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Tag Archives: rosé

ProWein-Champagner: Nachlese Teil I

I. Pol-Roger

Begrüßt vom freundlichen und gut gelaunten Laurent d'Harcourt ging es direkt medias in res. Der White Foil und sein junger Bruder Pure, beide als Drittelmix cuvéetiert waren die Starter. Nach einer Übergangsphase, in der sich der White Foil immer eine Spur zu süss präsentiert hat, ist mittlerweile scheinbar alles wieder im Lot. Der White Foil ist geschmacklich zur gediegenen Pinot-Eleganz eines racinggrünen Jaguar XJ6 zurückgekehrt. Der Pure hingegen ist eine Einladung an die Freunde englischer Sportwagentradition aus dem Hause Austin Healey, deren Zulademöglichkeiten bekanntlich sowieso nur auf ein Picknickgepäck in Form von zwei Flaschen Champagner nebst Gläsern beschränkt sind. Der 2000er Jahrgang bleibt mit seinem haustypischen 60% Pinotanteil im Glied, was nicht minder für seine sonstigen Eigenschaften gilt, womit ich ausdrücklich nicht sagen will, dass er stärker als andere Champagner aphrodisisch wirkt. Aber ein Landlord, der seinen volljährigen Sohn in das angesehenste Bordell der Hauptstadt mitnimmt, wird schwerlich auf einen Champagner dieses Schlages verzichten wollen. Seine Frau hingegen dürfte es sich, wenn sie nicht gerade zum Gin oder zur Gärtnerei neigt, derweil mit dem Gärtner und einer Flasche vom 2000er Rosé des ehrwürdigen Champagnerhauses bequem machen. Weil der nichts für reine Frauenkränzchen ist, sondern mit seinem Pinotgrundton auch Männer anspricht – und nicht nur die liebestollen. Eine völlig andere Geschichte ist der 99er Blanc de Blancs von Pol-Roger. Dieser Champagner, der früher nur als "Brut Chardonnay" verkauft wurde, ist so etwas wie der heimliche Star in der an sich schon illustren Kollektion. Man merkt's am Preis, aber vor allem am Geschmack und das am besten, wenn er reif ist. Der 99er war noch nicht reif, aber er war schon gut, obwohl er noch nicht Anlass zu der Hoffnung gibt, dass er die Höhen eines 88ers oder 89ers erreichen wird. Viel mehr Grund zur Freude und zum häufigen Anstaunen im perfekten Natursteinkeller haben Champagnerfreunde mit der Cuvée Sir Winston Churchill 1998. Die ist nicht so extrem wie 96, 90 oder 88, was ihr auch gar nicht stünde. Einen klassischen, guten, lange auf hohem Niveau haltbaren Winston dürfen wir meiner Meinung nach im 98er erblicken.


II. Jacquesson

Der stille Gigant aus Dizy musste natürlich mal wieder unter die Lupe genommen werden. Als Stéphane Gass von der Traube Tonbach und Gerhard Eichelmann an den kleinen Stand kamen, war der schmale Gang vollends verstopft und das Verkosten wurde zum Balanceakt. Gut, wenn man die Cuvées des Hauses schon ein bisschen kennt. Die Cuvée No. 734 erwies sich als so zuverlässig wie ein U-Bootsdiesel, was mich nicht wunderte. Ich bin nämlich offensichtlich nicht alleine mit dem Eindruck, dass diese immer nur geringfügig variierte Cuvée von Ausgabe zu Ausgabe besser wird. Über die anderen Champagner des Hauses werde ich eine gesonderte Notiz verfassen, weil ich beim nächsten Besuch in der Champagne bei den technischen Werten etwas nachfassen will.


III. Bruno Paillard

Wie jedes Jahr war Bruno Paillard mit einem viel zu kleinen Stand auf der ProWein, der überhaupt nicht die Bedeutung des Hauses in der Champagnerwelt abbildet. Der Standardbrut besteht zu 22% aus Pinot Meunier, 33% aus Chardonnay und 45% aus Pinot-Noir. Das ergibt ein leichtes Pinotübergewicht, dem der Holzfassausbau noch entgegenkommt. Paillards Kellermeister Robuchon arbeitet als Ausgleich mit einem Reserveweinanteil, der locker um die 40% liegen kann und bringt den dreißig Grundweinen seiner Cuvée damit die nötige Frische. Was nämlich manche gar nicht wissen: Reservewein ist nicht gleichbedeutend mit altem, kaputtem, oxidiertem Bodensatz aus leckgeschlagenen Fässern, sondern kann in vielen Fällen ein Frischekick für Cuvées aus säureschwachen Jahren (wie zuletzt 1997, 1999 und 2003) sein. Bei der stets sehr schön anzusehenden Rosécuvée scheint das leider nicht immer so gut zu gelingen, mir erscheint sie gelegentlich zu schwer, blütenbeladen, gar alkoholisch. Schuld sind dann die rot gekelterten Pinots aus den Toplagen des Hauses in Verzenay, Bouzy, Mailly und Les Riceys. Obwohl Monsieur Robuchon diese Weine manchmal sogar nur rosé ablaufen lässt, entfalten sie für meinen Geschmack einfach zu viel Wucht. Der Blanc de Blancs wiederum ist ein kleiner Leckerbissen mit nur ca. 4,5 bar Flaschendruck und wenig Reservewein. So kommt er zu einer besonders sahnigen Schaumkonsistenz, von der man leider nur dann etwas mitbekommt, wenn das Glas, die Temperatur und alle Umweltbedingungen tiptop sind. Ist das nicht der Fall, kann man immerhin eine vorbildliche Mineralität, einladende Apfelnoten und Mandelsplitter registrieren. Der 99er Jahrgang besteht zu 29% aus Pinot Meunier, 29% Chardonnay und 42% Pinot Noir. Damit handelt es sich von den Anlagen her um einen auf dem klassischen Standardbrut aufbauenden Champagner, nicht um eine Spezialcuvée. Diesem Irrtum kann man schnell unterliegen, wenn man auf die Künstleretiketten reinfällt, die seit dem 1981er (Gründungsjahr des Hauses!) den Jahrgangschampagner von Bruno Paillard schmücken. Die Künstlernamen sagen mir leider nichts, umso mehr dafür der Champagner. Reif, etwas frisch, aber säurearm und wahrscheinlich kein Langläufer. Im Moment jedenfalls gut zu trinken, mit seiner warmherzigen Fruchtigkeit und nur geringen Mineralität.


IV. Drappier

Im Messetrubel blieb nicht viel Zeit für mehr als für ein kurzes Händeschütteln mit Michel Drappier, wobei mir klar wurde, dass ich ihn bei nächster Gelegenheit in Urville aufzusuchen haben werde. Zu oft habe ich ihn nun mal hier, mal da, aber eben nicht in seinem eigenen Wirkungsbereich angetroffen, dabei sind seine Champagner so einprägsam, charaktervoll und sympathisch wie er selbst. Sein Blanc de Noirs Brut Nature folgt nicht der allgemeinen Mode, trotzdem liegt er gut am Gaumen an. Wir haben es hier entgegen der abschreckend wirkenden Etikettenangaben "Blanc de Noirs – Brut Nature" nicht mit einem Spezialistenchampagner zu tun, der nur ganz seltsamen Weinvögeln Freudentränen in die Augen jagt. Ungewöhnlich saftig und überhaupt nicht ausgetrocknet wirkt dieser Brut Nature. Ein Kunststück, das zu vollbringen vielen Trittbrettfahrern entlarvend schwer fällt. Ganz weich und schmeichelhaft war der Charles de Gaulle. Dieses Jahr ist zufällig das Charles de Gaulle Jahr schlechthin: vor 120 Jahren wurde der Panzergeneral geboren, vor 70 Jahren richtete er seinen berühmten Appell an die Franzosen und vor 40 Jahren verstarb er in Colombey-les-Deux-Églises, nur wenige Kilometer vom Sitz seines Lieblingswinzers Drappier entfernt. Die Hommagecuvée ist friedliebend, weich, ganz säurearm und von großer Typizität für die warme Aubegegend. Der Rosé, dessen ehemalige Bezeichnung sich von der Lage Val des Démoiselles ableitete, zog andere Saiten auf. Das Saignée-Fräulein war aufreizend schnippisch und etwas frech, nicht die Spur anstrengend, auch kein bisschen wabbelig oder von überhitztem Gemüt. Gravitätischer war hingegen die Grande Sendrée Blanc 2002, ein Ausnahmewein in dieser Preisklasse, obwohl ich ihn auch schon besser getrunken habe. Ich glaube nicht, dass dieser schöne Jahrgang bereits seinem Ende entgegenschreitet, er dürfte vielmehr langsam abtauchen und sich auf die Wandlung vorbereiten, die mit jedem neuen Reifestadium einhergeht. Ich freue mich schon auf ein Wiedersehen in ein, zwei Jahren.


