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Category Archives: Champagner

Hier dreht sich alles um Champagner.

Celebrity Death Match im Champagnerleistungszentrum (Teil III.)

III.1 Gosset Celebris Blanc 1995

54PN 46CH.

Mit fünfzehn Jahren besuchte man zur der Zeit, aus der die ersten Urkunden des ältesten Weinhauses der Champagne stammen, die Artistenfakultät und übte sich in den freien Künsten. Waren es im ausgehenden Mittelalter Grammatik, Rhetorik und Dialektik, so besteht bei diesem Champagner das Trivium aus Apfel-Zitrusnase, Biskuitteig und Honignoten. Offen, weltzugewandt, schon leicht ankaramellisiert und mit einer lausbübischen, sehr frechen Säure zeigt sich diese Prestigecuvée. Das erstaunt nicht, denn die Säurewerte waren 1995 allgemein beachtlich ausgefallen. Erste Reifeanzeichen und schwärmerisch-verliebt eingesprenkelte rote Beeren zieren diesen ansehnlichen Jüngling. Er wird in wenigen Jahren einen guten Baccaleureus abgeben, ob er sich danach weiterhin so gut entwickelt, vermag ich nicht zu sagen. Jedenfalls vollzieht sich seine Entwicklung langsamer, nicht so stürmisch, aber auch nicht so mitreißend wie die seines Jahrgangskameraden.

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III.2 Bollinger R.D. 1995, dég. Sep. 2004

63PN 37CH.

Die gute Stube von Bollinger und Gosset steht in Ay, in beiden Häusern wird mit Holz, wenig Dosage und ohne BSA gearbeitet (bei Gosset wird er stets vermieden, bei Bollinger nicht immer). Ähnliche Voraussetzungen müssen allerdings nicht zu ähnlichen Ergebnissen führen. Gossets Celebris hat den regulären Weg eingeschlagen und ist gerade erst dabei, seine Hochschulreife zu erlangen. Raus aus der Volksschule und direkt den Doktorhut aufgesetzt, das ist dagegen R.D. – at its best. Dieser Récemment Dégorgé hatte neun Jahre Zeit, zu reifen und gehört damit zu den frühen Dégorgements. Das mit dem Doktorhut funktioniert bei den frühen Dégorgements leider nicht immer reibungslos, bekannt sind dafür eher die danach noch kommenden Chargen, die nunmal deutlich mehr Zeit auf der Feinhefe hatten. Dabei ist bekannt, dass der Autolyseprozess nach ca. 18 Monaten abgeschlossen ist, danach dient der Hefekontakt nur noch als Oxidationsschutz – eigentlich. Und trotzdem geschehen in den Jahren danach noch geheimnisvolle und unerforschte Dinge. Der 95er R.D. hat wie der Gosset Celebris keinen BSA durchlaufen und bringt eine sehr solide Jahrgangsbasis mit. Eine immer noch massive Säure, begleitet von stückigem Apfelmus und langsam sich abzeichnende oxidative, von beginnender Reife zeugende Töne mit Marzipan, Toast, Pilzen und Karamell lassen den R.D. etwas unausgeglichen, wenngleich auf hohem Niveau angesiedelt wirken. Für mich am ehesten vergleichbar mit einem Promotionsvorhaben, das sich noch ein bisschen hinzieht und Gefahr läuft, von der Entwicklung überrollt zu werden.

Celebrity Death Match im Champagnerleistungszentrum (Teil II.)

II.1 Krug Grande Cuvée MV old label

50PN 15PM 35CH.

So schön, kristallklar und entzückend, wie eh und je war Krugs vielgeliebte Grande Cuvée mit der alten Ausstattung. Acht, vielleicht neun oder zehn Jahre Flaschenreife muss dieser Kollege also bekommen haben. Das Krugspektakel lief mit Uhrwerkspräzision ab und selbst wenn es eigentlich immer wieder gleich ist, ist es doch jedes Mal zutiefst ergreifend. Walnüsse, Mandelnoisette, Toffee, Vanilleschäumchen, eine irre Bandbreite an Apfelaromen, Quitte, Maracuja, Kumqat und Physalis – vor allem in Form einer reifen, orangigen Säure bemerkbar – im Hintergrund Kräuter und selbst dahinter noch toben sich Aromenschichten aus, die vielleicht erst in fünf oder zehn Jahren deutlicher erkennbar werden. Man merkt bei Krug immer wieder, warum er Leitbildfunktion hat, Champagner, die ähnlich kontinuierlich auf diesem hohen Niveau angesiedelt sind und während ihrer irdischen Verweildauer stets dort anzutreffen sind, muss man lange suchen.

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II.2 Laurent-Perrier Grand Siècle Lumière du Millenaire 1990

58PN 42CH.

Ähnlich viel Flaschenreife, leicht wachsige Noten und eine beginnend rosinige Art hatte Laurent-Perriers seltenes Jahrgangsschätzchen. Der 90er ist nach meiner Erfahrung als Jahrgang weitaus kapriziöser, als der unheimlich geradlinige und nur in seiner Jugend durch seine besonders stürmische Natur schwierige 88er, davon sind selbst die großen Gewächse von Laurent-Perrier nicht ganz frei. Manche 90er Grand Siècles schmecken überragend, andere nicht. Wieder andere sind irgendwo dazwischen. Dieser hier zum Beispiel. In der Nase zeigte die sehr starke Reifenote, dass mit einem Feuerwerk der Leichtigkeit und guten Laune wohl nicht zu rechnen sein würde, sehr viel Toast und röstige Noten lechzten danach, endlich die Herrschaft zu übernehmen. Der Naseneindruck bestätigte sich jedoch nicht am Gaumen, da war noch nichts von der vermutlich bald kommenden Abwärtsentwicklung zu spüren. Knisternde Kohlensäure, quietschlebendige Säure, eingebettet in wohlig-vollmundige Weinaromen, mit reifen Beerenfrüchten abgepolstert, von einem kunstvoll geschmiedeten Mineralstoffgerüst gegen allzufrühe Reifung geschützt.

Celebrity Death Match im Champagnerleistungszentrum (Teil I.)

I.1 Veuve Clicquot La Grande Dame 1993

62PN Grand Crus Verzenay, Verzy, Ambonnay, Bouzy, Ay, 38CH Grand Crus Avize, Oger, Le-Mesnil-sur-Oger

Nougatnase, Mandelcrème, Kokos und Sahne, danach rote Beeren und Apfel, später überwiegen nussige Töne und kristalliner Honig. Man merkt dem Champagner an, dass er schon einige Jahre in der Flasche verbracht hat und letztlich merkt man auch, dass 1993 kein Jahrgang für die lange Reifung ist. Ich fand die Grande Dame schon etwas aus dem Gleichgewicht, wie eine alternde Diva, die nie den ganz großen Durchbruch hatte und morgens schon leicht angetrunken ist. Darüber täuscht selbst professioneller Aromenzirkus nicht hinweg. Zum Essen mit Sicherheit ein größeres Vergnügen, als solo.

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I.2 Dom Ruinart 1993

100CH

Das passende Gegenstück zur Grande Dame war dieser Dom Ruinart. Niemals werde ich begreifen, warum es ihn gibt und warum es dafür keinen 1995er Dom Ruinart gibt. Diese Frage bewegt mich in etwa so sehr wie die Frage, warum es zwar einen 1978er Dom Pérignon, aber keinen 1979er gibt.

