Damit nicht jemand annimmt, dass ich aus Überheblichkeit meine Beschäftigung rühmend übertreibe (Sallust), berichte ich von meiner auch im vergangenen ersten Quartal nicht abbrechenwollenden Befassung mit dem Champagner. Das ist so schwer wie noch nie zuvor. Ich verzichte deshalb auf jede einzelne Benennung selbst wenn das gegenüber den nicht benannten Champagnern eine nur schwer zu rechtfertigende Heraushebung ist, indes, für Rechtfertigungen bin ich meiner Natur nach einfach zu faul. Erklären und beschreiben ist mir dagegen ein Bedürfnis.

Auf der Haut les Vins habe ich es mit Vincent Couche und Benoit Tarlant und somit zwei Terres et Vins de Champagne Haudegen zu tun gehabt, die sehr gegensätzliches Zeug machen, das mir aber von beiden schmeckt. Einmal mehr im Gedächtnis geblieben ist die seit Jahren erhaben dahinsegelnde und alterslose, bzw. auf hohem Reifeniveau gleichsam konservierte Cuvée Sensation 1997 von Vincent Couche, während Benoit Tarlant mit der Jahrgangsfortsetzung seiner Rebsortenreihe verdiente Punkte eingefahren hat.

Das Riedel Glas-Tasting auf der Prowein war viel weniger ergiebig. Maximilian Riedel servierte Champagne Roederer aus Schalen, die außerhalb der Film- und Vorstellungswelt von Raymond Louis Bacharach (a.k.a John Thompson) und der Konsumenten seiner Filme keine Daseinsberechtigung haben. Auch die völlig unnötigerweise und zu meinem großen Ärger immer noch produzierten Sektflöten boten keinen Erkenntnis- oder gar Genussgewinn. Klar war hingegen von vornherein, dass der Brut Premier aus dem innerhalb kurzer Zeit und völlig zu Recht etablierten Veritas-Glas gut schmecken würde und klar war auch, dass der Rosé aus dem Burgunderglas gut schmecken würde. Vertane Zeit war das am Ende trotzdem.  

Die Champagner-Lounge und und ihr Drumherum auf der Prowein gefiel mir dafür gut und umso besser, weil im nunmehr dritten Jahr endlich der Eindruck entstand, hier wüchsen die Champagnerproduzenten zusammen, was zumindest räumlich wirklich der Fall war. Vereinzelt sind sie immer noch in irgendeiner der immer mehr werdenden Hallen verstreut und erfordern Fußarbeit für den Besuch, aber der Zeitaufwand ist doch sehr geschrumpft, durch das Zusammengeknubbele. Claus Niebuhr lenkte mit Begeisterung und Verve meine Aufmerksamkeit geschickt auf Champagne Michel Mailliard aus Vertus, dessen Gamme mir gut gefiel und für dessen gereifte Bibliotheksweine ich mich demnächst vor Ort noch etwas stärker interessieren werde. Christian Holthausen, der nach längerem Ausflug in die englische Schaumweinproduktion wieder in die Champagne zurückgefunden hat, zeigte die neuesten, sehr verfolgenswerten Entwicklungen bei A.R. Lenoble, wobei mir besonders gut gefiel, dass es oberhalb der Cuvée Intense noch erheblichen Spielraum gibt, der zudem gut, wenngleich noch nicht voll, zB von der Cuvée Aventures, genutzt wird. Vazart-Coquart überzeugte mich noch einmal von den Stärken des Chardonnays aus Chouilly und werde bei den bevorstehenden Grands Jours in der Champagne weiter nachhaken. Antoine Roland-Billecart und Eric Calzolari von Billecart-Salmon erläuterten einige Einzelheiten zu den von ihnen mitgebrachten und oberhalb des Millésime sehr selektiv ausgeschenkten Champagnern. Auf den neuen 1999er Clos St. Hilaire weise ich nur deshalb hin, weil von ihm viel zu selten die Rede ist, dabei gehört er zu den allergrößten Champagnern überhaupt. Coteaux Champenois Freunde dürfen sich auf einen neuen Rouge auf 2013er Basis von Billecart freuen, der erst im Juli auf den Markt kommen wird, für Deutschland sind nur 480 Flaschen vorgesehen, wie ich erst jetzt erfahren habe. Bei Billecart spricht man vom größten Rotweinjahr aller Zeiten, wer die zurückhaltende Art dort kennt, weiß, was das bedeutet. Bei Pommery gab es ein freudiges Wiedersehen mit Thierry Gasco, der zu später Stunde jeden noch so bekloppten Selfiewunsch erfüllte und mit einer buddhistischen Gemütsruhe ertrug, die es ihm wahrscheinlich überhaupt erst ermöglicht, Champagner wie den Clos Pompadour oder die langsam an Fahrt aufnehmende Louise 2002 zu schaffen. Von Bollinger wird man im Mai mehr hören, da findet die offizielle Vorstellung der Grande Année 2005 statt, die in Rosé schon jetzt den Gaumen anspringt, in weiß dagegen noch ein Weilchen Ruhe oder ein großes Glas oder ein Bad in der Karaffe gebrauchen kann. 