V. Bauget-Jouette

Die Halle war praktisch leer, nur Monsieur Bauget war noch tapfer am Stand und erklärte die Hausphilosophie. Die ist auf Kontinuität ausgerichtet, so dass Jahrgänge selten sind, was man vor allem an der Prestigecuvée bemerken kann, die dem Multi-Vintage Konzept von Krug und Laurent-Perrier folgt. Angenehm frisch, mit 60% Chardonnay und gut 30% Meunier ausgestattet, trat die Carte Blanche auf. Äpfel, Reineclauden und ein Duft nach frischgewaschener Bettwäsche, gefolgt von einem eher süssen, gefälligen Mundeindruck, den ein Säurehaken am Ende vor dem Abgleiten ins Kitschige rettet. Enger und härter war der Extra Brut. Optimal wäre für meinen Geschmack ein geringfügig abgespeckter Carte Blanche oder ein etwas aufgehübschter Extra Brut. Der Assemblage-Rosé in der hübschen Rosenmusterflasche besteht aus 55% Chardonnay und 25% Pinot Meunier, der Rest ist Pinot Noir. In der transparenten Flasche sieht das natürlich schick aus und schmeckt sogar noch besser. Trotz des hohen Stillweinanteils bleibt der Champagner elegant, feinfruchtig und sehr verführerisch, was für die hohe Qualität des Chardonnays spricht. Der musste sich als Blanc de Blancs 2004 auch noch in Reinkultur zeigen und schnitt nicht ganz so gut ab. Die Anlagen waren zwar komplett vorhanden, aber nie bis ins letzte ausgebaut. Etwas mehr Kompromisslosigkeit würde ich mir von Bauget-Jouette wünschen, dann bekäme auch der BdB meinen ganzen Segen. Zum Schluss war die Cuvée Jouette dran, eine jahrgangslose Cuvée du Fondateur. Hälftig aus Chardonnay und Pinot Noir vinifiziert, wird dieser Champagner im pompösen Geschenkkarton präsentiert. Ebenso pompös schmeckt er dann tatsächlich. Crèmig und mundfüllend, fast ein wenig holzig, mit einer Andeutung von Al Capone's Cognac-Dipped Cigars.


VI. Henriot

Monsieur Huray stellte mit adäquater Begeisterung in der Esprit-Arena die Champagner von Henriot aus. Von der Irritation, die Stanislas Henriot mit seinem überraschenden Rücktritt von der Geschäftsführung ausgelöst hatte, war nichts zu merken. Erklärungen dazu gab es ebensowenig. Dabei wäre es sehr interessant gewesen zu erfahren, was an der Spitze dieses bedeutenden Hauses vor sich geht. Joseph Henriot, der lange die Geschicke von Veuve Clicquot geleitet hatte, übergab 1999 seinem Sohn Stanislas die Zügel seines eigenen expandierenden Champagnerhauses – zu Henriot gehört außerdem der Chablis-Spezialist William Fèvre und das Burgunderhaus Bouchard Père et Fils. Vom Genuss des klassisch-herben Brut Souverain konnte mich das alles nicht abhalten. Mir kam der Champagner zunächst verhalten und etwas wässrig vor, mit Luft füllte er diese Lücken später noch gut aus, wie Zaubertinte erschien aus dem Nichts ein filigranes Flechtwerk aus spröder Mineralität und viskoser Zitronigkeit. Der Blanc de Blancs heisst bei Henriot Pur Chardonnay und stammt von den großen Weinbergen der Champagne, darunter Chouilly, Avize, Le Mesnil und Vertus. Weniger als 5 mg/l freies SO2, 4,9 g/l Säure und pH 3,14 finden sich in diesem knackigen Stöffchen, das zum besinnungslosen Trinken schneller verführt, als einem recht sein kann. Ähnliche Machart zeigte der 98er Vintage. 51% Pinot Noir, 49% Chardonnay, alles wieder aus sehr guten bis exzellenten Lagen, 4,9 g/l Säure, bei einem pH-Wert von 2,95 kündigten ein gegenüber dem Chardonnay erhöhtes Marschtempo an und hielten es durch.


VII. Bollinger

Am Bollinger-Stand ein Plätzchen zu finden, ist nicht leicht, dennoch hat es dieses Jahr wieder geklappt – wegen Termindrucks konnte ich mir leider nicht die aktuellen Ayala-Champagner zu Gemüte führen. Zur Special Cuvée notiere ich fast immer nur noch semper idem und seit es den jahrgangslosen Rosé von Bollinger gibt, verdient er sowieso das größere Maß an Aufmerksamkeit. Denn noch kann man zu diesem Champagner wenig sagen. Außer vielleicht, dass er gut schmeckt. Aber langsam: bevor ich eine neue Cuvée nicht über die ersten Reifestadien hinweg beobachtet habe, fällt mir die Einordnung immer schwer. 62% Pinot Noir, 24% Chardonnay, 14% Meunier, 5% still vinifizierter Pinot Noir aus der Côte aux Enfants, eine Dosage von 10 g/l, 4,1 g/l Gesamtsäure helfen als technische Werte nur bedingt weiter. Deutlich ist, dass die pinotige Cuvée wegen des niedrigen Säurewerts und ihres Dosagezuckers nicht gerade als Leichtbauchampagner geplant gewesen sein kann. Das entspricht voll und ganz dem Bollinger-Stil. Überraschend ist, dass der Champagner nicht annähernd so fleischig und schwer wirkt, wie die Konstruktion vermuten lassen könnte. Im Gegenteil, nur die delikatesten, zartesten Pinots scheinen Eingang in den Rosé gefunden zu haben. Insofern ist absehbar, dass die weitere Beobachtung dieses Champagners kein allzu hässliches Geschäft sein wird. Man könnte Bollinger zur gelungene Grande Année 2000 beglückwünschen. Meiner Meinung nach wäre das zu kurz gesprungen. Denn Bollinger hat schon mit den Grande Années 1997 und 1999 gegen alle jahrgangsbedingten Schwierigkeiten Champagner herausgebracht, die Lob verdienen. Unter den dreien ist der 2000er Primus. Nicht nur, dass er über die den beiden anderen ebenfalls eigene Eingängigkeit verfügt, er ist darüber hinaus ein Champagner, der einer etwas längeren Zukunft und Reifefähigkeit entgegenblicken dürfte. Überragend, selbst für Feinde des Roséchampagners, war die Grande Année Rosé 2002. Fein, aber wirklich sowas von fein, dass ich die Lobeshymne der Revue du Vin de France gut verstehen kann- dort erhielt die 2002er Grande Année volle 20/20 Punkte. Wer sich jetzt noch nicht mit dem Stoff eingedeckt hat, sollte zügigst zur Tat schreiten, sonst lassen uns Franzosen, Briten und Japaner nichts mehr davon übrig.


VIII. Nicolas Feuillatte

Pierre Hartweg strahlte am Tag der Verabschiedung von Frau de Keyser eine Engelsruhe aus und schenkte auch im härtesten Getümmel geduldig aus. Los ging es mit dem Brut Extrem', einem Champagner, der seinen sprechenden Namen wie kaum ein zweiter verdient hat. Gegenüber dem noch vor kurzem getrunkenen Vorgänger, einem 96er Blanc de Blancs, war der jetzt unter dem Etikett Brut Extrem' verkaufte Champagner einerseits von seiner Grundanlage her viel zahmer, andererseits konnte man die Verwandtschafte anhand der aggressiven Grundstimmung gut nachvollziehen. Ich denke, der jetzige Brut Extrem' wird nicht so lange brauchen, wie sein Vorgänger, um trinkbar zu werden und ich weiss nicht, ob er dann ebensoviel Spass machen wird. Zum polarisieren ist er natürlich schon jetzt ideal. Blanc de Blancs Grand Cru und Blanc de Noirs Grand Cru sind keine Lagenchampagner mehr, dadurch haben sie leider ein wenig von ihrem guten Potential eingebüsst. Jetzt nur noch solide. Sehr gern hatte ich die Cuvée 225 Blanc Vintage 1999 im Glas, ein Holzfasschampagner nach der Art, wie große Häuser sie gern machen. Üppig, weinig, in der Welt zu Hause und zur Zeit sehr ausgewogen zu trinken. Auf eine augenzwinkernde Art charmant wirkt der Champagner wegen seiner doch eher krachledernen, in einen feinen Loden gehüllten Herkunft. Getoppt wurde das Vergnügen von einer überaus starken Cuvée 225 Rosé Vintage 2002. Die war wesentlich brachialer, als die Jahrgangscousine von Bollinger und konnte in puncto Eleganz sicher nicht mithalten. Das dürfte aber auch nicht im Sinne des Erfinders sein, die Cuvée 225 Rosé ist vielmehr in einem engen Bezug zu ihrem Bruder, dem 99er Holzhackerbuam zu sehen. Dralle, authentische Erotik wie beim Trachtenstrip in der noblen Starnberger Bauernstube vom Allgeier-Sepp. Züchtig und etwas unterkühlt wirkte neben dieser prallen Lebensfreude die Palmes d'Or Blanc 2000. Dennoch sollte man diesen Champagner nicht unterschätzen. Im letzten Jahr hat mir eine 96er Palmes d'Or en Magnum gezeigt, wie mächtig dieser Champagner mit Flaschenreife aufdrehen kann. Bei diesem Champagner bin ich sehr vorsichtig, was meine Prognosen betrifft, denn die letzten Jahrgänge dieser Cuvée zeigten sich höchst unterschiedlich bis unberechenbar. Leider etwas zu kalt kam die entzückende Palmes d'Or Rosé 2002 ins Glas, die Mischung erinnerte an den süßen Duft von Freesie und Nachtkerze, mit Temperatur und Luft kam die ganze unvermeidliche Beerenbande dazu. Im Mund schien mir der Champagner zuerst, ich vermute temperaturbedingt, flach und wässrig, auch etwas klebrig, dann entwickelte sich eine griffigere, den Gaumen schon stärker fordernde Weinigkeit, die den Champagner auf Jahre hinaus bewegungsvoll und entwicklungsfreudig erscheinen lässt.