Reif, aber noch nicht senil war der Dom Ruinart, ohne das weltläufige Format eines alternden Playboys und ohne die sympathische-schrullige Art mancher anderen reifen Champagner. Vergangene Größe zu ahnen, fiel mir die ganze Zeit über schwer. Schwung, Rasse, Frische waren komplett weg und das was übrig geblieben ist, waren Anzeichen für einen vor paar Jahren noch überdurchschnittlichen, aber mit Sicherheit nicht bewegenden Champagner.

Brüsseler Spitzen – Champagner- und Weinoldies verkostet

I. Weingut Fritz Allendorf, Winkeler Hasensprung Riesling Cabinet 1969, AP.-Nr. aus 1973

Erdig, etwas muffig und moosig, mit einer aparten Kräuteraromatik und angegorener Maracuja, wirkt exotischer und fetter, weil säurearm, als ein Rheingauer aus dieser Zeit. Außerdem deutliche Firne, die noch Platz für einen letzten mineralischen Druck am Zungenrand lässt. Erkennbar ausgesuchte Qualität aus der Übergangszeit zwischen altem und neuem Weinrecht.

II. Weingut Richard Nägler, Mittelheimer Goldberg Spätburgunder Weißherbst Auslese 1975

Sehr dunkel, wie Amarenakirschlikör. Auch in der Nase intensiver Kirsch-Schokoladen-Duft. Dessertcharakter. Im Mund sanft, samtig, wie feinpüriert und durchgeseiht. Langer, eleganter, ausgewogener, reifer, noch lange nicht am Ende angekommener Trinkgenuss, der weder optisch noch – zunächst – aromatisch den Spätburgunder Weißherbst verrät.

III. Champagne Grongnet, Carpe Diem Extra Brut avec ficelage traditionnelle

70CH 20PN 10PM.

Aus Etoges kommt dieser kleine Erzeuger, der zum Kreis der Special Clubberer gehört. Die Cuvée ist auf Chardonnay fokussiert, dessen schneidige Säure sehr sportlich daherkommt. Die beiden Pinotrebsorten bemänteln diesen flotten Sportler seidig, insgesamt ergibt das eine herbfrische, mittellange und angenehm apfel-zitrusfruchtige Neuinterpretation des Chardonnaythemas.

IV. Laurent-Perrier, Brut, Halbe Flasche aus den späten 60ern oder frühen 70ern

Zweifellos ältlich, mit nur noch ganz verhaltenem, kaum vernehmbarem Seufzer beim Öffnen. Für eine kleine Flasche dennoch überraschend frisch, am Gaumen mit der charmanten Mischung aus damals wie heute üblicher recht hoher Dosage und als pièce de résistance einer gut merklichen Säure.

V. Graves Superieur Ende der 60er

Kraftvoller weißer Charakter von altem Sauvignon-Blanc. Abgelagertes Heu, das noch einen frischen Duft verströmt, weißer Nougat, Kokos, Sahne, englische Crème. Hätte ich bei einem simplen Graves Superieur nicht erwartet.

VI. Château de Madère, Cerons, aus den 60ern

Suesser, grobgemahlener Senf, Kerbel, gebackener Estragon. Nur noch leicht süsslich für einen richtigen Süßewein und schon reichlich alt, aber noch mit etwas Freude trinkbar, z.B. zum Baguette mit eingebackenen Oliven und Chili, wesentlich besser zu eingelegten Oliven mit Anchovis, deren salzige Aromen der Wein sehr gut einbettet.

VII. Coron Père et Fils, Négociants à Beaune, Puligny-Montrachet 1955

Klassischer Chardonnayauftritt mit einer etwas trocknenden Art, aber noch mit viel frischer Zitronenmelisse und minimal medizinalem Unterton, etwas augeblichenem Apfel, vital, aber langsam, d.h. innerhalb der nächsten ca. fünf Jahre an seine Grenze gelangend.

VIII. Château Cheval-Brun, St. Emilion 1964

Ein ordentliches Trinkerlebnis war der Cheval-Brun, langsam überhand nehmende Alterssüße ist mir ja alemal lieber, als knochige, ausgezehrte Weine. Tabak, Pflaumenmus, leicht rauchige, speckige Noten, alles in allem sicher kein sehr eleganter Wein mehr, aber immerhin ein alter Schmusetiger.

IX. Château Recougne, Bordeaux Superieur 1961

Klar überlegen war da der 61er Recougne, obwohl nur ein ordinärer Bordeaux Supérieur. Süß, aber von der noch saftigen Art, reif, alt, dicht, erstaunlich tiefgründig, auch mit viel Tabak und Rauch, aber vor allem einer im Vordergrund stehenden betörenden fruchtig-sämigen Weichheit, Balance und wundervoll gereiften Tanninstruktur.

X. Château Recougne, Bordeaux Superieur 1966

Kein Wunder, dass der 66er aus gleichem Hause dagegen kaum eine Chance hatte. Nach eine korkähnlichen Phase vor allem Ladungen von Erdal Schuhcrème mit Bienenwachs, auch schwarzes Leder. Für mich am ehesten Ähnlichkeit mit einem mittelstarken Lagrein.

XI. Vieux Château Bourgneuf, Pomerol 1967

Schwer war der Vieux Château Bourgneuf. Ein Wein, der den ganzen Rachen verstopft, wie ein zu großer Bissen von einem zu trockenen Kuchen. Dementsprechend gab es Kirsche, Johannisbeere, Schokoladenkuchen, dick gesossten Tabak, Marillenkernöl. Sehr süß kam mir der Wein vor und nicht ganz entschlossen, zwischen einem letzten säuregeladenen Aufbäumen und einer schweren, müden Dichte.

XII. Beaune, Cuvée Reservée, Ende 50er Jahre

Erst Milchschokolade, dann kam mehr und mehr Liebstöckel dazu, meiner Meinung nach entwickelte sich außerdem viel Eau de Vie de Kirsch, am Ende dann eine etwas einfältige Erdnussflipsaromatik.

XIII. Clos des Papes, Schweizer Füllung 1965

Hellroter, süßlicher, griffiger, am Gaumen leicht kühlend wirkender Wein, der wie eine Mischung aus Herta Müller und Gundel Gaukeley auf mich wirkte. Trotz des erkennbar fortgeschrittenen Alters immer noch irgendwie sexy. Reichlich rote Beeren, die mit einer agilen Säure für wohltuende Abwechslung im süßlicher werdenden Aromengemisch sorgen. Der Wein baute sich mit Luft noch etwas auf, bevor er nach einigen Stunden erst abzubauen begann.

Pfingsten in der Champagne

La Banque

Flammneu ist die Bar au Champagne in Epernay, im ehemaligen Gebäude der Nationalbank. Grosszügig ist die Schalterhalle, mit langer Theke und dahinter einer halboffenen Küche, die Bestuhlung ist bistromäßig. Über die Inneneinrichtung kann man streiten, die kühl und dunkel wirkende Halle ist sparsam dekoriert, die großzügigen Leuchter über der Theke würden stimmiger wirken, wenn die ikeahaften Stoffbahnen drumherum nicht wären. Stahl, Alu oder Kristall hätte da besser gepasst. Im hinteren Teil der Bar ist ein kleiner Restaurantbereich mit größerer Bestuhlung und anständigen Tischdecken, dahinter geht es dann zur hübschen Terrasse. Ausgeschenkt werden sechsundfünfzig Champagner, davon die Hälfte glasweise. Richtige blockbuster habe ich auf der Karte nicht gefunden, aber ich habe mich ja auch noch nicht ganz durchprobiert. Der Service wirkt etwas unbeteiligt, ist aber recht flott. Die Preise sind ganz schön happig und angesichts der nur durchschnittlichen Küchenleistung zu hoch. Die Toiletten im Keller befinden sich im ehemaligen Tresorraum, zur Herrentoilette gelangt man, indem man durch die Damentoilette marschiert, was natürlich irrsinnig charmant ist. Trotzdem werde ich mich für eine gute Bistroküche künftig die noch ca. dreißig Meter bis zum Berceaux schleppen.