Meine eigene Veranstaltung, die Champagne-Reise von Norden nach Süden will ich an dieser Stelle nicht noch einmal ausbreiten, die meisten, wenn nicht alle meiner Leser waren ja vor Ort und leiden wahrscheinlich noch heute unter der Heimsuchung durch Albträume in denen sie das Gehörte wieder und wieder erleben müssen. Nur so viel: für nächstes Jahr drohe ich eine Wiederholung in dieser oder ähnlicher Form an.  

Im Düsseldorfer Rheinturm gab es die, und damit meine ich DIE Chef-Veranstaltung der Caractères et Terroirs, in's Leben gerufen und seit der umjubelten Jungfernveranstaltung 2014 zu noch stattlicherer Größe gebracht von der schaffensfrohen Nicola Neumann. Champagne Dosnon (mittlerweile ohne Lepage) und Champagne R. Pouillon blieben in der Auswahl von an die hundert Champagnern und den Gewächsen der Familie Raumland dieses Mal besonders haften. Die anwesende Winzerschar hätte an dieser Stelle natürlich eine eingehendere Beschreibung verdient, nur leider: der positiven Eindrücke waren so viele, dass ich die Winzer lieber alle nochmal einzeln vorstelle, die meisten sehe ich nächste Woche ja sowieso wieder.

Was fiel sonst noch positiv auf? Champagne Soutiran ist weiterhin auf einem guten Weg, mit mehr Dynamik als in den letzten Jahren, bei gleichbleibend hoher Weingüte. Comte Dampierre hat mit dem Jahrgang 2002 einen schlanken, griffigen, sportlichen und leicht apfeligen Champagner vorgelegt, der momentan vom 2005er Family Reserve Blanc de Blancs übertroffen wird, ihn aber vermutlich in fünf bis sieben Jahren wieder eingeholt haben wird, um ihn dann nach kurzem Kampf hinter sich zu lassen. Aspasie hat 2007 einen guten Jahrgang erwischt, was keine Selbstverständlichkeit ist. Immerhin, Deutz, Roederer und Pierre Peters sind damit am Markt, der Trick ist aber: die Chardonnays kamen 2007 alle ganz gut durch das Jahr, einen Blanc de Blancs zu machen war also nicht so schwierig, wie einen Drittelmix oder einen von Meunier dominierten Champagner, wie er im Manretal üblich ist. Dafür ist der von Aspasie schön schlank und spritzig geworden, ohne schlimme Macken, ausgelatschte Breite oder wegen der am Ende doch beinahe überbordenden Ernte gegenteilig einer Verwässerung. Louise Brison hat mit der Cuvée Tendresse 2005 in einem unebenen und noch immer schwierig einzuschätzenden Jahr alles an Akazienhonig, feiner Säure und mittelgewichtiger Eleganz herausgeholt, was ging und dafür Lob verdient. Wieder und wieder empfehelenswert in allen Klassen ist Mouzon-Leroux, deren Champagner erwiesenermaßen zur guten Küche passt, den Beweis erbringt gern Billy Wagner in seinem neuen Restaurant nobelhart & schmutzig.

Weniger eine Frage der Neuerscheinung als eine Frage der sich langsam ankündigenden Trendumkehr ist die Nachricht, dass Perrier-Jouet eine Nuit Blanche auf den Markt wirft, die mit 20 g/l dosiert ist und sich damit in die Riege der gezielt hochdosierten Champagner vornehmlich der großen Häuser einreiht. Hervé Deschamps hat dabei vergleichsweise leichtes Spiel, weil er zu den Kellermeistern gehört, die mit einem geringen Reserveweinanteil von 15-18% arbeiten, wobei auch das bei den großen Häusern weiter verbreitet ist. Viele kleine und mittelgroße Produzenten packen hingegen bis zu 50% Reservewein in ihre jahrgangslosen Cuvées und geben ihr so von Grund auf ein völlig anderes Gepräge. 

Im nächsten Quartal geht es weiter mit den großen Verkostungstagen in der Champagne, die große Comtes de Champagne Probe steht an, das Dejeuner aux Huitres und einige weitere aufregende Veranstaltungen, über die ich dann wohl gesondert berichten werde.