Die achte Tafelrunde des KKR fand im Kellergewölbe der Jugendstilvilla Nollen am Moselufer statt. Hundert Gäste mehr als im letzten Jahr hatten sich angemeldet, was im mittleren der drei Gänge zu einem ziemlichen Geschiebe führte und das Probieren nicht erleichterte. Zum Glück war ich vor dem ersten Ansturm da und konnte mich in drei Runden durchkosten. Was aus anderen Gründen nicht ganz einfach war. Denn die Weine des Jahrgangs 2011 sind nicht so explosiv ausgefallen wie die überwiegend bei der letzten Tafelrunde vorgestellten 2010er. Den leiseren Tönen nachzuhängen erfordert mehr Aufmerksamkeit, als sich von hypnotisierender Säure gefangennehmen zu lassen. Bringt man diese Aufmerksamkeit auf, wird man bisweilen belohnt, muss aber auch einige Erfahrungen der herbschönen Art hinnehmen.  

I. Kirchengut Wolf, M. & U. Boor, Wolf

Unter den Händen von Markus und Ulrike Boor sind 2011 rundere Gewächse entstanden, als 2010; den "Schiefer" halbtrocken fand ich schon ganz entspannend, aufmerksam wurde ich bei der Wolfer Goldgrube Spätlese 2011. Die gilt mir mit ihren gerade mal 9,00 €/Fl. als das Herzstück der Kollektion und Gradmesser für den Stil des Jahres. Der ist unaufgeregt bis laid back, nach dem 2010er Säuregewitter kommt mir das, wie sich im Rahmen der Gesamtpräsentation gezeigt hat, insgesamt zu lahm vor. Die Wolfer Goldgrube Auslese 2011zeigte etwas mehr Aufgeregtheit und kratzte anfangs leicht. Beim Nachverkosten hatte sich das gelegt. Gediegener Wein fr kleines Geld ohne den Spektakelmehrwert des Vorgängerjahrs. Gute Arbeit allemal.

II. Johann Lenz, Pünderich

Vom Weingut Lenz kamen mir die Pündericher Marienburg als Kabinett und als Auslese 2011 ins Glas. Von allen Ring-Winzern macht Lenz sicher die günstigsten Weine, die im Vorjahr schon recht weit oben mitspielen konnten, dieses Jahr aber mit einer leichten Herbe auftraten, die mir bei einigen anderen Weinen ebenso störend auffiel.

III. Weingut Melsheimer, Reil

Vom Weingut Melsheimer darf man in allen Qualitäten ein unverfälschtes Abbild der Natur erwarten und so war dies der erste Prüfstein für das Jahr. Der Reiler Mullay-Hofberg Kabinett feinherb 2011war deutlich herber geraten als im letzten Jahr, die lieblichen Pölsterchen habe ich vermisst, auch das kesse Naturell fehlte mir. Ziemlich ungeschminkt und nordisch-nudistisch war der Wein. Ungeschminkt und rein bis klinisch sauber war die Reiler Mullay-Hofberg “Schäf” Spätlese 2011. Den selben bergquellklaren Stil zeigte die mit nur wenig Diacetyl angereicherte Reiler Mullay-Hofberg Auslese 2011

IV. Weingut Moog, Traben-Trarbach

Hier habe ich genau nur einen Wein probiert, die Trabener Gaispfad Spätlese 2011. Die Herbe der 2011er zeigte sich einmal mehr, jedoch mit freundlichem Gesicht und in einem sehr positiven Sinne als feinherb.

V. Martin Müllen, Traben-Trarbach

Von den Müllen-Weinen habe ich nur die Trarbacher Hühnerberg Spätlese 2011 probiert, das ist ein noch sehr junger Wein, der erst seine Bananennoten loswerden muss, bevor sich eine säurearme, aber feine Kräuteraromatik zeigt.

VI. Weingut O., Traben Trarbach

Weiter gings ins Reich der Spontistinker. Die Trarbacher Ungsberg Spätlese 2011 war weniger betriebsam eingestellt als im Vorgängerjahr, doch hinter dem Schleier müffeliger Hefen hebt sich Waldmeister ab wie durch ein Nachtsichtgerät, was mir sehr gut gefiel; dazu kam ein Ton von Apfelgelee und Mädesüß, auch das sehr passend. Die Trarbacher Ungsberg Auslese 2011 macht es dem Trinker nicht ganz so leicht. Da ist mehrmalige Nachverkosten erforderlich, bevor sich hinter Herbe und alchimistischem Mief eine sehr hart zupackende Faust zeigt, wie die eines soeben zum Leben erweckten Golem. Daraus kann Großes werden.