Die Preisträger des Concours Générale Agricole

Die Ergebnisse des Concours Générale Agricole 2010 sind da. Die Wettbewerbsbedingungen der erstmals 1870 durchgeführten Prämierung stehen unter der Kontrolle des französischen Landwirtschaftsministeriums. An die 2000 Degustateure aus Weinwirtschaft, Gastronomie und privatem Interesse sind an der Prämierung beteiligt. Die Medaillenvergabe liegt mit einer Quote von 23% nicht so hoch, wie bei ähnlichen Wettbewerben, 8% erhalten im Durchschnitt Gold. Das ist noch weit von einer inflationären Preisvergabe entfernt, was zum Ansehen des Wettbewerbs beiträgt.

Unter den Jahrgangslosen haben dieses Mal Gold bekommen:

– Colin aus Vertus, mit seiner Cuvée Alliance, der Blanc de Blancs wurde noch mit Silber honoriert
– Fallet Dart aus Charly-sur-Marne, mit der Cuvée Grande Sélection und für den Rosé ebenfalls Gold
– Bernard Naudé, auch aus Charly und zusätzlich mit einer Bronzemedaille geehrt
– Leredde aus Crouttes-sur-Marne, mit seiner Cuvée Carte Blanche, sowie im Rosébereich noch einmal mit Gold
– René Collet aus Fontaine-Denis-Nusy, mit der Cuvée Empreinte de Terroir
– Beaumont des Crayères aus Mardeuil, mit ihrer Grande Réserve

 

Bei den Blanc de Blancs:

– Chassenay d'Arce aus Ville-sur-Arce setzten sich mit ihrem Blanc de Blancs 2002 durch und bekamen für ihren Rosé Bronze
– Doquet-Jeanmaire aus Vertus konnte mit seinem Blanc de Blancs 2002 überzeugen
– Guy Larmandier ebenfalls aus Vertus überraschte nicht mit seiner Cuvée Cramant Grand Cru
– Agrapart aus Avize brachte die Cuvée Terroirs mit Gold ins Ziel

 

Im Bereich der Demi-Secs

stahl

– Jacques Beaufort aus Ambonnay allen anderen die Schau, indem er mit Lot 97Pdeg und Lot 04Pdeg sowie Lot 98Adeg zweimal Gold und einmal Silber abräumte

 

Die Jahrgangschampagner sahen einige Cooperatives ganz vorne,

– Coopérative Vinicole de Colombé le Sec nahm Gold für ihren Charles Clément Millésime 2002 mit
– Coopérative de Fleury-la-Rivière setzte mit Erfolg auf Champagne F.P. Arnoult Millésime 2004
– Vazart-Coquart aus Chouilly erhielten für die Cuvée Grand Bouquet Millésime 2005 Gold
– Philippe Fourrier aus Baroville darf sich über Gold für seine Cuvée Millésime 2004 freuen
– Michel Furdyna, wieder aus Celles-sur-Ource, konnte für seinen Prestige Millésime 2002 Gold mitnehmen

 

Der Rosé

– Fallet-Dart hatten ja schon beim Jahrgangslosen Gold kassiert, hier dann nochmal
– Le Brun de Neuville aus Bethon auch mit Gold für den Rosé
– Leredde ebenfalls mit Doppelgold
– Gaec le Hordon aus Bouzy mit Champagne Maurice Vesselle Rosé gülden

 

Pannier aus Château-Thierry kam mit der Egerie Rosé auf Bronze, konnte sich aber noch mit dem 2004er Mill. eine Silbermedaille sichern. Beim Rosé des Riceys gab es kein Gold und nur einmal Silber für SCEA Val du Cel – Guy de Forez aus, natürlich, Les Riceys.

Zu den vollständigen Wettbewerbsergbnissen geht es hier.

Menu im Berceaux

A. Die Speisenfolge

 

I. Tartar vom Räucherlachs mit Lachsconfit und pikanter Jakobsmuschel

II. Taubengalantine und Foie Gras mit Salatbouquet

III. Barschfilet mit Trüffelbutter

IV. Rinderfilet Rossini

V. Geeistes Pralinensoufflé mit Schokosplittern

VI. Schokolierte Clementinenfilets

 

B. Die Champagner

 

I. Damien Hugot, Epernay, Brut Rosé

Sommelier David Mangeat überraschte mit diesem Erzeuger. Von der bonbonigen Seite kam die Frucht, mit Mandelmus und Butter unterlegt war das Gerüst. Milde Röstaromen und eine wenig merkliche Säure machten den Champagner zum Favoriten in Verbindung mit dem Lachstartar.

II. Pierre Mignon, Le Breuil, Brut Rosé

Der Erzeuger in Le Breuil – dort ist auch Meunier-Spezialist Jean Moutardier zu Hause – hat zwei Rosés. Dieser hier besteht zu 70% aus Meunier, der Rest ist jeweils hälftig Chardonnay und Pinot Noir. Im Unterschied zu seinem Prestige-Rosé ist dieser ein Assemblage-Rosé, was der Sache natürlich grundsätzlich keinen Abbruch tut. In der Nase nicht besonders stark, Beeren, etwas alkoholisch. Am Gaumen setzt sofort ein crèmiger, sahniger Vollmilchschaum an, wie man ihn sich auf dem Kaffee wünscht. Tanningestützte Säure, die als Begleitung zum Dessert ausscheidet, jedoch die Taubengalantine und speziell das Salatbouquet buchstäblich gut einrahmt.

III. Testulat, Epernay, Brut Rosé

Jeweils 50% Pinot-Noir und Pinot Meunier, mit einem Rotweinanteil aus Pinot-Noir. Kein Champagner, der mich begeistern konnte, da er mir etwas uninspiriert vorkam. Der passte mit seiner beliebig-fruchtigen Art zu fast allem; das Lachstartar war etwas schwierig, weil sich der Lachs seltsam nackt in den Vordergrund gestellt sah, zur Taubengalantine schmeckte er wieder ganz gut und bildete einen dezenten Hintergrund. Die Trüffelbutter zum Barsch passte sehr gut zu den minimal erdigen Komponenten des Champagners und dessen Frucht war sowieso völlig unkritisch; zum Filet Rossini tat er sich dann wieder etwas schwer, was ich ihm aber gar nicht so übelnehmen kann. Denn was mir hier nicht gefiel, war die passive Art, mit der er das Filet begleitete – das wiederum ist vielfach genau das, was der Gast zu so einem Gericht wünscht, nur ich eben nicht.

IV. Louis Casters, Damery, Brut Rosé

Von 8 ha in Damery erzeugt das Haus, bzw. Häuschen seine Champagner. Der Rosé entsteht aus Assemblage, Pinot-Noir, Pinot Meunier und Chardonnay sind zu je einem Drittel enthalten. Mir kam der Rosé etwas einfach vor, so wie die ordentlichen, etwas bäuerlichen Rosés aus dem Marnetal gerne sind. Es ist von allem etwas da, aber es fehlt der letzte Schliff. Dem Testulat insofern nicht unähnlich.

