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Monthly Archives: Mai 2014

Origines Champagne 2014

Die traditionelle Probierwoche in der Champagne ist so traditionell noch gar nicht. Keine zehn, sondern nur läppische sechs Jahre ist es her, dass eine Reihe aktionslustiger und besonders dynamischer Winzer sich entschloss, im Frühjahr eine Verkostung auf die Beine zu stellen, die dem interessierten Publikum tiefere Einblicke in das Terroir der Champagne ermöglichen sollte, als gemeinhin üblich. Dazu gehörte auch, was mittlerweile zum Wahrzeichen dieser Art von Verkostung geworden ist, die Bereitstellung charakteristischer Vins Clairs der vergangenen Ernte. Dieses fiese Zeug hat früher keinen interessiert und jeder war eigentlich froh, dass die Kellermeister das jeden Tag selber süppeln müssen, um in einem kaum näher nachvollziehbaren Prozess einen richtig tollen Champagner zu kreieren. Sicher, einige Autoren schwärmen in ihren Standardwerken vergangener Tage von den hervorragenden Grundweinqualitäten bestimmter Hersteller. Aber sich damit so richtig auseinandersetzen? Lieber nicht. Das hat sich zum Glück geändert, auch wenn die Verkostung von Vins Clairs eine anstrengende und schwierige Sache bleibt, die für mich auch nach fünfzehn Jahren noch keinen Deut einfacher geworden ist. Genau das ist einer der Gründe dafür, dass Assistenzkellermeister oder Kellermeister aus einem Team von Kellermeistern nach ebenso langer Zeit noch als rookies angesehen werden, deren Meinung im Verkosterpanel immer als erste gehört und postwendend abgetan oder vergessen wird. 

In großen Häusern, wo Hekatomben unterschiedlichster Crus in eine Cuvée wandern, ist diese Aufgabe ungleich schwieriger als bei einem Monocru-Winzer, soviel ist andererseits auch wieder klar. So darf man also weder unnötig verkomplizieren, noch unangemessen vereinfachen. Einfach machen es uns die Winzer von sich aus schon. Denn Teil des Konzepts ist es eben, Vins Clairs vorzustellen, die auf besondere Merkmale hinweisen können, die tragende Merkmale einer späteren Cuvée verdeutlichen oder Aspekte aufzeigen, über die man sich im Eifer des Gefechts vielleicht gar keine Gedanken gemacht hätte.    

Mittlerweile haben sich am und um diesen etablierten Termin jedenfalls weitere Winzergruppierungen an die Öffentlichkeit gewagt. Ein der jüngsten, die dieses Jahr Premiere feierte, ist die der "Origines Champagne". Von den dortigen Winzern kenne ich ein paar schon länger persönlich oder verfolge ihr Wirken mit Wohlwollen. Umso schöner ist es dann, wenn sich drumherum eine möglichst homogene Truppe findet, in der eine Bündelung von Ideen und Aktionen möglich ist.

Gleich als erstes war ich bei Florence Duchêne aus Cumières, die ich schon verschiedentlich vorgestellt und gelobt habe, weil mir der jugendlich-frische Ansatz gefällt, aber auch die interkulturelle Vermählung: die Cuvées oberhalb von Brut Tradition und Reserve tragen die Namen philippinischer Naturgottheiten und den Eindruck von subtropischer Wildheit bekommt man durchaus, wenn man den bewusst ungebändigten Noten der Duchêne-Champagner nachspürt. 

Tristan Hyest, den ich seit einiger Zeit schon aufsuche, um seine Einzellagenchampagner in statu nascendi zu probieren und abzugreifen, gefiel mir besonders gut mit seinem Brut Reserve, der vor Lebensfreude strotzte und damit selbst die von mir sehr geschätzte Cuvée Colostrum, die ich von ihm ja als allererste kennen- und lieben gelernt hatte, in die Schranken wies. Der feine Rosé hatte es dann natürlich schwer, noch zu punkten.

Benoît Déhu, dessen 200er Millésime mich vor längerer Zeit nachhaltig positiv angesprochen hatte, war mit einem ganz anderen lineup an den Start gegangen. Er hat die Einzellage La rue des Noyers in drei unterschiedlichen Formen vinifiziert: als Weißwein, als Rotwein und als Extra Brut Champagner. Die Rebsorte ist jeweils Pinot Meunier und das ist das tolle an solchen Veranstaltungen: Winzer, die sich genaue Gedanken darüber machen, was sie dem Publikum neben einem milden Rausch noch mit auf den Weg geben können. Ich fand jedenfalls den Champagner exquisit und werde nicht versäumen, mir davon einen kleinen Handvorrat anzulegen, denn Pinot Meunier in dieser Form zu bekommen, gelingt nicht alle Tage. Als Weißwein ließ er alle Facetten exotischen fruchtreichtums spüren, ohne dabei oberflächlich oder auf Effekt ausgerichtet zu wirken, als Rotwein gehört er zu den ernstzunehmenden Gewächsen, mit denen sich eine württembergische Konkurrenz von Drautz-Able, Schnaitmann oder Neipperg wunderbar aufmischen ließe.