I. Kaltes Rote-Bete-Süppchen, dazu Pierre Mignon Brut Grande Réserve (80PM 10 CH 10 PN) – fein fruchtig, dicht, nussig, mit weißen, auflockernden Blüten. Passte schon ganz gut zum sparsam gewürzten, etwas erdig rüberkommenden Süppchen.

II. Croustillon mit Ziegenkäse und Brie, dazu Apfel, Rote Bete und Speck, dazu Ruffin et Fils Cuvée Volubile (70PM 20CH 10PN) – fruchtig, erinnert an Zitronenseife, ist ein offensichtlich als Sommerchampagner für das Einsteigerpublikum gedachter und gemachter Champagner, dessen sehr fortschrittliches Etikett auch von einer der in Designfragen ebenfalls oft sehr fortschrittlichen südfranzösischen Grosskellereien hätte stammen können. Ziegenkäse, Brie, Apfel und Rote Bete fügten sich dazu gut.

III. Kaltes und Heißes von der Entenleber, dazu Fleur de Sel, Birnenchutney mit Zimt, Physalis und geröstetes Landbrot, dazu Pierre Gimonnet Blanc de Blancs Cuis Premier Cru – Birne, Zitrone, Klarheit und Frische, sehr schmale Dosage, gegen Gimonnet kann man ja nie etwas haben und auch hier enttäuschte er nicht.

IV. Maishühnchenfrikassée mit dick geschnittenen Kartoffeln und getrüffeltem Risotto, dazu Pierre Peters Blanc de Blancs Cuvée de Reserve Grand Cru – der Sud vom Frikassée war sehr gut, die Hühnchenteile jedoch trocken, faserig, zu dick und wahrscheinlich nicht lange genug mitgekocht. Da konnte dann auch der zuverlässige Pierre Peters nichts mehr retten, im Gegenteil, er verstärkte den trocknenden Eindruck vom Hühnchen noch.

V. Kotelett vom Ibericoschwein mit Honigsauce, dazu weiterhin der Pierre Peters – das Kotelett war anständig gebraten, mit schmackhaftem, nicht zu großem Fettrand, das Fleisch zart und ordentlich, aber noch keinesfalls so aromatisch, wie ich es von einem Iberico-Schweinderl erwarte. Die einfache, aber gute Honigsauce allein rettete das Gericht nicht.

Besuch auf der Domaine Ulysse Collin, Olivier Collin

Besuch bei Ulysse Collin in Congy. Olivier, bei dem der Champagner-Enthusiasmus förmlich greifbar ist, führte Fasskeller, Böden (in der Chardonnayparzelle liegt etwas Feuerstein/Onyx mit im Kalk) und Weine vor. Früher verkaufte die Familie alles an Pommery, seit 2004 (wäre die katastrophale Ernte 2003 nicht gewesen, hätte er damit losgelegt) macht Olivier lieber seinen eigenen, von Lehrmeister Selosse (ein Praktikum beim Burgunderchampagnerchef im Jahr 2001 machte den Paragraphenjünger Collin zum Winzer) inspirierten Champagner. Er arbeitet aufgrund seiner noch beschränkten Möglichkeiten nur in Ansätzen biodynamisch und experimentiert seit 2004 mit zahlreichen Fässern von zahlreichen Küfern und aus allen möglichen Hölzern, von der Akazie bis zur Kaukasus-Eiche ist alles dabei. Seine Grundweine gären so lange, wie sie gären müssen, nimmt man den Stopfen aus einem der vielen Fässer, kann man dem Wein noch im Mai dabei zuhören. Vergoren wird mit weinbergseigenen Hefen spontan, was sieben, acht Monate dauern kann und locker 12,2% vol. alc. bringt. Durch die zweite Gärung kommen noch einmal 1,5% vol. alc dazu, so dass die fertigen Champagner hart an der 14%-Marke kratzen. Beim Blanc de Noirs wurde daraus ein Problem bei der Weinkontrolle, die sich erst gegen den außerdem zwibelschalenfarbenen Wein wehrte (der Pommery Springtime Rosé ist im Vergleich blasser). Am Ende konnte Olivier den Wein doch noch als Blanc de Noirs deklarieren und das ist mehr als gut so. Insgesamt liegen die Weine 13 Monate im Fass, bevor die parzellenreinen Champagner draus werden. Dosiert wird extra brut, um die 2 g/l, nach dem BSA kommt freies SO2 bei ihm auf ca. 15 mg/l. Weil er nur insgesamt knapp 5 ha mit Chardonnay und Pinot-Noir bewirtschaftet (Pinot Meunier wird verkauft), sind seine Champagner bislang meist reine Jahrgänge, Ausnahmen waren 2006 mit 10% Reservewein und 2007 mit 30% Reserveweinanteil.

I. Blanc de Noirs aus der Parzelle Les Maillons, dég. 13. März 2010

2006er. Jungfernjahrgang.

Aromensprengbombe! Feinstes Holz, kandierter und schokolierter Ingwer, Orangenfilets, Jod. Saft und Mineral in einer Form, die vielleicht zur Zeit nur Selosse-Schüler hinbekommen. Das heisst vor allem: an dem Champagner ist trotz seines Feuerzaubers nichts dauerhaft ermüdendes, der Champagner ist unangestrengt und er strengt nicht an, trotz seiner vielen, die Aufmerksamkeit fordernden Facetten. Nach Deutschland haben es gerade einmal lachhafte 204 Flaschen geschafft, von denen ich mir überlege, einfach ALLE zu kaufen, so gut ist das Zeug.

 

II. Blanc de Blancs aus der Parzelle Les Perrières, dég. 17. Februar 2010

2006er Basis mit 10% 2005er Reservewein

Ganz anders der Chardonnay. Schlank, mit einer flächendeckenden Säure. Wenn der Blanc de Noirs die Sprengbombe ist, dann ist der Blanc de Blancs der daisy cutter. Der mäht Mikrometer über der Zungenoberfläche einfach alles um. Dieser Chardonnay stammt aus der besagten Parzelle mit den Feuertsein/Onyx-Einsprengseln. Eine dramatische feuersteinigkeit hat er indes nicht gerade. Mineral jedoch zuhauf, und eine Steinigkeit, die zwar nichts mit Feuerstein zu tun hat, aber einen provokant guten Chardonnay ergibt.

Privat Essen bei Essen-Privat

2010 schwer im Trend: Guerilla-Restaurants. Überall schießen sie angeblich wie Pilze aus dem Boden, aber wie bei den kleinen Eukaryonten ist es auch mit den Restaurants: Pfifferlinge und Steinpilze findet man leider nicht so oft. Umso schöner, dass der Essener Stadtteil Frohnhausen mit Essen-Privat einen solchen Edelpilz vorzuweisen hat. Ein Besuch bei Achim und Conny Lichte lohnt sich immer, am besten mit munterer Truppe. Vorabeindrücke gibt es unter www.essen-privat.de.

