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Tag Archives: raumland

Sekt vom Verband der traditionellen Flaschengärer

Nachdem die diesjährige ProWein-Champagnerprobe von Sascha Speicher den Blick für die Dosage beim Champagner noch einmal geschärft hatte, ging ich bei den traditionellen Flaschengärern auf die Suche nach weiterem Anschauungsmaterial. Hinter dem sperrigen Namen "Verband der traditionellen Flaschengärer" stecken einige der besten Namen der deutschen Schaumweinszene und dementsprechend spritziges Vergnügen. Nicht alle verkosteten Flaschen hatten nach dem Dégorgement genügend Zeit, die Dosage zu verdauen, einige sehr interessante Verkostungsergebnisse konnte ich trotzdem mitnehmen. Die nachfolgenden Notizen sind allerdings wegen der teils noch nicht ganz eingegliederten Dosage mehr denn je nur als ganz punktuelle Momentaufnahmen zu verstehen.

 

1. Raumland

a) Riesling, dég. November 2011

2008er Jahrgang, mit 11,3 g/l dosiert, bei Säure 9 g/l

Ich habe leider ganz vergessen zu fragen, ob der 2008er so wie der 2007er Riesling ganz ohne BSA in die Flasche ging. Auffällig ist nämlich die knackige, strahlklare Rieslingsäure zusammen mit viel weicher, reifer Aprikose. Die für Raumland eigentlich hohe Dosage fällt dankenswerter- und klugerweise überhaupt nicht auf, bei den später dégorgierten Flaschen wird sie wahrscheinlich aufgrund des längeren Hefelagers sowieso wieder sinken. Eine niedrigere Dosage wäre aber für diesen noch jungen Sekt problematisch geworden. Neben seiner Eigenschaft als vorbildlicher Rieslingsekt ist er also eine interessante Lektion für jene, die prinzipiell alles über 10 g/l als weichgespült ablehnen.

b) Marie-Luise Blanc de Noirs, dég. November 2011

2008er Jahrgang, PN mit 8,5 g/l dosiert, bei Säure 6,6 g/l

Frisch, jugendlich und schlank, ohne den von mir durchaus geschätzten Babyspeck, mit anderen Worten: mir im Moment ein Spur zu dünn. Muss mit der Zeit noch einige frauliche Kurven zulegen.

c) Katharina Blanc de Noirs, dég. Januar 2012

2006er Jahrgang, PN/PM mit 7,4 g/l dosiert, bei Säure 6,2 g/l

Vielleicht liegts am Meunier, vielleicht am längeren Hefelager, oder einer der vielen anderen Komponenten, die im Wein wirken; fest steht für mich, dass die Katharina mittlerweile einen ausgeprägteren Champagnercharakter als früher hat, mit gleichzeitig sektig-fröhlicher Frucht und ohne jeden störenden Brotton, dafür mit feiner Nuss und dezenter Pudrigkeit. Gefiel mir gegenüber letztem Jahr deutlich besser und ist einer der dringenden Kauftips aus dem Raumland-Portfolio.

d) Blanc de (Pinot) Blancs , dég. November 2011

2007er Jahrgang

Schon mit dem 2004er Weissburgunder war ich nicht ganz glücklich; die schlanke, mineralische, weißburgundisch-säureschwache Art machte mich auch beim 2007er nicht froh. Schuld daran ist aber nicht Volker Raumland, sondern meine gewandelte Einstellung gegenüber dem Weißburgunder als Schaumweintraube. Ich mag sie in dieser Form einfach nicht besonders, sei es im Sekt, sei es im Champagner oder in Schaumwein anderer Herkunft.

e) Blanc et Noir Brut Nature, dég. April 2011

50CH 50PN, mit 2 g/l RZ, bei Säure 6,3 g/l

Vor einem Jahr habe ich nach meiner Erinnerung erstmals die Cuvée Blanc et Noir getrunken und fand sie da als Einstieg in eine breit angelegte Champagnerprobe bestens geeignet. Nach angemessener Ruhezeit in der Flasche fand ich den Blanc et Noir diesmal wieder sehr gelungen. Saftig und rund, mit Honig, Nuss und Brioche, unter den bisherigen Sekten zusammen mit der Katharina der champagnerigste, überragt nur noch vom Triumvirat. Interessant dabei finde ich, dass Katharina, dieser hier und Triumvirat bei einem zwar vergleichsweise niedrigen aber identischem Säurewert von 6,2 g/l immerhin von 3, bzw. ganzen 5 g/l Dosagezucker getrennt werden.

f) V. Triumvirat 2005, dég. November 2011

PN/PM/CH, mit 5,5 g/l RZ, bei Säure 6,2 g/l

Seit dem I. Triumvirat 2001 verfolge ich die Triumvirate im Rahmen meiner bescheidenen Möglichkeiten durch die Jahre. Meine gesammelten Eindrücke sind positiv. Jedes Triumvirat ist bislang eine Steigerung gegenüber dem vorherigen gewesen und dabei ist schon das I. Triumvirat wie ein deus ex machina von oben in den deutschen Sektmarkt eingestiegen. Das V. Triumvirat ist voluminös, aber nicht fett, komplex und mit einer aus allen Rebeigenschaften der drei verwendeten Rebsorten zusammengewachsenen Aromenfülle: rote Früchte vom Pinot Noir, grüne und gelbe vom Meunier, etwas Apfel vom Chardonnay, Räucherspeck und Mineralität, dazu sanft mitschwingende Säure. Wahrscheinlich ist es die schönste Genugtuung für einen Kellermeister, wenn der Plan einer Cuvée so haargenau aufgeht, wie hier.