Pierre Amillet von Robert Moncuit aus Le Mesnil war in meinen Augen schon lange ein Typ, der mit seinem Champagner Mitglied einer dieser Winzergruppen hat werden müssen. Seit geraumer Zeit gehören seine Jahrgänge und seine jahrgangslosen Extra Bruts für mich zu den Dauerbrennern auf der Einkaufsliste besonders bekömmlicher und freudestiftender Le-Mesnil Champagner. Eine richtige Prestigecuvée fehlt noch, aber dringend erwarten tue ich sie nicht. Dafür ist schon sein Champagner aus dem preislichen Fundaments- bis Mittelbaubereich genug Entertainment. Spannend ist es aber auf jeden Fall seine Chétillons und die von Pierre Peters nebeneinander zu probieren (was hier nur nacheinander ging), auch sein Solera-Projekt gibt begründeten Anlass zu der Hoffnung, dass aus dem Haus gegenüber vom Bahnhof in Le Mesnil noch viel Gutes kommen wird. Übrigens ist der Bahnhof seit gerade mal einer Woche zu einem hübschen kleinen Restaurant umgewidmet und gebaut, dort kann man die Muóncuit-Champagner glasweise schlürfen und aus der umfangreichen Karte weitere örtliche Erzeuger hinzuwählen. 

Der junge Laurent Vauversin von Champagne Vauversin aus Oger, das trotz Grand Cru Status noch viel zu viele unbekannte Winzer beherbergt, stellte einen Champagner vor, den ich noch einige Male zu trinken haben werde, bevor ich ihn ganz ergründen kann. Die Reserve Orpair 2007. Ein ausgemacht raffiniertes Stück aus alten kleinen Holzfässchen, mit vollem BSA und 6 g/l Dosage. Sowas von schmackhaft und sowas von durchtrieben, dass es mir regelrecht Schauer über den Rücken treibt.

Sehr sympathisch war Nicolas Salomon von Champagne Denis Salomon aus dem Marnetal. Seine Champagner sind mir wenigstens teilweise schon länger bekannt, weil sie oft glasweise in der Region angeboten werden und zuletzt hatte ich im Champagnerlädchen der drei Mädels aus Dizy, die nun nach Hautvillers gezogen sind, davon gekostet. Zu einer sehr schmackhaften Platte mit regionalen Kleinigkeiten übrigens. Die beiden Jahrgänge 2008 und 2009 waren wie ihr Schöpfer sympathisch, der Rosé schön fruchtig, alle drei hätten mehr Druck Dynamik und Frechheit vertragen können, finden aber sicher auch ohne ihre Liebhaber, gerade bei den Freunden des nicht allzu säurestarken Champagners.

Aus Venteuil, wieder Vallée de la Marne, kommt Champagne Maurice Grumier. Fabien Grumier hatte die Cuvées Amand Extra Brut, Mill. 2005 Extra Brut und Instant Brut Nature mitgebracht, außerdem gab es einen Meunier aus Festigny zu probieren, eine der Hochburgen des Spitzenmeunier, sowie eine Solera, begonnen 2013. Mein Favorit dieser Auswahl dicht beieinander liegender Champagner war die Cuvée Amand aus einem Viertel Pinot Noir und sonst Chardonnay, mit 6 g/l dosiert. Reichhaltig, von altmodischer Großzügigkeit, der man einen kundigen Holzeinsatz abschmeckt.   

Sehr gut gefiel mir außerdem die Leistung von Jérôme Bourgeois, der Champagne Bourgeois-Diaz aus Crouttes sur Marne vertreten hat und dessen Rosé ausgezeichnet mit schwarzen Noten von Pfeffer und Lakritz arbeitet. 

Nicht so gut gefallen haben mir die Champagner von Nathalie Falmet. Der Brut Nature war so karg, dass er mir schon bitter vorkam, der eigentlich sehr schöne, wenngleich ebenfalls karge Einzellagenchampagner Val Cornet und selbst der Rosé de Saignée waren alle nicht Hochform. Das habe ich schon besser von ihr getrunken, daher hier keine weiteren Auswalzungen. 

English Sparklings: Chapel Down

Ganze 120 Hektar stehen Chapel Down in Kent zur Verfügung, die dort produzierten Schäumer finden sich bei Jamie Oliver und Gordon Ramsey auf der Karte wieder. Mit Recht? Um es kurz zu machen: ja. 

1. Vintage Reserve Brut

46CH 44PN 6PB 4PM, 2010er Basis.

Leichter Klebstoffton, sonst viel weiße Blüte, Linde, Kamille, Hefe, dazu Apfel und einige rote Früchte. 

2. Three Graces 2008

55PN 37CH 8PM

Druck, Frische, Säure. Mehr braucht es eigentlich nicht, um mir zu gefallen.

3. Rosé Brut NV

100PN, Mazerationsrosé. 

Ernster, kräftiger Rosé, der unverbildet, unverkitscht und mit einiger Würde im Glas steht. Wie eine imperiale Wache in Krieg der Sterne. 