Wir hatten uns folgendes Menu zur Schaumparty ausgesucht:

Als opener gab es "Fraenzi" Rotling secco von Castell, sehr fruchtig, von fast leichtsinniger Süße, die nach Erdbeer-Sahne Bonbons von Campino schmeckte, harmonierte aber gut mit dem Amuse:

I. Amuse Gueule: Spinathäppchen, Gravad Lax, Ketakaviar und Crème,

dazu Cava, "A Posteriori" Rosé, Brut (7,5 g/l) von Colet aus dem Penedes, Merlot, ca. 15 Monate Flaschenlager, 11,5% vol. alc.

Wirkte zum Amuse flacher und karger als der Fraenzi, als standalone zeichnete sich em-eukal-Kirsche ab, das war's. Man merkt's: nicht sehr beeindruckend und ziemlich cavauntypisch.

II. Möhren-Chili-Ingwersuppe mit Flusskrebsschwänzen,

dazu Crémant Brut von Ponsot aus Gevrey-Chambertin, dagegen Yarden Brut, Blanc de Blancs Jahrgang 2000, koscher, von den Golan-Höhen, Israel

Der Burgunder fast rosé in der Farbe, anfangs mit überreichlich Schwefelgestank und erst im Mund schmeichelnd-fruchtig, passte sich gut der Suppe an und vertrug sich besser damit als der chardonnayuntypisch schmeckende Yarden, der trocken, fast sandig schmeckte und erst nach etwa einer Stunde und später noch, allerdings nur mit einem gewissen Exotenbonus Trinkfreude bereitete.

III. Wildkräutersalat mit gebratener Wachtelbrust und gebackenem Ziegenkäse, Nuss-Himbeervinaigrette,

dazu Cava Artesa, Katalonien, "Bocchoris" Brut Nature Reserva aus Xarel.lo, Macabeo, Parellada, dagegen Colet Assemblage Extra Brut, 55% Pinot-Noir, 45% Chardonnay, 36 Monate Hefelager, 90 Parkerpunkte (also Jay Miller Punkte)

Der Bocchoris war geschmacklich dicht am Fraenzi, scheinbar sehr kühl vergoren, mit viel viel Bonbon, Gummibärchen und überhaupt eher Aromen aus der Kindheit als aus dem Geschmacksleben eines Erwachsenen, dafür mit angenehmem Druck ausgestattet und leidlich passend zur Vinaigrette. Der Assemblage dagegen als rechtes Dickschiff etwas klobig, sparsame Aromen und keine zum Salat passende Wendigkeit. Auch mit der Wachtel und dem Käse tat sich der Assemblage schwer. Noch nichtmal allein konnte er so recht überzeugen. Vielleicht fehlte da die nötige Flaschenreife, der wein wirkte jedenfalls allzu verschlossen.

IV. Dorade Royal, Hummer und Jakobsmuschel mit Sepialinguine,

dazu Schloss Vaux Rosé Brut, Pinot Meunier/Portugieser, dagegen Langlois Château Rosé aus Chenin Blanc, Chardonnay + Cabernet Franc

Der Vaux mit einer behenden Leichtigkeit, die Freude bereitet, leider auch mit einem etwas konventionellen, langweiligen Aromenspektrum und muffiger, ältlicher Frucht zum Ende hin. Der Langlois dagegen mit mehr Grandeur, lebhafter Säure und zupackender Art, ein Freund von Cabernet Franc im Schaumwein werde ich aber bis auf weiteres trotzdem nicht. Beide machten sich gut zum Meeregestier, wollten aber allein nicht so recht schmecken.

V. Perlhuhnbrust im Speckmantel, Risoléekartoffeln, Pfirsichsauce,

dazu Schloss Sommerhausen Riesling Brut 1997, dagegen Raumland Weissburgunder Brut 1997

Der Schloss Sommerhausen 97 ist nach wie vor einer meiner erklärten Lieblinge, 2004 degorgiert schmekt er ausgesprochen frisch, glänzt mit attraktiver Säure, einem für Brut-Rieslinge verschwenderisch anmutendem Aromenreichtum, hält sich aber noch im Rahmen einer unverspielten, ernstzunehmenden Stilistik und schmeckt keineswegs nach Robby Bubble o.ä. Der Raumland leider etwas schwächlich daneben, angefirnte Note, merklich gealtert, aber nicht kaputt oder fehlerhaft, sondern gut geeignet für Freunde des kräftigen Schäumers mit herben Aromen; immer noch genügend power, um mit Speckmantel und Pfirsich eine ménage à trois einzugehen.

VI. Tiramisu und Waldbeeren,

dazu Rives-Blanques, Blanquette de Limoux aus 90% Mauzac, 10% Chenin Blanc + Chardonnay, dagegen Marcus Stein, Kinheimer Sekt vom Moselschiefer aus 90% Weissburgunder und 10% Riesling + Müller-Thurgau

Der Blanquette muffig, bäuerlich, herb, klobig und säurearm, ein milder Ausgleiter für den Abend, vom Tiramisu aber erstaunlicherweise nicht überfahren, sondern, wohl weil er ziemlich dickfellig ist, in ganz aparter Weise als sparringspartner aufgenommen, verhielt sich sehr gut zu den Beeren (speziell Himbeere und Blanquette sind eine viel schönere Kombination, als das Cliché Erdbeere und Champagner). Der Stein-Sekt mit würziger Säure und gleichsam das Messer, das durch die Tiramisu glitt, weniger harmonisch mit den Beeren, dafür gut als Fettabbauhilfe und Geschmeidigkeitsverleiher, im übrigen auch keine unedle Kombination mit dem Espresso, aber alles in allem kein überragender Sekt.

Notizen von der Champagerprobe: rund um die drei Jahreszeiten

Opener: Charles Heidsieck Mis en Cave 2000 en Magnum

Reims. Drittelmix. 1999er Basis mit 40% Reservewein, Dégorgement 2005.

Eines der letzten Werke von Daniel Thibault, der 2002 viel zu früh verstarb. Dégorgement demnach unter der Leitung seines Nachfolgers Regis Camus. Honig, Kaffee, Kakao, empyreumatische Noten. Fast schon zu seriös für das zwanglose warming up auf der sonnenbeschienenen Terasse mit Blick auf die Marksburg.

Kleine Vorspeisenauswahl, darunter Krabben-Espresso, geschmorte Champignons mit Salat von getrockneten Tomaten, Gurken-Kräutercrème mit Scampi. Vom seriösen, sehr gediegenen Charles Heidsieck konnte man zu der leichten Sommerkost nicht so viel erwarten, die beiden herbfrischen Champagner aus dem Starterflight passten da deutlich besser.

I.1 Tarlant, Brut Zéro

Oeuilly. Drittelmix. 2004er Basis mit fassgereiften Reserveweinen. Tirage im Mai 2005, Dégorgement im Juni 2007.

Erst eine Woche vorher hatte ich diesen jetzt wunderbar gereiften und langsam seinen Trinkhöhepunkt erreichenden Champagner im Glas und freute mich, ihn jetzt, bei knallender Sonne und unverbautem Blick auf Marksburg und Rhein erneut im Glas zu haben. Pure, griffige, unausgezehrte, natürlich-herbschöne Nacktheit.

I.2 Lamiable Extra Brut

Tours-sur-Marne Grand Cru. 60PN, 40CH. 5 g/l Dosagezucker.

Nicht ganz so nackt, sondern noch mit Strapsgürtel und Schleier angetan, zeigte sich Lamiable als Flightpartner wie eine etwas versautere Schwester des Zéro Brut. Das lag vor allem an der ausgeprägteren Saftigkeit, gross kaschiert war da nichts.

