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Category Archives: Champagner

Hier dreht sich alles um Champagner.

Les Artisans du Champagne 2014

Den traditionellen Abschluss der Grands Jours in der Champagne hat bisher immer die Veranstaltung der Artisans du Champagne gebildet, traditionell verortet in der Reimser Gegend und nicht im Marnetal. Die Winzer dieser Truppe haben wieder ihren ganz eigenen Stil, mit Alfred Gratien und Vilmart sind ausnahmsweise sogar größere Häuser dabei, die aber ähnlich wie vielleicht Jacquesson oder Bollinger wegen ihres individuelleren Ansatzes eine gewisse Zugehörigkeit zu den Winzern empfinden. Oft hört man, dass solche Erzeuger von den Winzern als große Häuser und von den großen Häusern noch als kleine Winzerbetriebe betrachtet werden, sie sitzen also irgendwo zwischen den Stühlen. Diese Sparte füllt sich in den letzten Jahren zusehends, Selosse und de Sousa haben schon länger, Cyril Janisson, Rafael Bérèche und andere führende Winzer haben erst kürzlich NM-Zulassungen beantragt und erhalten. Damit können sie innerhalb kürzester Zeit Traubenzukäufe tätigen und damit ein interessantes Volumengeschäft betreiben. Gratien und Vilmart sind also nichts Fremdkörper, sondern haben eher eine Vorreiterstellung inne, ich zähle sie auch nicht zu den schlechteren Erzeugern der Gruppe, ganz im Gegenteil.    

Seit Veranstaltungsort der Artisans das Château des Crayères ist, finden sich dort vor allem Besucher mit gehobenem Kleidungsgeschmack ein, der Örtlichkeit angepasst ist hier die Anzugträgerdichte am höchsten. In meinen üblicherweis signalbunten Polos falle ich dort zumindest optisch am meisten auf.

Einzeln vorgestellt habe ich die Artisans-Winzer hier in toto vor zwei Jahren, daher kann ich mich mittlerweile etwas kürzer fassen.

 

Champagne Domaine Dehours & Fils, Jérôme Dehours

Unter den Vins Clairs fiel der Lieu-dit Les Genevraux Extra Brut 2005, 100PM, BSA, positiv wegen seiner Champagnernähe auf, wobei ein feines Tafeltraubenaroma sehr bekömmlich wirkte. Die Vallée de la Marne Rive Gauche fungiert als Basis für den Grande Réserve und den Rosé; sie gab es einmal in der normalen Stahltankversion aus 100PM mit BSA und einmal als 1998 begonnene Solera aus überwiegend PM, die hervorragend schmeckte und viel erwarten lässt.  

Die Grande Réserve Brut auf 2011er Basis mit einem kleinen Teil der Reserve aus Fassausbau macht 50% der Gesamtproduktion aus und ist also das Rückgrat des Betriebs. Leider begeistert mich dieser Champagner mal mehr, mal weniger, diesmal bekam er mit viel Nuss und Brot gerade noch die Kurve, ich hätte mir mehr Früchte und mehr Finesse gewünscht. Der Rosé mit dem Namen "Rose" ist ein Oeuil de Perdrix aus 2008, er besteht aus PM und CH, BSA ist gemacht, die Dosage beträgt 3 g/l. Der Rosé heißt nach der Tochter von Jérôme und trägt deshalb keinen Akzent. Vom Charakter her weiß eingestellt, schnittig, mit wenig Meunierfrucht und frechem Biss. Webig überraschend war der Genevraux 2006 spitze. Für einen Meunier hat er so viel Stärke, so viel Selbstbewusstsein und Power, ohne an einer Stelle zu dick aufzutragen.   

 

Champagne Doyard, Yannick Doyard

Gleich beide Vins Clairs fand ich exquisit. Der CH Clos de l'Abbaye aus Vertus profitierte davon, dass er keinen BSA durchlaufen hat. Schnittig, rassig, kraftvoll, kontrolliert, locker auf Grand Cru Niveau. Spiegelbildlich dazu war der Les Bonottes PN aus Ay wunderbar exakt, mit passgenauem Holz.

Die Cuvée Vendémiaire gab es als Brut und als Blanc de Blancs 2007. Das ist etwas irreführend, denn der Brut (2008 mit Reserven aus 2007 und 2006) ist selbst auch ein Blanc de Blancs, bloss dass die Chardonnays aus Vertus kommen und nicht wie beim Millésime aus Le Mesnil, Oger, Avize und Cramant. Dosiert sind beide mit 5 g/l, der Brut hat 40% Stahltank und 20% BSA, der Blanc de Blancs war komplett im alten Fassl und blieb ohne BSA. Richtiger wäre wohl, die beiden nach Premier und Grand Cru zu unterscheiden, sagt der Hausverstand. Aber so ist es eben nicht. Der Brut kommt viel süßer daher ist ordentlich und saftig, auch von gehöriger Kraft, aber von ganz anderem Kaliber als der Millésime. Das ist einer der richtig starken Chardonnays und ein Paradebeispiel für den gekonnten Einsatz von altem Holz. Sollte man getrunken haben, wenn man über die Côte des blancs urteilen will, mir gefiel er aus der Aufstellung von Doyard jedenfalls am besten. Nicht so gelungen wirkte leider der erst im Dezember 2013 degorgierte Clos de l'Abbaye 2009, dessen 4 g/l deutlich vorschmeckten und sich recht ordinär über den eleganten Spitzen des Champagners wälzten, so dass es fast nicht möglich war, den wiederum sehr gelungenen Holzeinsatz zu bewundern. Zum Schluss kam ein Hedonistenchampagner der Extraklasse, die Cuvée La Libertine, ein 1998er Chardonnay aus Vertus, zu 100% im Fass vinifiziert, mit 65 g/l dosiert. Was ein Nektar. Reif, mit Morcheln und Honig, ein Champagner zum schlemmen.    

 

Champagne Gonet-Medeville, Xavier Gonet

Von Xavier Gonet gab es zwei reinsortige Vins Clairs, von denen mich der Chardonnay aus Le Mesnil, Champ d'Alouette, nicht umwarf. Umso mehr war ich aber vom Pinot aus Ambonnay angetan. Der hatte wieder alles, was ein machtvoller Pinot haben soll. Druck, Säure und ein Geschmacklager wie ein mittleres Logistikzentrum von amazon.

Tradition Premier Cru, wie eh und je 70CH 25PN 5 PM, kein BSA, mit 6 g/l dosiert; seltsam, vielleicht noch nicht ganz integriert war der sonst doch so gute Brut Tradition. Widersprüchlich schienen mir hier die deutlich fortgeschrittene Reife und die unbalancierte Süße. Der Rosé Extra Brut mit 70CH 30PN aus Le Mesnil Bisseuil und Ambonnay hatte nur 3 g/l Dosage und war in altem Barrique vinifiziert worden. Den hohen Chardonnayanteil merkte man sofort, dann kamen Nuss, Kokosschäumchen, nervöse Frische und gesetzter Pinotcharakter, was einen guten Rosé ergab. Der folgende Blanc de Noirs Premier Cru hatte früher immer 30% altes Holz in der Vinifikation, wie viel es jetzt ist, weiss ich nicht, aber er ist mit 6 g/l dosiert. Im Gegensatz zum Rosé hat er mehr innere Ruhe, ohne dass er etwa langweilig wirken würde, die höhere Dosage ist aber wahrnehmbar. Weil mir das schon einige Male aufgefallen ist, wäre der nächste Schritt am besten eine ganz kleine Reduzierung auf 5 oder 4 g/l.

 

Champagne Alfred Gratien, Nicolas Jaeger

Ein Grundwein, ein Knaller. Der Chardonnay Grand Cru Mix aus Oiry und Avize aus dem Holz ohne BSA war riesig, Frucht aus dem Norden traf Frucht aus dem Süden, begleitet von Kreide, Würze und fiebrigem Alkohol.

Bei den Champagnern machte der 2007er Blanc de Blancs (Avize, Mesnil, Chouilly, Oger, Cramant) den Anfang, mit 8 g/l dosiert schien er mir etwas sehr gefällig, der Brut Classique 46CH 25PN 29 PM auf 2008er Basis hatte da mehr Sympathien für sich, trotz seiner ebenfalls 8 g/l Dosage. Mag sein, dass die Jahrgangsbasis einfach eine bessere ist und die 15% Reserve aus zB auch 2007 nicht so sehr ins Gewicht fallen, vielleicht ist aber auch der ausgewogene Rebsortenmix ein maßgeblicher Vorteil. Der laufend unterschätzte Paradis Brut aus dem Jahr 2006 aus 65CH 35PN wurde im Holz vinifiziert und hat keinen BSA abbekommen. Daher wirkt er auf hohem Niveau gespannt, die merkliche Dosage könnte aber ruhig etwas besser eingegliedert sein oder gleich ganz um ein zwei Gramm runtergesetzt werden, wie ich dieses Jahr erstmals festgestellt habe. Mein unerwarteter Liebling war der schließende Brut Classique Rosé, ein Assemblagerosé aus 45CH 29PN 26PM und 10% Rotweinzugabe, aus Bouzy natürlich. Ernst- und schmackhaft, Birne, Preiselbeere, eingekochte Aromen, die aber nicht hitzig oder unfrisch wirken.   

Champagne M. Hebrart, Jean-Paul Hébrart

Die beiden Vins Clairs aus Chouilly Montaigu Grand Cru (CH) und Mareuil sur Ay (60PN 40CH) waren sehr exemplarisch und vorbildlich herausgearbeitet. Der Chardonnay aus Chouilly hatte die angenehme Gänseflaumtextur, die ich dort für besonders typisch halte. Der Mix ist Grundlage für den 2013er Special Club, von dem ich annehme, dass er enormen Druck erzeugen wird, wenn schon der Vin Clair so loslegt. Hat mir sehr viel Spass gemacht.

Die Champagner begannen mit der Cuvée Sélection auf 2009er Basis (70%), der Rest stammt aus 2008 und 2007, 65PN aus Mareuil-sur-Ay und Ay 35CH aus Oiry, im letzten Jahr kam der Chardonnay noch aus Chouilly und beim Pinot spielte Ay keine Rolle. Vinifikation im Stahltank, BSA, die Dosage liegt bei 7 g/l. Das ist in jedem Jahr unter den höher dosierten Standards einer meiner Lieblinge. Den Durchbruch nach ganz oben hat er irgendwie noch nicht geschafft, was am verhaltenen, gebremsten Naturell liegen mag. Doch das Zeug dazu hat er. Der Special Club 2009, 60PN aus Mareuil-sur-Ay, Ay 40CH aus Chouilly, wurde im Stahltank vergoren, BSA absolviert und hat 6 g/l Dosage bekommen. Mir gefiel er schon sehr gut. Pricklig, unruhig, positiv aufgekratzt, mit einer freundlichen Limonadennote und nach ein paar Jahren sicher sehr schöner Herbe. Noch besser war nur noch der Rive Gauche – Rive Droite Grand Cru 2008, was das bessere Jahr war. Hier finden Ay und Chouilly in gleichen Teilen zusammen, die Vinifikation erfolgt im Holzfass und dosiert wird mit 4 g/l. Das ergibt einen fedenrd leichten Champagner, der so mühelos über den Gaumen hoppelt wie ein gutgelaunter Jungkater, wenn es Futterchen gibt. Exotik spielt eine Rolle, getrockenete Kokosflocken, getrocknete Ananas, die Essenz eines ganzen Cocktails im Kleid eines Champagners, paradiesisch.