 

2. Reinecker

Im Jahr 1987 begann Herbert Reinecker mit der Herstellung seiner Auggener Spitzensekte. Handlese versteht sich dabei von selbst, die Trauben kommen unversehrt auf die Kelter und werden nach Lagen getrennt, teilweise in alten Eichenfässern, vinifiziert.

a) Riesling Brut

In Auggen ist der Riesling nicht gerade die tonangebende Rebsorte. Gerade für die Versektung dürften die wenigen dort wachsenden Rieslinge kaum je in Frage kommen. Bei Reinecker gibt es trotzdem Rieslingsekt, guten zumal. Rasse und Schwung sind nicht seine Stärke, er ist eher von gemütlicher, aber nicht behäbiger Art, mit viel eingelegter Aprikose und saftigem, vollreifem Pfirsich, etwas Bonbon ist noch dabei, bestimmt ein Resultat notwendiger kalter Gärführung.

b) Pinot Brut Blanc de Noirs

PN/PM

Für einen Pinotsekt aus den beiden Champagnerpinotrebsorten wirkt er eher leichtgewichtig; rund und gefällig, wie die meisten im Marnetal mit ähnlicher Rebsortenmischung hergestellten Champagner auch sind. Denen gegenüber fehlt es hier an Säure, Struktur und Gewicht, unter Sektgesichtspunkten ist der Blanc de Noirs von Reinecker bei den vollmundigeren Vertretern einzuordnen.

c) Baden Crémant Brut

SB/PB/CH

Vom Sauvignon-Blanc kommt wahrscheinlich der in diesem Sekt vorhandene Methoxypyrazinanteil, das Marienkäferaroma, bzw. die merkliche grüne Paprikanote. Mich stört das im Sekt regelmäßig, weil es ein herrschsüchtiges Aroma ist, neben dem sich andere kaum richtig entfalten können. Wenn die Rebsortenpartner wie hier Weißburgunder und Chardonnay heißen, ist von ihnen in der Jugendphase des Sekts außerdem kein bestimmender Aromenbeitrag zu erwarten. Wer sich damit nicht so schwertut wie ich, wird die grünlich-vergetabilen, aber nicht unreif wirkenden Aromaassoziationen des Sauvignon-Blanc als willkommene Bereicherung begrüßen, im Basiscrémant von Reinecker halten sich diese Noten zum Glück noch im Zaum. Säure zeigt sich nicht.

d) Chardonnay Brut

Druckvoll und klar, mit einer an unberabeiteten Marmor erinnernden Textur. Jetzt sicher zu jung.

e) Cuvée Classic Brut

50-60CH im kleinen Holzfass vergoren und ausgebaut, PN/PM, alle aus selektierten Lagen; 36 Monate Hefelager.

Mein Liebling aus dem Reinecker-Sortiment, jetzt offenbar mit neuem, leider nicht mehr so schön schlichtem Etikett. Spritzigkeit und Strukturiertheit schließen einander hier nicht aus, der Wein ist gelbfruchtig, mit exotischen Anklängen, dabei unverkitscht; eingerahmt von rotfruchtigen Aromen. Präzis den Zungenrand entlang geführt, engmaschig und mit einer sich in Form von gerösteter Brotrinde ankündigenden Empfehlung für feine Reife.

f) Rosé Brut

PN/CH und ein Schuß von nur 1-2% Rotwein

Helle Zwiebelschalenfarbe. Herb und kräftig, dabei erstaunlich säurearm, was ich eigentlich nicht besonders mag. Von seiner Art her erinnert er mich ganz entfernt an den Rosé von Giraud, der trotz seiner zarten Färbung so unerwartet herb ist. Was dem Reinecker-Rosé an merklicher Säure fehlt, gleicht er offenbar mit dem Tanninanteil aus dem Rotwein aus. Für mich zusammen mit dem für die Gegend untypischen Riesling auf einer Stufe direkt nach der Cuvée Classic.

 

3. Gebrüder Simon, Sektgut Ingo Simon

Die Gebrüder Simon sind seit der letzten Betriebsübergabe im Jahr 2004 das Firmendach für Familiensproß Ingo Simons 1993 gegründete Sektmanufaktur, die von der verdienstreichen Kiki Pfitzer aus dem Markgräfler Land unterstützt wird. Der Moselsekt von Gebr. Simons Sektgut Ingo Simon ist für um die 8,50 €/Fl. zu haben, wenn er denn mal zu haben ist. Zu haben ist er aber nicht immer, denn dass aus Lösnich guter Sekt kommt, ist weithin bekannt, der Betrieb deshalb jedes Jahr ausverkauft. Handrémuage und Handdégorgement sind hier noch üblich. Einen guten Namen hat der Betrieb sich auch als Lohnversekter erworben (Kunden sind u.a. so renommierte Güter wie Bergdolt, Minges und Franzen). Die verkosteten Sekte sind alle frisch, d.h. Anfang Februar dégorgiert.

a) Riesling Brut

Grundwein aus dem Ürziger Würzgarten und dem Erdener Treppchen, spontan vergoren und kurz im Fuder gelagert. Eisweindosage.

Quirliger und sehr beweglicher, sympathischer, schlanker, ephebenhafter Moselriesling mit reifer Frucht, Apfel, Hagebuttentee, Pampelmuse, lang nachklingendem Mineral und lippenleckender Säure.

b) Pinot Brut Blanc de Noirs

In der Nase etwas verhaltener als der Riesling, auch am Gaumen kein solcher Schnellstarter. Hellere Früchte als beim Riesling stellen sich paradoxerweise im Laufe der Verkostung ein und dann bildet sich zum Abschluss noch eine fast kristalline Salzigkeit heraus. Sehr behutsam gemachter Sekt, dem man mit Freude nachspüren kann.

c) Pinot Cuvée

PN, PM, PB, überwiegend aus Lösnicher und Erdener Steillagen. Kurze Zeit im Holz ausgebaut.

Allerlei apfelige Töne spielen hier eine tragende Rolle, dazu kommt eine wahrscheinlich von den roten Rebsorten herrührende Griffigkeit und Nachhaltigkeit, die einen andeutungsweise bierhefigen Nebenton nicht anklagend in die Ecke stellt, sondern als Ausläufer in das Gesamtbild einbezieht.

d) Riesling Brut

Erdener Treppchen, Lösnicher Försterlay, Kinheimer Rosenberg. Kurz im Fuder. Auslesedosage.

Bei diesem Sekt mag es die Gefahr allzu bonboniger Mostigkeit und vorgeblicher Rieslingfrucht in der Cuvée gegeben haben, zum Glück hat sie sich nicht realisiert. Der Sekt ist nur besonders süffig geraten, meiner Meinung nach sogar mit einem gewissen Archetypcharakter für den Moselrieslingsekt. Mein Favorit im Sortiment des Guts.