II.1 Robert Moncuit Blanc de Blancs Grand Cru Extra Brut

Le Mesnil. Dieser Champagner stammt aus den Grand Crus Oger und Le-Mesnil-sur-Oger, mit 4 g/l dosiert, 42 Monate Hefelager.

Sicher hätte ich auch Lamiable gegen Moncuit antreten lassen können, aber darauf kam es mir bei der Probenzusammenstellung nicht an. Moncuit war stattdessen der Auftakt für den Blanc-de-Blancs flight dieser Probe, die ich im wesentlichen um die Jahreszeitenchampagner von Pommery herum aufgebaut hatte, was immer wieder überraschende und lehrreiche Probenresultate liefert. Natürlich konnte der erste Champagner des flights nur ein karg dosierter Champagner sein, um nicht etwa nach dem Pommery, dessen Stilistik nunmal die eines großen Hauses ist, sauer zu wirken und einen gleitenden Übergang zu schaffen. Das gelang sehr gut. Noch mit Lamiables sündiger Aromenlast am Gaumen kam Moncuits reinigender Apfelspass, der alles verruchte von der Zunge spülte.

 

II.2 Pommery Summertime Blanc de Blancs

10 Crus, drei Jahre Hefelager.

Wie auf einer Süße-Leiter konnte deshalb der Pommery in der Probe aufsteigen und sich als Schlussstein eines Mikrovergleichs über zwei flights hinweg platzieren. Nach den extra brut dosierten Champagnern kam er mir etwas glitschig vor, präzise herausgearbeitete Aromen oder eine fokussierte Säure musste man vergeblich suchen. Wobei das ohnehin nicht die Stärken der Grande Marque Champagner sind, die Pommery ja repräsentieren und um die es hier verstärkt gehen sollte. So sah es denn auch die eine Hälfte der Runde und favorisierte den Pommery, während sich die andere Hälfte, mehrheitlich die Damen, über den Moncuit entzückte.

Lauwarmer Spargelsalat mit weißem und grünem Spargel vom Niederwerth war ein guter Einschub, denn es sollte mit einem Champagnertyp weitergehen, den man nicht einfach ansatzlos folgen lassen konnte. Zum Spargelsalat war klarer Favorit der Pommery, weil bei ihm keine Mésalliance zwischen Säure und Asparagin zu befürchten war, sondern eitel Sonnenschein.

III.1 Francoise Bedel, Dis, Vin Secret

Crouttes-sur-Marne. Biodynamisch. 2003er Basis, 86 PM 8 PN 6CH. 96% Stahltank, 4% Holzfassausbau.

Den 2003er Jahrgang konnte man ziemlich deutlich merken und am Tisch wurde die überreife, rosinige, mit Apfelchips, Bratapfel und Calvados angereicherte Aromatik teils sehr begrüßt, teils als viel zu alt und mürbe abgelehnt.

III.2 Pommery Wintertime Blanc de Noirs

75PN, 25PM u.a. aus den Grand Crus Aÿ, Bouzy, Mailly und Sillery. (90/100 Juhlin)

Anders als beim letzten Mal hatte der Wintertime nun gar keine Startschwierigkeiten, Madame Bedels weichhäutiger, etwas eunuchiger Champagner traf auf einen gut vorbereiteten, agilen Wintertime, der Röstnoten, roten Apfel, einige wenige Säurespritzer und allenfalls ganz leicht morbiden Charme eines reifen Playboys ausspielen konnte. Beide Champagner kamen mir wegen ihrer Konzentration und Süße wie gute, wenngleich sehr verschiedene Flightpartner vor.

Penne mit Kalbfleisch-Salbei-Röllchen in Cointreau waren als Zäsur beim Übergang von weiss auf rosé zur Stelle, obwohl für mich nicht zwingend erforderlich

IV.1 Pommery Springtime Rosé

Reims. 25CH, 60PN, 15PM, 30 Monate Hefelager.

Auffällig war bei diesem Rosé die sehr helle, zwiebelschalenfarbene Roséfärbung, die ihn neben dem Winzerrosé fast etwas alt aussehen ließ. Geschmacklich war er mit Rosinen, Feigen und Trockenfrüchten noch ganz in der Sphäre des Wintertime, konnte aber mit seiner demgegenüber leichteren Bauweise punkten.

IV.2 Maxime Blin Rosé

Winziges Weingut in Trigny, Massif St. Thierry. 100PN und Coteaux Champenois.

Kräftiges, rötliches Rosé, viel Kirschfrucht, Goji-Beere und eine leicht gerbstoffige Griffigkeit, die den kleinen Betrieb kennzeichnet. Geringfügig medizinal, was in diesem Zusammenhang – zum Salbei – sogar ganz gut passte.

V.1 Carré Guebels Premier Cru Vieilles Vignes avec ficelage traditionnelle

70CH, 30PN, 2003er Basis mit Reserve aus 2002. (** GH)

In Deutschland praktisch unbekannter Erzeuger, der sich in Frankreichs Fachpresse schon einige gute Bewertungen gesichert hat und dessen andere Champagner mir gut gefallen. Werde ich weiterhin im Auge behalten. Diese Cuvée von alten Reben ist sehr mineralisch, hat eine kühle Ausstrahlung und wirkt zunächst geschlossen und dicht wie ein Grantiblock. Mit Luft kommen Mandarinen, Nektarinen, Reineclauden und gelbe Johannisbeeren zum Vorschein, alles läuft bei diesem Champagner sehr geordnet und zeremonienartig streng ab. Champagner für Traditionalisten.

V.2 Leclerc-Briant Premier Cru Chèvres Pierreuses

Cumières Premier Cru. Einzellagenchampagner. 40PN, 40CH, 20PM. Biodynamisch.

Knallerwein. Auch hier kalter, nasser Stein als Grundton, dahinter ist auf Anhieb richtig viel Druck abrufbar. Im Gegensatz zum Carré-Guebels herrscht hier ein – positives – Geschmackschaos, alles schwirrt und fliegt durcheinander, flavour action painting am Gaumen.

Frische Erdbeeren mit Champagnerschaum, Minze und Amarettini, verbunden mit einer kleinen Pause, lenkten den Gaumen etwas ab

VI.1 Bernard Tornay Palais des Dames

Bouzy Grand Cru. 50PN, 50CH, 2004er Basisweine aus den Grand Crus Bouzy und Ambonnay. 10 g/l Dosagezucker.

Was mir bei Tornay immer gut gefällt, ist dieser stetige Haselnussgrundton, den man in seinen Champagnern immer wiederfindet. Das verleiht dem Stil einen leicht melancholischen touch, bei der Spitzenvuvée des Hauses auf eine sehr ansprechende Art verfeinert. Also nicht: depressive Stimmung einer alternden Diva, sondern bezaubernde Nachdenklichkeit einer Salonschönen.

VI.2 Pommery Millésime Grand Cru 2000

Trauben aus sieben Grand Crus. (86/100 Juhlin, 96/100 Wine Spectator)

Der passende Gigolo für unsere Salonschönheit wollte oder konnte sich nicht finden lassen, also musste adäquater Ersatz her. Pommerys 2000er Grand Cru, den ich frühzeitig belüftet hatte, übernahm den Job mit Bravour. Jede damenhafte Feinheit von Tornay konnte dieser Champagner mit einer geeigneten Geste erwidern, ohne dabei gestelzt zu wirken. Der feine Haselnussgrundton von Tornay wurde mit minimal stärkerer Röstung beantwortet, die am Gaumen langanhaltend schwebende, zart vibrierende Früchte-Blüten-Komposition von Tornay wurde von den festen Schritten des Pommery nie allein gelassen. Wiederum eine schöne Komposition und ein famoses Pärchen, die beiden.