 

Champagne Domaine Lancelot-Pienne, Gilles Lancelot

In Cramant, das vor allem von Namen wie Diebolt-Vallois und Lilbert dominiert wird, tutu sich was. Eine ganze Reihe neuer Namen macht dort von sich reden und aus der Lancelot-Familie ist Gilles mit von der Partie. Seine Weine scheinen mir nur etwas zu weich, süsslich und unfokussiert, um am ganz großen rad mitzudrehen. 

Die Cuvée de la Table Ronde Grand Cru mit 100CH aus Cramant, Avize und Chouilly, in deren reserve fast zwanzig Jahrgänge Solerareserve verarbeitet sind, gibt es als brut Nature und als Brut mit 8 g/l Dosage. Der Brut gefällt mir besser. Nuss, kandierte Orange, Apfel und Brioche kommen dort besser zur Geltung, während der Brut Nature etwas schlaff in den Seilen hängt, weil ihm die alten Soleraanteile scheinbar innerlich zu schaffen machen. Die Cuvée Marie Lancelot Grand Cru 2009 ist ein reiner Chardonnay aus Cramant, im Stahl mit BSA vinifiziert, 4 g/l Dosage. Ganz schön kräftig, wie ein zartes Weibchen mit dem prankigen Händedruck eines Bauarbeiters. Im Mund ziemlich herb, ging der mehr so, als dass er wirklich rannte. Anegnehmer, freundlicher und stimmiger schien mir die Cuvée Perceval 2009 zu sein. 50PN 50CH aus der Vallée de la Marne, genauer: Boursault, wo die Veuve ihr Schloss hat(te) und der Côte des Blancs, Stahltanks, BSA, 7 g/l. Schön süffig, mit einer nicht mehr ganz zeitgemäß wirkenden Noblesse.

 

Champagne Nicolas Maillart, Nicolas Maillart

Ecueil, Stadt, bzw. Dorf, bzw. Weiler der Helden. Nicolas Maillart, der in Deutschland seltsamerweise noch keinen Importeuer hat, bestach mich erstmals in der Traube Tonbach und seither immer wieder. Die Vins Clairs, PN je einmal aus Bouzy und einmal aus Ecueil, waren so dynamisch, wie ich Pinot Noir nur selten erlebt habe. Das ist ein Merkmal, das man in den Champagnern wiederfinden kann, wenn nicht die Dosage einen Stricj durch die Rechnung macht. 

Die Cuvée Platine Premier Cru, 80PN 20CH aus Ecueil, Bouzy, Vilers-Allerand, Fassvinifikation, habe ich in zwei Versionen probieren können. Der mit 4 g/l dosierte Extra Brut war schwebend und leicht, wirkte aber von der von der Süße gegen Ende doch etwas herabgezogen und plattgedrückt, wie eine gestylte Frisur nach dem Nickerchen. Danach konnte ich ein Spätdegorgement probieren, die 2006er Cuvée, mit 8 g/l Dosage, was entschieden zu viel war. Blanchierte Mandel, Fenchel, Apfel, Sellerie, Walnuss, kurzum, ein Waldorf-Salat zum trinken. Überschminkt war leider auch der Rosé aus 70PN 30CH, fassvinifiziert, mit 8 g/l, nach dem spätdegorgierten Platine konnte er sich mit wenig Mühe noch durchsetzen, was immerhin für die Sinnhaftigkeit der Probenabfolge spricht. Viel mehr habe ich dem Rosé leider nicht abgewinnen können. Völlig anders und genau so, wie ich mir alle Champagner von Maillart wünsche war dann wieder der schon in den Vorjahren auffällige Blanc de Blancs Premier Cru Chaillots Gillis 2004, aus einer Lage in Ecueil, die Grand Cru Status beanspruchen kann. Großer burgundischer Charakter, der ohne BSA und bei 3 g/l Dosage auch frei zur Geltung kommen kann. Reif, fein, stark, lang. Ein anderer, schon länger etablierter Klassiker von Maillart schloss die Reihe ab: Francs de Pied Blanc de Noirs Premier Cru 2005, das optimale Gegenstück zum Chardonnay, zeigte sich jetzt erstmals ansatzlos trinkbar und machte keinerlei Zicken, so dass ihm der Umweg über die Karaffe erspart werden kann. 

 

Champagne Pierre Paillard, Antoine Paillard

Wenn man an Bouzy denkt, denkt man oft an nichts Gutes. Zu plakativ gehen viele Erzeuger mit dem typischen Haselnussaroma der Trauben dieses Grand Cru um, als müsste man sonst nichts hinkriegen, außer eben dieses Haselnussaroma. Dass das schnell langweilt und den Champagner unnötig eingrenzt, müssen einige Winzer erstmal verstehen. Antoine Paillard hat's verstanden. Seine Vins Clairs sind zauberhaft. Die Lage Les Maillerettes ist mit alten Pinot-Reben bepflanzt. Der stahltankvergorene Wein ist reichhaltig, strotzt vor Löwenzahn, Kräutern bis hin zum Beifuss, hat eine schmelzige, lockende Süße und kann so wie er ist getrunken werden. Ähnlich ist es beim Les Motelettes, einem Chardonnay mit 11,2° Alkohol, also 0,1 über dem Maillerettes. Mächtig, selbstbewusst, mit zurückhaltenderer Säure, Malz, Kräuterzuckerl und Sauerkirsche.

Bouzy Grand Cru 60PN 40CH, im Stahltank vergoren, mit 5 g/l dosiert, ist immer eine sichere Bank und gegenüber letztem Mal gleich 2 Gramm in der Dosage gesunken, wobei ich noch weiteres Einsparpotential sehe. Nuss, Kirsche, Apfel, Brotrinde, ein bisschen Eukalyptus meine ich auch wahrgenommen zu haben. Gewaltig war der Blanc de Noirs Les Maillerettes 2009, mit 3 g/l. Orangenfilets in Joghurtsauce, herbe Schokoladensplitter und kandierter Ingwer. Toll und um Längen besser als die Vorgängerversion mit ihren dicklichen 8 g/l. Der Blanc de Blancs Les Motelettes 2009 hat für meinen Geschmack zu viel BSA abbekommen und wirkte laktisch, war damit aber noch nicht an der Schmerzgrenze angekommen, im Mund zeigte er sich forsch, schlank und sehr konzentriert bei der Arbeit, jedoch deutlich schwächer als der Pinot. Für einen Bouzy-Chardonnay völlig okay. Bouzy Grand Cru Millésime 2004, 50PN 50CH, mit 3 g/l dosiert, en Magnum serviert. Vom Vintage aus dem Hause Pierre Paillard war ich schon lange ein guter Freund, durch die gesunkene Dosage fällt es mir noch leichter bei der Stange zu bleiben. Der 2004er schmeckt wie ein idealer Kompromiss aus Maillerettes und Mottelettes.

 

Champagne Daniel Savart, Frédéric Savart

Eine der großen Erfolgsgeschichten der letzten fünf Jahre und die Geschichte eines weinfanatischen Champagnerwinzers. Die Vins Clairs aus Villers aux Noeuds und Ecueil sind deftig, fordernd und sehr stark, ganz wie die Champagner.

Die Cuvé Ouverture, seit zwei Jahren so etwas wie mein Lieblings- und Hauschampagner, war wie eine herzliche Begrüßung im eigenen Haus, so vertraut, gut, erholt und bester Laune wie nach der Rückkehr aus einem erlebnisreichen Urlaub. Die Cuvée L'Accomplie auf 2010er Basis legt immer etwas mehr an Komplexität drauf, durch den leichten Holzeinsatz und die um ein Gramm niedrigere Dosage von 5 g/l. Für mich ist das, um es in Masse zu trinken, schon einen Hauch zu viel, weshalb ich meist lieber beim perfekt ausgewogenen Ouverture bleibe. Der Bulle de Rosé aus 80PN 12CH und 8% Rotwein aus Ecueil, Stahltankvinifikation, mit 6 g/l dosiert, ist fein und schlank, nach den brachialen Einsteigern wirkt sie zerbrechlich und mit ihrer milden Frucht fast ein wenig schüchtern. Die Krönung der Range ist im Moment die Cuvée Expression, von der es nur den Inhalt zweier Fässchen gibt. Pinot Noir, der so abgründig ist, wie schwarze Magie. 

 

Champagne Vilmart & Cie., Laurent Champs

Die Vins Clairs von Vilmart zu probieren, lässt einen innehalten. Diesmal gab es den Les Blanches Voies aus Rilly la Montagne in doppelter Ausführung. Der reine Chardonnay geht in den Grand Cellier d'Or 2013, der Mix aus 80CH 20PN landet in der Coeur de Cuvée 2013. Wahnsinnig nobel sind beide, aber auch so, als wollten sie gerade nicht gestört werden.

Die Champagner mussten sich dann aber die Störung gefallen lassen und machten das sogar ganz gerne. Der Grand Cellier, 70PN 30CH, auf Basis 2011 mit 2010 und 2009, verbrachte 10 Monate im Fuder und hat keinen BSA. Seine 9 g/l sind so gut versteckelt wie bei nur ganz ganz wenigen Champagnern. In diesem Segment so ziemlich das beste, was man frei kaufen kann und in rauhen Mengen tun sollte. Ein in allen Bereichen üppiger ausstaffierter Champagner ist der Grand Cellier d'Or 2009, dessen technische Daten dem Grand Cellier natürlich stark ähneln, nur dass es hier 80CH 20PN sind, bei einer Dosage von 8 g/l. Der Grand Cellier d'Or ist im Verhältnis zur Coeur de Cuvée das, was richtig guter Barbaresco im Verhältnis zum Barolo ist. Der agilere, flottere, früher trinkbare Wein, der sofort loslegt und Riesenspass macht. Das heisst nicht, dass die Coeur de Cuvée 2006, 80CH 20PN, von 50 Jahre alte Reben, mit 8 g/l dosiert, lahm wäre. Im Gegenteil, diese Coeur de Cuvée steckt, was ich bisher noch nie erlebt habe, den Grand Cellier d'Or einfach in die Tasche. So viel Raffinesse, so viele quirlige, konzertiert umherwuselnde Früchtchen, die sinnliche Holznote, die immer im rechten Moment, wenn die Früchtchen schon zu sehr zu toben drohen, besänftigend eingreift, das ist einfach bewundernswert. Die Cuvée Rubis kommt da nicht mit. 90PN 10CH mit 10 g/l dosiert, sind dann wirklich etwas zu langsam und mehr etwas für die Essensbegleitung bei Paul Bocuse, wo alles auf Sättigung ausgelegt ist.

 

Champagne Pierre Péters, Rodolphe Péters

Bei Rodolphe Péters Einlass zu erhalten, war einige Jahre lang gar nicht so leicht. Mehrmals stand ich vor verschlossener Tür, bzw. wurde abgewiesen, weil nix zum Verkaufen mehr da war oder weil die Bude voller amerikanischer oder japanischer Einkäufer war. Das hat sich etwas entspannt, der Ruf von Pierre Péters, der in USA wie Donnerhall klingt, in Deutschland aber eher der eines einsamen Rufers in der Wüste zu sein scheint, hat indes nicht etwa gelitten. Seine Vins Clairs sind nach wie vor Erlebnisse, ich glaube nur, dass die Traubenversorgung mitllerweile etwas einfacher für Pierre Péters geworden ist und die Lage sich deshalb entspannt hat. Ganz gleich, ich habe dieses Jahr drei einzelne Lagen probiert, die mich froh und glücklich stimmten. Der Le Mesnil Chardonnay Le Montjoly (daraus wird es ab dem 2012er Jhrgang einen neuen Einzellagenchampagner geben) war der weichste davon, der Chétillons war der präziseste, knackigste und der Mussettes war nochmal mächtiger, nussiger, dichter, dunkler, gewaltiger als der Chétillons. Mounmental ist eine gar nicht so fernliegende Qualifikation dafür. 