 

4. Sekthaus Solter

Der Grundwein für den Sekt von Solter kommt aus Rüdesheimer und Assmannshäuser Steillagen, aus Lorch, Geisenheim, Johannisberg, Hochheim und Winkel, teilweise kommen die Burgunderrebsorten auch vom Kaiserstuhl.

a) Riesling Sekt Brut

Riesling vom Berg Roseneck, 2007er Jahrgang, mit 11,9 g/l RZ , bei Säure 7,8 g/l

Üppiger Rheingauer Riesling, der vollmundige Sahnigkeit mit räucherigem Mineral paart. Bestimmte, aber nicht bestimmende Säure, passende Dosage; Rüdesheim hautnah.

b) Blanc de Blancs Brut

50% Grauburgunder vom Kaiserstuhl und 50% Weißburgunder, mit 2,1 g/l RZ, bei Säure 6,3 g/l

Nach dem schwungvollen Rieslingauftakt hatte es der weichere Burgundersekt schwer, sich durchzusetzen. Er zeichnete sich aber durch Beharrlichkeit aus. Sein niedriger Restzuckergehalt war da ganz hilfreich, die reifen, holzfassverfeinerten Grauburgundertöne und der schlanke Weißburgunder erwiesen sich als gut eingespieltes Team und ergeben zusammen einen runden, schmeichelnden Sekt.

c) Pinot Cuvée

2006er Bischoffinger Grundweine, 50% Spätburgunder 30% Weißburgunder 20% Grauburgunder, mit 4,1 g/l RZ, bei Säure 6,3 g/l

Ob er vom Fassausbau her so buttrig geraten ist, der BSA etwas lange gedauert hat, Oxidation ein Rolle spielt oder was nun die eigentlich Ursache für den Diacetylton in diesem Sekt ist, kann ich natürlich nicht aufklären; das ist sowieso nicht meine Aufgabe. Ich kann nur sagen, dass ich eine leichte Buttrigkeit ganz charmant finde, vor allem wenn sie mit Mandelmilch und einer zarten Kokossplitternase einhergeht, die allerdings tatsächlich vom Holz kommen dürfte. Sonst ist der Sekt mildfruchtig und von robuster Struktur.

d) Pinot Noir Rosé Lilly

Mazerationsrosé mit Pinot Noirs aus dem Rheingau und vom Kaiserstuhl, mit 10,3 g/l RZ, bei Säure 7,5 g/l

Spritziger, frecher Oeuil de Perdrix. Acerola, Rhabarber, Himbeere. Eine Säure fast schon auf Rieslingniveau, die eine entsprechende Dosage erfordert. Mit 10,3 g/l ist der Sekt gut eingestellt und fit nicht nur für die anstehenden Erdbeergelage, sondern auch für Ziegenfrischkäse und längere Flaschenreife.

 

5. Winterling

In Niederkirchen nächst Deidesheim sind die Winterlinge auf ca. 10 ha zu Hause. Seit 1982 besteht das Wein- und Sektgut. Seit 2008 wird ökologischer Weinbau betrieben. Riesling, Spätburgunder, Weißburgunder und Chardonnay werden von Hand gelesen, unversehrt gepresst und vinifziert, bei der Flaschengärung bleiben die Weine möglichst lang auf der Hefe. Der Riesling erhält eine Dosage zwischen 11-12 g/l, die anderen verkosteten Sekte liegen bei 8-9 g/l.

a) Riesling Brut Ruppertsberger Reiterpfad 2010

Vornehmer Pfalzriesling, ein echter Lagensekt, wie man ihn aus dem Rheingau von Schloss Vaux oder Solter, an der Mosel mit vergleichbarer Typizität bei den Flaschengärkollegen von Simon bekommt. Quitte, Boskoop, Kombava, festgewirkt, stoffig, gut.

b) Blanc de Blancs Brut 2010

100CH

Nicht so angetan war ich von dem etwas langweiligen Chardonnay. Hauptsächlich Apfel, ein Touch Nelke, ganz leicht stechender Pfeffer, mit der lebhaften Säure ein durchaus aparter Mix, aber im Moment leider nicht viel mehr als das. Vielleicht ist der Sekt auch noch zu jung, schließlich hat er gerade mal zwölf Monate in der Flasche zugebracht. Spätere Dégorgements oder mehr Flaschenreife müssten die jugendliche Unzulänglichkeit dann ausgleichen.

c) Pinot Rosé Brut 2010

Assemblagerosé.

"The lipstick on his collar/doesn't seem to match mine" – Caro Emerald hat genau diesen Pinot Rosé in Amsterdam kennengelernt, seither ist er ihr fester Begleiter, richtigerweise als Magnum. Zumindest die Farbe in ihrem Glas ist also genau die richtige. Die Probleme des 2010er BdB sind dem Rosé fremd. So vollweibhaft, köperlich und gegenwärtig wie die Musik von Caro Emerald und so gekonnt wie ihr Mix aus Swing, Mambo und Jenesaisquoi ist der dazu passende Rosé von Winterling, kein Wunder also, dass die Sängerin begeistert von diesem Sekt ist. Im Glas ist er vor allem von einer sämigen Erdbeerfruchtigkeit. Der Sekt kommt außerdem ohne die sich häufig ungefragt dazugesellenden Schokoladenaromen aus und wirkt dadurch besonders pur. Auch an weinigem Subkontext mangelt es ihm nicht, das hebt ihn über die Gruppe der no-brainer Rosés hinaus.

d) La Coulée d'Or Brut 2007

Drittelmix wie in der Champagne, Klone und Beratung beziehen die Winterlinge aus Frankreich. Genauer: aus der Champagne. Von Goutorbe in Ay, um ganz genau zu sein. Champagnerfreunde sind vielleicht mit den Champagnern von Henri Goutorbe vertraut oder kennen die Familie wegen der Terres et Vins de Champagne Verkostungen im Castel Jeanson von Goutorbe. Fassgärung und -ausbau des Coulée d'Or finden in alten Fässern von Rousseau aus dem Burgund statt, gefolgt von 36 Monaten Hefelager. Das ergibt kräftigen Sekt mit Winzerchampagnercharakter und burgundischem Naturell. Hauchweise Cognac, feste Säure, Volumen und Kraft. Gebrannte Mandeln, Torrone, Nougat, Walnuss, Zwetschgenröster. Für 12,50 €/Fl. unbedingt kaufen!

