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Tag Archives: Massif St. Thierry

Halloween-Roséchampagner im Restaurant Reuter’s, Frankfurt

Wer alle Achttausender der Welt erfolgreich besteigen will, muss grundlegende Akklimatisierungstechniken beherrschen. Eine der wichtigsten ist: "hoch steigen, tief schlafen". Um den Gipfel der Lust, bzw. des Champagners zu erklimmen, muss man es ganz ähnlich halten. Um sich an einen hochsteigenden flight heranzutrinken, nützt es, vorher einen soliden, leicht verständlichen Ausgangsflight zu trinken. Das sollte die Technik des Abends werden, begleitet von der dazu abgestimmten Küche von Franco Scavazza, der so freundlich war, für meine Übungen eine Hälfte seines halbmondförmig gebogenen und ob seiner Lage von vielen Frankfurtern noch gar nicht richtig ausgekundschafteten Restaurants zur Verfügung zu stellen. 

Opener

O.1 Adrien Redon l'R du Temps Extra Brut Rosé d'Assemblage

O.2 Grongnet Carpe Diem Rosé de Saignée Extra Brut

O.3 Bourdaire-Gallois Rosé

Adrien Redon aus Trépail gehört zu den jungen Winzern, seine Champagner sind dementsprechend weniger behäbig und weniger oxidativ als man es von den Ahnen kennt. Sein Rosé aus zwei Dritteln Chardonnay und einem Drittel Pinot Noir ist unter Zugabe von 15% Rotwein entstanden. Die Carpe Diem Champagner von Grongnet sind vom Stil her ähnlich winzerig wie die von Adrien, nur dass sie aus einer ganz anderen Ecke der Champagne kommen. Der Assemblagerosé wirkte großzügiger, voluminöser, bauchiger und gefiel mir etwas besser als der sonst so gern getrunkene Carpe Diem, wobei ich zugeben muss, dass ich den am liebsten in der weißen version trinke, weil er da noch ausgeprägter und typischer ist. Im Gefolge der beiden hatte ich noch einen Meunierrosé zum Kalibrieren eingebaut, weil ich nach meinem letzten Besuch in der Champagne unter anderem die beachtlich große und beachtlich gute Auswahl von David Bourdaire kennengelernt habe und mich schon drauf gefreut habe, einige seiner Champagner in verschiedenen Proben sich schlagen zu sehen. David, der 2002 mit seine ca. 4,8 ha die örtliche, von seinem Großvater einst gegründete Kooperative verlassen hat, öffnete vom Jungfernjahrgang bis zu den jüngsten Ernten alles, was da ist und wird in Zukunft sicher die Aufmerksamkeit einer ganzen Reihe von Champagnerfreunden für sich in Anspruch nehmen können. Dass es sich bei diesem Rosé um einen reinen Assemblage-Meunier handelt, hätte wahrscheinlich keiner gedacht. Dessen Herkunft von sandigen Untergrund machte eine Identifikation bsonders schwer und als Einstieg in den hochklassigen ersten flight war mir das gerade recht.

I. Römischer Schinken auf Belugalinsensalat


I.1 Pommery Louise Rosé 1996


I.2 Dom Ruinart Rosé 1996

Die Louise, als Rosé und vor allem aus diesem Jahrgang eine echte Rarität, hatte Mühe, sich unverfälscht und offen zu geben, leider wirkte der so hoffnungsvoll erwartete Champagner in meinem Glas leicht gehemmt und nicht so unbeschwert, wie geplant. Der Dom Ruinart trällerte dafür ein umso himmlischeres Liedchen, die ganze Wucht des Jahrgangs entlud sich in mehreren schweren Ergüssen und umschäumte die Linsen, den Schinken und den leichten Sud mit gewaltigen Wellen. Klarer Sieger war hier der Dom Ruinart, der eine nicht zerstörte, aber verwirrte Louise zurückließ.

II. Geräucherte Entenbrust mit hausgemachtem Apfel-Rilette, Feldsalat, Schnittlauchblinis

II.1 Tristan Hyest Rosé Grapillère

II.2 Jacques Lassaigne Rosé de Montgueux

Ein ähnliches Match wie im ersten flight hatte ich für den zweiten flight vorgesehen. So wie der Dom Ruinart ein Rosé mit weißer Chardonnayseele ist, ist auch der Rosé von Lassaigne ein Produkt, das man vor allem vor dem Hintergrund mächtiger Montgueux-Chardonnays erklären muss; 80-85CH, 15-20PN standen den 40CH von Tristan gegenüber, der wiederum ein ausgemachter Roséspezialist ist, während Emmanuel mit seinem Rosé eher einen lässigen vin de soif in die Weinwelt geworfen hat. Der vertrug sich vor allem mit der milden Schnittlauchschärfe gut, während der Einzellagenrosé von Tristan sich mit der Ente vereinigte. Mit dem Apfelrilette kamen beide Champagner gut klar und so ergab sich ein schöner Gleichstand.

Einschub: Laurent-Perrier Cuvée Alexandra Rosé 1982

Von der Plateauphase der Vorgänger, dem letzten Basislager bevor es in Richtung Gipfel ging, brach die Runde jetzt durch die Wolkendecke. Die Alexandra 1982 gehört schlicht zum besten, was das Jahr und was der Champagnermarkt zu bieten hat. Wunderbar gereift, ist dieser 50 PN/50CH Mazerationsrosé eine der schönsten Roséprestigecuvées überhaupt. Über Jahre hatte sich Fürst Nonancourt den Kopf über diese Cuvée zerbrochen, die er 1988 zur Hochzeit und zu Ehren seiner Tochter Alexandra der Öffentlichkeit vorstellte und die bei Laurent-Perrier bis heute nur zu hohen Anlässen geöffnet wird, im Jahr 1982 fiel die Entscheidung – zu Gunsten eines Jahrgangs, was an sich schon ein Ausbrechen aus der Multi-Vintage Philosophie des Hauses ist. Der Erfolg ist die schönste Bestätigung und eine, die bis heute andauert. Vibrierend, ätherisch, ja metaphysisch, die Abstraktion des reifen Rosés. Großartig.

