65% herabgesetzt und können dann in Ruhe altern. Die Herabsetzung zur endgültigen Trinkstärke erfolgt dann wiederum sehr individuell in einem Zeitraum von einem halben bis zu einem ganzen Jahr.

I. V.S.O.P.

GC, PC, FB, 7 Jahre alt.

Fruchtig; Apfel, Birne, Nektarine, Früchtebrot, Ingwer. Glatt, leicht seifig, erfrischend. Eignet sich gut zum mixen, für den Sologenuss oder zu Speisen ist er zu leicht.

II. X.O.

17 Jahre alt.

Mehr Rancio von der buttrigen und teigigen Art. Auch kratziger, ruppiger, eckiger als der V.S.O.P., mit ausgeprägterem Trockenfrucht- und Rosinengeschmack.

III. Reserve de la Famille X.O.

GC, PC, FB, Brände bis 1938.

In der Nase rauchig und sperrig, erst mit viel Luft zeigen sich delikatere Aromen, Pilze, Holz, braune Butter, Trockenblumen und medizinale Noten. Im Mund spritzig und leicht, ja sportlich.

IV. Très Vieille Grande Champagne X.O.

GC, durchschnittlich 45 Jahre alt, teilweise Brände vom Beginn des 20. Jahrhunderts.

Fruchtbetonter Cognac, bei dem sich eine wichtige Stärke der Grande Champagne zeigt: nämlich Fruchtaromen über extrem lange Zeiträume konservieren zu können. Orangen, Nektarinen, Grapefruit, außerdem voll entwickeltes und facettenreiches Rancio von nussig über schokoladig bis hin zu einem leicht angeräucherten Duft; Blüten und Pfeffer, ein manchmal vorwitziger Alkohol, der sich mit dem Duft von Milchkaffe verbindet, ausgehend Zedernholz, salzige Aromen und ein sanftes Glühen, dabei schwebt über allem ein saftiger Fruchtcharakter.

V. Extra X.O.

Brände aus der Zeit von 1953 bis 1957, komponiert aus vier unterschiedlichen Lots.

Zunächst undurchdringliche Nase, die außer Klebstoff gar nichts hergeben wollte. Das wandelte sich mit Luft zu einer indiffferenten Teernote, die sich langsam über grasige und kräuterige Aspekte weiterentwickelte und fermentierte vegetabile Noten freigab, die in Richtung Formosa Ooolong neigten. Nach einer halben Stunde dann eine sehr weinige Interpretation von Earl Grey, Kumqat, Yuzu und Blutorange, dazu Buttercookies, Schokomuffins, bröckeliger Honig, Ingwer, Veilchenduft, Lavendel, Rosmarin, Salbei. Im Mund sehr dynamisch, muskulös, aber nicht schwer.

VI. Single Barrel Vintage 1967 straight from the cask (56% vol.alc.)

600 Flaschen gibt es von diesem unverdünnten Cognac. Der ist in der Nase voller Nuss und Kastanie, mit der Zeit kommen Taubnessel, Verbene, agrûmes, dicke altmodische Orangen- und Madarinenbonbons, Butterscotch, Torf, Malz, Unterholz und Pilze zum Vorschein. Außerdem Café au Lait, Crème brûlée und ein gerbender Eindruck. Heißer Stoff!

Was hat eigentlich Robert Parker mit Cognac (von Tesseron) zu tun?

 

Was hat eigentlich Robert Parker mit Cognac zu tun? Ja man weiß es nicht so recht. Er weiß es selbst nicht so recht, scheint's. Klar ist: Cognac ist nicht weit von Bordeaux und mit Bordeaux hat Robert Parker viel zu tun. Klar ist auch: die Familie Tesseron verfügt in Bordeaux über zwei Châteaux, Pontet-Canet 5ème GCC in Pauillac und Lafon-Rochet 4ème GCC in St. Estèphe. Der Parkerbob hat die Cognacs der Familie Tesseron jedenfalls bei einem Ambassador's Dinner im Jahr 2005 kennengelernt. Und sich zu Bewertungen hinreißen lassen, die bei den beiden Châteaux der Familie die Preise längst durch die Decke hätten gehen lassen. Lot No.29 bekam volle 100 PP. Zuvor hatte es übrigens Bollingers Special Cuvée (89 PP), Haut-Brion Blanc 2001 (94 PP), Lafite Rothschild 1996 (100 PP), Cheval Blanc 1990 (98 PP), Haut-Brion 1989 (100 PP) und d'Yquem 2001 (100 PP) gegeben. Zwei Jahre später berichtet Parker dann in der Hedonist's Gazette von einem weiteren hochkarätigen Tasting Chez Josephine. Moet et Chandon Dom Pérignon 1976 bekam dort 95 PP, Latour 1990 en Magnum säckelte 99 PP ein, Pétrus 1990 en Magnum schoß 100 PP ab und der Tesseron-Cognac Lot. No. 53 bekam 98 PP.