 

6. Sektgut St. Laurentiushof Klaus Herres

Der langjährige Lieferant des Bundespräsidenten und des schwedischen Königshauses ist in Leiwen, der Partnergemeinde von Le-Mesnil zu Hause. Das verpflichtet. Erste Erfahrungen mit der Schaumweinbereitung hat Klaus Herres im Chardonnay-Epizentrum deshalb direkt in der Champagne gesammelt. Im heimischen Keller durchlief seine eigene Schaumweinbereitung 300 Jahre Champagnergeschichte im Schnelldurchlauf, insbesondere den ärgerlichen Teil mit den explodierenden Flaschen. Seit Anfang der Neunziger ist das Sektgut in der Spitze der deutschen Flaschengärer verankert.

a) Crémant Extra brut 2009, dég. Ende Februar 2012

PN/CH/R, mit 4 g/l dosiert.

Keinerlei Integrationsprobleme mit der kürzlich erfolgten niedrigen, daher insoweit unproblematischen Dosage. Unabhängig davon ist der Crémant Extra Brut ein luftbedürftiger, sehr kultivierter Sekt mit zitrusfruchtiger Nase, reichem Blumenduft, crèmigem Mundgefühl und klarem Abgang.

b) Crémant Brut 2009

PN/CH/R, mit 8,9 g/l dosiert.

Dem Extra Brut sehr ähnlich, aber gefälliger, süffiger. Abzüge nimmt der Crémant Brut gegenüber dem extra Brut bei Dichte und Mineralität vor, dafür gibt es Zugewinn im Fruchtspektrum.

c) Riesling Brut 2008

Mit 12,7 g/l dosiert.

Hier zeichnet sich der Riesling so klar ab, wie Schamteile unterm Wicked Weasel Bikini. Dazu kommt betäubendes Blumenparfum, Aprikose, Pfirsich und eine beginnende Reifenote. Die Säure hält sich in Grenzen.

d) Riesling Brut 2009

Frischer, frecher, schlanker, rutschiger als der 2008er Riesling, mit nicht ganz so viel ausgeprägter Aprikosenspalte und mir daher eine Spur lieber, ja ich muss sogar sagen, das ist mein Lieblingslaurentiussekt.

e) Chardonnay Brut 2009

mit 11,9 g/l dosiert.

Rund und gelbfruchtig, vom Quittenmus bis zum gelben Paprikaconfit ist alles dabei, Apfel spielt keine so große Rolle, Säure auch nicht.

f) St. Laurent Blanc de Noirs Brut 2008

Sehr hell ist dieser St. Laurent Blanc de Noirs geraten, die bloße Farbe verrät hier nocht nichts über die Rebsorte. Die Nase auch nicht. Im Mund ist der Sekt sehr weich, fast flaumig, quasi säurelos und mir kommt er ziemlich lahm vor.

g) Cuvée Nadine Spätburgunder Rosé Brut 2009

Mit 10,2 g/l dosiert.

Der Spätburgunder Rosé ist nach einer niedlichen Eröffnung mit Milchbrötchen und Schokoraspeln zunehmend kräftig und bildet einen Strudel herbstlicher, kräuteriger Aromen um die im Zentrum stehende verwegen wirkende Erdbeere, die sich nach geschmorter Rehkeule sehnt. Kostet gerade mal 11,50 €/Fl.

 

7. Sektkellerei Martinushof

Niederkirchen ist ein gutes Sektpflaster. Familie Reinhardt fertigt dort seit 2001 Schaumwein, nachdem der Sekt ab 1991/92 zunächst nur für den Ausschank auf der eigenen Hochzeit hergestellt wurde, sich dann aber immer mehr zum Zugpferd entwickelte und schließlich den Umzug in den Martinushof erforderte. Eine Hefelager von mindestens zwölf Monaten haben die hier hergestellten Sekte, produziert werden sie mit Gerätschaften aus der Champagne. Medaillen und Prämierungsbapperl kommen nicht auf die Flaschen, obwohl reichlich Auszeichnungen vorhanden sind. Die Preise liegen größtenteils unter 10,00 €/Fl.

a) Riesling Extra Brut 2010

Pfälzer Signatur, wie mit dem Stempel prägen sich Apfel, Pfirsich und Mango auf die Zunge.

b) Riesling Brut 2010

Der Zucker holt aus dem Riesling noch Stachelbeere und gelbe Johannisbeere heraus, die Unterschiede zwischen beiden sind so fein nuanciert, dass ich keinem von beiden den Vorzug geben könnte. Der Brut ist aber aus mir nicht erfindlichen Grund mit 8,30 €/Fl. um 0,50 € günstiger als der Extra Brut.

c) Crémant Brut 2010

100PN

Rund, weich und finessereich, mit einer delikaten Burgundersäure und zartem Schmelz; leider lässt sich die Säure nach nur kurzem Gefecht von der etwas mächtigeren Fruchtigkeit an den Rand drängen. Das macht den Crémant zwar süffig, aber ein ganz kleines bisschen mutigere Säure hätte ihm mehr Spannung verliehen.

d) Chardonnay Brut 2009

Mir zu süß und verwaschen.

e) Pinot Rosé Brut 2010

75PN 25PM

Auch dieser an sich schöne Marnetalmix leidet meiner Meinung nach unter zu viel Zucker. Mehr als rotes Bonbon konnte ich nicht wahrnehmen.

f) Sauvignon Blanc Brut Nature 2010

Gras, Kräuter, grüne Paprika, auf den ersten blinden Schluck ein richtig guter Neuseeländer. Harte, aber nicht aggressive Säure, die nach der ersten Mundattacke den saftigen Charakter besonders kontrastreich wirken lässt.  

Black & White Probe: Blanc de Blancs und Blanc de Noirs

I.1 Victor Clicquot 1959 Extra Brut
Altersangemessene dunkle Goldfärbung, lamgsam aufsteigende, vereinzelte Perlage, kein Cordon; intensive, grobkörnige Honignase, oxidative Töne. Im Mund wieder grobkörniger alter Honig, milde, etwas flache Säure, die immerhin mitellang ausklingt und die spärliche, aber für einen doch schon beachtlich alten Champagner aus exzellentem Jahr und kleinem Haus beachtliche Aromatik gut trägt. Eine kleine Überraschung, die Flasche hätte auch mit 55 ./. 45 umgekippt sein können. Schöner Start in die Probe.

