Der Krug von Josef Laufer in Hattenheim ist Austragungsort eines Gipfeltreffens gewesen, das der Hausherr seit einiger Zeit in Form von Gastspielen mit unterschiedlichen Akteuren und verdientermaßen großem Erfolg und nun erstmals zum Thema "Champagner trifft Caviar" ausgerichtet hat. Dank der handwerklich perfekt arbeitenden und mit Einfallsreichtum zu Werk gehenden Küche war es nicht schwer, das Erfolgsrezept fortzuschreiben.

I. Sjomga Nori vom Balik Lachs mit Wasabi Kaviar, Gurke, Hendricks Gin und schwarzem Pfeffer dazu:

Déhu Millesime

68PM 17CH 15PN, kalte Mostvorklärung, im Stahltank temperaturkontrolliert vergoren, , zehn Jahre Hefelager, mit 9,5 g/l dosiert.

Lachsverächter haben keinen Grund mehr für ihre Abneigung, seit es Balik Lachs gibt. In Kombination mit Wacholder, Pfeffer, Wasabi und frecher Gurke ein Weckruf für den Gaumen. Vom reifen, Wacholder und Pfeffer gut einbettenden Déhu schmeichelnd umspült, auch die nicht ganz einfache Kombination von lachsöligem Noriblatt und Kaviar mit Champagner meisterte dieser in meinem Augen beste Déhu-Champagner mühelos.

II. Tatar vom Charolais Ochsen mit Prunier Kaviar „Tradition“ auf kleinem Rösti und Schnittlauch Schmand, dazu:

1. Lelarge-Pugeot Quintessence Millesime 2004

70CH 20PN 10 PM aus den ca. 50 Jahre alten Rebanlagen der Einzellagen Les quatres Vents, Les Montciaux, Les Maupas, Les Jours, 30% waren im Fass.

2. Jean-Pierre Launois Grand Cru Brut Millesime 2004

100CH, ca. 20 Jahre alte Anlagen. 1000 Flaschen.

Ein Jahrgang. Premier Cru gegen Grand Cru. Montagne gegen Côte. Lässig tritt der Quintessence auf, die Prestigecuvée des Hauses. Alte Chardonnayreben aus der Montagne können mit ihrer Würze locker neben formal höherwertigen Crus Bestand haben. Zwischen dem Grand Cru und dem Premier Cru gab es ein Duell unter Gleichen, Schiedsrichter war das köstliche Tatar, dessen dicker Schmand- und Kaviarbelag allerdings selbst ein hohes Maß an geschmacklicher Aufmerksamkeit auf sich zog. Die kräftigere, sich in die prononcierten Aromen des Gangs saumlos einfügende Art hatte der Quintessence; wegen seiner polierten Mineralität war der Launois die bessere Projektionsfläche für den Gang. Unentschieden deshalb.

III. Balik Lachs „Tsar Nikolaj“ mit Balik Pearls, Kartoffelschnee und braune Butter, dazu:

1. Pierre Callot Grand Cru 1999

2. Taittinger Comtes de Champagne 1999

Callot aus , das bedeutet vor allem: reifer Einzellagen- ohne BSA, dafür mit torrefaction und Holzfassgeschmack, obwohl im Stahltank ausgebaut. Die aufgestaute Wucht des Champagners entfaltet sich nicht explosionsartig, sondern organisch und langsam; dagegen habe ich nicht ohne Hintergedanken die Comtes de Champagne gesetzt, dessen toastwürziges, leicht rauchiges Aroma eine elegante Erwiderung auf Callot ist. Beide zeigen, dass sie sich der braunen Butter eng verwandt fühlen und betten den Zarenlachs angemessen majestätisch.

IV. Prunier Kaviar „St. James“ Pur zur Degustation direkt aus dem Töpfchen und

Filet vom isländischen Steinbeisser in Kaviar Beurre Blanc und Safran Spinat, dazu:

1. Gosset-Brabant Cuvée Gabriel Millesime 2002

2. Cuvée Rare 2002

Der kleine Vieilles Vignes Francaises gegen den Fine Champagne Magazine Champagner des Jahres 2011. Was ein Match! Im mindestens doppelten Sinn. Der muntere Gabriel, Beurre Blanc und Safran verbünden sich schnell zu einer glückvolleren Troika, als man sie aus z.B. der Bundes- und neuerlich auch der europäischen Finanzpolitik kennt. Der merklich höher dosierte Piper begibt sich mit Spinat und Steinbeißer in eine ihrerseits glanzvolle Entente. Zum puren Kaviar gefielen mit beide Champagner gleich gut.

V. Piraten – Hummersuppe (Apfel-Minz Tatar) mit Prunier Kaviar „“ und Blini Windbeuteln, dazu:

1. Blanc de Noirs lieu-dit Tue Boeuf Millesime 2005

2. Edmond Bourdelat Cuvée MagnifiSens Millesime 2005

Pinot Meunier und Chardonnay aus Holzfassvinifikation.