V. G. Tribaut, Hautvillers, Brut Rosé Réserve

80% Chardonnay und 20% Pinot-Noir von 12 ha im Premier Cru Hautvillers, da, wo die berühmte Abtei steht. Handgemacht, insbesondere handgerüttelt ist alles bei G. Tribaut – deren Rosé mir deutlich besser gefällt, als der vom größeren Namensvetter Tribaut-Schloesser. Frisch, schlank, mit einer belebenden Säure und gemütlichem Pinot-Noir, vielleicht nicht der einfallsreichste Rosé, aber ein guter Kontrapunkt zum Filet Rossini, weil er genau das Gegengewicht mitbrachte, das mir beim Testulat noch gefehlt hatte.

VI. R & L Legras, Blanc de Blancs

Dieses bekannte Haus aus Chouilly ist vor allem deshalb bekannt, weil seine Chardonnays so zuverlässig gut sind. Anders als bei den Chardonnays aus dem Süden der Côte des Blancs kommen hier neben den apfeligen besonders die gelbfruchtigen, exotischen Komponenten besser und quasi vom Start weg zur Geltung, die geringe Dosage und die sehr positive Flaschenreifung wirken als zusätzliche Boni. Das macht sie natürlich zu beliebten Partnern der Sternegastronomie. Mir gefiel der BdB am besten zum Pralinensoufflé, mit den Clementinenfilets ging es noch gerade so, die Fruchtsäuren wollten sich aber nicht wirklich vertragen.

VII. Louis Casters, Cuvée Eugène

Überwiegend Grand Cru, davon 70% Chardonnay aus der Côte des Blancs und jeweils 15% Pinot-Noir und Pinot Meunier. Hier zeigt der Erzeuger, was er kann. Mit dickem B bläst er die Backen auf: Brot, Brioche, Bratapfel – und piekst dann mit der Säurenadel rein. Das bringt den Ballon nicht zum platzen, sondern lässt ihn wieder auf ein mundfreundlicheres Mass zurückschrumpfen, wo sich alsbald die beiden Pinots bemerkbar machen. Erst undeutlich, dann immer kräftiger, aber bis zum Schluss vom dominanten Chardonnay gezügelt, treten Grapefruit und Johannisbeeraromen an. Zum Pralinensoufflé und zu den Clemetinen gleichermassen gut, mit dem Rinderfilet etwas vordergründig und zu herrschsüchtig. Dafür zu den Fischen und zur Taube eine wünschenswerte Kombination.

Besuch bei Tarlant

Tarlant

 

Ein kurzer Besuch bei Benoit Tarlant war wieder mal jede Minute wert. Die erst vor wenigen Jahren angeschaffte Coquard-Presse mit 6000 kg Fassungsvermögen versieht nach wie vor in nur 1,5 Minuten ihren Dienst, was gegenüber der alten Pneumatikpresse mit ihren 15 Minuten eine wesentlich Verbesserung darstellt. Nicht nur die Pressdurchgänge sind viel einfacher und sauberer, auch die Vinifikation nach Einzellagen ist einfacher, denn die Presse muss im Gegensatz zum Vorgängermodell nicht proppenvoll sein. So lassen sich auch kleine Teilstücke gesondert vinifizieren und müssen nicht in Cuvées verschwinden. Für einen experimentierlustigen Winzer ist das natürlich prima.

 

Grundweine 2009

 

I. Pinot Meunier, 1. und 2. Pressung des ersten Pressgangs aus der Lage Haut de Four Chaux, Tankgärung

Nicht nur in der Pfalz gibt es Kalköfen, auch in der Champagne heissen die Lagen manchmal so. Dieser Meunier war noch ziemlich frisch, hefig-bananig, mit einer milden Säure. Zu leicht für einen eigenständigen Champagner, aber ein guter Cuvée-Partner für den Brut Zéro, sicher auch als Reservewein noch zu gebrauchen.

 

II. Selbe Lage, nächste Pressung, wieder Tankgärung

Rundlicher, mit einer abgeflachten Säure, da war fast gar kein Profil mehr übrig.

 

III. Pinot Meunier aus der Lage Echaudé, Tankgärung

Ein schlanker, spritziger Meunier mit wenig Frucht und mittelmäßiger Säure. Strukturiert – ja, haltgebend – nein.

 

IV. Aus einer Reihe von Chardonnays, die biodynamisch behandelt werden, gab es einen Grundwein, der am Stock noch unter Mehltau gelitten hatte; Tankausbau.

Sofort macht sich Apfel bemerkbar, der Grundwein ist gegenüber den Meuniers körperreicher, voluminöser, aber nicht sehr säurestark.

 

V. Pinot Meunier von 35 Jahre alten Reben, Fassausbau

Diese Reben stehen zusammen mit ein paar Pinot-Noirs von der Mitte des Bergs bis nach oben hin, zwischen Boursault und Oeuilly, dort wo der Kalk mit Tonerde durchsetzt ist. Das zehn Jahre alte Fass gab dem Wein eine sehr milde Holznote, die bei einem pH-Wert von 2,95 und ca. 8 g/l Säure beileibe nicht im Vordergrund stand.

 

VI. Pinot Meunier von 60 Jahre alten Reben, Fassausbau

Dieser noch leicht prickelnde Kandidat gab die besten Empfehlungen für eine Verwendung als Vigne d'Or ab. Konzentrierte, herbe, an Grapefruit und Pomelo erinnernde Frucht ruhte auf einem beeindruckend festen Säuregerüst.

 

VII. Pinot-Noir vom Mont de Martin

Diesen Wein aus Celles-lès-Condé hätte man so wie er war schon glatt als einen kernigen, unverspielten, gut gelungenen Blanc de Noirs verkaufen können.

 

VIII. Pinot-Noir aus der Lage Les Haules in Oeuilly

Das hier waren die Freunde von Nr. V., im Gegensatz zu den Meuniers war dieser Pinot im Dezember in der Gärung stecken geblieben und machte danach nur sehr langsam weiter. Deutlich daher ein Zuckerschwänzchen, das dem sonst im herbfruchtigen Saft stehenden Wein regelrecht Esprit verleiht.

 

IX. Biodynamischer Chardonnay aus der Lage Fargots, wieder an der Aisne, in Celles-lès-Condé, wo etwas mehr Kalk im Boden ist. Die vier unterschiedlichen Fässer enthalten denselben Chardonnay, der einzige Unterschied besteht darin, dass der Rhythmus in dem die Bâtonnage stattfindet, ein jeweils anderer ist.

 

1. Fleur

Dieser Chardonnay hatte eine fruchtige, aber vor allem buttrige Art.

 

2. Racine

Schlanker, feiner, eleganter und mit etwas mehr Säure ausgestattet, als der im Fleur-Rhythmus gerührte Chardonnay.

 

3. Noeud

Der dickste, prallste, weinigste, an Kirschen, Kalk und Meursault erinnernde Wein aus der Serie.

 

4. Fruit

Hier zeigte sich am meisten kräuteriges Naturell, im Mund eine einengende, adstringierende Säure.

 

Insgesamt eine interessante Erfahrung, welchen Einfluss der Rührrhythmus auf die Weinentwicklung hat.

 

X. Chardonnay non-greffée

Körper, Extrakt und die Präsenz eines Dritten strahlte dieser Wein aus. Der Butteranteil überwog den der Säure deutlich.

 

XI. BAM – 20% Pinot Blanc, 10% Arbane, 70% Petit Meslier

Hinter diesem kleinen Stinker verbarg sich ein Mix aus drei der in Vergessenheit geratenen Rebsorten der Champagne. Zwar macht gerade Peter Liem Furore mit kryptischen Andeutungen über einen rot und still vinifizierten Gamay mit nur 9% vol. alc., der aus Montgueux stammen soll und von einem Toperzeuger für den privaten Bedarf gemacht wurde, aber von mengenmäßig herausgehobener Bedeutung sind diese Rebsorten für die Champagne alle nicht. Trotzdem ist es interessant, einen BAM, Six Cepages, Quatuor und wie die Rebellenchampagner sonst so heissen, im Glas zu haben. Dieser zeigte eine vegetabile, ins Kräuterige hinüberspielende Aromatik mit präsenter, aber oberflächlicher Säure.

 

XII. BAM Reserve aus 08 und 07

Ganz anders wiederum der Mix aus 2008 und 2007. Bis zum 25. Dezember hatte der noch satte 20 g/l Restzucker und ließ sich viel Zeit bei der Gärung, bei einem pH-Wert von 2,8 überrascht aber gleichzeitig nicht, dass er sich gerade mit einer extrem scharfen Säure zeigt, die sich erst noch abmildern muss. Hinzu kommt eine Ahnung von Butter, die den Wein wie einen Weissburgunder aus der Pfalz – nicht von der übelsten Sorte, ich denke da z.B. an die Weissburgunder aus der Ruhr-Edition von Buhl  – wirken lässt.