I.2 Raumland, I. Triumvirat 2001, mittleres hellgelbgold, langsame, ordentliche Perlage, sehr feine Nase mit Aromen von Zitrusbonbons, Stachelbeeren und Apfelkompott, im Mund derselbe Eindruck, zusammen mit einer zugunsten deutlicher Mineralik etwas schmal geratenen Säure, mittellang, aber durchweg homogen und feinziseliert; erkennbar kein Champagner. Nach dem überraschend schweren und guterhaltenen Victor Clicquot sicher nicht ganz einfach, zu bestehen, aber immerhin auch ein guter Auftakt.

I.3 Schramsberg BdB 1998, ziemlich helles Äußeres, hübsche Perlage im ganzen Glas, sehr sauberer Cordon, erkennbar kein Champagner; rotbeerige Nase, buttrig abgefedert. Trinkt sich sehr bequem, fast einfach, insgesamt eher säurearm, "europäische" Stilistik (mein unbelegter Eindruck), ich hatte in meiner Not auf Chenin Blanc getippt. Mittellang, milde, sollte man mal getrunken haben. Ebenfalls ein sehr schöner Starter und der erste BdB, somit ein optimaler Übergang.

II.1 Philippe Gonet (Le-Mesnil) BdB GC NV, festes Gold, saubere Perlage, ordentlicher Cordon, dynamisches Auftreten, appetitanregende apfelige Nase, die zwischendurch etwas ins staubige, vielleicht salzig-jodige neigt. Im Mund wieder Apfeltarte, vanillig begleitet, für Le-Mesnil ungewohnt milde Säure, wieder etwas salzig/jodig, letztlich ein bequem trinkbarer BdB.

II..2 Soutiran (Ambonnay) BdN GC NV, unauffällige Farbe, äußerlich kaum Unterschied zum BdB. Die Nase eher zurückhaltend, dabei ziemlich geschmeidig, entwickelt mit der Zeit herb-nussige Töne, dasselbe im Mund, hier etwas voller als der BdB von Gonet. Gleichfalls wenig Säure, mittellang, mit Zuckerschwänzchen, das aber ziemlich allein übrigbleibt und deshalb eigentlich nicht nötig gewesen wäre.

III.1 A.R. Lenoble BdN 1998, reichlich Perlage und schöner Cordon, sattes Gold, brotige, röstige Nase mit eine Hauch geschmolzener Butter und ganz wenig Honig. Erdige Töne kommen mit der Zeit dazu, im Mund dann ansprechende, noch nicht wachrüttelnde, aber ziemlich deutlich spürbare Säure mit leicht gerbender Wirkung. Trocken-erdiger Abgang mit etwas wenig Frucht. Wurde ziemlich schnell als Jahrgangschampagner erkannt.

III.2 Paul Michel BdB GC 1999, helleres Gelbgold, typische Perlage und Cordon. Unter einer etwas dumpf-sauerkrautigen Nase kommt der gewohnte frische Apfel mit Limette zum Vorschein, von den Caipirinhanoten der ersten Zeit ist jetzt -nach ca. 2 Jahren- nicht mehr so viel spürbar. Auch hier wurde der Champagner schnell als Jahrgangschampagner erkannt. Beibehalten hat dieser Champagner seine Luftnot, d.h. seine Eigenschaft, erst mit reichlich Luft zu sich zu kommen. In Mund und Nase zeigen sich erst relativ spät Limette und Grapefruit, Mandarine und Orange in einer würzig-pikanten Kombination, von Sauerkraut keine Spur mehr. Sollte man im Auge behalten.

IV.1 De Venoge (Epernay) BdN, ordentliches Äußeres, sanftes, etwas fahles Gold, weinige, pinottypische satte, saftige Nase, etwas fleischig. Im Mund rund, angenehme Säure, mittellang, wieder deutlich weiniger, beeriger Charakter, kann sich noch zum besseren entwickeln. Insgesamt eine brauchbare Leistung von einem Haus, das nun hoffentlich in ruhigere Fahrwasser (BCC) gekommen ist.

IV.2 Robert Charlemagne (Le-Mesnil) BdB GC 1998, unauffälliges, typisches Äußeres, helles Chardonnaygelbgold mit grünlich glänzenden Reflexen. Spritziger, frischer Eindruck mit Gummibärchennase, Birne, später eher reifer Apfel. Im Mund erneut spritzig, stramme Säure, dafür etwas zu einfache Fruchtnote, vielleicht noch zu früh getrunken. Insgesamt etwas zu zurückhaltend.

V.1 Diebolt-Vallois, Fleur de Passion 2000, typisches Champagneräußeres, deutlich erkennbares Chardonnaygelbgold mit auffällig prägnanter, blitzeblanker und tiptopsauberer Nase, urtümliche Apfelsorte von der Streuobstwiese mit prickelnder, aufmunternder, mitreißender Säure und saftiger Bissigkeit. Noch zu jung, Anfänge sich bildender Geschmackskomplexität und des typischen Passionsfruchtdufts sind überall spürbar, aber eben noch nicht ausgebildet. Leider habe ich keine 99er mehr, die wäre sicher noch etwas interessanter gewesen.

VI.1 Soutiran (Ambonnay) Rosé 100% Pinot Noir, saftiges blutorangenrot, ansprechend fruchtige Nase mit Schokolade und reifen Erdbeeren, erinnert an deutsche Spätburgunder. Im Mund neben den schokoladigen Aromen ein dauernder Wandel von Erdbeere über gequetschte, vollreife Himbeeren zu Kirsche und zurück, saftig, lecker, gut. Für kleines Geld ein angenehmer, wenn auch nicht zu allem passender Rosé älterer Machart.

VI.2 Taittinger Comtes de Champagne Rosé 1997, 100% Pinot Noir, helles kupferrot, zurückhaltend, etwas stinkig, darunter liegen aber sehr verführerische rote Beerenfrüchte, geröstete Brotrinde und ein Hauch von Zitrus umweht das Ganze. Es erscheint mühsam, auf diese Aromen zu achten, wünschenwert wäre eine deutlichere Ausprägung gewesen. Buttrige Noten erschwerten übrigens eine bessere Zuordnung der Aromen. Dennoch sehr gut zu trinken, wenn man sich etwas Zeit und Aufmerksamkeit nimmt, den Primäraromen nachzuspüren; für Freunde gereiften Champagners erst in ein bis zwei Jahren zu empfehlen.

