I. Johann Ruck

1. Rieslaner, Rödelseer Küchenmeister, Spätlese 2008

Exotische Frucht, getrocknete Kräuter, Verbene, Waldmeister, Apfelsaft. Schlank, glatt, doch durchzugsstark, ein Wein, der gegen Ende nicht abflacht, sondern immer mehr an Tempo gewinnt und beachtliche Kraft- und Säurereserven hat, bevor er die Kehle herunterstürzt. Sehr schön!

2. Burgunder Sekt 2007

In der Nase eine Mischung aus Kastanienhonig und Möbelpolitur, im Mund wiederholt sich das Elend. Nicht schön, auch wenn sich mit etwas Luft noch paar Früchte durchmogeln. Flaschenfehler?

3. Burgunder Sekt 2008

Scheint so, denn der Nachfolger bietet mehr. Leicht, fruchtig, burgundig. Von einer Burgundercuvée hätte man freilich etwas mehr Wucht, Würze und Weinigkeit und wenn nicht das, so doch mehr geschliffene Eleganz erwarten können. Immerhin ist der Sekt jedoch ein geeigneter Begleiter zum marinierten Ziegenkäse mit Kürbiskernöl und, Pluspunkt, verträgt sich hervorragend mit Salatbouquet und Zwiebeln.

II. Wirsching, Grauburgunder, Julius Echter Berg, Kabinett trocken 2007

Fränkisch trocken. Verhalten fruchtige Nase. etwas vegetabil, leicht tanniniger grip. Sauber, aber nicht mein Fall.

III. Rudolf May

Hinten links in Retzstadt hat Rudi May sich eine moderne Interpretation des traditionellen fränkischen Dreiseithofs in den Langenberg gezimmert. Der Verkostungsraum erlaubt einen Blick in den darunterliegenden Fasskeller, die beachtlich große Kollektion ist ansehnlich präsentiert. Meinen ersten Kontakt zum May-Wein hatte ich in der Essener Résidence, wo mir Alfred Voigt den RECIS-Silvaner zum Skrei mit Feldsalatjus, konfierter Kartoffel und Senfsacue kredenzte. Da ich aus berufenem Munde schon vorher dazu gedrängt wurde, die Weine des Guts zu probieren, war ich gespannt und aufgrund der verblüffend guten Kombination schnell überzeugt, dass ich Rudi May alsbald würde aufsuchen müssen. Die Weine werden spontan vergoren, was immer wieder zu Stockungen führt. Aktuelles Beispiel ist der ausgezeichnete 2009er Wellenkalk-Riesling. Der blieb nämlich nach paar Monaten bei 29 g/l Restzucker stecken und wurde deshalb kein RECIS, obwohl er dafür vorgesehen war. Rudi May klassifizierte ihn dehalb herab und nun wird er mit einem Drittel Preisabschlag in der Wellenkalk-Linie verkauft. Weiterer Pluspunkt: alle Weine tragen Schraubverschluss.

1. Silvaner, Qualitätswein trocken 2009

Den Gutswein kann man sicher gern trinken, doch liegt er mir nicht. Die drei Komponenten Säure, Schmelz und vegetabile, campherige Note sprachen mich einfach nicht an.

2. Silvaner, Kalkmineral, Langenberg, Kabinett trocken 2009

Kalkmineral ist keine geologische Formation, sondern der Weingutsname für die Linie mittelschwerer, keineswegs jedoch mittelprächtiger Weine.

Leicht, fein, balanciert und gut. Ein sehr charmanter, vielversprechender Lagen-Einstiegswein. Der schürte nach dem Gutswein natürlich hohe Erwartungen, die dann ganz überwiegend erfüllt wurden, wie ich vorwegnehmen kann. Da ich keinen besonders stark ausgeprägten Silvanergaumen habe und mit der Rebsorte sogar nur beschämend wenig anfangen kann, wiegt der positive Eindruck, den ich von diesem Kalkmineral habe, für mich umso schwerer. Silvanerspezis mögen das anders sehen.

3. Silvaner, Wellenkalk, Langenberg, Spätlese trocken 2009

Alte Rebanlagen, die auf Wellenkalk, einer Formation des unteren Muschelkalks stehen, werden von Rudi May in der gleichnamigen Linie herausgegeben.

Kräftiger, tiefgründiger, bodiger als der Kalkmineral. Gehr meiner Meinung nach aromatisch in Richtung des Gutsweins, nur in präziserere, besser abgestimmter Form und einfach auf höherem Niveau. Was für den Gutswein spricht und dadurch bestätigt wird, dass mir der Kalkmineral etwas besser gefiel, als der Wellenkalk.