 

XIII. Pinot Meunier, rot vinifiziert

Abschließend gab es eine rot und still vinifizierten Meunier, den Benoit am letzten Tag der Ernte gelesen hat. Der wirkte frisch aus dem Fass total reduktiv, stank nach Räucherkerzen und Paraffin. Im Mund entwickelten sich mit großer Geschwindigkeit und viel Tannin im Schlepptau rote Beeren, der Wein wirkte paradox, reif, aber nicht mit UTA, gesund und gleichzeitig noch völlig unfertig. Benoit hat noch keine Ahnung, was er mal draus machen wird, der Wein selbst weiß es wahrscheinlich noch viel weniger. Er könnte mal ein schöner, angenehm trinkbarer, vielleicht sogar ganz anspruchsvoller Coteaux Champenois werden. Auch als Rotweinzugabe für den Rosé könnte er sich eignen – dann aber nicht für irgendeinen, sondern vielleicht für eine Cuvée Louis Rosé. Und schließlich könnte ihm auch das Schicksal der Destillation bevorstehen. Ich hoffe, dass mal was anständiges aus ihm wird.

 

Die Champagner:

 

I. Brut Zéro Blanc

50% 2005, Rest aus 2004, 2003, 2002. Schlank, pur, aber auch schon reif und gar nicht gezehrt. Beim Zéro zeigt sich doch immer wieder, ob der Winzer mit seinem Wein umzugehen versteht, oder nicht. Benoit jedenfalls weiss, was er da macht.

 

II. Brut Zéro Rosé

80% 2004er, überwiegend Chardonnay, kleiner Anteil Pinot-Noir. Dieser Rosé ist durch Assemblage entstanden. Der Grund dafür ist ganz einfach: Rosé, der ganz ohne Zucker auskommen soll, muss Tannin und Säure unter einen Hut bringen. Ohne ein vermittelndes Element kann das sehr schwer werden. Bei den 2004ern, die Benoit hier verwendet hat, war stets zu viel Tannin in den Trauben, so dass die Säure dazu ziemlich schräg wirkte. Deshalb entschied er sich für die Assemblage mit einem gemäßigteren Rotwein. Eine Traumhochzeit sind Tannin und Säure noch nicht eingegangen, im Gegensatz zu früheren Rosé Zéros wirkt dieser hier weiniger, der Rotwein schlägt stärker durch und er ist nicht so verspielt, explosiv fruchtig und unbeschwert wie sonst.

 

III. Millésime 1998 Extra Brut, dég. Nov. 2009

60CH, 40PN. Reif und frisch in einem – ob das an den nur 4 g/l Dosagezucker liegt? Man hat den Eindruck eines runden, ausgewogenen, in sich ruhenden Weins, der auf Anforderung brachiale Kraft abrufen kann. Der Steven Segal unter den Champagnern. Für mich ein spannender Essenbegleiter und ein Kandidat für das Champagnerleistungszentrum.

 

IV. Millésime 1996 Extra Brut, dég. Mai 2009

Hier noch mehr unverhohlene Kraft und ungebändigte Power. Wer vor einigen Jahren vom 96er Winston Churchill geblendet war, kann denselben Eindruck hier noch einmal nachvollziehen, mit einem etwas gestählteren Körper allerdings. Honig, Brot, Eukalyptus-Menthol bis zu Minztoffee-Bonbons, Schafgarbe, Weißdorn und eine beeindruckende Länge zeichnen diesen Wein aus, dem jedes Jahr zusätzlicher Flaschenreife gegenüber dem ersten Dégorgement sehr gut getan hat.

 

V. Vigne d'Or, dég. Juli 2004

1999er Basis. Der Champagner wirkt gemütlich, reif und rund, dabei nicht unverschmitzt. Wenn der 98er Vintage Steven Segal ist, dann ist der Vigne d'Or der Meister Eder aus Benoits Kollektion. Ein etwas vergranteltes, aber herzliches Goldstück.

 

 

VI. Cuvée Louis

1998er Basis (80%), Reserve 97er und 96er. Das ist der Spitzenwein der an Charakterstärke und Individualität nicht armen Kollektion des Hauses. Mir hat er etwas zu viel Holz, aber Freunde dieses Aromas werden genau das loben und zu preisen wissen. Und in der Tat ist hier nicht herumgeholzt worden, sondern der Ausbau erfolgte ganz ohne unangebrachten Eifer oder Knalleffekt. Die apfeligen Aromen werden nicht zu einer Art Analogcalvados in einer Ecke zusammengedrängt und weder Säure, noch Alkohol wirken vermatscht. Ich habe andere Favoriten in der Kollektion, empfehle dennoch die Cuvée Louis dem sensiblen Holzfreund.

Besuch bei Champagne Bernard Tornay

Besuch bei Bernard Tornay

Alle Champagner dieses sympathischen Winzers aus dem Grand Cru Bouzy sind mit 9-10 g/l dosiert und durchlaufen einen biologischen Säureabbau. Verschlossen wird seit sechs Jahren mit Mytik. Thierry Gasco, Kellermeister und Nachfolger von Prince Polignac bei Pommery, ist ein langjähriger Freund des Hauses und kauft die nichtklassifizierten Trauben von Tornay aus Riceys. Und das coole, loungige Design des Verkostungsraums hat die Frau von Pol-Roger-Chef Hubert de Billy zu verantworten. So klein ist die Champagne. Schön übrigens, dass der Erzeuger versucht, eine Bibliothek mit alten Jahrgangschampagnern anzulegen.

 

1. Palais des Dames

50PN, 50CH, 2004er Basis.

Wir stiegen mit der Spitzencuvée ein, die zugleich der am elegantesten geratene Wein des Hauses ist. Einen hohen Wiedererkennungswert hat die Hausnote, eine Mischung aus Nougat und leicht säuerlichen, vegetabilen Noten. Das hört sich unschön nach verunglückter Nutella an, schmeckt aber sehr gut.

 

2. Grand Cru Mill. 2002

Mein Liebling aus der Kollektion glänzt mit dem hauseigenen, minimal säuerlichen Nougat und ist auch sonst wie ein Traum aus Schokobaiser, gelben Johannisbeeren und Kiwi.

 

3. Blanc de Blancs Mill 1999 Extra Brut, dég. 11/2009

1998er Basis mit 97 und 96.

Dieser ältere Kollege stank nach dem Öffnen erst eine Weile lang nach Rauch, ich habe bei sowas ja immer die Vermutung, dass der Expeditionslikör mit etwas SO2 versetzt ist. Nachdem sich der Rauch gelegt hatte, kam natürlich wieder Haselnuss zum Vorschein, etwas länger geröstet, als bei den beiden anderen, aber auch mit weniger Säure. Sahnig, ein bisschen wie Irish Coffee und sehr gemütlich war dieser gut gelungene Champagner.

 

4. Grand Cru

60PN, 40CH, 2005er Basis.

Der einfache Grand Cru hatte die am schwächsten ausgeprägte Haselnussnote und machte einen gegenüber den anderen Champagnern etwas wässrigen und auch herben Eindruck. Eher austauschbar.

 

5. Rosé Vieille Reserve

2005er Basis. Assemblage mit ca. 10% Bouzy Rouge.

Hier muss er wieder dran glauben, der Mon-Chéri-Vergleich. Warme, saftige, knackige Kirschfrucht, ebenfalls wärmender, aber nicht spritiger Alkohol und zartschmelzende, mit Nougat verfeinerte Bitterschokolade.

Notizen von der Valentinstour in die Champagne

I. Fabrice Roualet, Premier Cru Extra Quality, Champillon

Nicht weit von Epernay, im malerischen Nest Champillon, ist Champagne Roualet zu Hause. Den Premier Cru Champillon kennt man eigentlich nur vom Blick aus dem oben am Hang gelegenen Relais & Châteaux Hotel-Restaurant Royal Champagne. Dieser mir bis dahin völlig unbekannte Champagner stellte sich mit seinen reifen, saftigen und vollmundigen Aromen als die richtige Wahl zum Gazpacho heraus. Allein genossen zeigte er sich etwas oxidativ und behäbig und es mangelte ihm an Säure.

 

II. Ariston Père et Fils, "Aspasie", Blanc de Blancs

Einzellagenchardonnay.

Der Champagner ist schlank und zitrusfruchtig, sauber, aber nicht sehr lang, keineswegs schwer. Mit Rose de Reims Biscuits und Erdbeereis hatte er erhebliche Schwierigkeiten und machte sich allein viel besser. Brouillet selbst ist ein Örtchen noch hinter Serzy-et-prin, also da, wo normalerweise nur noch Aliens landen oder Psychodramen gedreht werden.

 

III. Philippe Martin, Cuvée Special

70PN, 20-25CH, 5-10PM.