Chapel Down kann mit gutem Grund als Institution englischer Schaumweinkunst angesehen und als Referenz hergenommen werden. Seit Jahren, und damit meine ich nicht zwei oder drei, liefert der erzeuger aus Kent schönen Schaum eigener Machart, der die "Méthode Anglaise" mit Souveränität und Charakter vertritt.  

English Sparklings: Bolney Estate

In den South Downs, West Sussex, macht Samantha Linter Schaumwein für das seit vierzig Jahren familiengeführte Bolney Estate. Das Gut ist recht bekannt für seine Stillweine, von denen ich zunächst Lychgate Red 2011 aus 95% Rondo und 5% Dornfelder probiert habe. Nachdem die Vorbehalte überwunden und der Wein sich als eine Art Ursprung von Schneider gepaart mit Pesquera light erwiesen hat, habe ich mir auch den Bolney Cuvée Noir 2010 zu Gemüte geführt. Das ist, obacht, ein Sparkling Red, also ein Rotsekt. Ziemlicher Pornfelder, der nur sehr kalt geht, dann aber anderen Kameraden dieses Typs wie dem Vixen Sparkling Shiraz u.ä. kaum nachsteht. Die weiteren Schäumer waren:  

1. Blanc de Blancs 2009

100CH, mit 9,5 g/l dosiert, BSA wurde durchlaufen

Der Blanc de Blancs war mir gleich schon zu süß und wenn nicht am Ende ein frecher Säureaufmucker gekommen wäre, hätte ich ihm den schlimmsten Vorwurf gemacht, den man, in Abwandlung von M. Reich-Ranicki, einem Schaumwein machen kann: langweilig, langweilig, langweilig. Aber ist er ja eben nicht, denn er kriegt gerade noch die Kurve. Nur sei auf der Hut, Samatha, nicht dass es beim nächsten Mal schiefgeht. 

2. Rosé

Früher Seyval Blanc und Merlot, heute Pinot Noir? Ganz sicher bin ich mir mit den Rebsorteninformationen nicht und in meinen handschriftlichen Notizen konnte ich keine finale Erklärung dazu finden. Lassen wir die Rebsortenfrage deshalb vorerst offen und den Gaumen richten. Der hatte nur nicht viel zu richten, denn das vor zwei Wochen erst stattgehabte Dégorgement war der Wein noch viel zu unruhig und muss sich für eine zuverlässigere Beurteilung erst setzen. Viel Rasanz vermute ich aber auch für die Zeit nachdem sich der Dosageliqueur eingegliedert hat, nicht, dafür schien mir an allen Ecken und Enden die markante Säure der Seyval Blanc zu fehlen.

3. Bubbly NV

Chardonnay, Müller-Thurgau, Reichensteiner, mit 11 g/l dosiert

Der kam mir seltsam vor. Von wegen Apfel, Brioche, Zitrus, Lindenblüte und was man sonst gern im Schäumer vernehmen will. Nichts davon wollte sich mir wirklich entgegenrecken und offenbaren, stattdessen eine für mich zu pappige Süße und eingestaubte Trockenblumen. Denn süsslichen Müller-Sekt stelltee ich mir schon theoretisch nicht sehr positiv vor und die hier vollführte Praxis überzeugte ebenfalls nicht.

Von allen probierten Engländern ist das der Produzent mit dem deutschesten oder jedenfalls konsequentesten an nördlich-problematischen Klimaverhältnissen ausgerichteten Rebsortenspiegel. Das ist nicht ausschließlich vorteilhaft, vor allem beim Geschmack. 

Ein Traum in weiß: schöne Chardonnay-Champagner

Es gibt nichts schlimmeres, als einen durchschnittlich guten Blanc de Blancs. Das ist eines der wenigen Weistümer, die ich auf meiner Âventiure des Champagners erlangt habe. Das Thema Blanc de Blancs Champagner ist so ausgelutscht, fad und arg, dass man damit wirklich niemanden mehr belästigen mag. Und doch finden sich immer wieder Mutige, die es auf sich nehmen, die letzte, nein allerletzte Facette zu erspüren. Sascha Speicher vom Meininger Verlag ist zB so einer.

Aus meiner Tirade nehme ich, das vorweg, die Blanc de Blancs aus, die unter Beteiligung der alten Rebsorten entstanden sind, also alles, was mit Pinot Blanc, Arbane, Petit Meslier oder gar Pinot Gris zu tun hat. Mein Verdikt gilt nur für die – mengenmäßig ohnehin allein maßgeblichen – Chardonnaychampagner. 