III. Lauwarmer Muschel-Wirsing-Salat mit Champagner und Blauschimmelkäse

III.1 Dom Pérignon Rosé 2000

III.2 Jacques Selosse Rosé Brut

eigentlich hätte jetzt nach der Bergsteigertechnik ein deutlicher Rückschritt kommen müssen, aber das hielt ich für unzumutbar. Vom einen Gipfel auf den anderen Gipfel zu hüpfen kann wiederum ein mörderisches Unterfangen sein, wenn der Gaumen bereits geschwächt oder immer noch ganz überwältigt ist. Also habe ich mich eines Tricks bedient. Muschel, Wirsing und Blauschimmel führten die Geschmacksnerven in eine ganz andere Richtung, wo sie vom reifen und auf Muscheln spezialisierten 2000er Dom Pérignon Rosé erwartet, abgeholt und fortgeführt wurden. Staffellaufmäßig übergab der Dom an den reifen, schon vor sechs Jahren degorgierten, mächtigen, drängenden Selosse-Rosé, der wie ein verstärktes Echo auf die Alexandra 1982 antwortete und den Gipfelhüpfer kunstvoll abschloss.

IV. Hasenragout nach Art der Försterin mit Cognac, Pappardelle

IV.1 Benoit Lahaye Rosé de Maceration

IV.2 Laurent-Perrier Cuvée Alexandra Rosé 1998

Der Rosé von Benoit Lahaye hatte danach keine leichte Aufgabe, da er zwischen zwei so überragenden Champagnern wie eingeklemmt wirken musste. Aber der Scxhlawiner aus Bouzy erledigte seinen Auftrag sicher und gekonnt. Der Hase war eine gute Schützenhilfe und erleichterte den Übergang vom nachklingenden Selosse zum pikanten, feinen, ironisch das Haselnussterroir von Bouzy brechenden Champagner von Benoit Lahaye. Der verstand sich nicht nur als Durchgangsstation zur 98er Alexandra, die wie ein hyperintelligenter Teenager, jedoch ohne Hochnäsigkeit oder Sonderlingsgehabe vor allem den Cognac als Partner begriff.

V. In Balsamico und Chipotle geschmorte Spanferkel-Bäckchen mit Rotkrautsalat und Pfeffer-Gnocchi

V.1 deMarne-Frison Cuvée Elion Rosé de Saignée Brut Nature

V.2 Leclerc-Briant Cuvée Rubis de Noirs Millésime 2004

Die logische Folge auf den letzten flight wäre für viele Sommeliers wahrscheinlich eine Rotweinbegleitung zum Spanferkel gewesen. Aber das sollte nicht sein. Warum auch, wenn es Champagner wie diese gibt, Champagner mit der ganzen Weinigkeit burgundischer Pinots und dem unbeschwerten Gemüt des Schaumweins. Wobei ich zugebe: allein mögen diese Champagner mehr als schwierig zu trinken sein, auf den ungeübten Trinker sogar untypisch bis seltsam wirken. Ihre Stärke zeigt sich eben erst zum Essen. Zu Pfeffer, zu Chipotle, zu Rotkraut, Balsamico und zum Schwein, auch oder gerade wenn es Wildschwein gewesen wäre. Die seltene Cuvée Elion von Valerie Frison ist haarscharf am Rotsekt vorbeivinifiziert und wenn man sie trinkt fühlt man sich wie ein Beifahrer, der vergebens auf die imaginäre Bremse tritt, während sich das Fahrzeug des unbeirrt quasselnden Fahrers mit hoher Geschwindigkeit auf die Rückseite eines vorausfahrenden LKW zubewegt. Doch der Wagen kommt rechtzeitig zum Halten und der Champagner schafft es trotz aller Rotweinseligkeit Champagner zu bleiben. Eine nervenaufreibende Erfahrung. Ähnlich ist es beim Leclerc-Briant, der ohne Umwege mitteilt, er habe es nicht nötig, wie ein normaler Roséchampagner zu sein. Mit ausgeprägtem Selbstbewusstsein und der Würde eines reichen Jahrgangs nimmt er den Gaumen in Beschlag und führt sich dort wie ein langjähriger Hausherr auf, so dass kurzzeitig der Eindruck entsteht, der eigene gaumen gehöre jemand anderem. So ist es natürlich nicht, aber der Rubis mit seiner Schokoladigkeit, den ätherischen Noten und seiner Kräuterwürze vermag heftig zu irritieren. Aber was soll's, das hier ist Schach und nicht Dame.

Abschluss:

A.1 Pommery Louise 1999

A.2 Ulysse Collin Blanc de Noirs Extra Brut

A.3 Bollinger Grande Année 2000

A tergo gab es noch ein Stelldichein der nicht ganz so rötlichen Champagner. Die Louise war schwebend leicht, wie mittlerweile schon gewohnt und wie ich es mir bei der 96er Louise Rosé gewünscht hatte. Der Balnc de Noirs von Ulysse Collin war laut Etikett kein Rosé, aber die Farbe strafte das Etikett Lügen. Der Geschmack ist bei diesem ersten Blanc de Noirs von Olivier ganz eigentümlich. Eine alkoholische, schläfrige Süße, Hustenmedizin und Möbelpolitur, dann wieder Schattenmorelle, Himbeerbrause und Ingwer, keine Leichte Kost also, aber ein guter Schließer nach einer aufregenden Tour. Die hätte mit Leichtigkeit der Bollinger 2000 übernehmen können, der sich in guter Form zeigte und dessen feines Holz jedes noch so champagnerkritische Gemüt besänftigt und versöhnt. Nicht, weil es einen bewusstlos schlägt, sondern weil es so natürlich, so selbstverständlich und ausgleichend wirkt.   