Die Champagner begannen mit dem Perle, auf 6,5 g/l dosiert. Weich und fruchtig, Candy mit Sahne, ein Einstieg in die Péters-Welt, der irreführend ist, denn die Perle ist eigentlich untypisch. Trotzdem schmeckt sie gut, weil der Candykram nicht dauerhaft vorschmeckt, sondern einen kräftigen Chardonnay verdeckt, der sich mit Luft aber schnell freikämpft. Der L'esprit 2009 ist ein Champagner, der das Messer zwischen den Zähnen hat und sich nicht erst freilämpfen muss. Alles ist hier konkret und greifbar, bei 4,5 g/l auch nur wenig Speck, kein Candy, dafür männliche Herbe und ein interessantes Duell der vier südlichen Grand Crus der Côte des Blancs. Das Finale bildet der bereits weithin bekannte Chétillon 2007, Le Mesnil Chardonnay, der zupackt. Gesunde Reife, die Orangen-Ingewerstäbchen, Himbeerpurée, Johannisbeere, rote Grütze und markige Aromen in die Welt entlässt, sämig, konzentriert und lang. Einer der Champagner, auf deren Reifepotential ich nichts verwetten möchte, weil sie schon jetzt so viel zu bieten haben, dass ich immer befürchte, dass sie bald augebrannt sind, bei denen aber die tollsten Entwicklungen möglich sind.

Säbeltanz: Pommery 1945 bis Krug 2003

An die vierzig Städte in Deutschland nennen sich Stetten, aber nur eine davon liegt im Donnersbergkreis und erlaubt Winzern den bequemen Zugriff auf gleich drei Anbaugebiete, Nahe, Rheinhessen und Pfalz. Stillweinfexe wissen, was das heisst; ich war bei Boudier & Koeller, der Trägerrakete des guten Geschmacks. Über die beiden Jungens, ihr geschichtsträchtiges Weingut und ihre Neuverpflichtungen in Keller und Küche wurde schon reichlich von besser dazu Berufenen geschrieben (CaptainCork, Drunkenmonday/Nico Medenbach, Vinositas/Joachim Kaiser); ich kann mich deshalb kurz fassen, allen Lorbeer als berechtigt bestätigen und mich selbst für die Entscheidung beglückwünschen, die Gastfreundschaft der Hausherren rechts und links der Hauptstraße in Stetten für eine Champagnerprobe in Anspruch genommen zu haben, auf der nicht nur tüchitg getrunken, sondern mit ebensoviel Fleiß gesäbelt wurde. 

Eingeleitet wurde mit einem Blanc de Noirs von Boudier & Koeller, der sicher manchem Champagnerkellermeistr noch Tränen der Rührung in die Augen treiben könnte; es folgte der geschichtsträchtige Müller-Thurgau Mathilde von Tuszien, sprich Toskana, in die man sich unter zig Feigenbaumarten und angesichts eines herrlichen Exemplars von Paradiesvogelbaum sowieso gefühlsmäßig versetzt fühlen konnte. Der M-T von Boudier & Koeller wäre zu schade für Cola weiß und das will was heißen, denn eigentlich gehören nach meinem Empfinden alle Müller zur Vollendung ihres irdischen Daseins in die Cola, wenn nicht gleich in den Ausguss. Der Müller von Boudier & Köller soll weder in das eine noch in das andere, sondern nur mit geschlossenen Augen getrunken werden, wer mag, mit einem der scheinbar immer gefragten Geschichtsschmöker auf dem Schoss. Die Cuvée Prestige von Serge Mathieu läutete den Übergang zur eigentlichen Champagnerzeitreise ein. Der Prestige erwies sich dabei als passendes Bindegleid zwischen dem unverschnörkelten Stil der Gastgeber und den ersten feinen Bläschen, die zum Essen serviert wurden und aus Gründen der Nahtlosigkeit zur Hälfte ihrerseits aus der Aube stammten. 

Tartar mit Beef Tea und Ingwer Gelee, dazu gab es
 Drappier Grande Sendrée 2006
und Cattier Clos du Moulin 2006

Die Champagner nahmen vertauschte Rollen ein, die Grande Sendrée kam als Aubeplayer und hätte daher die Rolle der robust geratenen Pinotcuvée mit weniger bedeutsamem Anteil Chardonnay innegehabt, während der Clos du Moulin Athletik, Konzentration und Sportlichkeit eines Premier Cru mit alten reben in der nördlichen Montagne de Reims hätte verkörpern sollen. Hätte. Denn in der Blindverkostung würden sicher weit über 90% die Champagner genau umgekehrt zuordnen, so mein Kalkül. Das ging auf und die beiden Champagner spalteten die Trinkerschaft sofort klar in zwei Lager. Crèmig, sahnig, weich, mit milchigem Toffee, das war der ruhevolle Clos du Moulin, den man mit etwas Konzentration vielleicht noch als Premier Cru hätte zurodnen können, aber die Aufgabe ist wahrhaftig nicht leicht. Vor allem das geschichtliche Erbe dieses 50PN 50CH Mix, der als ältester Clos der Champagne überhaupt gilt, macht die Zuordnung problematisch. Die Grande Sendrée wäre solo wahrscheinlich leichter zu erkennen gewesen, im Zusammenspiel mit dem Clos du Moulin brauchte es schon sehr viel Trinkerfahrung, am besten mit beiden Cuvées, um klare Unterscheidungen treffen zu können. Zum Beef Tea und zu den Ingwerwürfeln passten jedenfalls beide Champagner sehr gut und bei dieser Aromatik auf dem Teller habe ich dem Clos du Moulin sogar deutlich den Vorzug geben müssen.  

Seeteufel mit Zucchinispaghetti und Paprikasabayon, dazu
Taittinger Collection Vasarely 1978
Taittinger Collection Masson 1982

In erstklassiger Verfassung war Taittingers Vasarely 1978, die Plastikhülle hat also nicht nur einen künstlerischen, sondern auch einen für die Reifung förderlichen Mehrwert. Gut schonmal, das zu wissen. Richtig toll wird es dann beim Geschmack. Fizzy, drahtig und aufgekratzt war der 78er, formal ja eigentlich das unterlegen Jahr. Nur war hier so viel Kohlensäure und springlebendiges Leben drin, dass egal wer es danach schwerhaben musste. Dieser egalwer war die Collection 1982, die viel müder, langsamer, schwerer und oxidativer antrat. Meh Karamell, mehr Sherry, weniger Bläschen, warf der jüngere Flightpartner in die Waagschale und wurde deshalb von den meisten teilnehmern für zu leicht befunden. Mit dem Essen, das vor allem bei der Paprika fordernd war, schlug sich der behende und viel freier agierende Vasarely ebenfalls deutlich besser.

Als entr’acte hatte ich die Champagner von Benedicte Leroy vorgesehen. Grundidee und Analyse sollten es werden, das heißt: einmal den Rebsortenmix, um die Annäherung an Ruppert-Leroy zu ermöglichen und dann die einzelnen Rebsorten, kompromisslos bis zum Ende durchvinifiziert, um den Genotyp zu erkennen. Benedicte, die heute über vier Hektar gebietet, hat die Phase, in der wertvolles Rebland früher zum Schafeweiden verwendet, bzw. die Trauben an die Kooperative abgeliefert wurde, was zwar nicht aufs selbe rauskommt, aber zumindest eine Kontrolleinbuße bedeutet, 2009 radikal beendet. Seit sie sich selbst um die Trauben kümmert, hat sie einen irrsinnigen Aufstieg verzeichnet. Noch vor drei Jahren kannte, von den Nachbarn im malerischen Essoyes abgesehen, kein noch so champagnerinteressierter Mensch ihre Erzeugnisse, heute finden sie sich in den feinsten Kellern Europas und bald der ganzen Welt.  

Ruppert-Leroy Fosse-Grely Brut Nature

80PN 20CH

Nach der Tankgärung folgt eine Hefelagerzeit von 6 Monaten, in der Flasche gibt es zwei Jahre Hefekontakt. An dem Champagner ist kein Schmuck, kein Schnörkel und keine einzige unnötige Kleinigkeit, sondern alles ist Konzentration auf die unter Höchstdruck miteinander verschweißten Komponenten. Das lässt den Champagner wie ein nicht ganz fertig bearbeitetes Werkstück aussehen, dem jede Verfeinerung fehlt und so empfinde ich das auch. Man kann förmlich noch die Schweißnaht zwischen den beiden Rebsortenklötzen sehen, auch wenn man aromatisch keine Übergänge oder Unebenheiten wahrzunehmen vermag. Etwas ist doch da, das sich gegen die totale Vermählung wehrt und damit Spannung erzeugt.  

Ruppert-Leroy Martin Fontaine Blanc de Blancs Brut Nature 

Der Chardonnay macht klar, dass er kein Verschnittpartner sein will. Gegen jede Art von Vermählung würde er wütend protestieren. Das ist, in milderer Form, das was im Fosse Grely die Spannung ausmacht. Mit dem Martin Fontaine ginge das nicht, eine Cuvée würde dem Winzer wohl um die Ohren fliegen. Was der Chardonnay dagegen sehr gerne mag, sind reduktive, salzige und jodige Noten, ein Austernfrühstück mit bergeweise Zitronen wäre für ihn nicht nur kein Problem, sondern er hinterlässt auch dasselbe Gefühl im Mund.

Ruppert-Leroy Les Cognaux Blanc de Noirs Brut Nature

Nicht ganz so kämpferisch und wütend ist der Pinot Noir. Aber ein Hauch von sibirischem Bärenjäger wohnt auch ihm inne. Grimmig, dicht verpackt, dabei von praxiserprobter Funktionalität und ohne sinnlosen Ballast, wärmend wie ein gemütliches Feuerchen, aber nicht verbrennend, wie wenn man zu nah ans feuer drankommt; an Kälte und Einsamkeit gewöhnt, aber mit einem Auge für das Schöne, für Blumenwiese, vereinzelt wachsende Beerenfrüchte und das gegen Herbs ansetzende Fett wildlebender Tiere.  

Die Pause füllte ein kleines  Apfel-Kirsch Sorbet, denn der Gaumen sollte präpariert und geklärt sein, für Großes.

Krug 2003

gehört fraglos zum besten, was das Jahr herzugeben hatte. So unbelastet, schlank und rassig hätte ich mir noch Anfang des Jahres Krug 2003 nicht vorzustellen gewagt. Doch wurde ich eines bessern belehrt und konnte den Teilnehmern meiner kleinen Verkostung avec fierté et dignité den neuen Krug vorstellen. In Champagnerkreisen hat sich rumgesprochen, dass 2003 ein Jahr ist, das man guten Gewissens überspringen kann und speziell beim Chardonnay kann man das wahrscheinlich gut verallgemeinern. Für Krug 2003 heißt das, dass die Cuvée völlig anders gebaut werden musste, als die beiden Vorgänger 2000 und 1998, in denen Chardonnay eine tragende Rolle spielte. 2003 gabs nur winzige Mengen ausgereifter und brauchbarer Chardonnays, im diesjährigen Krug hat es für schmale 25% gereicht. Der Rest ist Pinot Meunier (25%) und Pinot Noir. Heftige Ansage also. Und heftiger Stoff, dem man die Problematik hinter seiner Entstehungsgeschichte gar nicht glauben will. Der 2003er Krug ist ein geschmacklicher Ritt auf der Kanonenkugel, bei dem das Jahr nicht einen Moment lang verleugnet wird und die Aromen dennoch so frisch sind, dass ich mich beim Trinken immer wieder gefragt habe, ob ich wirklich den richtigen Jahrgang gegriffen oder nicht am Ende durch einen irren Zufall sogar schon den 2004er im Glas habe. Hinkommen könnte es ja, so schlank und elegant wie der 2003er wirkt, mit wenig Nuss und Apfel, für Krugverhältnisse, dafür mehr Zitrus, Ingwer und frischem Wacholder. Warum der in England schon nach wenigen Stunden ausverkauft war, erschließt sich mir deshalb trotz aller Vorbehalte gegenüber dem Jahrgang. Der passte natürlich ohne dass das besonderer Erwähnung bedurft hätte gut zum folgenden Gang      

Rinderfilet Spargelgemüse und kleine gebratene Zitronenkartoffeln, dazu passten aber auch:


Pommery 1945, der sich spitzenmäßig gehalten hatte, viel Sherry, eine Anung von Restprickeln, viel Milchschokolade und etwas Kaffee ins Spiel brachte. Für mich zusammen mit Vasarely 1978 und Krug 2003 einer der drei Champagner des Abends. 