Warum eigentlich ist denn nun also Blanc de Blancs Champagner so schlimm? Oder anders, was ist schlimm daran, Blanc de Blancs gut zu finden? Der Reihe nach. Blanc de Blancs sind an sich gar nicht schlimm. Schlimm ist nur die Verwahrlosung, die in diesem Champagnersegment herrscht. Die Einfalls- und Mutlosigkeit, die Mentalität des "lieber sicher als gut", die einlullende Überformung des antizipierten Massengeschmacks. Das ist schlimm am durchschnittlichen Blanc de Blancs. Über die dazu noch handwerklich schlecht geratenen Exemplare brauche ich mich gar nicht auszulassen und habe da nichts abzuarbeiten, darum geht es mir auch gar nicht. Zur zweiten Frage: warum darf man Durchschnittschampagner nicht gut finden? Antwort: dochdoch, man darf, aber man braucht darüber nicht groß palavern. Im besten Sinne (be)merkenswerte Champagner sind das nicht. Trinken und vergessen reicht völlig. Nur wenn es um mehr gehen soll, als gewohnheitsmäßig in Trab gehaltenen alkoholischen Metabolismus oder Champagner als reflexhaft geordertes Abschleppgetränk für Menschen, die Cliché für ihren höchstpersönlichen Geschmack halten oder rundheraus jede Entscheidung als Geschmackssache, in Sachen Wein und Champagner besser bekannt als "schmeckt mir oder schmeckt mir nicht"-Antwort, patziger noch: " mir schmeckt er halt", zu Tode relativieren – dann, ja dann wird es interessant. Nur ist das Eis in dieser Region sehr dünn. So dünn, dass es für die meisten nur aus der Ferne zu betrachten ist und dementsprechend verfälscht ist dann auch die mehr oder weniger sachunkundige Einschätzung.

Einige Champagner, die eine Betrachtung aus der Nähe lohnen, sind diese hier. Es sind nicht unbedingt die ultrararen oder ultrateuren Champagner oder förmliche unicorn wines, wie man so schön sagt, aber es sind Champagner, die Beschäftigung bieten und die man haben wollen muss.

1.a) Eric Rodez Blanc de Blancs Brut

Eric Rodez hier, Eric Rodez da, Eric Rodez überall. Seit Jahren hat der Mann bei mir einen festen Platz im Champagnerherz und muss deshalb immer wieder als Paradewinzer herhalten, wenn es um rebsortenreine Champagner, Multi Vintage und Kunst der Assemblage geht. Denn das kann er wie kaum ein anderer, ohne dass er dabei verschreckend oder verstörend wirkt. Man kommt sich bei ihm nicht vor wie bei einem irren Sektierer und allein schon für dieses gute Gefühl hat er meine Wertschätzung. Als Blanc de Blancs ist eigentlich der Einsteiger von Rodez schon hinreißend genug, noch verrückter wird es erst mit den Empreinte de Terroir Chardonnays, von denen sich jetzt noch einige 1999er am Markt befinden und der aktuelle 2003er, die gleichermaßen obergeil sind.

Bei dieser Gelegenheit weise ich gleich noch auf drei Champagner hin, die ebenfalls Aufmerksamkeit verdient haben und sich in gewisser Hinsicht sehr ähnlich sind:

– Regis Fliniaux Blanc de Blancs d'Ay Grand Cru NV, Regis ist in der Dorfmitte zu Hause und leider immer ausverkauft, aber wenn man beharrlich genug in seinem Minimuseum stehen bleibt und etwas zu kaufen verlangt, degorgiert er ggf. spontan was weg und stattet die Flaschen mit ihren Etiketten aus. Der Blanc de Blancs aus ay ist eine Seltenheit, weil in diesem Ort niemand Sinn für Chardonnay hat, alles stürzt sich verständlicherweise auf den Pinot. Dabei sind die Chardonnays von hier so herrlich eigenständig und beweisen mit ihrer typischen Aromatik beste Herkunft, da ist es ein Jammer, dass nicht mehr Winzer Blanc de Blancs d'Ay produzieren.

– Gaston Chiquet Blanc de Blancs d'Ay Grand Cru NV, wenn man Chiquet hört, denkt man schnell nur an die Chiquet-Brüder, die Jacquesson leiten und in immer neue Sphären heben. Aber Gaston Chiquet, wenige Meter daneben, ist immer gut für einen tiefen Schluck aus der Pulle. Sein Blanc de Blancs d'Ay gehört zu den ältesten, wenn es nicht sogar gleich ganz der erste ist.  

– Lallier, der einstige Kellermeister von Deutz & Geldermann, ist als Dritter im Bunde in Ay ansässig und macht einen Blanc de Blancs, der zu 70% Chardonnay aus den Dorflagen enthält und 30% aus der Côte des Blancs. Das hievt in nicht in ganz dieselbe Schiene wie die anderen beiden, aber ist auf jeden Fall probierenswert, um Erkenntnisse abseits des Massenchardonnays zu sammeln. 

2. Agrapart Minéral Blanc de Blancs Grand Cru Extra Brut 2005

Ein anderer Winzer aus dem Spitzensegment und einer der großen Avize-Winzer ist Pascal Agrapart, der unermüdlich an neuen Cuvées arbeitet. Wie bei Rodez kursieren vom Minéral derzeit zwei Jahrgänge, 2005 und 2007; der Verzihz auf BSA gibt dem Chardonnay sehr viel Schwung mit, wobei dem kräuterigen Apfelaroma Sahnigkeit und edle Herbe kunstvoll zur Seite gestellt sind.  