Terres et Vins de Champagne: Alexandre Chartogne

 

Vins Clairs 2011:

Les Barres Meunier (PM Franc de pied) aus Merfy, Les Orizeaux PN aus Merfy und Chemin de Reims CH auch aus Merfy. Die Vins Clairs von Alexandre Chartogne gehören zu den Weinen, bei denen man sich nicht dauernd fragt, was man da überhaupt gerade macht und ob es nicht viel besser und auch klüger wäre, jetzt lieber wo ganz anders, weit weg von den zahnfleischzerstörenden Säuremonstern zu sein. Nussige Noblesse, warme, weiche Weinigkeit, fröhliche Zitrusfrucht, bei Alexandre Chartognes Vins Clairs geht es leicht und schmerzlos zu, wehalb ich mich schon paarmal beim Trinken seiner Grundweine ertappt habe.

Champagner:

1. Lieu-dit Les Orizeaux Pinot Noir 2008

Mit 10 g/l dosiert. Roter Apfel, Rhabarber, Rote Bete. Von der Zungenspitze bis in den Hals schlängelt sich die Säure, um von einer sich langsam durchsetzenden Süße abgelöst zu werden. Im Gegensatz zum Vorjahr nicht so druckvoll und fordernd, sondern verschlungener und abwartender, was nicht schlechter heißt.

2. Lieu-dit Chemin de Reims Chardonnay 2009

Gefrorenes Sahnebonbon, mit einer herben, sich gegen jeden Abtatsversuch zur Wehr setzenden Aromatik wie von verwilderten, grobschaligen Äpfeln. Die Abwehr kann man knacken, indem man den ersten, zweiten Schluck lange gewaltsam im Mund hin- und herspült, so wie Mundwasser. Der danach probierte Schluck ist gleich viel besser zu entschlüsseln. Die Botschaft bleibt dennoch: zu jung.

3. Lieu-dit Les Barres Pinot Meunier Franc de pied 2007

Seit den ersten Gehversuchen ist der reine Meunier für mich das erfolgsmodell aus der Einzellagenserie von Alexandre Chartogne. Buttercrèmetorte mit Limoncello aus dem Zahnputzbecher runtergespült und einen großen Zug Tonic hinterher, das ist in etwa der Eindruck, den dieses Champagnerfrüchtchen hinterlässt. Macht Spaß und gehört schon jetzt zu den Ikonen des reinsortigen Meunierchampagners.

Terroirs et Talents: Champagne Aspasie Vignobles Ariston und Maxime Blin

 

Vallée de l'Ardre und Massif St. Thierry. Räumlich trennen die beiden Nester Brouillet in der Vallée de l'Ardre und Trigny im Massif ca. 20 km, Grund genug, zwei ihrer Winzer aufeinanderfolgend zu probieren, was besonders einfach ist, wenn die beiden nur wenige Meter voneinader ihr Probierstanderl aufgebaut haben.

I. Champagne Aspasie Vignobles Ariston Père et Fils

Die Champagner von Aspasie sind alle relativ leicht, eher fruchtig und waren früher für meinen Geschmack zu sehr an den Stil großer Häuser angelehnt, will sagen zu süß. Das mit der Süße hat sich gelegt und mit dem zuerst verkosteten Cepages d'Antan gibt sich Aspasie sogar ziemlich innovativ.

1. Cépages d'Antan

40 Petit Meslier 40 Arbane 20 Pinot Blanc, mit 6 g/l dosiert

Die Rebanlage ist ca. 15 Jahre alt, gehört also nicht zu den uralt-wiederentdeckten, sondern wurde, als das Thema vergessene Rebsorten in der Champagne aufkam, eigens angepflanzt. Von dieser Cuvée habe ich den 2011er Grundwein probiert, der nussig und leicht salzig rüberkommt, Erdnussbutter mag eine Rolle spielen, eine schlanke Säure kommt noch dazu und gibt dem Wein einen ansehnliche, schlanke Figur. Brav und sektig ist der fertige Champagner, der Weißburgunder (meiner Meinung nach) steuert eine rapsige Note bei, die ich nicht mag. Um zu den Namensvettern von Tarlant (Vignes d'Antan) und Bérèche (Reflets d'Antan) aufzuschließen, ist mehr Wagemut erforderlich.

2. Blanc de Blancs

Der 2011er Chardonnaygrundwein ist leicht rauchig, die Säure nur mäßig aggressiv, weshalb man ihn gut trinken kann. Dem fertigen Champagner fehlt die Säure dann aber merklich. Mir war er zu zahm.

3. Brut Millesime 2007

Drittelmix.

Erwartungsgemäß ist der 2007er Jahrgang von Aspasie nichts für Freunde extremer Zuspitzung. Säurearm, mit einer noch sehr primärfruchtigen, bananigen und metallisch unterlegten Art. Ein paar Muskeln kann der sonst gut gerundete Champagner spielen lassen, von den drei verkosteten ist er der kraftvollste, bekömmlich sind sie alle.

 

II. Champagne Maxime Blin

Von den Jahrgängen aus dem Hause Blin war ich bis jetzt immer am meisten angetan, die jahrgangslosen Geschichten kenne ich nicht so gut. Mit guten 9 g/l sind die Blin-Champagner dosiert, das ist in Zeiten der sich immer weiter ausbreitenden Extra- und Ultra Brut Champagner richtig viel. Ob es zu viel ist? Das sehen wir sogleich.

1. Brut Carte Blanche

80PM 20PN

Rund, fruchtig und etwas einfach gestrickt, mürbe und leicht brotig. Den Eindruck zu hoher Süße hatte ich nicht, was mir fehlte, waren Feinheit und Komplexität.

2. Cuvée Maxime Blin

Drittelmix.

Der 2011er Grundwein dieser Cuvée hatte einen ganz ansprechenden, für die Region nicht untypischen Fruchtcharakter, der in Richtung Blutorange und Nektarine geht und sich hier in rundlicher Form zeigte. Was beim Grundwein schön ist und schmeckt, rächt sich dann im fertigen Champagner als zu lahm. Ich kenne natürlich nicht den Grundwein der hier zugrunde lag, kann mir aber vorstellen, dass er ähnlich sanftmütig war. Die Cuvée Maxime Blin würde mehr Druck beim Grundwein sicher danken.