Perrier-Jouet Belle Epoque 1979 wollte erst nicht ganz so schön aufgehen und zierte sich gehörig, obwohl ich weiß, was für ein braves Mädchen das eigentlich sein kann. War sie dann auch, aber nicht ohne den Wermutstropfen einer rumpeligen Eröffnungsphase.


Pommery Louise 1988 wollte es der Belle Epoque eigentlich nicht gleichtun, war aber von der selbstbewussten Zickigkeit der älteren Cousine immerhin beeindruckt genug, um mich beim ersten Reinriechen erstmal an Kork denken zu lassen. Der Eindruck schwand zum Glück schnell und entpuppte sich als eine eher dem Jahrgang zuzuschreibende säuerliche Erdigkeit mit Krustentiercharakter, Land und Meer in ganz eigener Interpretation also.

Das Dessert lässt sich immer nur schwer mit Champagner begleiten, deshalb gab es zu

Creme brûlée mit Minze und Erdbeersalat einen

Champagne Charlot Côteaux Champenois Rouge 2005 und danach erst den bekanntermaßen guten Gosset Celebris 2002. Den Charlot Rotwein habe ich vor Ort probiert und war ganz überwältigt davon, wie ein 2005 von der Omi, die damals noch das Sagen hatte, im Tank vergessener Pinot Meunier (!) als Stillwein performen kann. Vor allem zur Crème brûlée eine zwar nicht naheliegende, aber sehr eingängige Kombination. Der Celebris putzte zum Schluss alles aus, was den Gaumen noch nicht verlassen hatte und schärfte mit seiner gefühlvoll tonangebenden Art die langsam wegnickernden Sinne für die weiteren noch anstehenden Sabragen.

Im freien Ausklang gab es von Champagne Tristan H. die viel zu früh aus dem Reifeschlaf gerissene Cuvée "Iseult", deren eigenwillige aber freundliche Art auch nach ausgiebigem Mahl noch zu gefallen wusste. Von Marie-Courtin habe ich danach die Eloquence geöffnet, um die nun schon teilweise zum mittlerweile laufenden Fussballspiel spitzenden Kämpen bei der Stange zu halten;mit Boizel, Tarlant Brut Zéro, Drappier Blanc de Blancs Signature, Molitors Wehlener Sonnenuhr Kabinett, dem Stettener Riesling von Boudier & Koeller, und ganz zum Schluss einem kräftigen Château Rieussec 1990 nahm der Abend dann ein schönes Ende, ungeachtet des Fussballresultats.

Terres et Vins de Champagne 2014

Die Mutter aller Treffen, das Woodstock des Champagners, der jährliche Kulminationspunkt regionalen Könnens, das alles ist die Schau der Champagnerwinzer von Terres et Vins de Champagne nicht. Ein Fest der convivialité, ein unkompetitives Familientreffen oder ein Fenster in die Ideenwerkstatt einiger führender Winzer schon eher. 

Ein liebevoll gestaltetes Rahmenprogramm ermöglicht es einer kleinen Gruppe von Freunden dieser Veranstaltung, noch tieferen Einblick zu erhalten, als das ohnehin schon möglich ist. Dieses Jahr gab es am Vorabend alte Jahrgänge der Winzer zu probieren, bis zurück in die Sechziger (der älteste war von Gastgeber Goutorbe und schmeckte nach der bis heute vorhandenen hohen Dosage, aber gleichzeitig so sanft, karamellig, reif und gut, dass ich das gern verzeihe und die gerade wegen ihrer im Umfeld der Terres et Vins für mich immer viel zu hoch erscheinende Dosage jetzt mit anderen Augen zu sehen geneigt bin), und da war manches gut erhaltene Schatzekind dabei. Für mich war das mehr als lehrreich, wobei ich gleich relativieren will: das sind überwiegend Champagner gewesen, die man nicht kaufen kann und die für die meisten Konsumenten keine große Rolle spielen werden. Der Lehr- und Mehrwert dieser Veranstaltung, abgesehen davon, dass man sich als Teilnehmer bestens unterhalten und charmant gebauchpinselt fühlen kann, liegt darin, dass Entwicklungslinien der Erzeuger deutlich werden, die sonst vielleicht verborgen geblieben wären. Austern und Salat vom Kaisergranat sorgten für die alkoholfreie Flüssigkeits- und Proteinzufuhr, zuständig dafür war das Reimser Lokal Le Bocal, einem der besten Fischläden der Stadt und den meisten regelmäßigen Reims-Besuchern sicher ein Begriff.   

Am nächsten Tag fand die eigentliche Terres et Vins de Champagne statt und ermöglichte den Blick in die Zukunft des Champagners.

Bérèche 

legte mit dem Beaux Regards Chardonnay auf 2010er Basis mit 2 g/l Dosage ein lächerlich hohes tempo vor. Dieser Gewaltchampagner ist ein Pflichtkauf, mir ist kein Champagner geläufig, den Bauteilen Apfel, Nuss, Druck und Burgund eine ähnlich brisante, explosive, gelungene Mischung am Gaumen abliefert. Der Rive Gauche Pinot Meunier auf 10er Basis mit 3 g/l ist anders gebaut. Knackige Säure, Reife, ein Champagner, der mitten in der Entwicklung steckt und zum Ende hin selbstbewusste, sehr feine Süße zeigt. Mit dem ormes Coteaux Rouge aus PM/PN endete das Programm von Rafael beinahe symptomatisch: immer mehr Spitzenwinzer befassen sich nämlich mit der Stillweinvinifikation. Vielleicht, weil man dabei sehr viel über seinen eigenen Champagner lernen kann, nicht immer mit dem gewünschten geschmacklichen Erfolg, aber mit einer rasend schnell zunehmenden Präzision und einem laufend fortschreitenden Verständnis für Champagner, durch das Spiel über Bande. Elegant, schlank und schmalfüssig war der Rotwein, aber für mich durch nichts merklich mit dem Champagner verbunden, anders noch als bei Dehu zwei Tage zuvor, wo es sich allerdings auch um die  Interpretation einer Einzellage in rot/still, weiß/still und als Champagne handelte.

Horiot 

öffnete mit dem Les Escharere einen Mergelpinot (100PN), dessen salziger Charakter von einer sämigen Textur begleitet wurde, die wegen ihres Wiedererkennungswerts irgendeine Art von Terroir-Epitheton verdient hat, ohne dass ich gleich die Terroirdiskussion hier wieder entfachen will. Klar ist nur: der Champagner hat geschmackliche Eigenarten, die ihn von Pinots selbst aus der unmittelbaren Nachbarschaft (der hausintern als Grand Cru angesehene En Valingrain beispielsweise) unterscheiden und die nicht auf offenkundige Kellermethoden zurückzuführen sind; doch wie auch immer, der Escharere gehört zu den Spitzen des Gebiets und fügt der Bandbreite des Pinot wertvolles hinzu. Weniger offen schienen mir die beiden En Barmonts zu sein, die sich gegenüber dem Valingrain eine Komplexitätsstufe weiter unten angesiedelt haben. Der Pinot Blanc aus dieser Lage wäre sicher mal ein interessantes Muster im Vergleich mit zB den Weinen von Dr. Heger. Der Métisse erwies sich einmal mehr als optimaler Freizeitchampagner und auf Flaschen gefüllter Wuzzlerspass. Der Sève en Barmont in weiß bildete mit seiner Gewichtigkeit, dem rauheren und aromatisch dunkleren Charakter einen Übergang zwischen Métisse und Sève Rosé, der wiederum als veritabler Wein auftrat und mich von der Nase her dringend an die schönen Pinots aus dem Tonnerrois erinnerte. Ein zum Schluss probierter Rosé de Riceys aus 2009 schien mir noch längst nicht trinkbereit, zu warm und rosinig einerseits, zu ungesetzt, zergliedert und stellenweise wässrig auf der anderen Seite. wenn sich das mal ineinanderfindet, wird der Wein Spaß machen, es kann aber gut sein, dass die beiden Entwicklungslinien aneinander vorbeilaufen oder sich verpassen und dann war's das natürlich.

Brochet

ist noch nicht so lange im Club und gehört dort aber schon länger hin, wie man weiß. Gekonnte Fassvinifikation ist nämlich ein geeignetes Aufnahmekriterium, neben anderen. Gut, also richtig gut, mit Pinot Meunier umgehen zu können, ist, je nach Herkunft, vielleicht ein weiteres Kriterium. Bei Brochet gab es Pinot Meunier und Chardonnay nebeneinander, was die programmatische Ausrichtung andeutet. Der Meunier war dann dementsprechend nicht nur gerade mal so trinkbar oder so etwas ähnliches wie ein seltsam fruchtig geratener kleiner Chardonnay oder ein wunderliches Zeug mit erstaunlicher Säure, das man aber nicht recht trinken mag, erst recht kein Brottrunk oder eindimensionale Hefesuppe, sondern ein Wein, an dem die Holzverwendung mit Bedacht zur Veredelung geführt hat und der auf den Punkt trocken war, ganz ohne jedes unnötige Zuckerschwänzchen. Wie ein großer Cousion erschien daneben und danach der Chardonnay, der den Meunier wie eine sehr gute Illusion wirken ließ, weil nun einfach von allem mehr kam, fordernder war und die Aufmerksamkeit stärker fesselte. Das war so notwendig wie gut, denn nun sollte es mit dem für einen Extra Brut erstaunlich süß wirkenden Mont Benoit einen der Champagner geben, von denen man noch viel hören wird, gerade in Kreisen, die sich mit fermentierten Speisen und puristischer Kochkunst befassen. Der Haut Chardonnay 2006 war dann eine Art Reverenz an den Stil, den schon Rafael Bérèche vorgezeigt hatte und der sich seit den Tagen, in denen Anselme Selosse den Winzerchampagner umgekrempelt hat, eine eigene Daseinsberechtigung geschaffen hat. Bei Brochet mit fein geschliffenem Holz, vielversprechender, reifer Süße und Eleganzvorräten für die nächsten Jahre.      

Laherte

Der junge Aurelien ist gar nicht mehr so jung, wie es sich anhört, wenn ich immer wieder von ihm rede. Fünf Jahre ist es her, dass ich ihn in Chavot besucht und mit Genuss in die Fässlein gelugt habe. Seither hat sich viel getan und Aurelien hat sich als der erwiesen, für den ich ihn damals schon berechtigterweise halten durfte. Ein Winzer mit langfristiger Perspektive und nicht ein Experimentierer ohne Substanz. Sehr schön hat sich nämlich sein Programm bisher entwickelt und die Früchte der Arbeit, die ich 2009 bestaunt habe, werden jetzt langsam reif. Der Empreinte aus 50PN 50CH ist als vin clair weich und gediegen, mit hintergründiger Säure, eng verwandt mit dem Pinot Meunier Vignes d'Autrefois, also ziemlich alten Pflanzen; der Meunier ist weich und rund, dabei im vin clair Stadium noch sehr konzentriert auf die Bändigung allzu fetter Aromen, die sich gern bei solchen Champagnern in den Vordergrund drängen und wie eine Schmalzschicht auf dem frisch geöffneten Dosenfleisch liegen. Vollmundig, aber noch nicht stopfend ist der Blanc de Blancs Brut Nature aus den Jahren 2011 und 2010. Bei den Champagnern zeigte der Empreinte 2009 eine entfernte, ganz entfernte Verwandtschaft zu Janisson-Baradons Toulette und begeistert mich daher schwer. Der Vigne d'Autrefois 2010 ist Testat für den Erfolg, den der vin clair noch erringen muss. Süße, Konzentration und Reife stehen im Einklang, der Champagner ist ein gelungener Ausdruck für alten Pinot Meunier Bestand.