3. de Sousa Cuvée des Caudalies Blanc de Blancs Grand Cru Brut

Der dritte große Avize-Winzer, der sofort die Synapsen besetzt, wenn von dem Örtchen die Rede ist, ist Erick de Sousa, der als einer der ersten den Schritt zur Aufspaltung gegangen ist und unter seinem Namen die Winzertradition, das berühmte "RM" hochhält, während unter dem Label Zoémie de Sousa zugekaufte Trauben vinifiziert werden. Seine Cuvée des Caudalies ohne Jahrgang ist ein Klassiker der réserve perpetuelle und hat mir schon vor Jahren ein in mehreren Varianten erlebbares Paradoxon vor Augen geführt, nämlich das von Reife und Jugend im selben Champagner.  – man erlebt das sonst noch bei Spätdégorgements – überspitzt ausgedrückt –  in Form eines unerhörten Säureangriffs, dem dann unvermittelt wohltuende Tertiäraromen folgen. Bei der Cuvée des Caudalies ist es die besondere Solera-Weichheit, die den Champagner trotz seiner knackigen Säure so eindrucksvoll wirken lässt.  

4. Jacques Lassaigne Le Cotet Blanc de Blancs Extra Brut

Montgueux und die Winzer dieses Champagner-Tafelbergs, das ist per se schon etwas besonderes. Die Lage als südlichster Ausläufer der Côte des Blancs ist natürlich exponiert bis exotisch und so verblüfft es nicht, wenn sich einige der ansässigen Montgueuxwinzer von der fruchtigen Ausdrucksstärke ihrer Chardonnays dazu verführen lassen, allzu banale Weinchen zu vinifizieren, womöglich in der Hoffnung, bloßes Aroma könnte den entscheidenden Vorsprung garantieren. So ist es nämlich nicht. Im Gegenteil, das Aroma will korrekt geführt werden, sonst fasert es aus und macht den Wein lächerlich. Emmanuel Lassaigne ist einer, der das weiß und kann. Seine Champagner wirken puristisch und kompromisslos, auch salzig und gar nicht unbedingt wie Aromenschwergewichte. Aber Lassaigne geht mit dem großen Aromenvorrat, den ihm der Berg anvertraut um, wie der Bäcker mit dem Teig. Er knetet ihn gehörig und walzt ihn geschickt aus, am Ende steht kein dicker Klumpen mehr, sondern präzis ausgestochene Formen.

5. Rafael & Vincent Bérèche Côte Grand Cru Blanc de Blancs Extra Brut 2002

Bei Bérèche und kürzlich auch bei Janisson-Baradon hat sich dieselbe Entwicklung vollzogen, wie bei Agrapart, ein Teil der Produktion bleibt "RM", ein anderer wird "NM". Der Côte von Bérèche stammt aus der NM-Linie. Das macht ihn nicht schlechter, ganz im Gegenteil. Der Chardonnay für den Côte stammt großteils aus Cramant, der Ort ist bekannt für Ausgewogenheit und die Vereinigung aller Stärken der umliegenden Grand Crus. Ausgewogenheit ist deshalb bei diesem Champagner auch das Hauptstichwort. Die Säure ist zurückhaltender, Apfel, Nüsse und Brioche sind da, aber bleiben dem Rampenlicht fern. Und das ist klug, denn durch die marktschreierische Art, mit der diese typischen Aromen immer wieder an den Mann gebracht werden, gewinnt man keine Freunde. Die Textur ist seidig, fast hätte ich gesagt mehlig, denn kurz hatte ich den Eindruck, aber das teigige Element findet sich hier allerhöchstens in Form einer Erinnerung an Laugenbrezeln. 

6. Bruno Paillard Blanc de Blancs Brut 2004

Die gewaltige Ernte des Jahrgangs 2004 hat uns Champagner beschert, die von manchen mindestens auf dem Nioveau von 2002 gesehen werden, von manchen aber auch als gefährlich substanzschwach, ja dünn bis wässrig gesehen werden. Die Gefahr mangelnder Konzentration sehe ich beim 2004er Chardonnay von Bruno Paillard nicht. Er wirkt etwas fetter sogar, als der Côte von Bérèche, aber das mag eine Dosagefrage sein.

7. Duval-Leroy Blanc de Blancs Brut Nature 2002

Nussig, reif, mit Hefezopf und einem dezenten Holzeinfluss präsentiert sich der Chardonnay Brut Nature aus dem Duval-Leroy, das vor allem wegen seiner exquisiten Authentis-Champagner bekannt ist und das ich wegen der Femme de Champagne genannten Spitzencuvée schätze, die es jetzt auch als Rosé gibt. Der Chardonnay in undosierter Form ist recht neu und Zugeständnis an den dorthin drängenden Markt, sofern man bei der als brut nature insgesamt verkauften Menge an Champagner überhaupt von einem richtigen Markt reden kann. Jedenfalls aber ist dieser Champagner ein Bekenntnis in Richtung der Winzer, die damit angefangen haben, Einzelmerkmale vor Kontinuität im Geschmack zu setzen. Sahnig und reif, mit viel gelber Frucht schließt dieser untypische Champagner.  

