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Monthly Archives: November 2013

Hidden Champions: Champagne Deutz

Der Westerwald, das Münsterland, das Stuttgarter Umland – sie alle sind reich an kleinen und mittelständischen Betrieben der Autozuliefer-, Maschinenbau- oder sonstigen forschungsintensiven Industrie. Kaum einer kennt diese Betriebe, dabei stecken, so jedenfalls die Berichterstatter der jeweiligen IHK-Mitgliedsblättchen in unbremsbarer Euphorie, ihre Produkte in mehr oder weniger jedem Alltagsgerät, mit dem wir uns befassen. Viele dieser Unternehmer sind Weltmarktführer in ihrem Bereich oder werden jedenfalls zur Spitzenriege dazugezählt. Man nennt sie mit einem griffigen Importterminus hidden champions.

Champagne Deutz ist vielleicht auch so etwas wie ein hidden champion. Das Haus wurde 1838 von zwei Deutschen gegründet, in der Region ist man bestens verwurzelt – und zwar buchstäblich, denn Deutz kann sich prima selbst mit Trauben höchster Qualität versorgen, zugekauft wird nur wenig, was selten genug vorkommt; auch sonst bestehen historisch gewachsene Beziehungen in und um Ay, sowie in die ganze Welt. Der Stammsitz in Ay ist ein herrschaftlicher Sitz, dort wird gelebt und gearbeitet, hinter dem Haus türmen sich die Rebberge, darunter liegen die Keller. Champagne Deutz ist einer der Impulsgeber für den Zusammenschluss der Grandes Marques im 19. Jahrhundrt gewesen. Von Deutz war in Deutschland für lange Zeit dennoch nicht groß die Rede, obwohl zum deutschen Importeur uralte Beziehungen bestehen; fragt man Sommeliers, so hört man oft und nicht nur aus Höflichkeit, dass Amour de Deutz und William Deutz als Spitzencuvées gegenüber denen anderer Häuser bevorzugt werden, in der Bevölkerung ist das aber nie so recht angekommen. An alte Jahrgänge kommt man leider nur schwer bis gar nicht, was die Sache nicht leichter macht. Unter dem Dach von Louis Roederer hat sich Deutz dann aber doch prächtig entwickelt, nur kennt man die Cuvées des Hauses hierzulande eben immer noch viel zu wenig.  

Gute 67 Grundweine wurden dieses Jahr nach Lagen getrennt vinifiziert, der portentielle Alkoholgehalt liegt bei den am Besuchstag hereingeholten Pinots aus Ay bei 11,5%, die Säure soll dem Vernehmen an die 10 g/l heranreichen, was dem 90er Jahrgang schon recht ähnlich werden könnte. Bei Deutz wird die Cuvée nicht schon im Januar, wenn der Wein gerade fertig ist zusammengestellt, sondern erst Juni, wenn er schon mehr von sich gezeigt hat. Der Chef de Cave macht zu diesem Zweck fünf Cuvees, die beiden Sieger der Verkostung im gemeinsamen Verkosterpanel werden wieder auseinandergenommen und zu fünf neuen Cuvées zusammengestellt, die zwei Sieger wieder zerlegt und neu zusammengesetzt, etc.pp. Ganz schön aufwendig also. Doch die Mühe lohnt sich. Deshalb lohnt sich auch die Mühe, das Degordierdatum an der Halskrause zu dechiffrieren. Codiert ist zunächst der Name der Cuvée, dann folgt das eigentliche Degorgement: die letzten Ziffern geben das Jahr an und die davor den Tag im Jahr, d.h. die Ziffernfolge 29712 gibt als Degorgierdatum den 297. Tag im Jahr 2012 an.