Privat Essen bei Essen-Privat

2010 schwer im Trend: Guerilla-Restaurants. Überall schießen sie angeblich wie Pilze aus dem Boden, aber wie bei den kleinen Eukaryonten ist es auch mit den Restaurants: Pfifferlinge und Steinpilze findet man leider nicht so oft. Umso schöner, dass der Essener Stadtteil Frohnhausen mit Essen-Privat einen solchen Edelpilz vorzuweisen hat. Ein Besuch bei Achim und Conny Lichte lohnt sich immer, am besten mit munterer Truppe. Vorabeindrücke gibt es unter www.essen-privat.de.

Wir hatten uns folgendes Menu zur Schaumparty ausgesucht:

Als opener gab es "Fraenzi" Rotling secco von Castell, sehr fruchtig, von fast leichtsinniger Süße, die nach Erdbeer-Sahne Bonbons von Campino schmeckte, harmonierte aber gut mit dem Amuse:

I. Amuse Gueule: Spinathäppchen, Gravad Lax, Ketakaviar und Crème,

dazu Cava, "A Posteriori" Rosé, Brut (7,5 g/l) von Colet aus dem Penedes, Merlot, ca. 15 Monate Flaschenlager, 11,5% vol. alc.

Wirkte zum Amuse flacher und karger als der Fraenzi, als standalone zeichnete sich em-eukal-Kirsche ab, das war's. Man merkt's: nicht sehr beeindruckend und ziemlich cavauntypisch.

II. Möhren-Chili-Ingwersuppe mit Flusskrebsschwänzen,

dazu Crémant Brut von Ponsot aus Gevrey-Chambertin, dagegen Yarden Brut, Blanc de Blancs Jahrgang 2000, koscher, von den Golan-Höhen, Israel

Der Burgunder fast rosé in der Farbe, anfangs mit überreichlich Schwefelgestank und erst im Mund schmeichelnd-fruchtig, passte sich gut der Suppe an und vertrug sich besser damit als der chardonnayuntypisch schmeckende Yarden, der trocken, fast sandig schmeckte und erst nach etwa einer Stunde und später noch, allerdings nur mit einem gewissen Exotenbonus Trinkfreude bereitete.

III. Wildkräutersalat mit gebratener Wachtelbrust und gebackenem Ziegenkäse, Nuss-Himbeervinaigrette,

dazu Cava Artesa, Katalonien, "Bocchoris" Brut Nature Reserva aus Xarel.lo, Macabeo, Parellada, dagegen Colet Assemblage Extra Brut, 55% Pinot-Noir, 45% Chardonnay, 36 Monate Hefelager, 90 Parkerpunkte (also Jay Miller Punkte)

Der Bocchoris war geschmacklich dicht am Fraenzi, scheinbar sehr kühl vergoren, mit viel viel Bonbon, Gummibärchen und überhaupt eher Aromen aus der Kindheit als aus dem Geschmacksleben eines Erwachsenen, dafür mit angenehmem Druck ausgestattet und leidlich passend zur Vinaigrette. Der Assemblage dagegen als rechtes Dickschiff etwas klobig, sparsame Aromen und keine zum Salat passende Wendigkeit. Auch mit der Wachtel und dem Käse tat sich der Assemblage schwer. Noch nichtmal allein konnte er so recht überzeugen. Vielleicht fehlte da die nötige Flaschenreife, der wein wirkte jedenfalls allzu verschlossen.

IV. Dorade Royal, Hummer und Jakobsmuschel mit Sepialinguine,

dazu Schloss Vaux Rosé Brut, Pinot Meunier/Portugieser, dagegen Langlois Château Rosé aus Chenin Blanc, Chardonnay + Cabernet Franc

Der Vaux mit einer behenden Leichtigkeit, die Freude bereitet, leider auch mit einem etwas konventionellen, langweiligen Aromenspektrum und muffiger, ältlicher Frucht zum Ende hin. Der Langlois dagegen mit mehr Grandeur, lebhafter Säure und zupackender Art, ein Freund von Cabernet Franc im Schaumwein werde ich aber bis auf weiteres trotzdem nicht. Beide machten sich gut zum Meeregestier, wollten aber allein nicht so recht schmecken.

V. Perlhuhnbrust im Speckmantel, Risoléekartoffeln, Pfirsichsauce,

dazu Schloss Sommerhausen Riesling Brut 1997, dagegen Raumland Weissburgunder Brut 1997

Der Schloss Sommerhausen 97 ist nach wie vor einer meiner erklärten Lieblinge, 2004 degorgiert schmekt er ausgesprochen frisch, glänzt mit attraktiver Säure, einem für Brut-Rieslinge verschwenderisch anmutendem Aromenreichtum, hält sich aber noch im Rahmen einer unverspielten, ernstzunehmenden Stilistik und schmeckt keineswegs nach Robby Bubble o.ä. Der Raumland leider etwas schwächlich daneben, angefirnte Note, merklich gealtert, aber nicht kaputt oder fehlerhaft, sondern gut geeignet für Freunde des kräftigen Schäumers mit herben Aromen; immer noch genügend power, um mit Speckmantel und Pfirsich eine ménage à trois einzugehen.

VI. Tiramisu und Waldbeeren,

dazu Rives-Blanques, Blanquette de Limoux aus 90% Mauzac, 10% Chenin Blanc + Chardonnay, dagegen Marcus Stein, Kinheimer Sekt vom Moselschiefer aus 90% Weissburgunder und 10% Riesling + Müller-Thurgau

Der Blanquette muffig, bäuerlich, herb, klobig und säurearm, ein milder Ausgleiter für den Abend, vom Tiramisu aber erstaunlicherweise nicht überfahren, sondern, wohl weil er ziemlich dickfellig ist, in ganz aparter Weise als sparringspartner aufgenommen, verhielt sich sehr gut zu den Beeren (speziell Himbeere und Blanquette sind eine viel schönere Kombination, als das Cliché Erdbeere und Champagner). Der Stein-Sekt mit würziger Säure und gleichsam das Messer, das durch die Tiramisu glitt, weniger harmonisch mit den Beeren, dafür gut als Fettabbauhilfe und Geschmeidigkeitsverleiher, im übrigen auch keine unedle Kombination mit dem Espresso, aber alles in allem kein überragender Sekt.