VII. Ingmar Püschel, Traben-Trarbach/Hürth

Von Ingmar Püschel gab es mit der Kröver Steffensberg Spätlese 2011 gleich nochmal so einen entsetzlichen Stinker, der erst im Mund alle kolibrihafte Zart- und Flatterhaftigkeit zeigte, auf die ich so gespannt war und bei den 2011ern erstmals hier erfahren habe. Weiter ging es mit der Kröver Steffensberg Beerenauslese 2009, die ich schon im letzten Jahr gut fand, woran sich nichts geändert hat, nur dass eine buttrige Note hinzugetreten ist. Auch die Kröver Steffensberg Beerenauslese 2010 ist eine Bekannte aus dem letzten Jahr, Klebstoff ist weiterhin reichlich vorhanden, Säure sowieso und die Fleischeslust dieses Weins ist nach wie vor unglaublich. Übertroffen wird sie nur noch von der 2011er TBA (sechzig Flaschen gibts davon leider nur) aus dem Hause Püschel, ein Wein wie ein babylonischer Tempelhurenexzess.

VIII. Staffelter Hof, Kröv

Von den Süßigkeiten des Staffelter Hofs war ich letztes Jahr nicht besonders angetan, dünn und unkonzentriert kamen mir die Weine vor. Ganz anders dieses Jahr. Die Kröver Steffensberg Spätlese 2011 startete mit Vollgas und gibt einen prachtvollen Wein ab, von dem man sich für 12,00 €/Fl. sogar gern etwas mehr hinlegen kann. Hingerissen war ich von der Kröver Steffensberg Trockenbeerenauslese Goldkapsel 2011. Beim ersten Probieren kam mir der Wein vor wie Thymianlikör, beim weiteren behutsamen herantasten öffneten sich Schichten über Schichten und entließen Aromen in die Umwelt, wie bei einem antiken Festmahl wo im gefüllten Kamel ein Kalb, in dem Kalb ein Lamm, in dem Lamm verschiedenes Geflügel etc. steckt. Mein Wein des Tages.

IX. Daniel Vollenweider, Traben-Trarbach

Den letztjährig vorgestellten, jetzt erst vermarkteten Schimbock 2010 habe ich aus Neugier probiert und weil er für mich der kompromissloseste, purste Vollenweiderwein ist. Das bestätigte sich schön, wobei dem Wein jede unnötige Hätze fehlt. Er ist konziliant, auch leicht buttrig, fein gegliedert, ohne musterschülerhaft akkurat zu wirken. Weiter ging es mit dem Wolfer Goldgrube Kabinett 2011, ein Wein, der trotz seiner nur 8,5% vol. alc. einen mir zu alkoholischen Untertpon hatte. Besser gefiel mir die Wolfer Goldgrube Spätlese 2011, die auf höherem Niveau ausgewogener wirkte, die Wolfer Goldgrube Auslese Goldkapsel 2011 konnte das dann elegant toppen und mit nichtendenwollender, nie ins kratzig oder überkonzentriert Süße abgleitenden Aromatik nachhaltig punkten.

X. Weiser-Künstler, Traben-Trarbach

Mit die heftigsten Stinker gab es bei Weiser-Künstler, aber auch die meiner Meinung nach beste Spätlese. Dem Ellergrub Kabinett 2011 konnte ich nicht viel entnehmen, dafür stank er mir zu sehr.

Aber die Ellergrub Spätlese 2011! Ein Wein, so elementar, dass man damit auf den Weltuntergang anstoßen könnte. Das konnte die dagegen schon protzig wirkende Enkircher Steffensberg Auslese 2011 nicht übertreffen.

XI. Bergrettungsweine

1. 2006 Auslese (Melsheimer)

Butter, Brioche, Kräutersträusschen, fleischiger Fettrand. Ein ungeniert lüsterner Wein.

2. 2007 Auslese (O.)

Petrol und eine gewisse Behäbigkeit und Schwere lassen den 2007er gegenüber dem 2006er Bergrettungswein ins Hintzertreffen geraten.

XII. Gastweingut: Matthias Hey, Naumburg/Saale

Matthias Hey muss man sich merken , ein sehr sympathischer Winzer! Als Kontrastprogramm und auch so hat mir der Weißburgunder, Naumburger Steinmeister, 2011 aus dem Holzfass sehr gut gefallen. Ziemlich dickes Barrique, unter dem der Weißburgunder aber nicht ächzend zusammenbricht. Schmelz, Süße, Dichte und Struktur sind da, wenn der Wein zwei Jahre Sparring absolviert hat, wird er sicher zu den bemerkenswertesten Weißburgundern seiner Region zählen und auch deutschlandweit von Bedeutung sein. Nicht so sehr mein Fall war die Cuvée Breitengrad 51°, Naumburger Steinmeister, Grau- und Weißburgunder, Riesling; ebenfalls aus dem Holzfass. Mir war der Wein zu lasch. Vom Riesling merkt man nix und besonders groß ist dann der Unterschied zum reinsortigen Weißbrugunder auch wieder nicht.