Brut Classic

Drittelmix auf Basis des 2010er Jahrgangs mit Reserve aus 09, 08 (insgesamt ca. 20%, die 12er Cuvée wird ungewöhnliche 48% Reserve enthalten) 

1,8 Mio. von insgesamt 2,3 Mio. Flaschen Deutz gehen als Brut Classic auf den Markt. Wenn man also von Deutz spricht, dann vornehmlich von dieser Cuvée, die den Hausstil repräsentiert. Der ist so elegant und ausgewogen, wie nur bei ganz wenigen anderen Häusern. Die große Kunst ist bei diesem Stil, nicht langweilig zu wirken. Ein holzfassgeprägter Stil zum Beispiel hat es leicht, bei dem muss man, vereinfachend gesprochen, immer nur den Barriqueton identifizieren können. Ein ausgewogener Stil dagegen ist eine Art Prokrustesbrett, bei dem allerdings nichts zum Abschneiden übersteht. Hier befinden sich weiße Blüten, Apfelkuchen, Brioche, eine Ahnung von Nüssen und Mandarine, weisser Pfirsich, Birne, sehr feine und frische Buttercreme und ein zitronenmelissiges Bouquet auf dem Brett. Unaufdringliche Süsse und Knackigkeit bleiben lang und delikat am Gaumen und der Champagner erlaubt sich den Luxus einer gewissen Fülligkeit, bleibt aber im vorgenannten Sinne durchweg sehr präzise.  

Blanc de Blancs 2007

Chardonnay aus Le Mesnil, Avize, Cramant, Oger, Vertus, sowie 5-10% aus Villers-Marmery

Noten von Bienenwachs, Phenol und Granatapfel ergeben einen ungewöhnlich weichen Blanc de Blancs mit pikanter, zarter Säure, die gegen Ende leicht hakenförmig hochgeht. Mit Luft zeigt sich ein schön fleischiger Pfirsich, etwas Nektarine, dazu ein Seitenhalt bietendes Gerüst.

Cuvée William Deutz 2000, deg. 84. Tag 2012

Heisse Milch mit Kastanienhonig, Konditoreiaromen, gekochte Birne, Tarte tartin, Karamell, lange starke Säure, hochkomplex und sehr luftbedürftig, wie jemand, der aus großer Tiefe langsam aufgetaucht ist und an der Wasseroberfläche Frischluft inhaliert. Man merkt, dass das Auftauchen den Champagner körperlich mitgenommen hat, er wirkt also nicht so ausgeruht, wie man sich das wünschen würde – wohl ein Tribut an den Jahrgang. 

Cuvée William Deutz 1999 en Jéroboam

Enorme Eleganz und Strahlkraft hat der William 99 zu bieten, Säure, die auch ein englischer Maßschneider nicht passgenauer hinbekommen hätte und ein Gefühl von Verschwendungslust, das mir zwar sowieso angeboren ist, das ich aber zur Küche von Klaus Erfort noch in gesteigerter Form erlebt habe.

Cuvée William Deutz 1990 oenothèque, deg. 283. Tag 2012

60PN 30CH 10PM

Ganz feiner Kaffee, Mokka, Nachtkerzenoel, essbare Blüten, Quitte, Yuzu, Goji, Brioche, Toast, karamellisierter Sauerampfer, supersauber, flott, ultraelegant, viel frischer als 2000, mit Luft kommen immer neue Fuhren an Aromen von getrockneten Himbeeren, getrockneten Sauerkirschen, Minze, Tabak, Leder und Stahl. Eines der großen Champagnererlebnisse.  