3. Rosé d'Assemblage

100 PN, davon zwischen 14 – 18% roter Coteaux Champenois

Beim Rosé könnte diese Rechnung aufgegangen sein. Der 2011er Grundwein war wie mit Bühnen Make-up etwas zu dick geschminkt, holzig, mit viel Mandel und Marzipan, charakterlich ein Rotwein. Wenn der Grundwein für den jetzt probierten Rosé von gleicher Art war, sollte Maxime diesen Weg weiter verfolgen. Kraftvoll, nicht allzu fruchtig, seriös und weinig. Für den Solospass etwas zu ernst, als Essenspartner darf man ihn nicht überschätzen. Am besten dürften Ziegenkäse, Blätterteigspeisen und helle, gebundene Saucen dazu korrespondieren.   

Terres et Vins de Champagne (I/III)

 

Terres et Vins de Champagne

I. Olivier Horiot

Seit 2000 ist Olivier Horiot in Les Riceys zugange. Parzellengenaue Vinifikation im Holzfass, einjähriges Ruhen auf der Feinhefe, Spielerei mit alten Rebsorten, hier gibt es für Olivier Horiot noch vieles zu entdecken und zu erfahren. Die erste Zusammenkunft mit Champagne Horiot hatte mich noch nicht begeistert, daher war ich gespannt auf seinen zweiten Auftritt.

Vins Clairs:

1. Pinot Noir, en Barmont, 2008

Duftige Nase, Veilchen und Lakritz im Einklang, etwas Pillenbox, merkliche Säure

2. 100PN Mazerationsrosé

Gut stoffiger Beuajolaischarakter mit einem gewissen noch nicht störenden Restprickeln

3. 100PN Coteaux Champenois

Leichter, etwas flacher Burgunder

Champagner:

1. Sève, En Barmont Blanc

Eieiei, hier wieder dominante Pillenbox, medizinaler, etwas künstlicher, an Plastik erinnernder Ton. Nicht besonders schön

2. 5 Sens

Frische Säure, auch wieder etwas medizinal, mit Noten von angestaubtem Trockenkräutersträußchen

3. Sève, En Barmont Rosé

Deutlich ausgeprägte Noten von Rosmarin und Thymian, im Mund erst wässrig, bevor er sich dann über eine leichte Mehligkeit verfestigt, sämig wird und einen mandeligen Eindruck hinterlässt

 

II. Pascal Agrapart

Einer der ersten Champagnerwinzer, die den Weinberg wieder mit Pferdchen zu bearbeiten begonnen haben und eine feste Größe unter den Chardonnaykönnern.

Vins Clairs:

1. Minéral

Leichter Böckser, der sich in eine metallische Richtung weiterentwickelt und mild mit Zitronenmelisse ausgleitet

2. Avizoise

Mineralisch, räucherig, erstaunlich glatt und bartlos, gut trinkbar

3. Vénus

Straff, raumfordernd und muskulös, dabei entsprechend dem Pferdchennaturell von sanftem Temperament, wenngleich durchaus fordernd am Gaumen

Champagner:

1. Minéral

Mit 4 g/l dosiert, schwankt er zwischen leichter Brettigkeit, bleibt dnn zwischen brotig und saftig liegen.

2. Avizoise

Ebenfalls mit 4 g/l dosiert, von Beginn an bestimmter, klarer, und deutlich zitrusfrischer als der Minéral.

3. Vénus Zéro Dosage

Sanft, glatt und gediegen, zeigt sich hier, dass das mit dem Pferdchennaturell so weit von der Wahrheit gar nicht entfernt liegt. Kraft und Beständigkeit zeichnen den Champagner schon jetzt aus und es ist abzusehen, dass er sich im Laufe seiner Entwicklung nicht aus der Bahn werfen lässt.

 

III. Francoise Bedel

Tief im Westen, wo die Meunier zu Hause ist, ist auch Madame Bedel, die mit Nachnamen auch Meunier heißen könnte, zu Hause. Ihre Champagner gehören bei jeder Biochampagnerverkostung zum festen Inventar.

Vins Clairs:

1. Chardonnay

Saftig und geradezu limonadig, erfrischende Säure auf mittlerem Niveau.

2. Pinot Meunier aus dem Stahltank

Mild und fruchtig, fast schon süßlich.

3. Pinot Meunier aus dem Barrique

Wenig spürbares Holz, vordergründig eher eher Kräuter und Grapefruit, mehr Struktur als der Meunier aus dem Stahltank, zudem stärker ausgeprägte Brotnase und deutlicher Luftton.

Champagner:

1. Entre Ciel et Terre Brut 2002

100PM

Verbene, Limette, grüne Noten, aber auch waldige Elemente und Wacholder. Fein, für einen reinen Meunier auch nicht unelegant.

2. L'Âme de la Terre Extra Brut 2003

67PM 17PN 7CH, mit 3 g/l dosiert.

Runder und hrmonischer als der Entre Ciel et Terre, obwohl geringer dosiert, was auf Pinot Noir und Chardonnay zurückzuführen sein mag. Leider auf Kosten des Unterhaltungswerts, denn der Âm de la Terre wirkt durch den Rebsortenmix gewöhnlicher.

3. Robert Winer 1996

Mit 8 g/l dosiert und deshalb im Vergleich süßlich; Kautschuk, Leder, Kakao, Kokos, Toffee, sehr schönes, langes und dezentes Eukalyptus-Menthol finish. Ganz klar der stärkste Champagner im Portfolio von Mme. Bedel, hat sich seit letztem Jahr temporeich weiterentwickelt.

 

IV. Bérèche et Fils

Die Champagner von Bérèche haben mir schon bei meiner ersten Begegnung gefallen, damals waren es Beaux Regards und Reflet d'Antan, mittlerweile kenne ich natürlich auch die anderen Champagner des Hauses.

Vins Clairs:

1. Pinot Meunier

Im Vergleich mit zB den Meuniers von Tarlant ist dieser Meunier handzahm und brav wie ein Kommunionskind, den Rabaukencharakter ahnt man hier noch nicht.