Wieder sehr schwer zu entscheiden, wer den Sieg davon tragen sollte. Espresso, Grapefruit, Triple Sec beim Prestigechampagner von Bourdelat, für sich genommen ein köstlicher Champagner, der sich im Folgenden auch als Speisebegleiter empfehlen konnte. Eleganz, klassische Hefenoten, klassisch-noble Pinotstilistik beim Tue Boeuf, der sich seit meiner ersten kontinuierlich gut entwickelt hat und immer noch im Werden ist. Zur Hummersuppe konnte der Bourdelat glänzen, dafür waren Bliniwindbeutel und Tue Boeuf das bessere Gespann.

Pirat: Wein- und Sektgut Barth, Rheingauer Blanc de Noirs Sekt

Das Wein- und Sektgut Barth wird immer notorischer zum Piratenlieferanten auf Champagnerveranstaltungen. Schon bei der Obersalzbergprobe konnte sich der zu dem Zeitpunkt flammneue Barth -Sekt "Primus", Erstes Gewächs 2007 , sehr gut in starkem Champagnerumfeld positionieren. Und jetzt der Ultra. Nach drei Jahren auf der Hefe merkt man, dass der Spätburgunder nicht länger ruhen will, sondern den Gaumen in Aufruhr versetzen. Das macht er mit einer Mischung aus Einfachheit und Raffinesse, die man bei seinesgleichen leider nur zu oft vergeblich sucht. Keinerlei Schwächen auch im Abgang.

VI. Gefülltes Stubenküken Kotelette, Blutwurst Jus mit Pfifferlingen, Kohlrabi

und Holunderblüten-Püree, dazu:

1. Ayala Perle d'Ayala Millesime 1999

2. Alfred Gratien Mill 1999

Zu einem weiteren herrlichen Gang aus der mit uhrwerkhafter Präzision kochenden und liefernden Küche von Josef Laufer gab es wieder zwei Jahrgangskameraden, die auf den Punkt gereift waren. Die schneidige Perle d'Ayala, scharf wie ein Austernmesser und den voluminösen Jahrgangsalfred, ästhetisch und weich wie ein sanft sich wiegendes Seetangbüschel. Beide Champagner kommen ohne BSA aus, was ihnen die nötige Durchzugskraft gibt, denn Blutwurst, Pfifferling, Kohlrabi und Holunderblüte sind sehr fordernde Komponenten, die einen Champagner unversehens unterbuttern können. Nicht so unsere beiden Helden. Gierig hättedie alterslose Perle, ein wenig an Madonna erinnernd, das Stubenküken vernascht, wäre es alleine gewesen. In reichlich schützendem Jus gebadet war der Liebesakt dann immer noch sehr animalisch, aber viel inniger. Allerbesten Girlfriendsex hatte der Jahrgangsalfred mit den verschiedenen Begleitungen.

VII. Champagner – Schaum Schnitte mit Grand-Marnier Erdbeeren

Sauerampfereis und Erdbeer Sorbet, dazu:

1. Edmond Bourdelat Brut Rosé

2. Eric Lemaire La Cuvée Seigneuriale Extra Dry

Champagner und Süßspeisen. Für mich kein schönes Thema. Ich esse schon unabhängig vom Champagner nicht gern, bzw. oft süß und ersetze lieber das Dessert durch Käse. Die eingeschränkten Kombinationsmöglichkeiten von Champagner und Süßspeisen verstärken meine Neigung noch. Weil ein Menu aber nicht immer wirklich abgeschlossen wirkt, wenn keine Süßsachen serviert werden, komme ich manchmal in die schwieirge Situation, Champagner kombinieren zu müssen. Dann beschränke ich mich auf einzelne Aromasensationen, was viel mehr bringt, als dass alle am Tisch einen mehr schlecht als recht passenden Champagner zur Süßspeise runterwürgen müssen. Der Bourdelat-Rosé gehört zu den kleinen Fruchtbömbchen, die selbst als brut dosierte Champagner süßer wirken, als sie technisch sind. Damit habe ich einen Klassiker verarbeitet, Roséchampagner mit Erdbeeren, was auch gut funktioniert hat, aber bei weitem nicht den Charme besitzt, der ihm immer nachgesagt und in unzähligen Picknick- und Frauenunterhaltungsromanclichés perpetuiert wird. Viel interessanter war nach meinem Empfinden die Verbindung aus Extra Dry Champagner, wie er bis ins beginnende 20. Jahrhundert hergestellt wurde und Sauerampfereis. Denn Sauerampfer findet sich in manchem Champagner, mehr ungewollt, als gewollt, aber immerhin. In kleinen Mengen oder mit reichlich Nebenaromen kann Sauerampfer sogar eine gewisse Bereicherung sein, so ähnlich wie Brett im Bordeaux. Mit dem Extra Dry gab es dann eines der kleinen Erlebnisse, die ich besonders schön finde, nämlich die stimmige Kombination aus dem schwierigem Sauerampfer mit einem Champagner, für den es sonst wenige Einsatzbereiche gibt.

VIII. Schlussakkord

1. Gosset Celebris Millesime 1995

2. Bollinger R.D. Millesime

Dem Gosset Celebris war das fortgeschrittene Alter anzumerken, aber für 1995 hätte ich ihn wahrscheinlich blind nicht gehalten. Der R.D. von Bollinger war hingegen leicht zu erkennen, zumindest der Jahrgang. Mit etwas Mühe konnte man auch auf den Erzeuger und die Cuvée kommen.