Aube Wan Kenobi: Jedichampagner von der Côte des Bar

Ich kann es nur gebetsmühlenhaft wiederholen: die Aube ist der Rockstar unter den Champagnersubregionen. Piper und Charles Heidsieck, Louis Roederer, Nicolas Feuillate und Veuve Clicquot kaufen gern Trauben vom Montgueux zu. Die Winzer dort freut's, denn sie erlösen Preise pro Kilogramm, die es sonst nur in der Côte des Blancs gibt. Riceys, der praktische einzige Ort, den man in der Aube früher noch für einigermaßen (be)merkenswert halten konnte, ist zu neuem Leben erwacht. Celles sur Ource, Ville sur Arce, Landreville, Polisot, Polisy, Buxeuil, Avirey-Lingey, Gyé, Courteron sind Ortschaften, die man heute als Champagnerfreund kennen sollte, sie reichern die überkommene Premier-/Grand Cru Einteilung nicht nur an, sondern führen sie stellenweise ad absurdum. Das verdanken sie weniger ihrem einzigartigen Terroir, als der Besinnung einer ganzen Generation aufs Weinmachen. Verkauften die Väter ihre Trauben früher noch demütig an die hochmögenden Traubeneinkäufer aus dem Norden, so ist das heute nurmehr ein willkommenes Standbein um den eigenen önologischen Wagemut wirtschaftlich abzusichern. Dementsprechend kompromisslos, risikofreudig, schwefelarm, ungewöhnlich bis bizarr fallen die Champagner der Aube-Avantgarde aus – ein Luxus, den sich viele andere Winzer nicht leisten können oder wollen. Umso schöner für die, die sich die Resultate im langstieligen Vergrößerungsglas selbst ansehen.  

1. Jacques Lassaigne Blanc de Blancs Montgueux Le Cotet

Den Aube-Reigen eröffnet der bekanntermaßen starke Emmanuel Lassaigne mit seiner knalligen Chardonnayinterpretation vom großen Kalkhügel, wobei die namengebende Lage Le Cotet sogar direkt vor der Haustüre des Guts liegt. Trotz der nur geringen Dosage wirkt der Champagner exotisch angehaucht, anders allerdings als am Nordausgang der Côte des Blancs. Klare Ansage von einem der führenden Aube-Jedimeister.  

2. Jean Velut Blanc de Blancs Brut Montgueux

Denis Velut aus Montgueux bewirtschaftet ebenda 7 ha, weit überwiegend natürlich Chardonnay, doch fast 20% Pinot Noir sind auch dabei. Sein Champagner ist viel weicher, rundlicher und exotischer als der von Emmanuel Lassaigne, doch ganz ohne das fürchterliche Fett, das schwache Chardonnays so lahm werden lässt. 

3. Nathalie Falmet Blanc de Noirs "Le Val Cornet"

Nathalie Falmet ist Chemikerin und Önologin, eine ziemliche Seltenheit in der Champagne und nicht nur da. Deshalb hat das von ihr betriebene Weinlabor guten Zulauf und Nathalie profitiert von der Erfahrung, die sie im laufenden Beratungsgeschäft gewinnt. Sie bewirtschaftet 3 ha in in Rouvres les Vignes, in der Nachbarschaft von Colombey-les-Deux-Eglises, dem de Gaulle Städtchen. Der größte Teil ihrer Weinberge (2,4 ha) ist mit Chardonnay bestockt, Pinot Noir und Pinot Meunier machen nur ca. 0,5 ha aus. Aus den beiden Rebsorten macht sie einen Einzellagenchampagner, den Val Cornet, teilweise im Stahltank, teilweise im Barrique. Nach den beiden Chardonnays war es schon eine gewisse Herausforderung, einen geeigneten Champagner für den nächsten flight zu finden. Doch Nathalies präzis geformte dunkle Schönheit schaffte das spielend mit viel natürlicher Eleganz, das Ebenbild eines afrikanischen Topmodels.

4. Olivier Horiot Blanc de Noirs Sève Brut Nature "En Barmont" 2006, dég. 2011

Der erst Champagner des Abends, bei dem mir die Träne ins Lid zu steigen drohte. Ein heimlicher oder für manchen sicher auch offener Favorit des Abends war nämlich der Einzellagen-Pinot von Horiot. Ein mächtiges Geschoss, das erst verblüfft, dann Widerspruch herausfordert und dann fällt einem nichts ein, was man gegen diesen Champagner ernstlich vorbringen könnte. Ganz schön kontroverses Zeug also, auf seine Art. Als ich den En Barmont vor einigen Jahren das erste Mal trank, gefiel er mir einfach nur nicht, eine Meinung, die ich heute gar nicht mehr nachvollziehen kann. Einer der ganz wenigen Champagner, die wirklich und wahrhaftig auf jeglichen Dosagezucker verzichten können, ohne dadurch arm zu wirken.