Das Haus Tesseron verfügt in der Region über Niederlassungen in der Grande Champagne und in der Petite Champagne. Dort lagert eine stattliche Anzahl alter Brände, im kühlen und feuchten Keller. Gebrannt werden die Weine mitsamt den Heferückständen, was schwieriger ist (Gefahr des Anhaftens und Verbrennens von Hefezellen am Brennkolben), aber für mehr Komplexität sorgt. Die charmante Justine unterwies mich im Genuss der Cognacs ihrer Familie.

I. Sélection X.O. Lot No. 90

GC, PC, FB, 15 Jahre alt.

Leichter, minimal seifiger Cognac mit attraktiver Zitrusnote, im Hintergrund Noisette und rötlichere Frucht. Weder brandig noch stechend. Im Mund benötigt er eine kurze Anlaufzeit, bevor er sich bemerkbar macht, das geschieht dann mit einem leichten zwicken, im übrigen wirkt er konzentriert und hinsichtlich des Fins Bois Anteils reif.

II. Lot No. 76 X.O.

GC, 25 Jahre alt.

Verhaltene Nase, verhaltener Rancioduft, im Mund wieder mit kurzer Einwirkdauer, bevor die Aromen am Gaumen anbranden. Sehr reife Birne, sehr reife Honigmelone, Muskatnuss und etwas schwarzer Pfeffer, der sich angenehm mit dem Alkohol vermischt; ausgleitend frischgeschnittene Pilze und eine jodige Note.

III. Lot No. 53 X.O.

GC, Ugni Blanc + Colombard, 50 Jahre alt.

Omas Mahagoniwohnzimmer, Kastanienhonig, Patschouli, Orangenblüten, Kakaobohnen. Im Mund Verbene, Salz. Sehr kräftiger, aromatischer Cognac, der sehr viel Luft braucht. Erfreulicherweise kein beißen oder stechen vom Alkohol, beinahe noch erstaunlicher: der Cognac wirkt überhaupt nicht süß.

IV. Lot No. 29 X.O.

GC, Ugni Blanc, Colombard, Folle Blanche, 75 Jahre alt.

Zunächst Möbelpolitur, warmes Edelholz, entfernt eine leichte Chlornase. Darunter Malz, Torf, Toffee, Mango-Papaya, Erdbeerpannacotta, Himbeergeist. Viel exotische Frucht, Ringelblume, Iris. Ob der Cognac 100 PP wert ist? Im Kontext von Haut-Brion 1989 und Lafite 1996 mit Sicherheit. Und für ca. 500,00 € sicher einer der günstigsten 100 PP-Drinks.

Was hat eigentlich Champagne Bollinger mit Cognac Delamain zu tun?

Champagne Bollinger hält ein Drittel der Anteile an Delamain, was mal wieder ein schönes Beispiel für die zahlreichen Verbindungen zwischen diesen beiden entgegengesetzten Gegenden, bzw. Getränken ist. Cognac Delamain ist ein altes Haus, das ausschließlich Eaux-de-vie aus der Grande Champagne kauft. Eigene Weinberge werden nicht bewirtschaftet, auch bestehen keine festen Lieferverträge. Die Brenner kommen vielmehr täglich ins Haus und bieten ihre Grande Champagne Brände zur Verkostung an. Dann wird probiert und verhandelt. Neues Eichenholz findet bei der Reifung dann keine Verwendung, die 350-Liter-Fässchen aus französischer Eiche sind im Gegenteil möglichst alt und tanninarm. Auch der feuchte Keller nächst der Charente sorgt für harmonische Reifung. Bei der Cognacvermählung werden Brände aus der gleichen Altersstufe miteinander verbunden, da ein großer Altersunterschied als abträglich betrachtet wird. Die Reduktion der Brände auf Trinkstärke erfolgt nicht schlagartig mit destilliertem Wasser, sondern behutsam über zwei Jahre mit faibles, also mit schwachalkohlischem Cognacwasser aus Solera. Ähnlich der Ruhezeit von frisch degorgiertem Champagner bleiben bei Delamain die fertig vermählten Cognacs nach dem blending für zwei Jahre liegen, um sich in Ruhe integrieren zu können, bevor dann endlich die Vermarktung beginnt. Zuckercouleur wird nicht verwendet, die Farbe ist ganz natürlich, was keine Selbstverständlichkeit ist, denn viele Cognachäuser verwenden Karamell oder Zuckercouleur als Farbgeber für einen einheitlichen oder optisch besonders gewollten Auftritt ihrer Cognacs.