Jeaunaux

ist eine Jahr für Jahr sichere Bank, wenn es um die Spitzencuvée Les Grand Noeuds geht, der Bereich darunter schien mir immer etwas unspektakulär, bestenfalls konservativ, solide, mit geringer Renditeerwartung und dementsprechend geringem Verlustrisiko. Will man sowas beim Champagner? Eigentlich doch nicht, könnte man meinen. Aber weil man andererseits natürlich nicht unentwegt die großen Partysprudler aufzureißen geneigt ist, gibt es einen sogar ganz beachtlichen Absatzmarkt für diese Art von Champagner. Schauen wir uns die genauer an, sehen wir, dass es riesige Unterschiede gibt, zwischen einfachem, auf Nummer sicher produziertem Sprudel und passgenau produzierter Winzerware. Dort hat sich Cyril Jeaunaux positioniert und mit Wonne breitgemacht. Sein Prestige Zéro aus 70% 2009er und 30% 2008er besteht aus 80CH und 20PN. Dafür entwickelt sich dort erstaunlich viel Schokolade und der Nusscharakter, der hinterdrein kommt, fördert diesen Eindruck noch erheblich. Das macht den Champagner angenehm mollig und war, ein Winterchampagner geradezu. Der im Fass vinifizierte Grand Noeuds 2005 ist ein undosiert gebliebener Drittelmix, der kein bisschen Zucker nötig hat, um jedes eingeschlafene Mienenspiel freudig zu beleben. Die Krönung in Sachen Fröhlichkeit ist der Rosé Saignée aus 2011er Pinot Meunier, mit satten 7 g/l publikumsfreundlich dosiert, im Mund aber gar nicht pappig, süß, aufgesetzt oder doof grinsend, sondern stimmig, unübertrieben fruchtig und ein sehr charmanter Stimmungsaufheller für den gehobenen individuellen Geschmack.

Marie-Noelle Ledru

ist eine der Pionierinnen des Biochampagnermachens und als ich vor Jahren mal bei ihr war, stand sie, die mir von Francis Boulard empfohlen worden war, noch ziemlich alleine mit ihren Ideen da. Da wundert es mich, dass sie erst so spät zu den Terres et Vins Erzeugern dazugestossen ist, denn eigentlich hätte sie dort von der ersten Stunde an mitmischen müssen. Egal, lieber spät als nie. Ihre vins clairs überzeugten mich jedenfalls sofort und riefen Erinnerungen wach, denn Ledru habe ich ehrlich gesagt selbst schon seit längerer Zeit nicht mehr getrunken, an eine etwas schwächere Flasche kann ich mich noch erinnern und daran, dass die Stilistik im Übrigen aber sehr einheitlich war. Das bestätigte sich, wobei ich sehr darüber gestaunt habe, auf welchen Unterschiedlichen Wegen Mme. Ledru zu dieser einheitlichen Stilistik kommt. Der Grand Cru Brut aus 50% 2009er und 50% reserve perpetuelle zum Beispiel, der schon so vollmundig, überlaufend saftig und leicht nussig schmeckt, findet so schon im Grand Cru Brut Nature 2006 angelegt, der aus 85PN 15CH gemacht ist und sich wie ein mit getrockneten Apfleringen aufgelockerter Pinot Noir trinkt, mit dem man kleingemahlene Nussreste aus den Backen und Zahnzwischenräumen spült. Die Blanc de Noirs Cuvée de Goulté 2009 ist mit 5 g/l dosiert und hat das sportlich-kompakte Auftreten, das mir auch bei meiner ersten Begegnung mit Mme. Ledru an ihr selbst aufgefallen war. In ihrem derzeitigen, jungen Entwicklungszustand wirkt sie noch sicherheitshalber leicht abgepolstert und wird sich, wenn der Speck weg ist, sicher in die längere Reihe feiner Goultés einreihen, die ich für unbesehen kaufwürdig halte, wenn man die typische Stilistik von Mme. Ledru mag und ganz nebenher noch etwas über Ambonnay lernen will.

Marie-Courtin

hatte ich im Frühjahr heimgesucht und ich will nicht sagen, dass ich schwere Verwüstungen im dortigen Bestand hinterlassen habe, aber es ist einfach so, dass ich mich da sehr gerne durchprobiert habe, weil mir die Arbeit von Dominique Moreau seit dem ersten Kennenlernen bestens gefällt und immer stärker zusagt. Die vins clairs waren ausnehmend süß, sehr weich, sehr vollmundig und doch voller Spannung, was für die daraus zu fertigenden Cuvées das beste hoffen lässt. Glockenhell war wie immer die Résonance (2009), ultrasauber und reinigend am Gaumen. Die Concordance (2010) hatte mehr Schmutz, mehr Leder, mehr Nuss und Phenol in der Nase, war im Mund aber entspannt, rund, weniger hart als zuletzt vor Ort probiert, trotz fehlenden Schwefels. Die Efflorescence  (2009) sodann war, wie sich das schon seit 2013 ankündigt, mein geheimer und nun immer offener zutage tretender Favorit, ungeachtet aller meiner Bewunderung für die fabelhafte Eloquence. Aber die Efflorescence ist zurückhaltender, haut nicht ganz so ungebremst zu, sondern fordert den Gaumen reizend auf, ihr hinterherzuspüren wie der Rüde einer heißen Hündin hinterhechelt. Hier sind die meisten und schönsten Früchtchen drin versteckt, was die genussbelohnung so frugal ausfallen lässt, wie man es den anderen Cuvées nichtmal ansatzweise entnehmen kann, von der Ausnahmecuvée Eloquence wieder abgesehen.      

Leclapart

der am Vorabend mit einer Showeinlage für beste Unterhaltung gesorgt hat, war am Einsatztag ein ebenso guter Unterhalter in Form der von ihm mitgebrachten Champagner und vins clairs. Sein Amateur en vin clair 2013 überraschte mit Salz, Zucker und sauren Lakritzheringen, was zu den mehligen, bananigen Aromen zunächst reichlich seltsam war, in der Gesamtschau aber ein Bild gab, das so abwegig gar nicht mehr erschien. Der Astre 2013 war bananiger, weniger mehlig, wirkte weicher und süßer, insgesamt fruchtiger und nicht so durchgedreht wie der Amataur, auf den ich aber neugieriger bin, wenn er denn ins Champagnerlager übergetreten ist. Der Alchimiste 2009 war schon fertiger Champagner und man muss sich diesen Champagner als einen mächtigen Rosé vorstellen, der glatt einen Anteil Cabernet-Franc enthalten könnte, wenn man es nicht besser wüsste. Der Rosé Elion von de Marne Frison und der Terres Rouges 2003 von Jacquesson schlagen in dieselbe Richtung und machen wohl vor allem Wuchttrinker so richtig an. Brachiales Zeug und eine echte Belastungsprobe für feine Zungen. Der L'Astre 2010 Blanc de Noirs non dosé schien sich optisch an die orange wine Bewegung anhängen zu wollen. Nussigkeit und Salz erinnerten hauptsächlich an die sehr leckeren Rauchmandeln in der kleinen Blechdose von Kern-Energie, die ich gelegentlich verzehre, die mir aber in größerer Dosis auf den Wecker gehen. In den drei Jahren die seit dem 2010er Astre vergangen sind, hat David sich offenbar Gedanken darüber gemacht, wie sich die Pinotidee noch besser in die Tat umsetzen lässt. Gegenüber dem 2010er, der sehr ungezogen wirkt, ist der 2013er braver, geschniegelter und detailverliebter. Jetzt könnte man sagen, dann muss er auch langweiliger sein als der wilde 2010er; aber genau das will wiederum ich nicht glauben. Ein Winzer wie David Leclapart nimmt keine Modifikationen vor, die seine Weine langweilig werden lassen. Die weitere Bewertung bleibt deshalb der Zukunft überlassen, wie so oft bei Leclapart.

Laval

konnte mit zwei überragenden Weinen glänzen. Sein Chêne Chardonnay 2013 (vin clair) war purer Sex, wie Norman Mailer gesagt haben würde. Lemon curd, Quitte, Apfelmus, Verbene, Minze, Menthol, verruchte Süße, beinahe stechende Konzentration. In puncto Säure übertrieb mir der Hauts Chèvres PM dann ein wenig, obwohl er am unteren Ende der Aromenskala im Orangenmarmeladenbereich fest verankert war und mir im Ergebnis sehr gut gefiel. Unter den Champagnern stach weit heraus  Les Chênes 2009, eine Woche vorher erst degorgiert, sehr unruhig, zappelig wie die Leute die in Science-Fiction Filmen an irgendwelche Matrix- oder sonstigen virtuellen realitäten angeschlossen sind und dort übermenschliche Kampfanstrengungen ableisten müssen, die ihren physikalischen Körper an die Grenzen seiner Kapazität führen. So wirkt auch der aktuelle Chênes wie ein Chardonnay, der kurz vor dem bersten steht. Das gibt ihm eine gefährliche Sexyness, zumal man ja weiss, dass nichts schlimmes passieren kann, außer, dass die Flasche zu schnell leer ist. Brut Nature Premier Cru aus 20011 und 2010 (10%) mit 40CH 30PN 30PM und Hauts Chèvres 2009 waren von üblicher Art und Güte, d.h. immer noch herausragend, aber nicht auf dem Niveau des Eichenchardonnays.  

Tarlant

Es gibt nicht viele Adressen, bei denen schon die Grundweinprobiererei so ertragreich und erbaulich ist, wie bei Tarlant. Der ungepfropfte Chardonnay aus der Lage Ilot de Sable (nomen atque omen, durch den Sand kommt die Reblaus nunmal nicht), ist salzig-süß, konzentriert und vielversprechend gut. Die Cuvée für den BAM! überzeugt mit Frische, die mich immer wieder erstaunt, weil ich meine Vorbehalte gegenüber Pinot Blanc einfach nicht abbauen kann und auch hier alles gute den beiden Rebsorten Arbane und mehr noch der Petit Meslier zuschreibe. Der Pinot Noir aus der Lage Crayons hatte wieder so eine vorbildliche Fülle, Wucht, Noblesse und dabei diese schmutzige, verluderte Salzkruste, die alles Unschludige an diesem Wein in sein verruchtes gegenteil verkehrt. Bei den Champagnern gab es für mich keine Neuerungen. Das ist gar nicht schlimm, denn mir ist es lieber, ein Erzeuger zeigt bei drei Verkostungen in loser Folge eine stabile Qualität, als wenn ich alle naselang eine neue Cuvée probieren soll, ihr aber nielänger nachspüren kann. So kann man sich der Bewährung am Markt nämlich auch ganz geschickt entziehen. Haben Benoit und Melanie aber nicht nötig. Der BAM ist derselbe aufregende Champagner, als den ich ihn schon im Fass kennengelernt habe, die Vignes d'Antan sind noch immer so begehrenswert, wie am ersten Tag und ich freue mich wie ein kleines Kind auf die ersten Flaschen vom 2002er die meinen kleinen Handvorrat vorübergehend bereichern und viel zu schnell verlassen werden. Die 99er Fassung der Cuvée Louis zeigte sich ebenfalls wieder schön stabil, da gab es in der Vergangenheit durchaus schonmal Schwankungen und es wurden Klagen an mich herangetragen, die aber wahrscheinlich eher damit zusammenhängen, dass es sich um eine andere Jahrgangszusammensetzung gehandelt hat als jetzt mit 1998, 97 und 96. Alles im Lot, also, bei Tarlant.