5. Pierre Gerbais Blanc de Noirs L'Audace Brut Nature

Aus einer fünfzig Jahre alten Parzelle, 2010er Basis ohne Schwefelzusatz, natürlich mit vollem BSA, im Stahltank vinifiziert. Geschmacklich runder und weiter, als der En Barmont, etwas fruchtiger, mit feiner Noblesse burgundischer Prägung, von der ich letztes Jahr noch nicht den Hauch einer Ahnung hatte. Da hatte ich zwar die leicht geschwefelte Version auf 2008er Basis im Glas, aber begeistert war ich nicht – und das, obwohl ich in Vergleichsproben oft festgestellt habe, dass die minimal geschwefelten Champagner besser schmecken, als die ganz ungeschwefelten Exemplare. Sei's drum, der schwefelfreie Audace ist ein kerngesunder Champagner, dem ich noch ein langes Flaschenleben wünsche, denn die bisherige Entwicklung war mehr als erfreulich und prognostisch ist zu hoffen, dass es am Schwefel nicht gebricht.

6. Dufour Blanc de Noirs "Ligne 60" Millésime 1995, dég. 2008

Da schweigt die Nachtigall, hebt der Esel lauschend den behaarten Kopf. Denn das hier war a complete breath of fresh air, wie man wohl in England sagen würde. Der 1990er Blanc de Noirs Petit Renard von Dufour hatte schon die Sprengkraft einer Luftmine, so dass ich für den 1995er Ähnliches erwarten durfte. So war es auch, nur dass der 90er den 95er immer forgeblasen hat. Jetzt kehrt sich das Verhältnis langsam um und der ultrafrische 95er fegt alles im Umkreis weg, fast will man Gläser und Tischdeko festhalten, damit sie nicht umgestoßen werden. Ich werden diesen Champagner demnächst mit gutem Grund einer Grande Année 1995 R.D. gegenüberstellen.

7. Jacquart Blanc de Blancs 2006

Jacquart habe ich als Piraten eingeschleust, der sich mit seinen leichten Chardonnays aus Vertus, Villers- Marmery, Trépail und Vaudemange schnell zu erkennen gab; vielleicht lag das zusätzlich an der kultivierten Art, die der Champagner gewohnheitsmäßig an den Tag legt – eine Besonderheit, die mir beim 1997er erstmal aufgefallen ist und den Blanc de Blancs von Jacquart zum gerngesehenen Solisten bei unkomplizierten Abendverläufen macht. In gereifter Form kenne ich die Jahrgangschardonnays von Jacquart leider noch nicht, oder nicht besonders gut, denn die ersten Ermüdungserscheinungen setzten immer schon bedenklich früh ein, weshalb ich meinen kleinen Handvorrat dann auch immer ziemlich flott aufgelöst, bzw. ausgetrunken habe.

8. Marie-Courtin Blanc de Blancs Eloquence Brut Nature

Der Likymnische Glutblitz unter den Champagnern. Liegt es an der Holzfassvinifikation, liegt es am Barrique, an der Naturhefe, an den knapp 20 Jahre alten Chardonnays aus Massenselektion, an der Biodynamie? Egal. Wenn man diesen Champagner getrunken hat, kann man seine Champagnertrinkerkarriere in Ruhe beenden. Danach kann man nicht mehr viel verpassen.

9. Vouette & Sorbée Saignée de Sorbée

Pas de réception au domaine ni de vente aux particuliers. Fast wie bei Selosse, dem Über-Mentor. Seeehr kraftvoll, rotfruchtig und herb war das, was von Bertrand Gautherot ins Glas kam, sehr weinig, sehr burgundisch, dabei sehr eigenwillig und ich musste nicht zum ersten Mal an David Leclaparts Rosé denken, den ich gern einmal im direkten Vergleich trinken will.