8. Taittinger Comtes de Champagne Blanc de Blancs Brut 2005

Die Aromenklassiker Nuss, Hefe, Toast und Apfel haben diesen Champagner zu recht berühmt gemacht und unter den Chardonnay-Prestigecuvées gehört er zum nicht wegzudenkenden Inventar. Besonders, wenn er seine zwanzig oder fünfundzwanzig Jahre hinter sich gebracht hat, wobei ich mich mit wohligem Schaudern an den 1994er Comtes de Champagne erinnere, den ich technisch für toto und in einer Probe nur als Kuriosum hätte betrachten wollen, der dann aber so aufdrehte, dass ich mich über meine voreilige Einschätzung richtig geärgert und umso mehr am Champagner gelabt habe. Zurück zum 2005er, der seinen Reiz von Currystraucharomen, Safran, Zimtblatt, Muscovado und trotz all der Orientalik einer kreuzfahrerischen Gemütsruhe und kühlen Ausstrahlung bezieht. Er wirkt und ist süßer als die Chardonnays der Winzer, aber meiner Liebe tut das keinen Abbruch.  

9. Ruinart Dom Ruinart Blanc de Blancs Brut 2002

Zusammen mit dem Comtes de Champagne und dem Blanc de Millénaires von Charles Heidsieck ist das wahrscheinlich einer der größten Chardonnaychampagner, die man von einem Erzeuger dieser Größenordnung bekommen kann. Er gehört schon kurz nach der Freigabe zu den würzigsten, auch am mutigsten mit Röstaromen versehenen Champagnern, bleibt aber dank des verschwenderischen Einsatzes von Butterschmalz, Hagelzucker, Macadamia, Pekan- und Paranuss, einer glanzvollen Parade unterschiedlichster Apfelsorten und dank seiner enormen Durchzugskraft nicht stehen, sondern spurtet unermüdlich und raubkatzenhaft über den Gaumen. 

Champagnergala – Schlosshotel im Grunewald, Berlin

Ein Schloss ohne Leben ist wie ein Champagner ohne Perlen. Das teilweise von Karl Lagerfeld eingerichtete Palais Pannwitz wurde zuletzt mehrfach hin- und herverkauft; etwas länger zurück liegen auch die lebensfrohen Zeiten, in denen Romy Schneider hier geheiratet oder Demi Moore mit Ashton Kutcher die Laken zerpflügt hat. Das Schlosshotel im Grunewald drohte als ex Vier Jahreszeiten, ex Ritz-Carlton, ex The Regent um ein Haar, den Anschluss an die sich laufend selbst erneuernde Spitzenhotellerie im Zentrum der Stadt zu verpassen. Jetzt hat es einer gekauft, der dem ehrwürdigen Haus neues Leben einhauchen will, ohne den in der Lobby hängenden Kaiser (Wilhelm II.) noch im Tode zu vergraulen. Nur, wie füllt man ein Schlosshotel mit Leben? Indem man es mit Champagner füllt. Das ließ sich der damit beauftragte Tjorben Montefury nicht zweimal sagen. So prompt, wie flugs und leichthändig richtete er am vergangenen Montag eine Champagnergala aus, die sich sehen lassen konnte – und auf der man sich sehen lassen konnte. Man, das heisst die unabdingbare Klatschspalten- und Grunewaldprominenz. Die hielt freilich erst Einzug, als die freihabenden Sommeliers und Gastronomen schon wieder abgezogen, selig in den Korbmöbeln auf der Terrasse weggeschlummert oder noch ganz anders beschäftigt waren.

Aufgefahren wurde ein schöner Mix großer Häuser mit schlossgeeigneten Champagnern und einige weniger bekannte Erzeuger. 

1. Billecart-Salmon zeigte sich im schmucken Gewand, mit dem gediegenen 2004er, einem seit seiner Freigabe immer besser werdenden Sous Bois, der jetzt leider bald ausverkauft sein wird und dessen dauerhafte Aufnahme ins Programm von Billecart leider sehr fraglich erscheint, außerdem mit Nicolas-Francois Billecart 1999. Den 1998er finde ich jetzt und für die nächsten Jahre optimal, der 99er wird sich als guter Nachfolger und meinem Gaumen sicher nicht zum letzten Mal die Ehre erweisen.