4. Silvaner, RECIS, Langenberg, Spätlese trocken 2008

Nun hatte ich den RECIS-Silvaner auch mal solo im Glas. Mein positiver Eindruck wurde nicht nur bestätigt, sondern vertieft. Während der 2007er RECIS allüberall Lobeshymnen erhält, schlug es mich doch auf die Seite des schmeichelnderen 2008ers. Körperreich, mit sanftem, großflächig anliegendem Druck, feinem Schmelz wie von warmer Nussbutter und kräuteriger, souveräner, gesund und munter wirkender Herbe.

5. Weissburgunder, Wellenkalk Langenberg, Spätlese trocken 2008

Recht ansprechend, mit einer etwas schläfrigen Schwere und merklich ausgeprägter Frucht, sehr reifer Galiamelone, weißem Pfirsich und verhalten spritziger Säure.

6. Grauburgunder, RECIS, Stettener Stein, Spätlese trocken 2008

Die ca. 35 Jahre alten Reben bringen einen saftigen, vollen und reichlich schmelzigen Wein hervor, bei dem man vermeint, kleine, knusprige Salzkristalle beißen zu können.

7. Riesling, Wellenkalk (wegen seiner Restsüsse abklassifizierter RECIS), Langenberg, Spätlese 2008

Steckengeblieben war er, der als RECIS-Riesling gedachte jetzige Wellenkalk. Mich freut's, denn die 7,8 g/l Säure bieten den annähernd 30 g/l Restzucker ein so spannungsreiches Contra, dass ich mir fast nicht vorstellen kann, diesen Wein in durchgegorener Form mit noch mehr Genuss zu trinken. Apfel, Reineclaude, sehr reife Nashi-Birne lassen mit Frucht und Säure den Mund überlaufen.

8. Rieslaner, Wellenkalk, Langenberg, Spätlese 2008

Für gerade einmal 9,00 € kommt hier ein Wein ins Glas, der jetzt und in den nächsten zehn Jahren zu den Spitzenvertretern seiner Gattung zählen dürfte und für mich auf Augenhöhe mit den Rieslanern von Ruck und Fürst steht. Exotische Frucht, Zitronengras, Vetiver, eine hochgewachsene Schönheit mit appetitlichen Rundungen. Nicht nur Klaus Wahl, langjähriger Professor an der Abteilung Weinbau und Oenologie der Bayerischen Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau im benachbarten Veitshöchheim und größter lebender Rieslaner-Fan, hätte – und hat wahrscheinlich – an diesem Wein seines ehemaligen Mitarbeiters riesige Freude.

9. Riesling, Langenberg, Auslese 2009

Erstmal muss man sich gedulden, bis Schwefel und gekochtes Fleisch das Glas verlassen haben. Darunter findet sich eine Schicht vegetabiler Noten wie Geißblatt und Sauerampfer. Nach dem Zwiebelschalenprinzip geht es dann weiter, eine etwas kratzige Säure macht dem Hals zu schaffen, dann ist der Kern des Weins freigelegt. Puffreis, Kaktusfeige, Pitahaya, Longan-Frucht fesseln die Aufmerksamkeit; dieser Wein bringt 10,5% vol. alc., 81 g/l RZ und 8,4 g/l Säure auf die Waage und wird in wenigen Jahren in vollem Glanz erstrahlen, worauf ich mich bereits jetzt sehr freue.

10. Rieslaner, Langenberg, Beerenauslese 2009

Verblüffende Marihuana-Nase, die der Qualifizierung als "grasig" ganz neue Facetten abgewinnt. Aber das ist nur der erste Eindruck, danach entwickelt sich ein sehr charaktervoller und vielschichtiger Mix aus Waldhonig, Holunderblütensirup und dem damit oft verbundenen leichten Schweissaroma (konnte ich erst am Vortag noch in der Aromabar der Vinothek der Nordheimer Weingenossen von Divino verifizieren). Lang, eckig, gut.

11. Spätburgunder, Wellenkalk, Langenberg, trocken 2009

Aus dem großen Holzfass. Kirsche, Sandelholz, vermittelt einen winterlichen Eindruck, der von Nelkenduft, Muskat und Rosenblüten noch gestützt wird. Außerdem entwickelt sich noch eine zweite Aromenschiene, die stärker von Graphit, weißem Pfeffer und roter Paprika geprägt ist.

12. Spätburgunder, RECIS, Benediktusberg, trocken 2007

Rudi Mays Lieblingsprojekt. Ein Spätburgunder von – im positiven Sinne – internationalem Format. Kann noch etwas liegen, im Moment ist er konzentriert und in sich zusammengerollt, mit Kirsche und toastigen Noten.