Der kleine Erzeuger ist im Premier Cru Cumières zu Hause und verfügt dort, sowie in den angrenzen Terroirs von Hautvillers und des Marnetals über 10 ha Rebfläche. Der Champagner kann sich nicht mit dem Authentis Cumières von Duval-Leroy messen, zeigt aber auch schon die kräftigen, erdigen Anlagen der Pinot Noirs aus diesem seit Jahrhunderten für seine Rotweine berühmten Ort. Unverspielt und herb, ist er sicher nicht jedermanns Sache.

 

IV. André Delaunois, Cuvée Royale

25PN, 25PM, 25CH, 25 Reservewein aus Drittelmix, drei Jahre Hefelager.

Aus den ca. 8 ha im Premier Cru Rilly-la-Montagne stammen die Champagner von Delaunois. Dieser hier hat gleich zwei Sternchen im Guide Hachette bekommen, Grund genug, ihn mal zu probieren. Mir gefiel der sterile, an Krankenhaus und Kühlschrank erinnernde Geruch nicht. Auch sonst kein Sonnenschein, am Gaumen mürbe, etwas müde, mit breit geratener Säure, nicht sehr lang, dafür ziemlich herb, am Ende mit Salbeinoten. Ob's ein Flaschenfehler war?

 

V. Daniel Moreau, Brut Carte Noir

50PN, 50 PM.

Im mittleren Marnetal, in Vandières, sitzt Daniel Moreau und hat auf der Jahrgangsbasis eines 2003ers mit Reservewein aus 2002 Champagner hergestellt, den ich nicht hätte haben müssen. Salzig und süss zugleich, mit einer Note von gekochtem Fleisch, die auch mit viel gutem Willen und jeder Menge Frischluft nicht verschwinden wollte.

 

VI. Carré-Guebels, Rosé

70CH, 30PN.

Sehr willkommen war mir daraufhin der Rosé von Carré-Guebels aus dem Premier Cru Trépail in der Montagne de Reims. Das Haus hat immerhin 22 ha, die zum Teil in der Aube liegen. Die sonst so balancierte Art des Rosé verschob sich hier zu Gunsten einer hervortretenden Säure, die den Blanc de Blancs dieses Erzeugers sehr probierenswert erscheinen lässt. Dass mir die Säure hier so pointiert vorkam, lag wahrscheinlich eher am Kontrast zum Vorgänger. Rosé mit weißer Seele habe ich mir notiert und werde den Champagner im Auge behalten.

 

VII. Remy Massin, Brut Tradition

100PN.

Dieser Erzeuger hat seine 20 ha südöstlich der Andouillettes-Hauptstadt Troyes. Der Blancs de Noirs ist männlich, kräftig und herb, lässt Tannin und Struktur durchscheinen, könnte aber ruhig noch etwas liegen. Ich denke, dass er nach 24 Monaten Flaschenreife eine positive Entwicklung gemacht haben wird.

 

VIII. Voirin-Jumel, Cuvée 555

Seit sechs Jahren vinifiziert Patrick Voirin diese Holzfasscuvée. Was als Experiment begann, gehört heute zur Spitze des Portfolios und wird von Tom Stevenson ebenso wie von Richard Juhlin mit Punkten überhäuft. Dabei hat der Name der Cuvée nichts mit der Größe des Holzfasses zu tun, sondern kommt aus der Zeit, in der die Häuser des Örtchens numeriert wurden. Der Fasskeller von Voirin-Jumel befindet sich im Haus mit der Nummer 555. Daher lag es nahe, für diesen Champagner, der an die traditionelle Herstellung im Holzfass anknüpft, diesen schlichten Namen zu wählen. Patrick nutzt insgesamt fünfzehn mehrfach belegte und aufgearbeitete Fässer aus Burgund, um den für diesen Champagner so typischen, aromatischen Holzton zu erzielen. Die Nase wird von charmanten Früchtebrotaromen, kandierten Früchten und sanften Röstnoten umschmeichelt. Melange aus Apfel und Mineral, Holz und Säure. Die zwischendurch aufscheinenden fülligeren Aromen bilden einen guten Hintergrund für die aromenfreudige Küche.

 

IX. Legras & Haas, Brut Tradition

20 – 25PN, 20 – 25PM, 50 – 60CH.

Das junge Haus aus dem Grand Cru Chouilly gehört schon zu den größeren und hat Négociant-Status, darf also Trauben zukaufen. Das erklärt, wie ein Familienbetrieb die stattliche Menge von bis zu 400000 Flaschen pro Jahr absetzen kann – viele davon freilich aufgrund einer für die Champagne nicht untypischen Lohnversektung im Auftrag großer Häuser. Der Brut Tradition ist, wie man es von einem Champagner aus dem nördlichen Zipfel der Côte des Blancs erwarten kann, mit einem überwiegenden Anteil Chardonnay vinifiziert. Der trägt aber nicht allzu dick auf, sondern gehört zu den sanftmütigeren Vertretern. Deshalb verträgt er sich gut mit den Pinotanteilen und wirkt dadurch meiner Meinung nach sogar eine Spur interessanter, runder und sogar komplexer, als viele einfache Blanc de Blancs aus der Côte des Blancs. Das ist übrigens etwas, was mir oft auffällt: die Standardbruts von Erzeugern aus Chardonnaygegenden profitieren davon, wenn ein Anteil Pinot enthalten ist. Zu Weissbrotstullen mit Senf und Blutwurst war dieser sozusagen hundsgewöhnliche Champagner ein gute Wahl, das Brot fand sich gut eingebettet, der Senf zischelte nicht dazwischen und die Blutwurst schmeckte in der Kombination nicht metallisch. Auch zum Jakobsmuschel-Cassoulet konnte der Champagner überzeugen. Cassoulet esse ich sehr gern zum Champagner, weil es, wenn es richtig gemacht wird, überaus aromatisch und würzig ist. Eine Herausforderung für jeden Wein und besonders für den Champagner. Dieser hier war gut gekühlt und brachte seine frische Chardonnaynote zum Einsatz, auch war die Prüfung gar nicht soo schwer, denn ein Jakobsmuschelcassoulet ist geschmacklich nicht ganz so brachial wie eines vom Lamm oder von der Gans. Schliesslich noch der Test zum "bleu" gebratenen Rinderfilet. Das war eindeutig die Grenze, mit der Kombination aus scharf angebratenem Rind aussen und rohem Fleisch innen kam der Champagner nicht mehr zurecht. Aber gut geschlagen hatte er sich für einen Standardbrut allemal.

Ruhr-Karussell Teil IV

 

 

Was wäre ein Ruhrmenu-Check ohne einen Blick auf die Teller der Résidence? Eben. Unvollständig. Deshalb musste Essens gastronomischer Leuchtturm mal die Lampen anmachen.

 

O.1 Erster Gruß aus der Küche: Dreierlei Appetizer

 

O.2 Amuse Gueule: Variationen vom Ochsenbäckchen, mal knusprig, mal mit Erbsenespuma

 

O.3 dazwischen: Walnussbrot mit mildgesalzener Butter

 

O.4 Zweiter Gruß aus der Küche: Karotten-Chili-Süppchen mit Bananenchip und Karotten-Kokos-Kraut

 

zu alledem: Champagne Perrier-Jouet Belle Epoque 1988;

beim Öffnen noch sehr zurückhaltend, zeigte sich im Glas doch eine altersgerecht verfeinert Perlage in einem sattgoldenen Rahmen. Die anfangs etwas metallische Nase war der Auftakt zu einem reifen, aromatischen Wechselspiel, das hauptsächlich aus frisch eingekochter Kondensmilch, Milchschokoladen- und Haselnussaromen bestand. Im Mund ein quietschfideles Säuregerüst, das immer noch mehr als großzügig mit Apfel, Toffee und Nüssen behängt war. Daher war meine Lieblingskombination die zum gebutterten Walnussbrot. Ebenfalls sehr gut vertrug sich dieser Champagner mit dem knusprigen Ochsenbäckchen und dem exquisit luftigen Erbsenespuma. Auch zum Noriröllchen war der Champagner schön, wobei der Reis noch etwas länger hätte gegart werden müssen, denn mehlig bröckeln dürfen einzelne Körner nicht. Zum zweiten Gruß aus der Küche war die Kombination am schwierigsten, denn insbesondere das Kraut hatte, vor allem zusammen mit dem Bananenchip, einen starken Einfluss auf die Geschmackswahrnehmung. Zum Süppchen allein passte diese entgegen im Vorfeld gehabter Befürchtung schön gereifte Belle Epoque allerdings durchaus.