Belle Epoque und Grande Dame im Champagnerleistungszentrum

Im Champagnerleistungszentrum treffen nicht nur junge Talente aufeinander und messen sich im friedlichen Wettstreit, nein, auch die alten Kämpen müssen zeigen, ob sie noch Dampf haben. Selbst alter Adel wie der einer Grande Dame und einer Belle-Epoque schützt nicht vor dem unerbittlichen Blick unter den Rock.

Veuve Clicquot, Grande Dame 1985: wuchtig, herb und sehr füllig. Im Glas war der Champagner dann weniger alte Witwe, als vielmehr ziemlich knackiges, wenngleich nicht mehr ganz taufrisches Mädel. Ein schicker Twen, was ja auch zum Jahrgang paßt. Verhaltene Säure und sehr viel weinige Würze, Andeutungen von Milchkaffee, Karamell, Buttertoffee und Kakao, aber alles wirklich nur hauchfein und in den nächsten Jahren sicher immer stärker werdend. Dieser elegante, noch herzhaft jugendlich wirkende Champagner spricht sehr für das Haus, bzw. die Kunst des seinerzeitigen Kellermeisters Peters. In der Jugend sind die Champagner immer haarscharf zu hoch dosiert für meinen Geschmack – passen dafür aber zu zahlreichen Speisen sehr gut, dazu gleich mehr -, im Alter zeigt sich dann, was die Réaction Maillard alles vermag. Korrespondierende Speisen waren:
– Brunnenkressesuppe mit pochiertem Wachtelei: definitiv kein dreamteam zur Grande Dame, die beiden standen sich in respektvollem Abstand gegenüber, bzw. einander zur Seite, gingen aber keine harmonische Allianz ein. Getrennt voneinander am besten, zusammen war mir die Mixtur zu spannungsvoll.
– Jakobsmuschel mit hauchdünnem Cräcker auf blanchiertem Kohl: sehr schmackhaft, Jakobsmuschel und Champagner sowieso, in Verbindung mit dem kleingeschnipselten Kohlgemüse und dem Keks dann noch einmal bereichert.
– Kaninchen mit Linsen und Speckschaum: eine Spitzenkonstellation, für Liebhaber von herzhaften Variationen rund um den Speck ein besonders schönes Erlebnis. Dankenswerterweise war das Kaninchenfilet mit einem schützenden und gut harmonisierenden Teigmäntelchen versehen, zusammen mit den reifen Noten der Grande Dame wundervoll.

Es folgte

Perrier-Jouet Belle-Epoque 1983. Ein erstes kleines Stinkerle im Glas wich schnell, mit Zeit und Luft wurde ich dann auf Kosten der von vornherein optisch müden Perlage Zeuge eines kleinen Chardonnaywunders im Glas. Bei älteren Belle Epoques zeigt sich eben immer wieder die grandiose Standfestigkeit der Cramantchardonnays. Die Nase betörend mit kandierten Zitrusschalen, der Mund von stahlharter Säure ausgekleidet, mit langem, feinstprickelndem Nachhall. Dazu gab es:
– Stubenküken mit Knoblauchconfit: Köstlich! Punkt.
– auf der Haut gebratenen Zander samt Fenchelgemüse: ebenfalls eine ausgezeichnete Kombination und ein würdiger Platzhalter für das als Auftakt genossene 2005er Leitz'sche Magdalenenkreuz.

Die crème brûlée hatte mit den Champagnern nichts mehr zu tun und vertrug sich dementsprechend bestens mit Barbeitos 1978 Madeira Verdelho, nach dem Käffchen gab es dann Reisetbauers Elsbeere, ein Brand den man am liebsten inhalieren will, bis das Glas leer ist. Schmeckt aber auch so ganz gut, wenn man Schnaps mag.

Fazit: Beide Prestigechampagner verwöhntem auf sehr hohem Niveau, zeigten sich den Speisen überwiegend gewachsen, wobei die Grande Dame in der Konfliktsituation mit dem Ei weniger gut abschnitt, als die Belle-Epoque mit dem Knoblauch.

Generation Champagner – Notizen von der Einsteigerprobe in Hackbarth’s Restaurant

A. Das Menu

I. Vorspeisenvariation: Tafelspitz-Salätchen, Bruschetta, gebratene Blutwurst, Lachstartar

Lachstartar und Bruschetta waren gut, berührten mich aber nicht so sehr wie die Blutwurst und das delikate Tafelspitzsalätchen. Die Blutwurst war kross, nicht zu gross, praktisch fettfrei gebraten und von einer confiseriehaften Zartheit, die ich ähnlich, aber natürlich abgewandelt beim feinfaserigen Tafelspitz wiederfand. Im Zusammenspiel mit den Gemüseschnipseln bot sich ein sehr appetitanregender Happen dar, der sich gut mit den ersten Champagnern vertrug.

II. Scampi-Tournedo und Scampi-Knusperstange

Weich, aber bissfest kam der kleine Schalenracker auf den Teller, in ungewöhnlicher Langform zusätzlich die Knusperstange mit Scampifüllung. Dazu passten die weißen Champagner des zweiten flights besser noch als die Rosés, ich begann bedenklich zu schwanken – zwischen dem Premier Cru von den drei Mädels aus Trois Puits und dem Holzfasschampagner von Voirin-Jumel, dessen leicht minzige Note im Gegensatz zum Schaumzuckererdbeer-Katjes-Joghurtdrops der Girls stand. Beide Champagner hatten Komponenten, die vorteilhaft zum Essen wirkten, am Ende schien mir der Voirin-Jumel eine Winzigkeit besser zu passen, vielleicht bin ich aber auch nur etwas konservativer, was solche Paarungen betrifft.

III. Zander auf seiner kross gebratenen Haut, dazu knackiger Hünxer Spargelsalat

Der Spargelsalat war so aromatisch, wie man das von frischem Spargel erwarten darf. Viel wichtiger noch war mir die Knackigkeit der Spargelspitzen und die ließ nichts zu wünschen übrig. Fast wie Rettich krachte der Spargel beim reinbeißen und das habe ich sehr gerne, wenn der Spargel blutjung und unverholzt ist. Das kleine Zanderstück passte dazu, als wäre der Zander allein zur Begleitung von Spargelsalat Teil der Schöpfung geworden. Das Gericht brachte ganz nebenbei die regionale Verwurzelung der hackbarth'schen Küche zum Ausdruck, Spargel vom Niederrhein, Zander aus demselben, mit einer abgestimmt gemüsigen, sehr harmonischen Vinaigrette konnte man diesen kleinen Gang schon ganz schön groß finden.

IV. Lämmchen mit Kräuterkruste

Kräftig-aromatisch war die Kräuterkruste, zartfleischig das Lamm. Besser noch als Champagner konnte zu dieser Speise nur noch ein roter Coteaux Champenois passen, den Jens freundlicherweise spendierte. Das Haus Bernard Tornay hatte diesen Stoff 2000 geerntet und vinifiziert. Leider hatten wir den Wein nicht rechtzeitig dekantieren lassen, denn als er ins Glas kam, brauchte er erstmal seine Zeit, um sich von dicken Schichten flüchtiger Säure und reinster Nagellackentfernernase freizuschütteln. Auch nach sehr viel Luftzufuhr wirkte der Spätburgunder jugendlich und quasi wie frisch gefüllt, von Flaschenreife in weiter Ferne keine Spur.