2. Chardonnay, Beaux Regards

Saftig, kernig, gut, so kurz kann man sich hier fassen und der Rest ist Vorfreude auf den fertigen Champagner.

3. Le Cran

55CH 45PN

Völlig unvorbereitet traf mich die augenkneifende Säure dieses vin clair. Nur mit Mühe konnte ich angesichts dieser gefährlichen Attacke die Tränen des Schmerzes zurückhalten, der salzige Geschmack am Gaumen kam nicht von meinem eigenen Blut, wie ich dann später erleichtert festgestellt habe. Mit dem zweiten, dritten, vierten, jeweils vorsichtigeren Probierschluck war es immer noch schwer, dem Wein zu folgen; ebenso hätte könnte man versuchen können, die Handlung von Fellinis Satyricon im Schnelldurchlauf verstehen zu wollen.

Champagner:

1. Réserve Extra Brut, Handdégorgement

ca. Drittelmix auf 2007er Basis mit 30% Reservewein, keine Schwefelzugabe beim Dégorgement.

Hart, schlank, lang. Etwas störender Luftton, der den Champagner etwas aufgebläht wirken lässt, wie ein hochgewachsener Athlet in zu weiten Klamotten. Müsste noch etwas zulegen, wovon ich mit einiger Sicherheit ausgehe.

2. Beaux Regards Zéro Dosage

100CH, im Schnitt 40 Jahre alte Reben.

Hart und karg, schnell bis rasant, und das ganz ohne die Hilfe von Chardonnays aus der Côte des Blancs. So geht es im Inneren eines Rallye-Piloten bei der Wertungsprüfung zu. Hierbei zeigt sich auch, dass es nichts langweiligeres gibt, als einen nur durchschnittlichen Chardonnay.

3. Vallée de la Marne Rive Gauche

100PM, von Reben aus 1969, erste Gärung in verschieden großen Holzfässern spontan und langsam; keine bâtonnage, keine Filtration, mit 4 g/l dosiert.

Mein Favorit in dieser Verkostung. Anders als der Beaux Regards rührt dieser Champagner nicht an der Adrenalinproduktion, sondern wirkt entspannend wie Oxytocin. Intensiv, dabei ausgleichend, entstressend und ganz sanft stimulierend.

 

V. Francis Boulard et Fille

Aus Champagne Raymond Boulard wurde Francis Boulard und Delphine Richard-Boulard. In Cauroy mit dem einzigen Küfer der Champagne benachbart, ist Francis Boulard einer der alten Hasen im biodynamischen Champagnergeschäft und ein Terroirspezi obendrein, was nicht zuletzt damit zusammenhägt, dass sein Rebbesitz sich vom Massif St. Thierry bis weit hinein in die Montagne de Reims (Mailly Grand Cru) erstreckt.

Vins Clairs:

1. Les Rachais

100CH ohne BSA

Reif und würzig, hintenrum eine fast schon dramatische, nackte Säure, die sich in der nächsten Zeit noch weiter nach vorn schieben dürfte

2. Le Murtet

100CH ohne BSA

Herber und enger als der Rachais, die Säure beginnt sich schon wesentlich früher am Gaumen zu zeigen, der Wein ist insgesamt fast genauso lang und kompromisslos wie der Rachais

3. Les Murgiers (früher Brut Réserve)

100PM mit BSA

Anis und Fenchel, die mir nicht so gut gefallen haben, trotz des BSA eine noch gut strukturierte Säure, natürlich der weicheste vin clair in der Reihe

Champagner:

1. Les Rachais 2005 non dosé

Starker Meeresfrüchtecharakter, Austernschale, Zitrusabrieb. Meerwasser und Kalk bestimmen den Champagner.

2. Les Murgiers non dosé

50PM 50CH auf 2008er Basis

Weich, sehr reif, rund und mürbe, nicht sehr fordernd, wirkte auf mich etwas müde.

3. Millésime 2005

50CH 25PN 25PM, mit 5 g/l dosiert

Sehr versöhnlicher Jahrgang, rund und weich, etwas mandelig, mit dezenter Säure, die aus dem Hintergrund wirkt.

 

VI. Chartogne-Taillet

Ebenfalls im Massif St. Thierry, an prominenter Stelle, ist der in Deutschland schon recht verbreitete Champagner von Chartogne-Taillet zu Hause. Alexandre Chartogne ist ungemein sympathisch, jungenhaft und hochgewachsen eine echte Bilderbucherscheinung, bedachtsam, ein gründlicher und harter Arbeiter mit – wie ich finde – riesigen Händen, denen man die Arbeit ansieht und verschmitztem Blick. So macht er nicht nur die Damenwelt verrückt, sondern sorgt mit seinen exzellenten Champagnern auch bei Männern für Verzückung.

Vins Clairs:

1. Orizeaux

100PN

Limette, Nektarine, Blutorange, Pomelo. Vollreif, herbfrisch, ohne jede Spur von Überreife. Ein zupackender, starker Händedruck.

Champagner:

1. Orizeaux Extra Brut auf der Stelle handdégorgiert

2007er Basis

Fizzy, lebhaft bis quirlig und enorm stark. Keineswegs unseriös oder bonbonig, aber immer mit freundlichem und einladendem Augenzwinkern.

2. Les Barres

100PM, ungepfropft, ca. 60 Jahre alte Reben

Würzig und intensiv, herbe Frische, die ganz ohne druckvolle Säure dennoch Spannung aufbaut. Ich weiß nicht, ob ich diesen oder den Heurte Bise besser finden soll.

3. Heurte Bise

100CH

Klar zitrusnasiger Chardonnay mit weißem Pfeffer, Nashibirne, Pitahaya und Vetyver. Griffig, nachhaltig und schwer beeindruckend.

Bochum kulinarisch

 

Nicht nur Essen hat mit "Essen verwöhnt" eine kulinarische Leistungsschau seiner unternehmungslustigsten Edelgastronomen anzubieten; in Bochum lässt man sich die Butter nicht von der Knifte nehmen und deshalb gibt es seit mittlerweile sogar schon 22 Jahren die allseits beliebte Sommerveranstaltung "Bochum kulinarisch", heuer vom 11. – 15. August. Hummer und Känguruh, Currywurst und Sushi, die insgesamt sechzehn Gastronomen aus Bochum, Herne, Hattingen und Witten bieten auf, was der Frischmarkt eben so hergibt.