Bedel

Am Vorabend zur Terres et Vins gab es zur Begrüßung den himmlischen Champagner Robert Winer 1996 von Bedel, ein ganz famoses Zeug, das jetzt längst nicht mehr so mächtig und elektrisch aufgeladen scheint, wie noch bei meiner ersten Begegnung, aber das immer noch geeignet ist, mich für Minuten in rauschhaften Wahn zu versetzen, wie man ihn auch bei Katzen beobachten kann, die eine Vorliebe für Katzenminze haben.  Am Showtag gab es Entre Ciel et Terre (2005er) Brut aus 65PM 25PN 10CH, der sich rundlich, scotchig und mit leichtem Rumtopf aufgeprotzt präsentierte. Das dürfte auf den englischen Gaumen zielen, dachte ich mir, den allgemeinen Champagnerregeln, die sich mehr mit Eleganz, Raffinesse und französischen Tugenden befassen, entspricht dieser Champagner nicht so sehr. Dis, Vin Secret (2005) Extra Brut aus 80PM 15CH 5PM erinnerte mich mit seinen etwas unreifen Nüssen an einen Sherry en Rama von den Bodegas Urium, den mir Sherrybotschafterkollege Jan Buhrmann mal (ehrlich gesagt, mehrmals, auf mein beharrliches Verlangen hin) kredenzt hat. Ein abschließender Vergleich zwischen L'Âme de la Terre 2003 und 2004 ergab Vorhersehbares. 2003 wirkte reif, kakaoig, schon fahrig und auch etwas ermattet, der 2004er war stoffiger, hatte schön schmaltzige Schokolade und war viel konzentrierter, fokussierter bei der Sache.

Chartogne-Taillet

Man kriegt sie ja praktisch nicht zu kaufen, diese verfluchten Einzellagen von Alexandre Chartogne. Aber wenn man weiss, dass Alexandre die immer auf Verkostungen wie den Terres et Vins ausschenkt, dann ist das zu verschmerzen und jeder Weg lohnt sich, auch zur entferntesten Verkostung. Der Chardonnay Heurtebise hatte mal was ganz Neues, Löwenzahn, Liebstöckel und Beifuss in ganz jung, unanimos und sehr gefügig im Chardonnayaromenkartell. Als 2010er Champagner war er schon recht reif, wie mir schien, aber sowas von stark, dass er vielleicht in sieben oder zehn Jahren mal darüber zu Fall kommen könnte, wie Siegfried durch seine kleine drachenblutunbenetzte Schwachstelle. Les Barres ist die Pinot Meunier Lage mit den franc de pieds, aus der Alexandre einen 2009er Champagner gemacht hat, der ohne BSA auskommt. Geschmacklich hat er sich irgendwo zwischen Bordiers Yuzu Butter, Eiskraut und Orangenschale heimisch gemacht, was mir immer wieder sehr gut schmeckt, aber noch nicht rankommt an den Orizeaux (2009), dessen Nasenstüber unverschämt ist, der aber mit seiner an Marihuana erinnernden Note, pikanter Nussmischung und grünem Rhabarber so faszinierend ist, dass man immer wieder reinschnuppern muss und wenn man diese Duftwand durchdrungen hat, so geht es mir jedenfalls, ist man wirklich schon leicht betäubt, bevor dann der sehr fordernde und kräftige Saft, dessen Süße man nicht unterschätzen sollte, auf der Zunge wirkt und die Euphorisierung abschließt.

Agrapart

Agrapart ist einer der seit Jahren immer beliebter werdenden Winzer, deshalb sind seine Champagner schnell ausgetrunken. Ich habe mich sputen müssen, um von Minéral, Avizoise und Venus noch etwas zu bekommen. Normalerweise schätze ich das nicht und meide Veranstaltungen, auf denen um einzelne Tropfen ringen muss. Aber es gibt Veranstaltungen, bei denen ich das hinzunehmen in Teilen wenigstens bereit bin. Eben wenn zB Agrapart da ist und ausschenkt. Der Mineralmix war optimal, Wiesenkräuter und Obst standen in bestem Verhältnis zueinander und wirkten ausgesprochen fröhlich dabei. Ernster ist der Avizoise, der trägt immerhin einen Ortsnamen mit Grand Cru Status und diese Würde ist vielleicht auch eine Bürde, wer weiss. Jedenfalls scheint der Druck zu wirken, der Champagner ist massiger, dichter, fester, zusätzlich zum Wisen/Obst-Mix kommen einige ausgewählte Nüsse, die Mehrdimensionalität für längere Zeit sichern dürften. Im Aufzug nach ganz oben steht die Venus, aktuell ist die 2008er Version. Kartoffelschale von dicken, heißen, innen goldenen Kartoffeln, Curry, Safran, Nüsse und konzentriertes Apfelmus geben aromatische Schubkraft, die im Penthouse längst noch nicht Halt machen wird. Kaufen und weglegen!

Hubert Paulet

hatte einen sehr gut besuchten Stand und weil ich seine dort vorgestellten Champagner schon ganz gut kenne, habe ich mir erlaubt, einfach mal nur die Perle abzugreifen, den ewigguten Risleus 2002. Reif, fortgeschritten, auch schon leicht pilzig, hochdosiert und wunderbar schlemmerig, gorumandhaft und rücksichtslos war dieser Champagner, der in Deutschland noch viel zu wenige Anhänger hat.

Boulard Père et Fille

Bei Altmeister Boulard ist mehr Ruhe in den Cuvées eingekehrt. So wie ich bei Leclerc-Briant eine Erschütterung im Gleichgewicht der Macht konstatiert habe, meine ich auch bei Boulard eine Häufung von Unsicherheiten festgestellt zu haben, solange sich das Unternehmen noch in der Erbauseinandersetzung befand. Spökenkiekerei hin oder her, diese Phase ist jedenfalls beendet. Sauber und sehr erholt war der Millésime 2006 aus 50CH 30PN 20PM, BSA und 5 g/l. Obwohl gering dosiert, wirkt der Champagner gesättigt und süß, was aber bei vielen biodynamisch produzierten Champagnern und Stillweinen vorzukommen scheint. Petraea 1997 – 2007 war zéro dosiert, die 60PN 20CH 20PN sind wie eh und je im Holzfassl vinifiziert und zum letzten Mal konventionell erzeugt, der nächste Petraea wird ganz anders sein, so viel ist sicher. Der Abschiedspetraea jedenfalls ist kräftig und fein zugleich, ein verletztlicher, wenngleich gepflegter und trainierter Körper. Am schönsten fand ich den Rachais 2007, ein reiner Chardonnay aus Fassvinifikation, bereits komplett biodynamisch. So viel Schwung und Vorwärtsdrang, mit viel mehr Klarheit, als noch im letzten Jahr, dabei auch mehr Abgeklärtheit und Ruhe, ein Champagner der das gefährliche Fahrwasser verlassen und nun Kurs und Fahrt aufgenommen hat. Einen bestätigenden Blick in die nächste Zukunft konnte ich bei den Grundweinen     werfen. Überaus elegant ist der Pinot Noir aus dem Barrique, feinduftig, sahnig und eingängig, ein ähnlich positives Bild vermitteln die Pinot Meuniers in weiß und Rosé.

Franck Pascal

hat sich mit seinem Champagner erhebliche Sympathien bei mir gesichert, weil er damit so ein- wie umsichtig verfährt. Von der ganz harten Brut Nature Linie hat er sich richtigerweise verabschiedet, da kam vielfach doch sehr Uneinheitliches heraus, das keine Handschrift erkennen ließ und nur absolute freaks angesprochen hat. Im Freaklager ist die Verwunderung über die Glättungen im Stil unvermerkt geblieben; jedenfalls blieb der Aufschrei in Form wütender postings, Besprechungen oder Protestnoten aus, im Gegenteil, die Champagner von Franck sind offenbar erfolgreicher denn je und auch seine Anhängerschaft ist nicht anspruchsloser geworden. Das freut auch mich, ich gehöre gern zu dieser Gefolgschaft. Mit den vorgstellten Cuvées ist das freilich ein Leichtes. Die Harmonie BdN 2009 aus hälftig Pinot Noir und Meunier ist ein kräftiger, erwachsen gewordener Champagner und nach meinem unmaßgeblichen Empfinden der beste, den Franck seit ich ihn kenne, gemacht hat. Sehr malzig, brotig und reif, ein wenig an Himbeerbockbier erinnernd, ist die Quintessence 2005 aus 2/3PM 1/3CH, die 2004er Ausgabe aus 60PN 25PM 15CH wirkt vitaminisierter, lebendiger, mit einem weiteren Geschmackspektrum und weniger reifen Noten, dafür mehr stiff upperlip, fast ein wenig trotzig.

Pascal Doquet

In der Nähe von Pascal Doquet fühlt man sich automatisch arglos. Der Mann ist so friedvoll, harmonisch und wirkt so lieb, dass man diese Aura gern in seinen Champagnern wiederfinden möchte. Zumindest mir geht es immer so. Aber seine Champagner sind nicht so. Der Horizon auf Basis von 2011 und 2010 ist mit 7 g/l dosiert und damit genau innnerhalb der Spanne, in der die friedfertigen Sachen alle angesiedelt sind, aber er wirkt kratzig, kakteeig, unharmonisch süß und gerade so, als wäre er vier Jahre alt und wollte nicht in den Kindergarten gehen. Ich verbuche das unter Dosageeinbindungsproblem und schau mir den Champagner später nochmal an, seine Anlagen legen ja Reifepotential nahe. Viel entschlackter, gesünder, ruhiger, mit klassischen Nüssen und dem strengen Blick einer Mami, die noch einen dicken Apfel in den Verpflegungsbeutel steckt von dem sie erwartet, dass er vorrangig gegessen wird. Nur 3,5 g/l Dosage hat dieser Arpège, der im Übrigen Premier Cru ist und tatsächlich vorrangig getrunkn werden sollte. Wenn man nicht gleich zum Grand Cru aus Le Mesnil greift, der Extra Brut stammt aus den Erntejahrgängen 2005, 05 und 03, er hat 3,5 g/l Dosage. So angenehm leicht, unbelastet, fruchtig, kreidig, typisch aber unverkitscht, chardonnayig aber nicht von der altbekannten und ausgelutschten Art, das ist ganz klar nochmal ein Schritt nach oben.

   

Champagne Leclerc-Briant

Leclerc-Briant ist in Bio-Kreisen ein wohlklingender Name. Im 17. Jahrhundert, genauer: schon 1664, in Ay ansässig, hat sich die Familie über Cumières nach Epernay bewegt, wo auch Nachbar Janisson-Baradon zu Hause ist. Die Keller unter dem Anwesen am Hang gehen 30 Meter in die Tiefe und machen damit schonmal in Fragen der Spektabilität den großen Häusern Konkurrenz.