V. Armer Ritter

Eine der typischsten Ruhrgebietsnachspeisen überhaupt ist der Arme Ritter. Das macht es für die Küche, wie so oft bei weitverbreiteten Speisen, nicht leichter. Denn jeder kennt das Gericht von Oma, Mutter, Betriebskantine und Familienfesten, hat eine meist sehr fest gefügte Meinung dazu und ist nur schwer davon zu überzeugen, dass dieses Basisgericht die Aufmerksamkeit einer guten Küchenbrigade verdient. Ein ähnliches Schicksal teilen Schnitzel, Boeuf Tartare, Omelette und das gute alte Steak. Macht aber alles nichts, denn Jörg Hackbarth bekommt seinen Alten Ritter immer wieder so gut hin, dass man alle Bedenken darüber vergisst, sobald man den weichen, schmeichelnden Teig im Mund hat und die süßen Früchtchen auf der Gabel.

 

B. Die Champagner

I.1 Tarlant, Brut Zéro

Oeuilly. Drittelmix. 2004er Basis mit fassgereiften Reserveweinen. Tirage im Mai 2005, Dégorgement im Juni 2007.

Dieser Champagner ist ein deutlicher Beleg dafür, dass undosierte Weine nicht nur reifen können, sondern es mitunter sogar müssen. Noch vor wenigen Monaten war dieser Champagner, obwohl mittlerweile schon seit fast drei Jahren am Markt, fest verschlossen und wehrte sich gegen jeden Versuch einige charmante Noten herauszuschnuppern mit einer kräftigen Chlornase. Davon war jetzt nicht mehr viel zu spüren, der Champagner hat sich merklich entspannt und lieferte die längst fälligen Äpfelchen, eine fast joviale Weinigkeit und zum Schluss eine für manchen Probeteilnehmer unerwartete glycerinige Süße ab. An der Nacktheit dieses Champagners war nichts Anstößiges, im Gegenteil, mit Sandro Boticellis unmittelbar bevorstehendem 500. Todestag konnte dieser Champagner geradezu als eine Hommage an die Wiederkunft der Aktmalerei in der Renaissance gelten.

I.2 Robert Moncuit, Blanc de Blancs Grand Cru Extra Brut

Le Mesnil. Dieser Champagner stammt aus den Grand Crus Oger und Le-Mesnil-sur-Oger, mit 4 g/l dosiert, 42 Monate Hefelager.

Ein ganz anderer Champagnertyp war der Chardonnay von Robert Moncuit. Weil er unter anderen Vorzeichen stand: anders als in der Vallée de la Marne, wo sich die fruchtigen Meuniers und leicht zugängliche Pinot-Noirs tummeln, wachsen in Oger und Le-Mesnil eben die großen Chardonnay-Säuregeschosse. Lässt man die blank ziehen, wird die Stimmung im Glas schnell aggressiv. Eine ganz behutsame Dosage von gerade einmal 4 g/l kann da Wunder und vor allem ganz schön sexy wirken – vergleichsweise wie die reizende Wäsche von Agent Provocateur. In unserem flight bedeutete das, dass der Tarlant trotz Zérodosage süsslicher, reifer und eine geringe Spur vollmundiger schmeckte, als der Extra Brut von Moncuit. Wenn man das weiß und im Probenzusammenhang berücksichtigt, kann man beiden Champagnern besser gerecht werden. Der Moncuit war ein lehrbuchhafter Chardonnay mit geringer Dosage, der Tarlant ein Vorzeigevertreter für eine konsequent zu Ende geführte, pointierte Cuvée.

II.1 Jean Baillette-Prudhomme, Vieille Cuvée

Trois Puits Premier Cru, 80 PN, 10CH, 10PM, um die 50% Reservewein.

Das Dreimädelhaus von Marie-France und ihren bezaubernden Töchtern Laureen und Justine begann den zweiten flight mit diesem trotz des ungewöhnlich hohen Reserveweinanteils frischen, mit jugendlich-unbekümmerter Säure ausgestatteten Champagner, dessen wesentliche Aromenmerkmale ebenfalls aus der Kinderzeit stammen. Schaumzuckererdbeeren und Katjes-Joghurtdrops, mit mehr Luft allerdings sehr schnell ernster werdend und von anisigen, kräuterigen und rosinierten Aromen stärker geerdet. Vielleicht kein Champagner für die Ewigkeit, dennoch ein Trinkvergnügen, solo und in Begleitung.

II.2 Voirin-Jumel, Cuvée 555

Cramant Grand Cru. 2006er Basis mit Reservewein aus den vier Vorgängerjahren. Holzfassausbau in 15 verschiedenen, alten Burgunderfässchen.

Von Beginn an als Holzfasscuvée zu erkennen, ohne dass sich das Holz aufdrängt. Verräterisch dabei ist die leicht minzige, kühlend-balsamische Note, weniger eine für Stillweine typische Vanillearomatik oder Toast (der beim Champagner nämlich nicht zwingend vom Holzfass kommen muss). Gegenüber dem Mädchenchampagner mag er mit seiner zurückhaltenden Komplexität weniger launisch gewirkt haben.

Der Kern der Probe war ein Vergleich der für diese Zwecke wie gemachten und kommerziell sehr erfolgreichen Jahreszeitenserie von Pommery mit Winzerchampagnern der jeweils selben Gattung. Natürlich lässt sich eine Präferenz für Grande Marque oder Winzerchampagner nicht im Rahmen einer einzigen Probe herausschälen und mein didaktisches Konzept beschränkte sich auch nicht darauf. Mir ging es bei der Zusammenstellung dieser Probe darum, Einsteigern eine relativ sichere, stilistisch zuverlässige Bank in Form der Jahreszeitenchampagner anzubieten, von wo aus jeder für sich seine Geschmacksvergleiche mit den anderen Champagnern anstellen konnte und Gelegenheit haben sollte, die Champagner auf ihre Speisenverträglichkeit hin zu überprüfen.

III.1 Nominé-Renard, Brut Rosé

Villevenard. 50CH, 50PM. Stahltankausbau. Zwei Jahre Hefelager.

Der Roséflight wurde eröffnet vom zarten und im Wortsinne feinen Nominé-Renard Rosé. Klassisch war die Farbe, ein Rosé ohne rötlichkupferne Reflexe und ohne allzuviele Blautöne. Fein war vor allem das Aromengespinst, das wie an hauchdünnen Fäden hängend Molekülhaufen von Erdbeere und Himbeere aus dem Glas zog. Am Gaumen wirkte die feine Aromatik vor allem in Richtung auf ein vermehrtes Trinken hin, denn das schlückchenweise Aufblitzen der Aromen am Gaumen war nicht so sehr geeignet dort tiefe Abdrücke zu hinterlassen. Zu den Meeresfrüchten nicht gerade ideal, solo deutlich besser.

III.2 Pommery, Springtime Rosé

Reims. 25CH, 60PN, 15PM, 30 Monate Hefelager.

Sehr anders war im Vergleich dazu der zwiebelschalenfarbene, oeuil-de-perdrixige Rosé. Farblich fast blass neben dem Winzerchampagner, verhalf ihm die deutlich höhere Dosage zu einer entsprechend stärkeren Wucht und Nachhaltigkeit, Rosinen, Feigen, Trockenfrüchte ließen sich gleich reihenweise ausmachen. Hier standen sich also wieder zwei Champagner derselben Gattung aber aus einander völlig entgegengesetzten Lagern gegenüber, was sich in der Verkostungsrunde am Tisch geschlechterübergreifend gespiegelt hat.