10. Florence Duchêne Rosé 

Zum Schluss gab es mit Florence Duchenes Rosé-Schätzchen aus Cumières nochmal etwas Gebietsfremdes, aber dafür so wohlschmeckendes, dass von Untreue insoweit nicht die Rede sein kann. Florence ist einer der aufsteigenden Champagnersterne jüngster Generation, ihre ersten selbst vinifizierten Champagner gibt es seit Oktober 2013 zu kaufen – und ich habe mir nach mehreren ausgiebeigen Vorabtests in Cumières und im Weinberg gleich eine Allokation gesichert, die ich natürlich wieder allzu gierig und viel zu früh aufzureißen gewillt bin, doch ist der Genusslohn mehr als gerecht. Das genaue Gegenteil der Rosés, wie man sie von Vouette & Sorbée, Leclapart oder Jacquesson bekommt, ein Träumchen von roten Beeren, eine betörende Macht wie von der Fruchtbarkeitsgöttin höchstpersönlich gekeltert und eine hypnotisierende Nachwirkung, die einen überhaupt nicht merken lässt, wie schnell sich die Flasche geleert hat.

Reingespitzt: Mittagstisch „Da Gianni“ (*/17), Mannheim

Nach dem Sozialgerichtstermin in Mannheim geht man aus dem unscheinbaren, schmalbrüstigen Haus zwischen Fussgängerzone und Fressgass hinaus und fragt sich, wo es mittags mehr gibt, als die allgegenwärtigen Industriebäckereisnacks. In Mannheim ist der erste Gedanke natürlich Amador. Aber mittags? Eher nicht. Also auf zum nahegelegenen Sterneitaliener „da Gianni“, der in der Küche gar kein Italiener ist, denn bis vor ziemlich exakt zwei Jahren stand dort Harald Wohlfahrts Vorgänger in der Traube, Wolfgang Staudenmaier und seither ist es sein damaliger Souschef Thorsten Wittmann.

Die Weinkarte ist nicht riesig, aber die Namen darin sind es sehr wohl, die Preise wiederum sind es nicht. An glasweisem Sprudel gibt es nur eine kleine Auswahl, den Roederer für 14,50 €/Glas oder den Ferrari Perlé 2006 aus der Magnum, sboccatura 2013, für 12,00 €; also her damit, flott serviert vom charmant wie polyglott parlierenden Gastgeber und Gründersohn Paolo Julita.

Dann die Entscheidung für’s Menu, vier oder fünf Gänge für 84 oder 95 EUR. Für mich einfach, denn auf das Dessert verzichte ich im Zweifel.

Nach einem mittelmäßig beeindruckenden Amuse kommt die sehr schaumige Karottenschaumsuppe und ist mit ca. sechs vollen Löffeln weggelöffelt. Weiter also. Thunfischcarpaccio. Kühl und fad war das, das gleich in zwei Klecksen auf den Teller gesetzte Tatar fand ich antriebsschwach und lahm gewürzt, kurz gebraten auf Tomatenwürfeln war der Fisch dann so herrlich, wie ein so formidables wie bedrohtes Produkt sein soll, vor allem mit dem Spumante ergab sich ein sinnenfroher Reigen von Röstnoten. Es folgte feinster Rochen mit gerade noch bissfestem Grillgemüse, die bei Gianni schon seit Jahren verwendete Kapernmarinade und Spumanteschaum, der indes kaum nach Spumante und dafür sehr nach Butter- oder Sahneschaum schmeckte. Mir war das  ausserdem zu wenig Kaper, Zitrone und Salz hätten hier gutgetan. Die Tagliolini mit Ochsenschwanz waren frisch sehr kräuterduftig und sie brachten behagliches Italienfeeling mit, der sparsam beigegebene Ochs hätte dafür etwas weicher und würziger sein dürfen; ohne den wackeren Ferrari wäre der Gang kaum der Rede wert gewesen. Nun der Rehrücken mit kräftiger und daher von mir sehr geschätzter Sauce, leider war es zu wenig für meinen Geschmack und leider habe ich aus Zeitgründen nicht nach mehr gefragt. Die grünen Linsen zum Reh fand ich gut, bis in den Kern hinein gar, nicht mehlig, nicht verkocht, apart würzig und damit gleichbedeutend mit: für mich zu behutsam gewürzt. Das gute Rehfleisch war indifferent gegart und hat zum Schluss wohl zu viel Hitze abbekommen, was den Rand und den Kern unschön verschwimmen ließ.