Inhaltlich ist das nicht wesentlich anders. Bernard Leclerc, der Vater von Pascal, gehörte in den Sechzigern zu den Vorreitern der Biobewegung und Pascal hat zu Lebzeiten ganze 30 Hektar auf Demetertauglichkeit getrimmt; leider verstarb er 2010 überraschend und hinterließ seinen vier Töchtern (Ségolène, Astrid, Sonia, Diane) ein gut aufgestelltes Haus, das in Hervé Jestin (ex Duval-Leroy und önologischer Kopf hinter der Cuvée Sapience) einen exzellenten Kellermeister an seiner Seite hat. Eine Schwächephase gab es nach dem Tod von Pascal Leclerc dennoch. Erklären lässt sie sich nicht so recht. Vielleicht haben die Champagner den Todesschock mitbekommen und deshalb die Köpfe hängen lassen, wahrscheinlicher ist aber, dass der Einfluss von Hervé Jestin, der das Unternehen seit 2009 berät, sich unmittelbar in den Freigaben nach dem Tod von Pascal Leclerc erstmals bemerkbar machte. Heute hat sich alles konsolidiert und nach einer längeren Reihe schwacher Flaschen habe ich bei meiner letzten Champagnetour bei Leclerc-Briant endlich wieder eine sehr schöne Kollektion probiert.  

So selbstverständlich wäre das nicht gewesen, denn Lanson-BCC schnappte sich natürlich sofort knappe 18 Hektar, den anderen Teil mit Weinbergen überwiegend in Cumières, Damery und Hautvillers holte sich Roederer im Jahr 2011, verkaufte dann aber weiter an die heutigen Inhaber, Denise Dupré (die in Harvard Hospitality Management lehrt) und Mark Nunnely (Managing Director bei Bain Capital, wo gut und gern 80 Mrd. Dollars verwaltet werden, so dass für den Kauf eines stattlichen Champagnerhauses genügend Geld in der Portokasse gewesen sein dürfte). Mit Roederer wird weiter kooperiert, im Keller liegen gut fünf Ernten und die Marke von jährlich 300000 Flaschen ist ein realistisches Ziel, das aus dieser Positione heraus gemächlich erreicht werden kann. Am wichtigsten ist für mich, zu wissen, dass Leclerc-Briant nicht ausgeblutet ist.

Den aktuellen Trend hin zum Einzellagenchampagner hat Pascal Leclerc übrigens schon früh vorweggenommen. Schon 1994 schuf er die Reihe der Einzellagenchampagner aus Cumières, Les Chèvres Pierreuses, Les Crayères und Le Clos des Champions, mit der er meine Begeisterung auf seine Seite ziehen konnte und mit den später hinzugekommenen La Croisette und La Ravinne noch verstärkte. Diese als Authentiques etikettierten Champagner sind das, was ich seit Anfang der 2000er Jahre im Kern mit Leclerc-Briant verband, nicht wissend und kaum ahnend, dass dort noch ungeheuer viel mehr Ideen und Potential schlummern. Umso schlimmer und trauriger ist es, dass der Schöpfergeist dahinter abberufen wurde.  

Lehrreich ist bei den Champagnern von Leclerc-Briant, die gerade erst eine Auffrischung des Etikettendesigns erfahren haben und nun sogar ein wenig an die neuen Charles Heidsieck Etiketten erinnern, die Einzellagenserie. Bei den einzelnen Champagnern sind die Unterschiede besonders liebevoll herausgearbeitet. Dem Clos des Champions sagt man eine typische Frische und jugendliche Agilität nach, der Crayères gilt als reifr, weicher und gesetzter und die Chèvres Pierreuses sind regelmäßig Rieslingtrinkers Favorit. Der Chardonnay aus der oberhalb vom Haus gelegenen La Croisette ist durch einen kleinen Weg von der – naheliegenderweise – La Chaude Ruelle gennanten Kleinlage direkt am Haus mit 40 Jahre altem Pinot Meunier getrennt, wo ein Versuchsanbau mit Kräutern stattfindet und demnächst tüchtig massenselektiert wird, denn der Winter und sonstige natürliche Einflüsse versetzen in diesem Rebgärtlein so manchen Rebstock in die Vergangenheitsform.

Neue Entwickliungen gibt es darüber hinaus reichlich. In drei Jahren ist ein Cramant Chardonnay ohne Dosage und ohne Sulfit geplant, in vier Jahren ist ein Clos in Rilly la Montagne bereit für die Öffentlichkeit. Dann kommt ebenfalls in vier Jahren mit den Basses Prière, einer Lage in Hautvillers mit 100PN, ein weiterer reinsortiger Pinot Noir, der das Zeug zum Chefpriester haben soll. 

Brut 

70PN 30CH, 95% 2010, 5% Reservewein, mit 7 g/l dosiert, Trauben aus Cumières, Hautvillers, Verneuil; 100%

Stahl

Sehr ansprechend, reichhaltig, etwas schlanker als ein eben zuvor getrunkener Blanc de Noirs von Soutiran 

La Croisette BdB 

dosiert mit 5,5 g/l

In der Nase Anis, Fenchel, im Mund unerwartet schlank, aufgeschossen und klar, keine Lakritznoten, die ich nach der Naseneröffnung vermutet hätte, außerdem mehr gelbe Frucht als gemutmaßt, vor allem aber eine ganz verblüffende Marillearomatik, die den Champagner schwelgerisch macht.

Les Chèvres Pierreuses

Wie habe ich diese Aromatik vermisst. Reich, von klassischem Cuvéecharakter, was daher kommt, dass alle drei Reben zusammen abgepresst werden; ein mineralisch geartetes Element steht bei diesem Champagner hier meistens im Vordergrund, so muss man das auch hier immer wieder sehen. Nasse Kreidekellerwand, wie ca. 35 Meter unter dem verkostungsraumfussboden, am Gaumen dann knalliger als die Vorgänger, exotisch, aber nicht papageienhaft, quirlig, aber nicht crazy. Ganz großartiger Champagner, der als Solitär getrunken werden will und viel von seinem Zauber einbüßt, wenn man zu schnell davor oder danach etwas anderes isst oder trinkt.

Rubis de Noirs 2004

Pinot pur, sehr dunkel, ein Barbecuewein, der auch so etwas wie einen rotsektigen Charakter hat, vermischt mit leichter Candynote, also definitv nicht jedermanns Sache. Für Sparkling Shiraz Fans zu milde, für Eleganztrinker zu plump, zum Grillen ziemlich genau richtig.

Divine Solera

Fett und flott zugleich ist diese noch junge Solera, dicklich, saftig, rundlich, mit den weichen, aber nicht wabbeligen Rundungen einer sehr erfahrenen Frau. Wer meint, über Leclerc-Briant schon alles zu wissen, sollte sich mit dieser Cuvée beschäftigen.

 

Les Mains du Terroir 2014

Die ehemals unter dem Namen Terroirs et Talent de Champagne firmierende Winzertruppe hat sich auch 2014 wieder im Obergeschoss des Theatre in Epernay eingefunden, um die Leistungsfähigkeit der Mitgliedsbetriebe unter Beweis zu stellen. Bei den Mains du Terroir Winzern triftt man die Vins Clairs oft in Form der schon bereiten Cuvées an, die sich demnächst zur zweiten Gärung in die Flasche verabschieden. Das ist vor allem dann sinnreich, wenn man die aktuelle Version dieser Champagner unmittelbar danach probieren kann, was überwiegend möglich ist. Neben den Vins Clairs und zwei bis drei fertigen Champagnern gibt es an den Ständen dieser Winzer hier eine freestyle Cuvée, also eine Experimentalcuvée, einen alten Jahrgang oder einen besonders lehrreichen Champagnervergleich. 

Von Champagne Aspasie haben aufmerksame Leser meiner Mitteilungen schon vor Jahren gehört und der Betrieb arbeitet unentwegt konstant gut, großes Auf und Ab habe ich hier nie feststellen können, insbesondere ein dynamisches Auf würde ich mir gleichwohl wünschen. Nicht, weil die Qualität so weit am Boden ist, sondern weil diese fortgesetzt saubere Arbeit es verdient hätte. Mit den Cépages d'Antan, die mir auf der diesjährigen Prowein wieder mal sehr positiv aufgefallen waren, hat der Betrieb einen schönen Joker im Blatt; Blanc de Blancs und Millésime 2008 sind frisch, klar und leicht, der jahrgang etwas individueller, kakteeiger, will sagen stachliger. Der 2009er Jahrgang wirkt auf mich leichter als der 2008er und ist mit 3 g/l Dosage schon reichlich bedient. Wahnsinnig rasant macht ihn das nicht und zum Langläufer taugt er ebenfalls nicht. Deshalb würde ich ihn jetzt trinken und den 2008er liegen lassen, bis der sich zu voller Größe aufgerichtet hat, im Idealfall ist das zu der Zeit, wenn der 2009er abzubauen beginnt.

Champagne Maxime Blin liegt nicht ganz so weit ab vom Schuss, aber Trigny sagt trotzdem nur den wenigsten Champagnebesuchern etwas. Schade, denn die Champagne von Maxime Blin tragen eine schöne, nicht zu schwülstige Handschrift, die der Neigung zur Dosage im oberen Bereich unterhalb der 10 g/l Grenze geschuldet sein mag. Der Drittelmix, die Cuvée Maxime Blin, besteht aus 08er und 07er, der erste Eindruck ist nussig und krautig, dann zeigt sich der zusammenfügende Einfluss der Holzfassvinifikation und des Ausbaus im Fassl. Der Champagner wirkt trotz der beiden verschiedenartigen Elemente wie aus einem Guss, solide, dicht, mit feiner Frucht und etwas Brot. Die beiden Rosés Authentique (Saignée) und Rosé d'Assemblage sind beide aus 100% Pinot Noir, wobei mir der Assemblagerosé ganz gegen die sonstige Machart der Blin-Champagner nicht wie aus einem Guss erschien, was er ja auch tatsächlich nicht ist. Die ca. 17% Rotwein aus 2009 wirken in der Cuvée aus 10er und 11er Pinot wie ein Fremdkörper. Viel besser gefiel mir demgegenüber die Cuvée Onirique Extra Brut aus 90PN und 10CH, basierend auf 2011 mit 2010. Die ist gegenüber den stets empfehlenswerten Jahrgängen von Blin eine Spur fetter, was überhaupt nicht schlimm ist, weil die Champagner aus dem Massif St. Thierry ruhig etwas Fett vertragen können, vor allem, wenn es mit so schönen Noten von Orangenmarzipanfüllung, Krokant und Quittenmus daherkommt.

Natürlich ist auch die Aube in den Winzergruppen immer angemessen vertreten. Bei den Mins du Terroir Winzern ist Jerome Coessens der Mann fürs Grobe. Oder eben auch nicht fürs Grobe, sondern für das ganz Feine, ganz grundeigentlich für das Gegenkonzept zum klassischen Champagner. Monocru, Monocepage, jahrgangsrein, ich habe  nur wenige Tage vor den Grands Jours das vergnügen gehabt, Jerome in Ville sur Arce in Keller und Weinberg mit meinen Fragen und meinem Durst auf die Nerven gehen zu dürfen. Die Lrgilliers als Brut Nature, normaler Blanc de Noirs, Rosé de Saignée und mit Holz als Les Sens Boisés teilen sich immer wiederkehrende Aromen von Mandeln, Marzipan, Blüten und mildestem Akazienhonig. Sanft, gefügig und gleitend schienen mir die Champagner, der brut Nature mit einer spritzigen Zitrusnote, der Rosé besonders seidig und dieses Mal am beeidnruckendsten der Sens Boisé. Jahrgangsbasis 2008, mit 7 g/l dosiert und so burgundisch, pulignyhaft, wie aus dem Bilderbuch.