2. Piper und Charles Heidsieck standen nebeneinander und waren dabei so grundunterschiedlich, dass man wahrscheinlich schizophren werden oder bewusstseinserweiternde Drogen nehmen muss, um die Arbeit von Regis Camus wirklich verstehen zu können. Charles Heidsieck war mit dem Jahrgang 1999 und 2000 in weiß und rosé da, sowie mit dem bombastischen Blanc de Millenaires 1995 im neuen outfit. Dessen Knalleffekt blieb beim wievielten Mal nachprobieren natürlich aus, aber jedes Mal wenn ich ihn trinke, freue ich mich riesig, dass es mit dieser Cuvée in der viel geschmähten Großhausluxusklasse etwas gibt, das selbst abgebrühteste Gaumen noch zu kitzeln vermag. Piper überzeugte mit dem neuen Millésime 2006, der mir jetzt schon besser gefällt, als der bis dahin bereits gute 2004er je tat und weil danach Rare 2002 zu erhalten war, der sich gegenüber meinen letzten beiden Proben im März 2014 und Oktober 2013 noch einmal fortbewegt, vor allem aber dosagemäßig beruhigt hat, wäre ich gern noch länger am Stand geblieben; dazu trug ganz zum Schluss noch der Brut Sauvage Rosé bei, den ich bei Piper schon einmal in der weißen Jahrgangs-Urform zu kosten bekommen hatte und der vor einigen Jahren ohne erkennbare stilistische Verwandtschaft zu den Mode-Rosés gehört hat. In der Ecke würde ich ihn auch bis heute sehen. Dreißig Jahre Glaschenreife halte ich bei dieser Cuvée nicht für förderlich.

3. Philipponnat glänzte mit einer der einheitlichsten Stilistiken überhaupt, vom einfachen Brut aus der Magnum über Brut Nature, Blanc de Blancs, Milléime 2008 und Blanc de Noirs, bis zum Rosé eine einzige geschlossene Front. Die brach erst auf mit dem Cuvée 1522 weiß aus dem Jahrgang 2004 und dem formidablen Clos des Goisses 2000. Mir gefiel der 1522 besser, als der Clos des Goisses, weil er etwas fülliger zu sein schien und nicht so verhalten auftrat. Dem Clos des Goisses tut das keinen Abbruch, er war erst im November 2013 degorgiert worden und hat seine beste Zeit deshalb noch vor sich, wie ich von mehreren Begegnungen innerhalb der letzten vier, fünf Jahre weiß. An den 2001er kommt er meiner Meinung nach noch immer nicht heran, aber der stand am Montag überhaupt nicht zur Debatte.

4. Lallier entließ den einfachen Brut, den Blanc de Blancs und einen Rosé ins Glas. Der Blanc de Blancs war davon am bemerkenswertesten, auch wenn er nicht, wie von mir in solchen Fällen bevorzugt, zu 100% aus Ay stammte, sondern "nur" zu 80%, der Rest dann aus der Côte des Blancs. Zu Lallier werde ich in nächster Zeit noch ein paar mehr Worte zu verlieren haben, weil ich schon um das Jahr 2000 herum gehörigen Trinkspass mit diesem bei uns seltsam unbekannten Erzeuger verbunden habe; damals gab es in Münster ein kleines Weinlädchen, über das ich Geschmack an Lallier gefunden hatte, wobei Münster in Sachen Champagner schon damals nicht zu verachten war, wenn ich etwa an die Maison de France von Marie-Claire Buffet am Friesenring zurückdenke.

5. Moet et Chandon hatte Grand Vintage 2004 in weiß aus der Magnum und als Rosé 2002 dabei. Speziell der weiße Grand Vintage ist so moetig, wie ein Champagner überhaupt nur sein kann, das heißt fruchtig, optimal balanciert und Ausdruck selten erreichter Könnerschaft im Umgang mit dergestalt vielen Grundweinen, wie sie mancher Kellermeister seinen Lebtag nicht zu beurteilen hat. Als Rosé war mir der Champagner etwas wenig dynamisch und schien mir insgesamt verschlossen bis abweisend, was bei einem so schönen Jahrgang durchaus Wunder nimmt. Mag sei, dass ein plénitude-Wechsel ansteht und demnächst Tertiäraromatik zum Vorschein kommt, dann kann und darf, ja muss es wieder aufregend werden, mit diesem buchstäblichen Grand Vintage.  

6. Pommery wollte ich eigentlich zweimal besucht haben, weil ich nach dem jugendfrischen, erst vor kurzem überhaupt in die Welt entlassenen Apanage Prestige und der allerfeinsten Louise 1999 unbedingt noch die Vranken-Champagner kosten wollte, kam dann aber aus Zeitnot nicht mehr dazu. Ja, die Louise 99, das ist ein feines Stöffchen. Nicht auf demselben Level wie 2002, aber doch weit über dem, was man gemeinhin mit Jahrgängen wie 1998 und 1999 verbindet, die geschwisterlich und geflissentlich als mauer Ausklang des Jahrzehnts angesehen werden, auchvon mir übrigens. Das aber auch nur, weil es wirklich nicht soo viele famose 98er und 99er gibt, die meisten Champagner bis zum großartigen 2002er sind kaum mehr als solide Handwerksarbeit, die nicht zu grenzenloser Begeisterung hinreißt, selbst bei den Prestigecuvées nicht, die zwischen 1996 und 2002 fast alle etwas gebeutelt dastehen. Zu den wenigen Ausnahmen gehört die Louise 1999 und vielleicht erweist sich ja bald noch der eine oder andere Spitzenchampagner anderer Erzeuger als Überraschungskandidat, es würde mich für alle freuen, die damals tüchtig in diese Jahrgänge investiert haben.  