IV. Rudolf Fürst

Im Kelterhaus präsentierte Paul Fürst die Armada seiner Weine, im Holzloft gab es Gutes von Ludger Helbig aus dem Klingenberger Alten Rentamt. Zum Kalbsbäckchen mit Garam Masala Möhrchen habe ich mir nach der Verkostung den in jeder Hinsicht dazu passenden Klingenberger Spätburgunder 2008 gegönnt.

1. Müller-Thurgau pur mineral 2009

Den wollte ich ursprünglich nicht trinken, denn Müller-Thurgau ist meiner Meinung nach am besten im Cola-Schoppen aufgehoben. Dann habe ich ihn aber doch getrunken und zumindest nicht bereut. Extraktreich, geschmeidig und weich, mit vollem Körper, anschmiegsam und mittellang war er mehr als erträglich.

2. Silvaner Centgrafenberg 2009

Mineralisch, schlank und sauber war der Silvaner aus den das Weingut umgebenden Rebzeilen des Centgrafenbergs. Aber mehr als zehn Euro würde ich dafür nicht gleich ausgeben wollen.

3. Weissburgunder pur mineral 2009

Duftig, knackig, spritzig, leicht mineralisch, mit zarten Schmelz.

4. Riesling pur mineral 2009

Weicher, molliger und säureärmer als der Weißburgunder, der mir überlegen vorkam. Seltsam, dass praktisch alle bisher von mir getrunkenen Frankenrieslinge so säurearm wirken, eigentlich müsste es doch so sein, dass fränkische Rieslinge noch rescher und säuremächtiger sind, als die Kollegen beispielsweise aus dem Rheingau oder von der Mosel. Liegt's am Buntsandstein und Muschelkalkboden?

5. Riesling Centgrafenberg 2009

Mehr Druck, mehr Tempo, mehr Rasse, säuremäßig aber immer noch nicht ganz aus dem Schatten des nachwirkenden Weißburgunders getreten. Legte aber immer weiter zu und wird sicher bald ein schönes, die beiden Vorgänger überflügelndes Exemplar abgeben.

6. Riesling R Centgrafenberg 2008

Hier zeigt sich schon ein Mehr an Entwicklung, die Konturen treten deutlicher hervor, Steinigkeit und Mineralität beginnen sich von der zarten Primärfrucht zu emanzipieren. Der Wein strebt in alle Richtungen nach Verfeinerung und Intensivierung, macht einen beweglichen, agilen Eindruck und dürfte sich nach dieser Phase ziemlich deutlich jenseits der 90-Punkte-Grenze wiederfinden.

7. Riesling R Centgrafenberg 2009

Noch sehr verhalten, jung, eng und schlank. Glatt, zitronig, nicht unausgewogen, etwas pubertäre, nervöse Säure, noch nicht so richtig in Fahrt.

8. Weissburgunder Centgrafenberg 2009

Angenehm weiche, duftige Barriquenase, wohl nicht auf Puligny-Montrachet-Niveau, aber mit einem schönen St. Aubin könnte der Vergleich spannend werden.

9. Weissburgunder R Centgrafenberg 2009

Schon zu Beginn stärker ausgeprägte Barriquenoten, aber auch mehr gelbe Paprika, Geißblatt, Weißdorn, sahnig abgerundet. Recht lang nachklingendes Barrique.

10. Chardonnay Karthäuser 2008

Schlaff, kratzig und behäbig. Nicht mein Fall.

11. Riesling Spätlese Centgrafenberg Goldkapsel 2003 noch im Bocksbeutel

Leicht, etwas wässrig, wenig druckvoll, keine merkliche Säure.

12. Riesling Auslese Centgrafenberg 2007

Leicht, elegant, fein. Saftig und schlank, spritzig, mit Moselcharakter.

13. Rieslaner Auslese Centgrafenberg 2007

Für circa ein Drittel des Preises für die Riesling-Auslese gibt es diesen bemerkenswerten und offenbar unterschätzten Rieslaner. Die Nase ist nicht besonders auffällig, aber der anfänglich eher herbfrische Charakter geht mit milder Säure in eine weiche Buttercookiearomatik über, was ich schon ganz pfiffig fand.

14. Rosé Sekt (Spätburgunder Centgrafenberg) 2007

Mit 6 g/l dosiert, 5,5 g/l Säure und vollständigem biologischem Säureabbau, 18 Monate Hefelager. Herb, kräftig, von Holznoten durchsetzt, minimal laktisch.

15. Spätburgunder Bürgstädter 2008

Dem Sekt nicht unähnlich, nur dass er rot vinifiziert wurde, was ihm aber nicht unbedingt gutgetan hat. Herb, kräftig, einfach und mir zu sauer.

16. Spätburgunder Centgrafenberg 2007

Etwas wärmer, leichter und von mildem Tabakduft umweht, sonst auch noch eher einfach.