Wie immer sollte der Abend an Daniel Birkners Stand, dessen Restaurant seit neuestem unter dem Namen "Herr B." in der Gesellschaft Harmonie firm- und residiert, beginnen und enden.

Als erstes musste Champagner her, an den ich mich der Einfachheit gleich den ganzen Abend hielt. Der Chartogne-Taillet Brut Cuvée Ste. Anne aus 60% Chardonnay, 40% Pinot Noir, Basisjahrgang 2006 mit 20% Reservewein aus 2005 und 2004 machte mir die Entscheidung leicht und war mit 40,00 €/Flasche sehr entgegenkommend kalkuliert. Die freundliche Inka schenkte vorbildlich ein und "Peddas lecker Brötchenmix" hatten vom Start weg eine adäquate Gleithilfe. Peddas Brötchen sind nichts anderes, als kleine Laugenbrötchen, unterschiedlich überbacken und mit einer schlotzigen Crémetunke serviert. Wer die bei Bochum kulinarisch auslässt, ist selbst schuld. Zur Foie Gras von der Gans mit Kartoffelpurée und Honig-Schalottenconfit ließ ich mir als Ausnahme an dem Abend ein Gläschen von Marcus Clauss' 2005er Huxelrebe TBA schmecken. Die schmeckte zum Glück nicht so arg nach Katzenpisse und Unkraut, auch ihr Alter ließ sie sich nicht anmerken.

Mit Kartoffelknoblauchpurée ging es weiter, Michael Hau von der "Orangerie im Stadtpark" war so freundlich, zu den dazu eigentlich vorgesehenen drei noch ein viertes hausgemachtes Lammbratwürstl zu legen. Da ich nur schwer bestechlich bin, liess ich mich davon nicht beeinflussen, sondern aß auch das vierte Würstl mit gutem Appetit auf. Damit war ich am Ende der Fressmeile angekommen und konnte mich nun der Rückrunde widmen.

Dabei stieß ich als erstes auf Entenspezi Helmut Wicherek und sein Restaurant "Oekey", wo es schwerpunktmäßig selbstverständlich um Enten geht. Nicht nur wegen der sommerlichen Temperaturen, sondern auch weil ich Sülze schätze, entschied ich mich für die Entensülze mit Schmorkartoffeln und Schnittlauchcrème. Eine gute Wahl, denn die Entensülze war fest, reichlich fleischhaltig und nicht mit allzuviel Gemüseschnickschnack aufgeladen. Ein paar Erbsen, Karottenschnipsel und einige wenige grüne Pfefferkörner eskortierten das feinfaserige Entenfleisch über den Gaumen und die Pharynx herab. Die Kartoffeln hätten besser nicht sein können, mit milder Schärfe erfrischend war die großzügig beigefügte Schnittlauchcrème.

Der "Livingrom" servierte in Rotwein geschmorte Ochsenbäckchen mit Stampfkartoffeln und Wurzelgemüse. Die Ochsenbäckchen waren in Ordnung, ich habe sie zwar schon zarter gegessen, lasse aber die schwierigeren Bedingungen des Freiluftkochens als notdürftige Rechtfertigung ausreichen. Was mir jedoch nicht gefiel, war die dünne und bitter abgehende Rotweinsauce. Die hätte wesentlich besser, nämlich einem Schmorgericht entsprechend konzentrierter schmecken müssen. Über das geschnipselte Wurzelgemüse konnte ich mich mangels guter Sauce dann auch nicht mehr so recht freuen.

"Diergardts Kühler Grund" bot Original Schweizer Rösti mit hausgebeiztem Wildblüten-Lachs an. Ein Gericht, bei dem man, so meine naive Vermutung, nicht viel verkehrt machen kann. Aber man kann durchaus. Statt krachenden Röstivergnügens gab es einen etwas labberigen Kartoffelpfannkuchen. Der Lachs wenigstens war fehlerfrei, aber auf den war es mir sowieso nicht angekommen.

Vom Hattinger "Gasthaus Weiß" ließ ich mir dann sechs Austern öffnen. Versöhnlich war daran vor allem, dass ich einen lebendigen Beistelltisch, bzw. Tellerhalter in Anbspruch nehmen konnte, dem, bzw. der hiermit mein vorzüglicher Dank gilt. Ausgesprochen wohlschmeckend war überdies der gebackene Ziegenkäsetaler mit Waldblütenhonig und gehackten Walnüssen auf Rucolasalat in Balsamico-Bärlauchdressing. Dieses Dressing hatte den einzigen Nachteil, den gesamten Teller sehr stark zu verölen.

Bei Herrn B. gab es abschließend noch westfälischen Schinken und eine Abschlussbuddel Champagner, bzw. ganz zum Schluß kam noch Johannes Deppisch von fränkischen Oldtimer- und Golf-Weingut gleichen Namens heran und gab eine Lage von seinem für Herrn B. gestalteten Josecco Rosé aus – ein Mix aus Schwarzriesling, Grau- und Weißbrugunder, mit gärungseigener Kohlensäure in Zell verperlt und unmittelbar ready to drink, denn ein kleiner Strohhalm ist bereits in der mit Schraubverschluss verschlossenen Flasche enthalten.

Notizen von der Champagerprobe: rund um die drei Jahreszeiten

Opener: Charles Heidsieck Mis en Cave 2000 en Magnum

Reims. Drittelmix. 1999er Basis mit 40% Reservewein, Dégorgement 2005.

Eines der letzten Werke von Daniel Thibault, der 2002 viel zu früh verstarb. Dégorgement demnach unter der Leitung seines Nachfolgers Regis Camus. Honig, Kaffee, Kakao, empyreumatische Noten. Fast schon zu seriös für das zwanglose warming up auf der sonnenbeschienenen Terasse mit Blick auf die Marksburg.