7. Lenoble hat mit dem Brut Intense einen modernen Klassiker in die Flasche gebracht, der sich demnächst sicher noch als parkettfester Begleiter ausgesuchter Speisen erweisen wird; ich kann das deshalb so leicht behaupten, weil ich mir selbst zum Ziel gemacht habe, eine kleine Verkostung damit zu garnieren. Litschi, Drachenfrucht, Nashibirne, Nektarine, eine elegant ausgebreitete UNterlage mit Aromen aus der Wiener Feinbäckerei, präzis abgestimmte Säure, wer da groß was zu meckern hat, weiß nicht viel über guten Champagner.

8. Taittinger hatte einen ungewöhnlich starken Brut in der Magnum dabei und zauberte mit dem Comtes de Champagne 2005 nicht nur mir ein Lächeln ins Gesicht. Das verging nicht, als ich danach noch den höher dosierten Nocturne im Discokugel-Look probierte, denn zeitgleich eilten Kellner mit Thunfischhappen, Salat-/Erdbeerbouquet und Verbenenjus herbei, was den gar nicht so pappsüss schmeckenden Champagner bestens einrahmte.

9. Louis Roederer hatte ich unmittelbar nach Philipponnat aufgesucht und mir dort den Brut schmecken lassen, bevor ich mich an Rosé 2008 und Cristal 2006 heranmachte. Der Brut Premier von Roederer ist ein Champagner, der von Holzfasspolitik glänzend profitiert und den Trinker großzügig daran teilhaben lässt. Ein besonderer Trunk ist der eigenwillige, aber sehr gut gelungene Jahrgangsrosé, der große Anlagen in sich trägt und in ein paar Jahren macnhem Prestige-Rosé den Rang streitig machen könnte. Unbestritten in der Prestigeklasse zu Hause ist der jüngste Cristal. 2006. Einer der besten Cristalle, die ich seit längerer Zeit getrunken habe, vom denkwürdigen 1941er abgesehen. Ich bin geneigt, mich bei meinen Äußerungen zu Cristal zu wiederholen, aber ich meine es immer wieder ernst. Also: Cristal 2006 ist magnifique. Vor allem hat er eine hypnotisierende Säure, die ihn über seine Vorgänger 2005, 2004 und 2002 hebt und ihm im günstigsten Fall ein längeres Leben bescheren wird, als vielen weiteren, auch sehr guten Cristal-Jahrgängen. 

10. Gosset trumpft seit einiger Zeit verstärkt nicht nur mit seiner Celebris-Reihe auf. Man hat sich renoviert, die Etiketten sind entrümpelt, der Chic ist geblieben. Fassvinifikation und Verzicht auf biologischen Säureabbau waren immer die Asse, die Gosset neben dem hohen Alter hinlegen konnte. Überzeugt hat Gosset meiste im Mittelfeld mit den Champagner der "Grande …" Reihe, der einfache Brut Excellence ist, nach meiner Wahrnehmung besonders im Ruhrgebiet, für viele Gastronomen eine schöne Einstiegsdroge. Ein Kleinod, an dem Viele wahrscheinlich achtlos vorübergegangen sind, gab es auf der Champagnergala von Tjorben zu probieren, das ist der Petite Douceur Rosé Extra Dry. Extra Dry? fragen sich jetzt alls Naturweintrinker und Extrempuristen. Ja, Extra Dry. Denn die Champagnerwelt lebt nicht von der Reduktion des Zuckers auf Null oder in den Unter-Null-Bereich hinein, wenn es denn so etwas gäbe, sondern Dosage ist ein Spielzeug, das man in zwei Richtungen bewegen kann. Gelangt man in Extrembereiche, ist der Spielspass schnell weg. Das gilt für dosagelose Champagner wie für zu hoch dosierte Champagner. Wenn ein Kellermeister – in Wahrheit ist es natürlich seltenst nur ein Kellermeister, sondern in der Regel ein ganzes Team von Verantwortlichen – mit Dosage umgehen kann, wirkt sein brut nature nicht armselig, unreif, grün, klapperig oder ausgezehrt und sein extra dry, dry oder doux nicht moppelig, breitgelatscht, vogelscheuchig oder clownesk überschminkt. Dies süße Rosékreation von Gosset ist so ein gelungenes Kellermeisterstück, das nicht zu jeder sich bietenden Gelegenheit getrunken werden will, aber zu mancher Gelegenheit passt, wie nichts sonst. Das macht den Experimentalchampagner, von dem es zunächst nur ca. 2000 Flaschen gibt, zu einer Bereicherung. Blanc de Blancs und Grand Millésime 2004 von Gosset verdienen eine lobende Würdigung, weil sie den Stil des Hauses nach wie vor gut verkörpern; der Champagner, über den ich mich bei Gosset am meisten gefreut habe, ist aber der Petite Douceur.