17. Spätburgunder Centgrafenberg 2008

Enger, holziger, kirschiger, etwas griffiger, letztlich aber einfacher als der 2007er.

18. Spätburgunder Klingenberger 2007

Weich, gut entwickelt und geschmeidig im Mund, mit leicht alkoholischer, von Holz und Frucht jedoch noch eingebundener Schärfe gegen Ende.

19. Spätburgunder Klingenberger 2008

Sehr gelungener Wein, der mit feiner Graphitnote, angedeuteten Kirschen, reifen Beerenfrüchten und leicht waldigen, an Wildbach, moosige Steine und Baumrinde erinnernder Aromatik überhaupt nicht dick aufträgt, dafür am Gaumen umso länger glänzt und sich zum Kalbsbäckchen auch als Speisenbegleiter bewährt hat. Dürfte eine glänzende Zukunft haben.

20. Spätburgunder R Schlossberg 2008

Der Schlossberg kam mir demgegenüber oberflächlichler, nicht so fokussiert, wässriger, auch kratziger vor, wenngleich ich ihm eine gewisse Schnittigkeit nicht absprechen will.

21. Spätburgunder R Centgrafenberg 2007

Gekochtes Fleisch und flüchtige Säure. Erst im Hintergrund merklich Power, Struktur und Gewicht. Braucht noch ein ganzes Weilchen und könnte in zwei bis drei Jahren enorm viel Freude bereiten.

22. Spätburgunder R Centgrafenberg 2008

Voller Rosenblüten, etwas kohlensäurebizzelig, mit ausgeprägterer Fruchtsüße, als der 2007er und in jeder Hinsicht weiter entwickelt, auch etwas fetter, doch immer noch seidig. Das wird sicher mal ein schöner Vergleich zwischen den beiden.

23. Spätburgunder R Hunsrück 2007

Sahnig, crèmig, anschmiegsam, rund und gediegen, auch tiefgründig, facettenreich und lustvoll. Minimal schmirgelndes Tannin, Gänsehautwein mit Potential für 95 Punkte.

24. Spätburgunder R Hunsrück 2008

Wie beim normalen Centgrafenberg zeigt sich auch beim 2008er Hunsrück gegenüber dem 2007er, dass er aromatisch trotz einiger Jungweinkapriolen weiterentwickelt und wiederum mit etwas mehr Süße ausgestattet ist, die man nicht lieben muss, die es aber bedrohlich einfach macht, den Wein ohne Besinnung abzuschlucken. Ohne dass ich ihm den für größere Verkostungen typischen Vorsprung der konzentrierten blockbuster geben will, könnte er dem 2007er um Haaresbreite überlegen sein.

25. Frühburgunder Centgrafenberg 2008

Schön, aber gegenüber den Hunsrückern wässrig und im direkten Vergleich zu fruchtarm, da retten auch die eingestreuten Aromen von Nektarine und Aprikosenkernen nichts.

25. Frühburgunder R Centgrafenberg 2008

Toasty, aber auch saftig, schmatzig und sehr verführerisch.

26. Parzival (Merlot, Cabernet Cubin, Domina) 2008

Schucrème, Lederkorsett und Nietenarmband. Schmeckt wie ein aufgepumpter Black Print. Jung, vordergründig und noch sehr unreif.

27. Parzival R 2005

Auch der 2005er war noch lange nicht fertig. Spannungsvoll und aufgeladen, dunkel und sehr konzentriert, schwer zu durchschauen. Nicht mein Fall.

28. Spätburgunder R (Centgrafenberg) 1997

Kräuer, Minze, Sherry, beginnt gerade, sich auf sein letztes Reifestadium vorzubereiten. Kann aber sicher noch ein paar Jahre dauern, bis er soweit ist.

29. Spätburgunder Centgrafenberg 2002 en Magnum

Jetzt oder sehr bald auf dem Reifehöhepunkt. Vollmundige Süße, fester Griff, dicht und konzentriert.

30. Spätburgunder R Hunsrück 2003

Rund, fein, weich, sanft. Betörende Reifearomen, die zwischen Mon Chéri, frisch geschnittenen Pilzen, zartschmelzender Schokolade und Andeutungen von Kaffee schwanken. Bewegender Wein.

31. Spätburgunder R Hunsrück 2004

Pillenboxduft. Schon sehr weich im Mund, fortgeschrittener, runder und mürber, irgendwie kaputter und auf eine nicht unsexye Weise morbider als der 2003er.

32. Frühburgunder R Centgrafenberg 2004 en Magnum

Acetige, kränkelnd wirkende Nase, süßlich, fiebrig und glühend im Mund. Säurearm, weich, schmelzig, karamellig und kirschig. Tuberkuloseromantik zum trinken.