Kleine Vorspeisenauswahl, darunter Krabben-Espresso, geschmorte Champignons mit Salat von getrockneten Tomaten, Gurken-Kräutercrème mit Scampi. Vom seriösen, sehr gediegenen Charles Heidsieck konnte man zu der leichten Sommerkost nicht so viel erwarten, die beiden herbfrischen Champagner aus dem Starterflight passten da deutlich besser.

I.1 Tarlant, Brut Zéro

Oeuilly. Drittelmix. 2004er Basis mit fassgereiften Reserveweinen. Tirage im Mai 2005, Dégorgement im Juni 2007.

Erst eine Woche vorher hatte ich diesen jetzt wunderbar gereiften und langsam seinen Trinkhöhepunkt erreichenden Champagner im Glas und freute mich, ihn jetzt, bei knallender Sonne und unverbautem Blick auf Marksburg und Rhein erneut im Glas zu haben. Pure, griffige, unausgezehrte, natürlich-herbschöne Nacktheit.

I.2 Lamiable Extra Brut

Tours-sur-Marne Grand Cru. 60PN, 40CH. 5 g/l Dosagezucker.

Nicht ganz so nackt, sondern noch mit Strapsgürtel und Schleier angetan, zeigte sich Lamiable als Flightpartner wie eine etwas versautere Schwester des Zéro Brut. Das lag vor allem an der ausgeprägteren Saftigkeit, gross kaschiert war da nichts.

II.1 Robert Moncuit Blanc de Blancs Grand Cru Extra Brut

Le Mesnil. Dieser Champagner stammt aus den Grand Crus Oger und Le-Mesnil-sur-Oger, mit 4 g/l dosiert, 42 Monate Hefelager.

Sicher hätte ich auch Lamiable gegen Moncuit antreten lassen können, aber darauf kam es mir bei der Probenzusammenstellung nicht an. Moncuit war stattdessen der Auftakt für den Blanc-de-Blancs flight dieser Probe, die ich im wesentlichen um die Jahreszeitenchampagner von Pommery herum aufgebaut hatte, was immer wieder überraschende und lehrreiche Probenresultate liefert. Natürlich konnte der erste Champagner des flights nur ein karg dosierter Champagner sein, um nicht etwa nach dem Pommery, dessen Stilistik nunmal die eines großen Hauses ist, sauer zu wirken und einen gleitenden Übergang zu schaffen. Das gelang sehr gut. Noch mit Lamiables sündiger Aromenlast am Gaumen kam Moncuits reinigender Apfelspass, der alles verruchte von der Zunge spülte.

 

II.2 Pommery Summertime Blanc de Blancs

10 Crus, drei Jahre Hefelager.

Wie auf einer Süße-Leiter konnte deshalb der Pommery in der Probe aufsteigen und sich als Schlussstein eines Mikrovergleichs über zwei flights hinweg platzieren. Nach den extra brut dosierten Champagnern kam er mir etwas glitschig vor, präzise herausgearbeitete Aromen oder eine fokussierte Säure musste man vergeblich suchen. Wobei das ohnehin nicht die Stärken der Grande Marque Champagner sind, die Pommery ja repräsentieren und um die es hier verstärkt gehen sollte. So sah es denn auch die eine Hälfte der Runde und favorisierte den Pommery, während sich die andere Hälfte, mehrheitlich die Damen, über den Moncuit entzückte.

Lauwarmer Spargelsalat mit weißem und grünem Spargel vom Niederwerth war ein guter Einschub, denn es sollte mit einem Champagnertyp weitergehen, den man nicht einfach ansatzlos folgen lassen konnte. Zum Spargelsalat war klarer Favorit der Pommery, weil bei ihm keine Mésalliance zwischen Säure und Asparagin zu befürchten war, sondern eitel Sonnenschein.

III.1 Francoise Bedel, Dis, Vin Secret

Crouttes-sur-Marne. Biodynamisch. 2003er Basis, 86 PM 8 PN 6CH. 96% Stahltank, 4% Holzfassausbau.

Den 2003er Jahrgang konnte man ziemlich deutlich merken und am Tisch wurde die überreife, rosinige, mit Apfelchips, Bratapfel und Calvados angereicherte Aromatik teils sehr begrüßt, teils als viel zu alt und mürbe abgelehnt.

III.2 Pommery Wintertime Blanc de Noirs

75PN, 25PM u.a. aus den Grand Crus Aÿ, Bouzy, Mailly und Sillery. (90/100 Juhlin)

Anders als beim letzten Mal hatte der Wintertime nun gar keine Startschwierigkeiten, Madame Bedels weichhäutiger, etwas eunuchiger Champagner traf auf einen gut vorbereiteten, agilen Wintertime, der Röstnoten, roten Apfel, einige wenige Säurespritzer und allenfalls ganz leicht morbiden Charme eines reifen Playboys ausspielen konnte. Beide Champagner kamen mir wegen ihrer Konzentration und Süße wie gute, wenngleich sehr verschiedene Flightpartner vor.

Penne mit Kalbfleisch-Salbei-Röllchen in Cointreau waren als Zäsur beim Übergang von weiss auf rosé zur Stelle, obwohl für mich nicht zwingend erforderlich

IV.1 Pommery Springtime Rosé

Reims. 25CH, 60PN, 15PM, 30 Monate Hefelager.

Auffällig war bei diesem Rosé die sehr helle, zwiebelschalenfarbene Roséfärbung, die ihn neben dem Winzerrosé fast etwas alt aussehen ließ. Geschmacklich war er mit Rosinen, Feigen und Trockenfrüchten noch ganz in der Sphäre des Wintertime, konnte aber mit seiner demgegenüber leichteren Bauweise punkten.

IV.2 Maxime Blin Rosé

Winziges Weingut in Trigny, Massif St. Thierry. 100PN und Coteaux Champenois.

Kräftiges, rötliches Rosé, viel Kirschfrucht, Goji-Beere und eine leicht gerbstoffige Griffigkeit, die den kleinen Betrieb kennzeichnet. Geringfügig medizinal, was in diesem Zusammenhang – zum Salbei – sogar ganz gut passte.