I. Pale & Dry X.O. Grande Champagne

25 Jahre alt. Jugendlich, fein, sehr obstig, nur von Ferne eine Ahnung von Blumen. Mit Luft immer mehr Trockenfruchtaroma, kaum fortgeschrittenes Rancio. Schwebt über die Zunge, Schwerpunkt ist auch mit Luft bei der Frucht. Bei Bollinger entspräche dieser Cognac wohl am ehesten der Special Cuvée.

II. Vesper X.O. Grande Champagne

35 Jahre alt. Mehr Butter als im Pale & Dry, auch ein Hauch von Klebstoff und Duft von Löwenzahnblüten. Einerseits konzentriertere Aromatik mit viel Backpflaume, andererseits leichter und beschwingter, mit diesem bemerkenswert schwebenden Charakter bei ausgeprägter und langanhaltender Süße.

III. Extra X.O. Grande Champagne

Gibt es seit 2006, die verwendeten Brände sind 40 Jahre alt. Erstaunlich schwach entwickeltes Rancioaroma, dafür sehr viel Bittermandel und Feuerstein, beiden gehen nahtlos von der Nase in den Mund über, wo der Cognac wieder mit deutlicher Süße das Regiment führt, wobei ich zusätzlich eine lebhafte und etwas hitzige Alkoholnote vorfand.

IV. Très Vénérable X.O. Grande Champagne

55 Jahre alt. Rosinen, Rancio, Feige, Datteln, Pflaumen, Speck, Neroli. Außerdem Anis, Kümmel, ganz zum Schluß Sternfrucht. Auch im Mund sehr komplex, sehr dick und balsamisch, mit Tanninfinish.

V. Reserve de la Famille No. 342-50,

43% vol. alc., Flaschennr. 47/180, single estate, single barrel. Wuchtig, druckvoll und geradezu unbeherrscht. Durch den – unverdünnt, nur durch Verdunstung erreichten – Alkoholgehalt von 43% wirkt das Rancio etwas hitziger und lebendiger, nicht so abgestorben und unterholzig. Für die delikaten Fruchtaromen jügerer Cognacs oder von Bränden aus den Fins Bois wäre das schon ein Problem, aber davon finden sich naturgemäß hier nicht so viele; dafür sind Kräuter, Süßholz, Leder, Tabak, Jod und Trockenblumen im Spiel, denen die Hitze nicht so viel ausmacht. Für mich nicht zwingend der beste Cognac von Delamain, das kann man bei den Vieilles Vignes Francaises von Bollinger übrigens ähnlich sehen.

Die Welt des Cognacs

Die Welt des Cognacs

Jörg Zipprick

Umschau Buchverlag, 1. Aufl., November 2009

178 Seiten

19,90 €

ISBN-13: 978-3865286512

 

Cognac und Champagner sind nur auf den ersten Blick zwei völlig unterschiedliche Getränke. Aber schon eine oberflächliche Betrachtung lässt interessante Gemeinsamkeiten zutage treten; ihren Zauber beziehen beide Getränke aus dem kunstvollen Verschnitt eines solo mehr oder meistenteils eher weniger genießbaren Grundmaterials. Hier manifestiert sich der über Jahre und Jahrzehnte gleich bleibende Hausstil. Jahrgänge sind deshalb immer gleich Raritäten und was beim Champagner die zweite Gärung, ist beim Cognac die zweite Destillation. Als Luxusgetränke in überkanditelten Flakons gehören beide zur Ausstattung von Musikvideos, Sterneschuppen, Weltklassebars und Nobelbordellen, in den letzten Jahren waren Cognac und Champagner die französischen Exportzugpferde schlechthin. Und schließlich überrascht es nicht, dass die besten Lagen der Charente Grande und Petite Champagne heißen.