 

I.1 Klümpken von geräucherten Aal & Sternenrenette, dazu Weingut Münzberg, Weissburgunder "Schlangenpfiff" Großes Gewächs 2007;

das Klümpken war ein dreischichtiger Würfel aus Gänseleber, einer Mittellage Ruhraal und einer oberen Schicht aus beidem. Eine gut durchdachte Komposition mit einem bissfesten Aal in der Mitte, der sich schön zur Leber machte. Ebenfalls sehr schön war der Schlangenpfiff dazu, klugerweise vom lobenswerten Sommelier Alfred Voigt im passenden Kelch serviert. Der Tupfer Gänselebereis war mir geringfügig zu kalt, um ihn gemeinsam mit dem Wein zu geniessen, was ich etwas bedaure. Die vanillierte Rote Bete hingegen setzte wieder einen schönen Akzent neben den Weißburgunder.

 

I.2 Involtini von Jakobsmuscheln & Brunnenkresse mit Rote-Bete-Chutney, dazu Künstler, Riesling Spätlese Alte Reben, Hochheimer Stielweg 2008

Eine überzeugende aromatische Zusammenstellung war auch die Brunnenkresse mit der Roten Bete. Typische milde Kresse-Schärfe und erdig, saftig, animierend, fruchtig das Chutney. Ein farbenfroher Rahmen für die Jakobsmuschel und genau der richtige Ort für Künstlers Alte Reben, die mir solo noch ein wenig zu jung vorkamen.

 

dazwischen gab es die beliebten selbstgebackenen Brötchen, von denen mir das mit Tomatenpesto noch besser gefiel, als das ebenfalls sehr gute Laugenbrötchen

 

II.1 Stulle von Kaninchen mit gebackenen Schalen & Stampf von Erdäppeln in Honig-Senf-Sauce, dazu Deutzerhof Cossmann-Hehle Spätburgunder Caspar C. 2006

Dieser Spätburgunder gehört zu den trotz Holzeinsatzes zurückhaltenden Vertretern mit kühler, mineralischer, von etwas apfelpektinigem, tanninigem grip unterstützter Stilistik. Zum weichen, aber nicht labberigen Kaninchen passte das sehr gut, während ich dem Wein solo nicht viel abgewinnen konnte. Aber zum Essen ein wahrer Prachtbursche, dessen ganze Stärke sich noch zeigen sollte: in Verbindung mit dem reichlichen Trüffelaroma einerseits, als Komplize der konzentrierten, aber nicht überladenen Sauce und schließlich noch zum Zwiebelconfit. Jede Komponente entlockte diesem allein etwas schüchtern dastehenden Burgunder eine neue treffende und schlagfertige Äußerung, so dass ich den Gang letztlich als den schönsten angesehen habe.

 

II.2 Sautierter Langostino mit Pimentofregola, Auberginentasche und Paprikaperlen, dazu Gerard Boulay Sancerre Chavignol 2007

Wenn man diesen Wein getrunken hat, fragt man sich, warum die verschiedenen Meeresbewohner nicht lieber in Sauvignon-Blanc schwimmen. Mineralisch, gravitätisch, aber nicht schwülstig, mit frischen, an Verbene und Trockenkräuter erinnerndem Duft, im Mund schlank, lang und wendig. Dem Langustino merkte man an, dass er sich in dieser Begleitung wohlfühlte und das Auberginentäschchen fügte einen raffinierten touch hinzu. Besonders gelungen waren aber die Paprikaperlen, deren Aroma sich im Wein gespiegelt fand.

 

III.1 Lachsforellenstollen mit Blutwurst und lauwarmem Kappessalat, dazu Knipser, Mandelberg "Steinbuckel" Großes Gewächs 2007

Der Stollen als Edel-Dürüm angerichtet, auf der einen Seite mit der Lachsforelle, auf der anderen mit der groben Blutwurst, war in einem krossen Teigmantel untergebracht. Den zu zerschneiden, bedeutete leider immer auch, etwas von der Füllung herauszuquetschen, was bei mir nicht sehr schön aussah, aber gut schmeckte. Eine gute Sache waren die luftigen, sehr krossen Kartoffelkissen, aber eine gute Sache war auch der Steinbuckel zur Blutwurst. Die hat bekanntlich eine durstfördernde Eigenschaft, das Große Gewächs in diesem Fall eine dankenswerte und überaus hilfreiche Feuerwehrfunktion.

 

III.2 Strudel vom Saibling mit Spitzkohlsalat und Birnen-Ingwerrelish, dazu Peter und Brigitte Pligers Kuenhof, Grüner Veltliner aus dem Eisacktal 2007

Wenn sich je einer fragen sollte, welche Daseinsberechtigung der Sommelierberuf eigentlich hat, dann ist die Antwort einfach: um dem Gast solche Weine zu empfehlen. Zunächst ein mörderischer Stinker, dann erstmal lange nichts als Mineralstaub und eine konzentrierte, zehrende Säure, nach spannungsvollem Warten kippt der Wein dann nicht tot um oder wird gar brandig, sondern entlässt den Gaumen aus seinem Würgegriff und heraus fallen Blumen, Kräuter und beinahe zufällig noch das Pfefferl. Zum Saibling war das ein extrem guter Griff und zum Birnen-Ingwerrelish hätte ich mir gar nichts anderes wünschen können.

 

IV.1 Taubenbrust und Keule aus dem Henkelmann mit karamellisierten Schwarzwurzeln, Pancettachip und Graupenallerlei, dazu Springfontein Ulumbaza Syrah 2006

Der Henkelmann war ungewohnt minimalistisch, einfach nur ein Knusperbogen, der sich über die saftig lockende Taube spannte. Das Taubenfleisch wunderbar zart, mit einer dichtwürzigen, unverfälschten Sauce, die einwandfrei mit dem beschwingten, leichten Syrah harmonierte. Dem gelang es, einerseits der Sauce, andererseits den Rote-Bete-Würfeln und den Schafspilzen Gewürznoten zu entlocken, die das Menu auch in Afrika hätten heimisch erscheinen lassen können. Schöne Randnotiz: Die Macher von Springfontein kommen sogar aus Essen.

 

IV.2 Steinbutt mit Bianchettotrüffeln, Spaghetti und Canelloni vom Muskatkürbis und Zitrusfrüchtesugo, dazu Springfontein Sauvignon/Sémillon 2007

Zum Steinbutt machte sich der Bianchettotrüffel bestens, schließlich hat er ja jetzt auch Saison. Mir war der Wein etwas zu fruchtig dazu und auch zum Zitrusfrüchtesugo, das wiederum grossartig gelungen war, passte er besser in der Nase als im Mund. Schön dagegen war die Kombination mit dem Muskatkürbis.

 

V. Schnuckelige Quitte mit Ziegenkäseeis, dazu Martin Pasler, Welschriesling Beerenauslese 2006

Die Quittenvariation bestand aus einem Ragout von der Quitte, dem Ziegenkäseeis mit Quitte und einer Lilienblüte, einem Karamell und einem Schokegel mit Apfelfüllung. Die Beerenauslese von Pasler machte alles davon mit. Gegenüber der Quittenvariation spielte sie ihre softe, musige Seite aus, zur Lilienblüte konterte sie mit geballter Süße, die gekonnt zum kräftigen Ziegenkäse überleitete, die vom Apfel aufgelockerten Schokoaromen erwiderte sie mit einem Rest an fruchtiger Säure.

 

Patron Bühler, ließ zur Strafe für den versäumten Schluck vom mitgebrachten 88er Belle Epoque schwarze Gläser auffahren, deren Inhalt bestimmt werden musste. Listigerweise hatte er Champagne Lenoble Rosé 2004 eingeschenkt; dessen fruchtige, nicht sehr säurebetonte Art liess mich auf einen noch jungen Winzerchampagner mit mindestens 70% Chardonnay tippen. Ob weiß oder Rosé, da war ich mir nicht sicher, wobei die ausgeprägte Frucht sehr für Rosé sprach, ebensogut hätte es aber auch ein hoher Chardonnayanteil aus Ay oder Mareuil sein können.

 

Abschließend gab es noch eine umfangreiche Auswahl vom gut sortierten Käsewagen, ganz zum Schluss Pralinés.

 

Die zwei Sterne sind verdient, die Küchenleistung muss ich gegen Anwürfe, sie sei allzu unbeweglich in Schutz nehmen. Der Service ist über jeden Zweifel erhaben, ausgesprochen aufmerksam und niemals aufdringlich, gleichzeitig von einer unaufgesetzt fröhlichen Freundlichkeit, die man andernorts vermisst. Auch entstand in dem nicht sehr großen Speiseraum in keinem Moment der Eindruck von Enge oder Überfülltheit. Glückliches Essen!