Junglas/Knoll: Das große Buch vom Sekt

Das große Buch vom Sekt

Wolfgang Junglas, Rudolf Knoll

Societäts-Verlag, 2008

152 Seiten, leinengebunden mit Schutzumschlag

€ 24,90

ISBN: 978-3-7973-1098

Das wertig ausgestatte Buch erweckt auf Anhieb gar nicht den Eindruck, als sei es das große Buch vom Sekt. Sicher, die impressionistische Umschlagabbildung mit den ausgelassenen Schaumweinschlürfern wirkt animierend, stellt einen historischen Bezug her und lässt Ambition ebenso ahnen, wie der Titel. Aber auf gerade einmal 150 Seiten? Nun, um es kurz zu machen: es ist ein gutes Buch vom Sekt und es trägt den Besonderheiten des Markts Rechnung.

Ein obligatorischer Geschichtsabriss vorweg, die drei großen Sekthersteller als Starter und an dieser Stelle fällt bereits auf, dass das Buch zwar einiges über Verkaufszahlen und Sekt-Geschichte(n) nebst ansprechenden Photographien preisgibt, aber leider nur wenige Verkostungsnotizen. Es mag ja durchaus sein, dass die Sekte der zu Henkell & Co. gehörigen Kurpfalz Sektkellerei Speyer vor Ort gut eingeführt sind, ob es aber auch Beweisanzeichen für besondere oder zumindest nennenswerte Güte dieser Produkte gibt, ist für den außerpfälzischen Leser ohne direkten Zugriff auf diese Sekte gleichwohl nicht uninteressant. Die Autoren werden sich ja der Verkostung nicht entzogen haben, wie die Zeilen zum Fürst von Metternich zeigen, aber gerade wenn man sich mit dem Phänomen der im Supermarkt verkauften Sekte auseinandersetzt, sollte man seine Leser etwas an der Probenarbeit teilhaben lassen.

Es folgen in alphabetischer Reihe die kleineren, feinen Produzenten, regionale Sektkellereien und Winzersekte, bevor ein Sektlexikon den Abschluss macht. Sehr erfreulich ist dabei, dass zu Beginn eines jeden Kapitels gleichsam ein Obersatz vorangestellt wird, der erklärt, welches die Kriterien für die Aufnahme eines Erzeugers in eben dieses und nicht ein anderes Kapitel sind. Über die konkrete Einordnungmag man streiten, die Methode an sich ist gut.

Neben den – eigentlich in der Vergangenheit mit höherer Berechtigung als heute – vielbeschriebenen Wundertieren von Andres & Mugler (Pfalz) finden sich so exzellente Erzeuger wie Norbert Bardong (Rheingau – der Geisenheimer Schlossgarten, spät degorgiert, kann regelrecht traumhaft sein, wenn er nicht zu viel Schwefel abbekommen hat) und die Sektmanufaktur Lergenmüller aus der Pfalz (deren Stärke nicht nur beim Rotwein liegt, sondern, nach intensiver Erforschung des Sprudelns nicht nur der Champagne, durchaus und gerade beim vollmundigen, speiseaffinen Sekt). Natürlich fehlen Menger-Krug und Ohlig genauso wenig, wie die jeweils recht unterschiedlichen Raumland, Reinecker, Schloss Vaux, Schloss Wackerbarth oder der Wilhelmshof. Jeder Erzeuger wird mit ein paar salongastgeberhaften Worten vorgestellt und es entsteht flott der Eindruck, dass Autoren und Erzeuger einander persönlich und zum Teil schon lange kennen. Dem Lesespass kommt das zugute; auch das Gefühl, die Informationen gleichsam wie bei einem Kamingespräch mit dem Winzer selbst zu erlangen, fördert den Eindruck, hier den richtigen Griff getan zu haben.

Die regionalen Sektkellereien prunken nicht mit Namen, die sich Sektliebhaber mit dem Hinweis zuflüstern, einen absoluten Wahnsinnserzeuger ausfindig gemacht zu haben, aber es wird solider Mittelstand geboten. Mehr dürfte auch kaum möglich sein. Affaltrach, Bernard-Massard, Brogsitter und Herr von Canal geben sich unter anderem die Ehre, die älteste badische Sektkellerei Schweickert kann ebenfalls aufwarten und wird richtigerweise wohlwollend besprochen.

Der vielleicht spannendste, individuellste Teil des Buchs ist dann der mit den Winzersekten. Dass das Kapitel mit der Winzergenossenschaft Alde Gott beginnt, ist nicht recht einzusehen, aber im Gegenzug findet sich der Spitzensekt des Weinguts Georg Breuer ebenso wieder, wie das sprudelnde Dorsheimer Goldloch von Diel. Schade ist indes, dass der ausgezeichnete Forster Pechstein Brut vom Reichsrat von Buhl im Buch nicht aufzufinden ist. Ebenfalls reizvoll wäre es für den Leser gewesen, etwas mehr über den Nobling-Sekt der WG Britzingen zu erfahren. Das Weingut Heid aus Fellbach hat die lobende Erwähnung sicher verdient, die immer wieder eingeflochtenen Verweise auf die für sich betrachtet ja keineswegs schlechte Zeitschrift Vinum sind hingegen meiner Ansicht nach entbehrlich. Klar, dass das Weingut Kirsten aus Klüsserath nicht fehlt; ich bedauere aber aus- und nachdrücklich, dass die überragenden Sekte von Schloss Sommerhausen (etwa der nach 6 – 7 Jahren degorgierte Riesling Brut) ganz und gar nicht besprochen werden, da hilft auch die sehr kurze Besprechung des Weinguts Köwerich nicht weiter. Im Übrigen sind natürlich auch die Battenfeld-Spanier, Ratzenberger, Rebholz und Geheimrat J. Wegeler enthalten, schmerzlich vermisst werden hingegen Sekte von Produzenten wie Alfons Stoffel aus Leiwen oder vom Obermenniger Weingut Rausch.

Das grosse Buch vom Sekt hat also erstaunlich viel zu bieten. Große Namen, in persönlichen Gesprächen gesammeltes Hintergrundwissen und einen angenehm lesbaren Schreibstil. Schwächen sehe ich beim Herausarbeiten der Eigenschaften einzelner Sekte, auch fehlen technische Werte, die über die Rebsortenzusammensetzung hinausgehen, fast völlig. Echte Geheimtips finden sich eigentlich nicht und auch mancher bekannte und in der Trinkpraxis bewährte Name hätte sicher noch hineingepasst. Um also dem Anspruch eines großen Buchs vom Sekt gerecht zu werden, müsste noch einiges nachgefüttert werden. Das Konzept, vielleicht um ein paar Werbeaussagen erleichtert, gefällt aber. Es ist deshalb ein gutes Buch vom Sekt.