 

Jörg Zipprick hat sich mit den Facetten des Cognacs auseinandergesetzt, der Umschau Verlag gab ihm die Druckinfrastruktur. Mit viel Farbe, vielen Typen, Schriftgrößen und Bildern. Die bunte Ausstattung ist nicht jedermanns Sache, wirkt aber im Ergebnis ganz wertig und liefert für 19,90 € einen respektablen Mehrwert zum Text. Der ist zwar nicht enzyklopädisch, sondern beschränkt sich auf eine angenehme Lesbarkeit – dafür hat der Verlag sich dann das Lektorat gespart. Schon auf Seite 10 wird aus dem Haus A. E. Dor die Firma E. A. Dor. Ein hässlicher und völlig unnötiger Patzer, über den sich heute aber sowieso kaum ein Leser so ärgern wird, wie ich.

 

Eine am Zeitstrahl übersichtlich gestaltete Geschichte des Cognacs und eine kurze Rebsortenkunde führen in das Thema ein und nach einem Abstecher über den Pineau de Charentes geht es zu den Cognacqualitäten. Hinweise zum Einkaufsverhalten finden sich ebenso wie ein kleiner Abschnitt über den mit 179400 € derzeit teuersten Cognac, bei dem man sich höchstens noch fragt, warum er nicht glatte 200000 € oder, für das Gedächtnis handlicher, eine Viertelmillion kostet. Gut gelungen ist einer der wichtigsten Teile des Buchs, die Verkostung und Aromenkunde. Unkompliziert und mit spürbarer Freude am Produkt erläutert Zipprick, wie die Cognacdegustation funktioniert und stellt auch gleich das besonders für Anfänger hilfreiche Aromenrad zur Verfügung. Kurz darauf erfährt der Leser, wie der Rap den Cognac aus der Krise gezogen hat (einen ähnlichen hype gab es beim Champagner um den Cristal von Roederer, die Nachwehen erleben wir in Form von Armand de Brignac und Mariah Careys jüngstem Anfall von Nervenschwäche, der Angel-Cuvée) und wie eigentlich der Chinese, respektive Russe in puncto Cognac so tickt.

 

Ein anderer wichtiger Teil des Buchs ist die Vorstellung von fünfzig Erzeugern, von großen, konzernzugehörigen Namen der Branche bis hin zum Kleinbrenner mit ausschließlich in Fachkreisen wohlklingendem Namen. Die Beschreibungen sind knapp; erfreulicherweise gibt Zipprick zu jedem Erzeuger Kontaktdaten an, so dass ein recherchefreudiges und internetaffines Publikum sich auf der website des jeweiligen Hauses die technischen Informationen und allgemeine Angaben zum Portfolio abrufen kann. Daran wird übrigens auch erkennbar, dass Zipprick seine Leserschaft gerade nicht in Londoner Clubs und preußischen Offizierskasino vermutet.

Freude bereitet es, die andeutungsweise vorhandenen Kostnotizen zu den steinalten Bränden zu lesen, die mancher Hersteller im Portfolio hat. Dann geht es auch schon zum gastro-mixologischen Teil des Buchs. Die wichtigsten Konkurrenten unter den Spirituosen werden kurz vorgestellt und es gibt eine Reihe hübscher Cocktailrezepte. Daran schließt sich der Einsatzbereich Küche an, auch hier wieder mit Rezepten garniert. Wer nach der Lektüre Lust auf Cognacgenuss hat, dem stellt der Autor noch einige der geeignetsten locations am Platze vor, bevor er sich ins Register und den Bildnachweis verabschiedet.

 

Zipprick liefert eine gut ausgestattete, zeitgemäße Produktion ab. Mir erscheint der Band optisch überfrachtet, der Platz wäre statt mit Bildern und satztechnischen Spielereien besser genutzt, wenn Zipprick uns an seinem Cognacwissen vertieft hätte teilhaben lassen. Wohltuend ist der Verzicht auf den üblichen Verkostungsschnickschnack mit Adjektivhuberei und Metaphernkonfekt. Insgesamt ist es in Zeiten der Printkrise eine gute Entscheidung des Verlags gewesen, diese länger schon unbesetzte Nische mit Zippricks Buch zumindest ansatzweise zu schließen und Leser auf das Produkt Cognac neugierig zu machen.