V.1 Carré Guebels Premier Cru Vieilles Vignes avec ficelage traditionnelle

70CH, 30PN, 2003er Basis mit Reserve aus 2002. (** GH)

In Deutschland praktisch unbekannter Erzeuger, der sich in Frankreichs Fachpresse schon einige gute Bewertungen gesichert hat und dessen andere Champagner mir gut gefallen. Werde ich weiterhin im Auge behalten. Diese Cuvée von alten Reben ist sehr mineralisch, hat eine kühle Ausstrahlung und wirkt zunächst geschlossen und dicht wie ein Grantiblock. Mit Luft kommen Mandarinen, Nektarinen, Reineclauden und gelbe Johannisbeeren zum Vorschein, alles läuft bei diesem Champagner sehr geordnet und zeremonienartig streng ab. Champagner für Traditionalisten.

V.2 Leclerc-Briant Premier Cru Chèvres Pierreuses

Cumières Premier Cru. Einzellagenchampagner. 40PN, 40CH, 20PM. Biodynamisch.

Knallerwein. Auch hier kalter, nasser Stein als Grundton, dahinter ist auf Anhieb richtig viel Druck abrufbar. Im Gegensatz zum Carré-Guebels herrscht hier ein – positives – Geschmackschaos, alles schwirrt und fliegt durcheinander, flavour action painting am Gaumen.

Frische Erdbeeren mit Champagnerschaum, Minze und Amarettini, verbunden mit einer kleinen Pause, lenkten den Gaumen etwas ab

VI.1 Bernard Tornay Palais des Dames

Bouzy Grand Cru. 50PN, 50CH, 2004er Basisweine aus den Grand Crus Bouzy und Ambonnay. 10 g/l Dosagezucker.

Was mir bei Tornay immer gut gefällt, ist dieser stetige Haselnussgrundton, den man in seinen Champagnern immer wiederfindet. Das verleiht dem Stil einen leicht melancholischen touch, bei der Spitzenvuvée des Hauses auf eine sehr ansprechende Art verfeinert. Also nicht: depressive Stimmung einer alternden Diva, sondern bezaubernde Nachdenklichkeit einer Salonschönen.

VI.2 Pommery Millésime Grand Cru 2000

Trauben aus sieben Grand Crus. (86/100 Juhlin, 96/100 Wine Spectator)

Der passende Gigolo für unsere Salonschönheit wollte oder konnte sich nicht finden lassen, also musste adäquater Ersatz her. Pommerys 2000er Grand Cru, den ich frühzeitig belüftet hatte, übernahm den Job mit Bravour. Jede damenhafte Feinheit von Tornay konnte dieser Champagner mit einer geeigneten Geste erwidern, ohne dabei gestelzt zu wirken. Der feine Haselnussgrundton von Tornay wurde mit minimal stärkerer Röstung beantwortet, die am Gaumen langanhaltend schwebende, zart vibrierende Früchte-Blüten-Komposition von Tornay wurde von den festen Schritten des Pommery nie allein gelassen. Wiederum eine schöne Komposition und ein famoses Pärchen, die beiden.

In der Traube Tonbach

Zu Essen gab es in der Köhlerstube der Traube Tonbach 2008:

I. Kalbskopf und Pilze aus dem Nordschwarzwald,


II. Gebratenen Adlerfisch und glasierte Garnele auf Erbsenpüree mit Minze und Limonenextrakt,


III. Lammrücken von der schwäbischen Alb an milder Thymianjus, gerührtem Maisgrieß, Koriander-Popcorn und Zucchini,

IV. Pinkes Pampelmusen-Cassisgranité, Beerenkompott und prickelnden Champagnerschnee

dazu:

1. Franck Bonville Grand Cru Blanc de Blancs 2002

Mineralischer, kalkiger, sehr fokussierter, für den Jahrgang mit viel Kraft ausgestatteter Chardonnay ohne Fruchtfirlefanz, äußerstenfalls mit Eau-de-vie-, Calvados- oder Cognac-Anklängen. Zusammen mit dem Chartogne-Taillet war das die beste Kombination zum Kalbskopf, denn die Pilze brauchten unbedingt etwas kraftvolles, stämmiges zum gegenhalten, was ihnen die Cognac-Calvados-Anteile des Champagners sehr gut liefern konnten.

2. Bruno Paillard Réserve Privée Chardonnay, dég. Juli. 2007

Ein Crémant-Champagner mit sensationeller Mousse, trinkt sich wie Sprühsahne direkt aus der Dose, kehleneschmeichelnde vanillige Süße und balsamische Textur. Zum Fisch war der Champagner optimal und stach den Lanson um Haaresbreite aus. Der Vorteil liegt in der behutsamen Sahnigkeit des Champagners, der sich um den Fisch legt, als wollte er ihm die Meeresheimat ersetzen.

3. Chartogne Taillet Fiacre Tête de Cuvée 2000, 40% PN, 60% CH

Auch ein Crémant-Champagner praktisch komplett von alten bis sehr- oder gar uralten Reben (noch aus der Präphylloxerazeit) vom Massif St. Thierry. Weich, süß, weinig, burgundisch, etwas mürbe, aber noch nicht müde und wegen seines leicht erdigen Burgundertyps eine gute Wahl zum Kalbskopf mit den Pilzen.

4. Lanson Vintage 1988, 51% PN, 49% CH

Ausgesprochen dynamischer Champagner, Säure wie soeben erst dégorgiert, praktisch keine Alterstöne, viel viel Apfel, rundlicher Körper und lebhafte Gaumenattacke. Zum Lamm, das für champagner meistens eine große Herauzsforderung darstellt, war dieser Champagner der richtige. Reife, durchsetzungsstarke, dabei würdevolle Säure verhalf ihm zu einem starken Auftritt zusammen mit der ausgeprägt aromenstarken Beilagenkompisition. Zum Dessert gefielen Chartogne-Taillet und Lanson am besten, wobei ein Ratafia die besseren Dienste geleistet hätte.