Spitzenrieslinge

Preise sind ca.-angaben und können je nach händler variieren

Fritz haag

2007er riesling trocken: melone, getrocknete, kandierte früchte, poolfeeling – 8,50 eur

1998er brauneberger juffer sonnenuhr auslese goldkapsel: kein petrol in der nase, dafür im mund die volle ladung. Wirkt etwas zergliedert, machst noch spass, sollte aber jetzt getrunken werden – k.a.

josef rosch

2007er trittenheimer apotheke spätl: etwas medizinal, dichtgewirkte aromatik, wirkt wie der winzer selbst, knorrig, eigenwillig, geradlinig – 12,50 eur

2007er trittenheimer apotheke auslese ***: aufregende nase voller südfrüchte, orange, khaki, grapefruit, vermischt mit trockenkräutern; voller, bemerkenswerter wein – 27 eur 0,5l

van volxem

2007er kanzemer altenberg erstes gewächs alte reben: zienlich eleganter wein, bei ausgesprochen stattlicher positur – 29 eur

2007er kanzemer altenberg erstes gewächs auslese: dick, buttrig, musig, fast pampig, fordernder wein zum kauen 22 eur 0,375l

2005er scharzhofberger: grosser riesling mit etwas – nicht unappetitlicher – flüchtiger säure/klebstoffnase – k.a.

egon müller

1995er wiltinger braune kupp spätlese: vorbildlicher, jugendfrischer riesling mit zarter firne – k.a.

forstmeister geltz-zilliken

2005er saarburger rausch auslese lange goldkapsel: orangenconfit, agrumes, puffreis, perfekte balance von süsse und säure, ausgesprochen langer, nachfedernder abgang – 64 eur 0,375l

schloss lieser

2007er brauneberger juffer sonnenuhr auslese goldkapsel: vom ersten tropfen sofort die volle präsenz, vollmundig, lang und bei üppiger sauberer und kerngesunder säure ein sehr eleganter riesling – 28 eur

2007er lieser niederberger helden auslese lange goldkapsel: nahezu perfekt. Ein bisschen wie die symphonie nr. 8 von franz schubert, kündigt sich leise aber mit dem sonoren klang der tiefen streicher getragen, mit feinstem pizzicato an und schwappt sich dann hoch zum melodiösen triumph, variiert das thema und hat den namen unvollendet eigentlich nicht verdient. Fast schon dramatisch günstig! – 32 eur

1997er lieser niederbereger heldenauslese lange goldkapsel: elegant und finessereich, von spritzigen zitrusaromen getragene Firne, der kann noch! – k.a.

Heymann-löwenstein

2007er uhlen roth lay erstes gewächs auslese goldkapsel: tipptopper wein, von traumhafter ausgewogenheit, mit viel druck am gaumen, echtes goldstück – 39 eur 0,375l

2000er schieferterrassen trockenbeerenauslese: kolossaler wein, wie buttergetränktes, leich angebackenes weissbrot mit ganz eigenwilliger mineralität und prunkender zwischen jugendlicher frucht und beginnender reife noch etwas unentschiedener aromatik – k.a.

clemens busch

2007er pündericher marienburg erstes gewächs spätlese goldkapsel: allerfeinstes gewebe, schwebend leicht und gleichzeitig vollwertig lecker mit rassigem, dynamischm vorwärtsdrang, in den schlund nämlich – 23 eur

2007er pündericher marienburg erstes gewächs auslese goldkapsel: leichte klebstoffnote, schlank, florettfechten wie zu besten olympiazeiten – 28 eur 0,375l

1999er pündericher marienburg auslese ***: ohne alterstöne, zarte klebstoffnase, klare frucht, drahtig, agil, schön – k.a.

2007er pündericher marienburg beerenauslese goldkapsel: klebstoffig, vollmundig, mollig, ultraklarer blütenhonig – k.a.

schäfer-fröhlich

2001er bockenauer felseneck spätlese: ganz leicht käsige nase, im übrigen ein beeindruckender wein, der wie gemeisselt im glas steht und rasiermesserscharf ist – k.a.

joh. Bapt. Schäfer

2007er dorsheimer pittermännchen spätlese: leichter süssholzton, elegant, klar, sauber schlank und für das geld mit einer der besten rieslinge, die ich kenne – 13,90 eur

peter-jakob kühn

2007er st. nikolaus drei trauben: verspielt anmutende, dropsige aber nicht infantile art, komplexe zitrusfruchtkomposition und saftgummibärchen – 24,60 eur

raumland

jahrgänge in klammern stehen so nicht auf dem etikett

(2007er) riesling brut: schöner sekt ohne bsa, als frühes degorgement (12/2008!) noch mit 12g dosiert und damit ziemlich gut getroffen, frucht schön herausgearbeitet aber nicht zugepampt, später sicher noch wesentlich interessanter und dann auch mit nur noch 8-9g dosiert – 11 eur

(2004er) marie-louise blanc de noirs (pinot-noir), für seine 7g dosage sehr charmanter, süffiger, saftiger wein, eine sehr ansprechende, griffige junge frau – 12 eur

(2006er) katharina blanc de noirs (pinot-noir, pinot meunier), 8g dosage mit huxelrebe beerenauslese aus dem barrique, leider etwas säureschwach, dafür reichlich frucht – 12 eur

2004er weissburgunder prestige brut, mit 8g dosiert, sonst einer meiner favoriten, wirkte leider wässrig – 16 eur

2004 iv. Triumvirat brut, 4-5g dosage, cuvée aus pinot-noir, chardonnay und pinot meunier in geringer werdenden anteilen, brotig, jung, feine säure, komplexe aromatik mit potential. Die dosage wirkt momentan gut gelungen, mal sehen, wie das mit zunehmender reife aussieht – 29,90 eur

ökonomierat rebholz

2004er pi-no brut gold: von den 20% chardonnay merkt man nix, amylischer aber nicht einseitiger, junger sekt, der eine beachtliche zukunft haben wird und schon jetzt gut schmeckt – 22 eur