Fazit:

Für einen Mittagstisch mit vier Gängen ist mir das Lokal zu teuer, das geht zB im Mainzer Favorite oder im immer wieder empfehlenswerten Grand Cerf (natürlich in der Champagne) besser und günstiger. 

Champagne Taittinger reloaded

Bei Taittinger schaue ich wie bei allen großen Erzeugern alle Jubeljahre in die gute Stube, denn so rasant sind die Entwicklungen dort ja nicht. Andererseits hat man auch nicht immer alle Details über so einen Erzeuger eins zu eins vor Augen und deshalb ist es immer ganz sinnvoll, sich paar Fakten zu vergegenwärtigen. Die Flaschengärung findet bei Taittinger zB bis zur Methusalem (6l) statt, die Kawentzmänner liegen unter Naturkork und gehören zu den seltenen Großflaschen, mit denen so verfahren wird, normalerweise transvasieren die meisten Häuser auf Anforderung.

Bei den Taittinger-Champagnern ist alles im Lot. Der Brut mit 40CH 35PN 25PM und hohen 9 g/l Dosage wirkt leicht, und wäre elegant, wenn er nicht doch auch etwas flach wäre. Der Rosé mit 35PN 35PM 30CH ist bekanntermaßen fülliger, rotfruchtig und sonst sehr ähnlich gebaut. Was mich aufhorchen ließ, waren die zahlreichen Anspielungen auf die Dosagefrage und vielleicht haben wir demnächst sogar tatsächlich einen Extra Brut von Taittinger? Ich lasse mich überraschen und empfehle für die Wartezeit den Sitzenchampagner des Hauses, von dem ich gleich ein paar Jahrgänge vorstellen will:

Comtes de Champagne 2004

Blanc de Blancs mit Chardonnay aus Chouilly, Cramant, Verzy, Verzenay, 5% Holzanteil 

Butter, Löwenzahnblüte, Sonnenblumenkerne, minimale Toast- und Röstnoten, mit Luft sehr vollmundig bis ausladend, wird der Champagner regelracht massiv im Mund und sehr lang, sehr klar und nach all der Fülle am Ende dennoch reinigend, wie Wassertropfen auf einer Lotusoberfläche perlt die ganze Aromatik ab und verschwindet im Orkus. 

Da ist aber auch der sahnige Taittinger Comtes de Champagne 1983, voller Milchschoki und Kautschuk, der mehr gelutscht als getrunken werden will.

Der Taittinger Comtes de Champagne 1990 ist ganz weich und ultraeingängig, genauso, wie man sich den berühmten jahrgang jetzt wünscht; verführerische Kräuternote mit einer Spur feinem Liebstöckel, abgerundet mit einem Schuss Apfelsaft.

Taittinger Comtes de Champagne 1994 ist leicht röstig, mit feiner Zitrusnote, dazu Kerbel, zarter Liebstöckel und die Kräuterigkeit wirkte auch hier nicht ältlich oder kaputt, wie man das von altem Rotwein kennt, sondern firm und passend.

Taittinger Comtes de Champagne 2005 ist viiel zu jung, speckig und verquollen, da kann man noch nicht viel konkreten Charakter, Talent oder Neigung feststellen.