Rotwein: Bernard Tornay, Coteaux Champenois Rouge Mill. 2000

Diesem von Jens gespendeten Wein hätte man sein Alter nicht im geringsten abgeschmeckt. Zuerst noch voll flüchtiger Säure und einer von Nagellackentferner verhunzten Nase, danach und bis zum Ende des tastings immer besser werdend. Freilich kein Schmeichler, auch kein besonders fruchtiger Wein, sondern viel Granit, ein Duft wie frischgemahlenes Korn, hin und wieder Cranberries, Sauerkirsche und Gojibeeren. So könnte roter Chablis schmecken.

IV.1 Pommery, Summertime Blanc de Blancs

10 Crus, drei Jahre Hefelager.

Der Blanc de Blancs von Pommery repräsentierte wieder einen bestimmten Typus von Chardonnay. Nicht großes Reifevermögen, meist ausgedrückt durch hyperarrogante Verschlossenheit in jungen Jahren, ist für diese Art von Champagner prägend, sondern eine freundliche, sonnige, vielleicht nicht dauerkaugummikauende, aber mit weissen Zahnreihen einladend grinsende Einstellung. Dieser Champagner ist somit wie der Texaner unter den Champagnern, ein gutgelaunter Redneck. Bei der Auswahl seiner Grundweine wird dementsprechend nicht eine überintellektualisierende, alles steuernde Säure wichtig gewesen sein, sondern ein belebendes, fruchtiges Element, wie es die Chardonnays aus dem Norden der Côte des Blancs, der Grande Vallée de la Marne und aus der Montagne de Reims zu bieten haben. Wenn das wirklich so ist, dann hat Pommerys Kellermeister Thierry Gasco seinen Job hervorragend erledigt.

IV.2 Thierry Bourmault, Sylver Class Blanc de Blancs Premier Cru

Cuis Premier Cru.

Im Vergleich mit dem breitgrinsenden Pommery ist der Winzerchampagner Ivy-League. Statt zum american football neigt dieser Kollege in seinem Innersten allerdings eher zum Rugby. Ein stürmisches Naturell kann man ihm nämlich ebenfalls nicht absprechen. Auch meint man bei der Sylver Class nicht etwa, seine Umwelt nur noch durch die Nickelbrille eines fleißigen Bibliothekgängers wahrzunehmen. Aber unmittelbar nach dem Pommery wirkt bei diesem Champagner alles etwas schärfer, spitzer, pointierter, kompromissloser. Das dürfte daher kommen, dass der Bourmault eben nicht auf eine Reihe unterschiedlichster Crus zurückgreifen kann, sondern nur auf die knapp 3 ha, die ihm in Cuis zur Verfügung stehen. Deren typischen Charakter bringt er ungefiltert in die Flasche. Mehr wollte ich mit dem flight übrigens gar nicht zeigen.

V.1 Francoise Bedel, Entre Ciel et Terre

Crouttes-sur-Marne. Biodynamisch.

Sahnig, mit Toffee, warmem Edelholz, Haselnuss und knusprigem Keks schwebte die große Dame der Biodynamie aus dem Glas. Bei der Probenzusammenstellung schwankte ich erst, ob ich den dosierten oder den undosierten Champagner von Bedel nehmen soll. Wie bei vielen guten Winzern – so z.B. bei Francis Boulard, der mir seinerzeit Madame Bedel aus Crouttes-sur-Marne und Madame Ledru aus Ambonnay empfohlen hatte, aber auch bei Benoit Tarlant oder Aurelien Laherte – kann man bei Frau Bedel beides bekommen. Ich finde die undosierte Version solo besser, im Vergleich mit dem Wintertime von Pommery wäre er mir aber zu hart vorgekommen. Deshalb gab es die dosierte Version und diese Entscheidung hat sich meiner Meinung nach als richtig herausgestellt.

V.2 Pommery, Wintertime Blanc de Noirs

75PN, 25PM u.a. aus den Grand Crus Aÿ, Bouzy, Mailly und Sillery. (90/100 Juhlin)

Der von Juhlin großzügig bepunktete Wintertime hatte enorme Startschwierigkeiten. Reduktiv, angebrannt, langsam, behäbig und ziemlich reizarm dauerte es eine Weile, bis der Champagner sich aus allen seinen wärmenden, aber nicht kleidsamen Schalen gepellt hatte. Nach einem kompletten Luftaustausch im Raum zeigte sich dann endlich eine Ahnung von Größe, jedoch nur von Ferne und von Zuckerkristallen etwas kitschig überdeckt. Beide Champagner würde ich gern noch einmal mit drei bis fünf Jahren Flaschenreife trinken, so war der Pommery leider etwas zu unbeholfen und selbst eiliges dekantieren hätte nicht mehr viel gerettet.

VI.1 Bernard Tornay, Grand Cru 2002

Bouzy Grand Cru. Spezialist für lange Reifung.

Tornay, der an diesem Abend der Madame Bedel aromatisch sehr nahestand, eröffnete den sechsten flight. Wieder eine behende, leichte Haselnussigkeit, die man in der Musik einem Chopin zuordnen würde, er hätte wahrscheinlich ein Polonaise in Moll dazu komponiert. Lange, eher wehmütig als schrill oder juchzend tirilierende Kaskaden, eine im Volksfrohsinn wurzelnde Lust an der Ornamentik und eine bei Tornay immer wieder zum Vorschein kommende Grundthematik, das Haselnussthema, machen diesen Champagner für mich zu einem Vertreter der Winzerfraktion mit besonders hohem Gespür für die Vermählung von Terroir und Stil des Hauses.

VI.2 Pommery, Grand Cru Mill. 2000

Trauben aus sieben Grand Crus. (86/100 Juhlin, 96/100 Wine Spectator)

Die Jahrgangs-Grand Crus von Pommery, egal ob von Fürst Polignac oder Thierry Gasco kreiert, sind moderne Klassiker und würde man sie Komponisten zuordnen, wären wir wahrscheinlich am ehesten bei Prokofjew. Zuerst wie der Wintertime, schlafmützig, langsam, schwierig, unbelebt, ja abweisend. Erst mit viel Luft wandelt sich die geradezu feindliche Aromatik in eine milde Melancholie um und wird immer schalkhafter, bis zum Schluss ein richtiger kleiner Tanzbär im Glas steppt. Für Juhlin ist das scheinbar nichts gewesen, daher die vergleichsweise harten 86 Punkte, dass der Wine Spectator enthusiastische 96 Punkte gibt, kann man erst verstehen, wenn man den Champagner in seiner Schlussphase erlebt hat. Ich würde zu diesem Zeitpunkt noch lange keine 96 Punkte geben, halte den Champagner aber für sehr entwicklungsfähig und deutlich über den sonst schwachen Jahrgang hinausweisend.

VII. Veuve Cliquot-Ponsardin, La Grande Dame 1995

Reims. 2/3 PN aus Verzenay, Verzy und Ambonnay und Aÿ 1/3 Chardonnay aus Avize, Oger und Le-Mesnil-sur-Oger.

Leider hatten wir bei diesem an sich wundervollen Champagner einen leichten TCA-Beigeschmack, der sich parallel zur Entwicklung der Witwenaromatik aufbaute. Mal schien er verschwinden zu wollen, mal schien er sich in Richtung einer herben Nussigkeit oder in ein Kastanienhonigaroma umwandeln zu wollen, wie man es vom Urlaub auf Korsika kennt. Aber immer funkte er störend dazwischen und ließ den filigranen wie den strukturgebenden Elementen dieses reifen Champagners keine Möglichkeit, sich endgültig und harmonisch zu verbinden.