Champagner-Umfrage: die Ergebnisse

Hier sind die Ergebnisse meiner kleinen Schaumwein-Umfrage

the results of my sparkling-survey

1. bei der Frage nach Champagner oder einem Alternativsprudler war die Tendenz deutlich

the majority went for champagne instead of alternative sparklings

– Champagne 76,47%
– anderer Schäumer/other sparkling 5,88%
– manchen war es auch egal/don't care 17,65%

2. Noch klarer ist die Farbpräferenz

colour preferences were even clearer

– weiss/white 84,31%
– rosé 5,88%
– beides gleich gut fanden/both 9,80%

3. die Liebhaber des Blanc de Blancs überwogen

blanc de blancs rules

– BdB 47,06%
– BdN 29,41%
– beides gleich gut oder egal fanden/both 23,53%

4. auch die Jahrgangsfraktion ist stark

vintage, too

– mit Jahrgang/vintage 66,67%
– jahrgangslos/NV 15,69%
– mal so mal so mögen es/depends 17,65%

5. die jungen Früchtchen kommen nicht so gut an

nolita

– jung und sexy/barely legal 19,61%
– reif und schön/milf 58,82%
– mal hier und mal da naschen wollten/nibble on both 21,57%

6. die Winzer sind beliebt

growers have strong support

– Grande Marque/big house 17,65%
– vigneron indépendant/grower 56,86%
– auch hier gab es viele Wechselwähler/changelings 25,49%

7. knochentrocken lautet die Devise

dosage: the lower the better

– Ultra Brut 88,24%
– zum sugardaddy bekannten sich nur/candy shop's almost closed with a mere5,88%
– und das ganze Spektrum wollten ebenfalls nur/take 'em all no matter how much sugar's in there 5,88%

8. die Einzellagenfreunde waren in der Mehrzahl

single action strikes

– Monocru/single vineyard 49,02%
– Gebietsverschnitt/blend 25,49%
– aus Kosten- oder anderen Gründen nicht festlegen wollten sich/not sure 25,49%

8. Freunde der Kathedralenstadt fanden sich nicht so viele, Krug-Fans dafür um so mehr

looks like the krugists did not support the city of reims

– Reims 19,61%
– Epernay 49,02%
– unentschlossen oder egal/whatever 31,37%

10. trotz des Bekenntnisses zum Winzerchampagner konnten sich nicht so sehr viele zum Starwinzer durchringen. Vielleicht deshalb, weil Krug ja selbst so etwas wie ein grosser Kultwinzer ist

Krug defeats Selosse

– Krug 41,18%
– Selosse 29,41%
– einige konnten zu einem oder beiden Champagnern nicht so viel sagen und blieben deshalb unentschieden/some haven't had enough drinking experience with any or both of the producers 29,41%

Silvesterchampagner

I. Gloria Ferrer Sonoma Brut

Ca. 90PN, 10CH, ca. 25% Tête de Cuvée, 20 Grundweine; 18 Monate Hefelager, 13g/l Dosage.

Saftig, mostig, Gummibärchennase. Reduktiv. Duft und Geschmack von Birne, Melone und rotem Apfel, mit Luft etwas röstig. Trinkt sich wie frischer Saft, etwas unchampagnerhaft, aber dadurch nicht schlechter.

 

II. Besserat de Bellefon Cuvée des Moines Rosé

30CH, 30PN, 40PM. Crémantstil, mit etwas weniger Flaschendruck und sehr crèmiger, sahniger Textur. Zunächst Duft von Buttercrèmetorte, Geschmack von Brombeerjoghurt, eher schwer am Gaumen. Dann entwickelt sich mehr und mehr Brioche, eine sanfte Röstaromatik gepaart mit frischer, sahniger Butter, immer noch sehr dicht.

 

III. Henri Germain Cuvée Bicentenaire 1789 – 1989, en Magnum (763/5000)

Das Haus existiert nicht mehr, die Marke gehört seit 1999 zu Vranken-Pommery. Beim einschenken sehr hell für sein Alter. In der Nase irgendwo zwischen metallischer und röstiger Aromatik. Kaffeebohnen und Kastanienschalen, wandeln sich mit Luft in deutlicher ausgeprägte Kaffee- und Nussnoten um, später kommen Röst- und Champignonaromen dazu. Leider nicht mehr sehr viel Frucht, sonst hätte ich ihn wesentlich besser gefunden. So überwogen die Altersaromen.

 

IV. Arunda-Vivaldi Blanc de Blancs Extra Brut, Mise en Cave 2002, dég. 04/2008, en Magnum

100CH, 36 Monate Hefelager.

In der Nase anfänglich etwas irritierend, mit Moosbeere, vielen spinatigen, vegetabilen Aromen, grünen Kaffeebohnen, altem Männerschweiss, Campher. Im Mund der Eindruck eines zu hoch dosierten Champagners, fast klebrig am Gaumen und nicht sehr lang. erst mit der Zeit und sehr viel Luft ändert sich der Gesamteindruck. In der Nase zeigen sich komplexere Aromen, alles wirkt durchkomponierter und ansprechender, auch im Mund entfaltet sich das nicht unattraktive herbe Beerenaroma deutlich und ohne störende Nebentöne.

 

V. Bernard Tornay Grand Cru Palais des Dames

50PN, 50CH aus Bouzy und Ambonnay.

Kirschnase, Toffifee, verlockend fruchtig wie ein Kaubonbon. Im Mund dann ebenso lang, lebhaft und saftig, wie in der Nase angekündigt.

 

VI. Bernard Housset Rosé

Rotfruchtig und etwas kakaodurchsetzt, gesalzene Mandeln, Apfelchutney, aber alles ziemlich zurückhaltend. Im Mund ebenfalls zurückhaltend, aber sauber. Der Chaoswinzer schafft es doch tatsächlich, einen anständigen Champagner herzustellen!

 

VII. Perrier-Jouet Belle Epoque 1985, en Magnum

50Ch, 45PN, 5PM. Reife, würzige Kaffee-, Vanille- und Röstnase. Im Mund dann viel jugendlicher und frischer, als die Nase vermuten ließ. Lebhafte, alerte Säure, die sich gut mit der fetteren Milchkaffeearomatik verträgt und dem Champagner eine leichte, elegante Erscheinung verleiht. Sahnebonbon und eine gleichzeitig vorhandene flintige Note erinnern an den starken Cramantchardonnayanteil. Der Champagner wirkt nie unbalanciert oder einseitig und behält seine trainierte, athletische, gleichzeitig damenhafte Form stets bei.

 

VIII. Picard-Collard Premier Cru Rosé de Merveilles, demi-sec, élevé en fûts de chêne

Junges Haus mit ehrwürdigen Wurzeln: Olivier Collard ist der Enkel von René Collard aus Reuil, seine Frau Delphine Picard ist die Cousine von Chantal Gonet von Champagne Phillippe Gonet in Le-Mesnil. So kommen mächtige Chardonnays aus Le-Mesnil und raffinierte Meuniers aus der Vallée de la Marne zusammen. In der Nase hat dieser rare Rosé demi-sec Kaffeekränzchenduft mit Schwarzwälder Kirschtorte, Linzer Torte, Frankfurter Kranz und Mon Chéri. Im Mund deutlich ausgeprägte Süße, aber durch den hohen Säureanteil – der Champagner durchläuft keinen biologischen Säureabbau – noch im Rahmen des erträglichen. Viel Kirsche, gleichzeitig buttrig und zartschmelzig.

 

IX. Jean Moreau Grand Cru Millésime 2002

70PN, 30CH. Der Erzeuger hat seinen Sitz direkt neben dem Clos d'Ambonnay von Krug. Der Champagner ist in der Kooperative vinifiziert, neben Toffee und einem schwierig zu identifizierenden Aroma, das an Dresdner Christstollen und Nusssplitter/Krokant erinnert, finden sich noch Spuren von Zitrus. Im Mund glatt, eine Textur wie Marzipanrohmasse.

Cuvée zum Generationenwechsel bei Alfred Gratien

Das in Epernay ansässige Haus Alfred Gratien hat anlässlich des Generationenwechsels in der Kellermeisterdynastie Jaeger eine besondere Cuvée herausgebracht. Jean-Pierre Jaeger, der das Amt nun an seinen Sohn Nicolas weitergegeben hat, kreierte zusammen mit seinem Nachfolger eine nochmals strenger limitierte Cuvée Paradis aus dem Jahrgang 2002, die unter dem Namen "Passation" vermarktet wird.

Die Spielregeln bei Alfred Gratien sind dabei seit vielen Jahrzehnten klar: Saft aus der ersten Pressung und aus Premier und Grand Crus wird ohne biologischen Säureabbau in Barriques vinifiziert und nach der zweiten Gärung handgerüttelt. Die so entstandenen Paradis Blancs und Rosés gelten wegen ihres Reifevermögens als sehr gutes Kellerkapital und sind zudem im unteren Preisbereich der Prestigecuvées angesiedelt.

Seit 2008 ist das Haus mit dem Paradis Rosé unter anderem Lieferant des Elysée-Palastes.