Stephan Soutre und seine Frau führen nun schon seit ein paar Jährchen die alte Mülheimer Institution Müller-Menden in der Mendener Str. 109. Stéphane hat in Bordeaux Sommelier gelernt und war in den Neunzigern ebenso reger wie erfolgreicher Teilnehmer an Sommelierwettbewerben in Frankreich. Das wirkt sich heute so aus: die Küche in dem alten Fachwerkgemäuer ist ein Mix aus deutscher und traditionell französischer Regionalküche. Auf der Weinkarte zeigt sich der französische Einfluss noch deutlicher. Unter den Apéros fallen Lillet und Noilly-Prat angenehm ins Auge, Roederer und Bollinger runden das Bild ab. Aus der Flasche gibt es von Chevalier aus Péssac über Rollan de By  und Prieuré-Lichine einige hübsche kleinere Bordeaux zu erträglichen Preisen (2005er Rollan de By ist mit 42,00 EUR/Fl. in der Gastronomie nicht überteuert), von der Rhône kommt Chapoutier (Cotes du Rhône, Belleruche), aus Deutschland Wagner-Stempel, Dr. Loosen, Ruck und Fürst. Einige interessante und fair kalkulierte Franzosen und einige Spanier (Priorat) haben außerdem Aufnahme in der Weinkarte gefunden. Das Weinrepertoire lässt damit so einige Spielmöglichkeiten zu.

Kurz nachdem ich meinen geschundenen Leib inmitten der Außenbestuhlung platziert und meine Getränkeorder abgegeben hatte, kam schon fluffiges Brot mit gekräutertem Quark und ein Gläschen Noilly-Prat. So darf der Feierabend beginnen und in diesem Sinne ließ ich mir die Foie Gras von der Ente kommen. Zwar lockten aus dem deutsch und saisonal gehaltenen Teil der Karte Matjesvariationen, aber bei einem französischen Patron lasse ich mich schnell zur Foie Gras überreden. Das war kein Fehler, wie sich bald zeigte. Zum typisch sparsamen Salatbouquet kamen einige hellrosafarbene, an den Schnittflächen glatte und geschlossene Scheiben dieser sättigenden Spezialität. Bestreut waren sie nur mit etwas Fleur de Sel und einer Prise gemörserten Pfeffers, wie ich es kenne und schätze. Die Feierabendstimmung hielt an und der letzte Schluck Noilly Prat überzeugte mehr, als das ganze Glas Wagner-Stempel Gutsriesling 2008.

In einer kleinen Pause zwischen den Gängen sann ich kurz darüber nach, ob es nicht vielleicht einen Algorithmus gäbe, mit dem sich auch sehr große Zahlen schnell in ihre Primfaktoren zerlegen ließen, kam aber zu keiner Lösung. Ich hielt mich deshalb an das köstliche Verbenen-Sorbet, das ich mir zur Erfrischung bestellt hatte und bereute es nicht.

Daraufhin gab es ein Cassoulet von konfierten Entenstücken mit einer delikaten boudin blanc. Einen Extraschuss Essig drüber, etwas vom guten Fleur de Sel musste ich auch dazugeben und schon fühlte ich mich wie der Truchsess von Carcassonne. Weil ich ein einfacher Mensch bin, habe ich dazu den eigentlich zu jungen, solo viel zu holzigen und unausgewogenen Rollan de By 2005 aus dem hunderte von Kilometern weiter nördlich gelegenen Médoc getrunken. Starke 70% Merlot hatte der und nur 20% Cabernet Sauvignon, daher vielleicht die samtige und kirschfruchtige Art, bei der ich mir solo mehr Struktur gewünscht hätte. Doch zum Glück musste ich den Wein nicht solo trinken, sondern als eine passgenaue Ergänzung zum Cassoulet, was mich erneut erfreute.

Als Abschluss gab es Sauerrahmeis mit Ziegenkäse, eingelegten Feigen, Sternfrucht und Erdbeere wobei man merkt, dass ich kein Freund von ganz süßen Süßspeisen bin. Die Müller-Menden-Küche lieferte zuverlässig ab, ich war satt und der Feierabend gleichsam versilbert.

Austern indes gab es keine.

Weil grad keine Austernzeit ist, bzw. Austernzeit ist immer, aber im Sommer sehen die Kerlchen, bzw. Girls einfach nicht so sexy aus. Macht aber nix, denn spätestens sobald wieder Saison ist, werde ich bei Maître Soutre, dem Austernbaron von Mülheim, die sagenhaften Speciale Pousse en Claire Label Rouge Austern vertilgen und am Ende gar wohl auch verschlingen, dass es schon fast nicht mehr schön sein wird. Was nämlich nur wenige Besucher dieses Restaurants wissen: Stéphane ist ein guter Kollege von Gaston Muller, manchem vielleicht noch als Teilhaber vom Kölner "Poisson" bekannt und ein Lieferant von Austern aus dem Hause David Hervé. Der wiederum gehört mit Gillardeau und Pierre-Marie Bardau zur Trias der französischen Austerngurus. Beim nächsten Besuch deshalb mehr dazu …