Im Sézannais, dieser kaum wahrgenommenen Region, ist Jacques Copinet ansässig. Chaptalisiert wird nicht, es gibt dafür immer vollen BSA und was es leider wiederum nicht gibt, ist ein Degorgierdatum auf dem Etikett, dafür steht ein Code auf der Flasche. Das Sézannais ist so etwas wie eine südwestlicher gelegene Côte des Blancs ohne die Harschheit und Entschiedenheit, die der Chardonnay von der Côte des Blancs an den Tag legen kann. Die Champagner von Copinet geben das wieder. Die Blanc de Blancs Brut, Brut Integral und Marie Etienne sind alle im Extra Brut Bereich oder eben Brut Nature, wirken aber vermittelnd, weich, sehr milde, teilweise primörfruchtig, mit hervorstechenden Tafeltraubenaromen, blanchierter Mandel und Sahne. Die Cuvée Surprise inedite sensation hatte einige Bananen- und Birnennoten, die beim Publikum ja gerne begeisterten Anklang finden.

Altmeister de Sousa aus Avize kennt man schon, da weiß man, es ist fast egal was von ihm ins Glas kommt, das ist eigentlich immer gut, ich räume sogar ein: er übetrifft meine Erwartungen sogar meistens. Schon der einfache Brut Réserve mit 7 g/l war schön und gefiel mir besser, als der Dosagewert vermuten ließ. Avize, Oger und Mesnil, Säure und Süße spielen da schön miteinander, die Süße gewinnt am Ende. Die Cuvée 3A, mit der de Sousa seit ein paar Jahren am internationalen Gaumen reüssiert ist ein Mix aus Chardonnay und Pinot Noir (Avize, Ay, Ambonnay), die im Barrique zeigen müssen, was sie können. Ihnen werden 3 g/l Dosage zur seite gestellt, aus denen sie einen sehr schönen und ausgewogenen Champagner machen. Doch ist der nichts im Vergleich mit dem "Mycorhizes" getauften Wein aus Uraltreben, die in Avize und Oger stehen. Das ist starker Tobak, richtig dickes Zeug, das ich schon im Vin Clair Stadium als kommenden Star der Region ansehe. Ein anderer großer Wurf ist die Cuvée Umami von der Negociantlinie Zoémie de Sousa. 2009er Basis, 70CH 30PN, auf erst einmal 6000 Flaschen limitiert. Herbe, Limone, Hefe, Tiefe, Komplexität, Ausdauer, nebelhafte Verteilung der Aromatik am Gaumen, ein rätselhafter, schöner, großer Champagner.

Und wieder nähern wir uns Eric Rodez, der nach Jahren nun endlich die Aufmerksamkeit zu bekommen scheint, die ihm zusteht, jedenfalls in Deutschland. Die Vins Clairs des Jahrgangs 2013 waren die helle Freude. Der Chardonnay öffnete sein Nussherz und zeigte die kraftvoll darin pulsierende Wildkirsche, der Pinot Noir daneben elegant, zurückhaltend und fein wie russischer Zobel, aber unwahrscheinlich kraftvoll auch dieser Wein. Die Champagner sind kleine Denkmäler. Der Blanc de Blancs aus 2008, 07, 06, 05, 04, 03 war so vollmundig, vorbildlich und weit weg vom Klischee, dass man fast eine neue Kategorie innerhalb des Genres für ihn aufmachen müsste. Der Blanc de Noirs aus den gleichen Jahren mit Ausnahme des 2003ers, der hier durch 2002 ersetzt wurde, ruht buddhistisch in sich selbst, ein Pinot, der völlig unaufgeregt sich seiner Schönheit selbst bewusst ist. Sowas gelingt nur ganz selten, einen ähnlichen Eindruck hatte ich nur einmal bei einem  Domaine Prieuré-Roch Chambertin Clos de Bèze, den ich (natürlich, möchte ich fast meinen) in der Champagne getrunken habe. Die neue Dosage Zéro aus 30CH 70PN, gemixt aus 2006, 05, 04 und 02 hat völlig richtig keinen Zucker zugesetzt bekommen, weil auch diese neue Cuvée im perfektionistischen Rodez-Stil so gebaut ist, dass alles notwendige bereits aus den verwendeten Grundweinen genommen werden kann und Zugaben des Winzers weitestgehend unnötig, ja störend erscheinen. Die Cuvée des Grands Vintages aus 05, 04, 02, 00, 99, 98 zeigt das ganz deutlich und befindet sich JETZT auf Nöchstniveau. Eine vollere Ausprägung von Jahrgangskomplexität habe ich in einem Multivintage noch nicht erlebt. Anders ja, aber nie so, dass einzelne Merkmale greifbar werden und zu sprechen scheinen. Die Empreinte de Terroir Champagner von Eric Rodez aus dem Jahr 2003 gehören wie die Vorgänger aus dem Jahr 1999 als Pinot und als Chardonnay zu den Denkwürdigkeiten des Champagnergeschäfts und zu den Champagnern, die man getrunken haben muss, um ernstlich mitreden zu können. Archetypischer geht es eigentlich nicht, ohne Abstriche zu machen.

Mit den Champagnern von Fallet-Dart bin ich noch nie in Gänze so recht warm geworden. Mal zu griesgrämig, jetzt zu bunt und zuckrig. Mir sind die durchgehend 9 g/l Dosage wahrscheinlich einfach zu dick aufgetragen, von der Substanz, so gut sie im Zweifel sein mag, merke ich da einfach zu wenig, vereinzelt zucken Mentholspitzen durch. Der verführerische erste Naseneinruck hilft da wenig, als Trinker fühlt man sich buchstäblich an der Nase herumgeführt, wie als würde sich der schicke Aufriss aus der Hotelbar dann im Zimmer plötzlich als Ladyboy entpuppen. Im Gegensatz zu früher würde ich heute die Cuvée des Clos du Mont bevorzugen. 

Aus Le Mesnil kommt mit Chantal Gonet immer eine Geheimwaffe zu den Verkostungen. Sie bringt viel Schalk und die Champagner aus dem Hause Philippe Gonet mit, das sattsam bekannt sein dürfte. Daher nur kurz die Eindrücke vom Auffrischungstrinken. Der Signature wirkte etwas lahm, was am direkten Vergleich mit dem Extra Brut 3210 gelegen haben wird, der sich in alter Form und Frische präsentierte. Meine Sympathien hatte aber vor allem der Roy Soleil, der so souverän wirkte, wie es seinem Namen ansteht. Die sechs Monate seiner Fassausbauzeit hat der Champagner bestens genutzt, um Klasse und Würde zu produzieren, der Trinkfluss ist nochmal deutlich einfacher, als beim 3210, der stärker analysiert werden will. Die Spitzencuvée, der Belemnita 2004 aus Reben, die 1929 gepflanz wurden, ist ungeher dicht und konzentriert, fließ aber nicht lahm oder zähflüssig in den Rachen, sondern geht wie der Wirbelwind hinunter, um wie ein Hohlspitzgeschoss im Körper aufzupilzen.       

Ein alter Bekannter ist natürlich auch Janisson-Baradon, dessen Toulette als Vin Vlair schwer Eindruck bei mir gemacht hat. Der hätte für mich allein schon das Tagesziel markieren können. Der Extra Brut, den ich mir auch gern im neuen Laden von Cyril genehmige, mitten in Epernay am Kreisel, dort, wo es zu den großen Häusern hinauf geht, der griff nach Kräften in die dargebotenen Aromenangebote und weil er aus Pinot und Chardonnay gleichermaßen besteht, machte er den Übergang zu den sprudelnden Toulette, Conges und Tue Boeuf 2006 leicht. Am weitesten stach der Toulette 2006 heraus und nahm damit dem von mir für eine ganze weile favorisierten Tue Boeuf wieder Punkte ab, der unter Conges firmierende Meunier kommt da nicht ganz mit, gehört aber zu den stärksten Meuniers der Region. Anschauen kann man sich die Reben übrigens ganz einfach vor Ort, den Chemin de Conges erreicht man, indem man einfach rechts am Anwesen von Janisson-Baradon vorbei nach oben geht und sich dann hakenförmig nach links wendet, als quasi Richtung hinterer Garten des Hauses, dort stehen auch die Trauben vom Nachbarn Leclerc-Briant.

Michel Loriot ist als Meunierspezi aus dem Marnetal weithin geachtet, seine Etiketten haben ein kleines Re-design erlebt und der Bezug zur Musik wird jetzt deutlicher. Das ist sowieso ein allgemeiner Trend, der scheinbar in der Mains du Terroir Gruppe besonders viele Winzer begeistert. Eric Rodez versteht sich schon seit jeher als Komponist und weiß das gut verständlich zu erläutern, Jungtalent Sélèque verwendet Hendrix-Themen bei der Flaschenaustattung, Fleury von der Aube legt eine ganze Sonate hin und Michel Loriot hat mit der Monodie en Meunier Majeur nicht nur der Wortspielvorliebe vieler Winzer Reverenz erwiesen, sondern eben auch dem Musiktrend. Die Inspiration de Saison 2006 Extra Brut ist kaum als Extra Brut zu erkennen, was an den schon tiemlich reifen Früchtchen liegen wird, die der Meunier abliefert, aber man kann diesen Fruchtkorb ohne Mühe trinken. Die Sources du Flagot sind ein rustikaleres Gewächs, kräftiger, ruppiger Blanc de Blancs aus dem Jahrgang 2004, der stellenweise so unberechnbar wie ein kleiner Wildbach, aber alles in allem ungefährlich ist. Die Monodie ist wieder Multivitaminspektakel für die ganze Familie. Die hohe Konzentration macht ihn schon beinahe wieder scharf und fast meint man, einen belehrenden Zeigefinger vorzufinden, der über die Vorzüge einer ausgewogenen Ernährung informiert und zugleich dazu mahnt, aber zum Glück bleibt der aus und die Monodie kann langsam ausklingen, wofür sie einige Zeit braucht. Den hochgelobten 1975er Meunier, der gerade erst am Vortag degorgiert worden war kann ich leider nicht positiv beurteilen, meiner Meinung nach hatte die Flasche Kork.

Die Terminator-Champagner von Penet-Chardonnet wirken auf mich, wie aus der Zukunft, wie aus einer Zeit, in der man mit überlegenen Werkzeugen um ein Vielfaches präziser arbeiten kann, als heute. Der Reserve Grand Cru Extra Brut aus 70CH 30PN ist mit leichten 3 g/l dosiert und wirkt deshalb stramm, ohne großes Gepäck, stahlig und mit einem Hauch von blanchierter Mandel. Die Cuvée Parcellaire Les Fervins aus Verzy ist ein 2009er Champagner, mit 70PN 30CH, mit etwas zeitlichem Abstand wirkt er süßlicher auf mich, als vor wenigen Monaten noch. Am beeindruckendsten ist der Pacellaire Les Epinettes, ein Verzy Grand Cru 2009 aus 100% Pinot Noir, dessen Aroma von gesalzenen Nüssen mir doch sehr dicht an dem zu liegen scheint, was man das Terroir von Verzy nennen könnte. Formal noch höher anzusiedeln ist die Cuvée Diane Claire, Grand Cru Brut Nature 2002 mit zwei Dritteln Pinot Noir und einem Drittel Chardonnay, alles aus Verzenay. Hier kommen Butter, Hefe, Honig, Seide, Balsam, Akazien und Apfel in einen Bottich, woe sie kundig vermengt werden und in schönster Balance am Gaumen begeistern. Und dennoch: wenn ich gefragt werden würde, ich würde den Epinettes vorziehen.

Mit die schönsten Vins Clairs hatte das junge Talent Sélèque dabei. Sein Meunier aus Pierry, Les Gouttes d'Or und sein Rosé de Saignée, beides 2013er hatten allerbeste Anlagen. Vanillekipferle, Krokant und Traubenmost hier, Mandel, Frische und Schlürfigkeit da – und das schon nur beim Vin Clair! Comédie 2008 war brotig, mälzelte etwas und hätte nicht höher als mit den hier verwendeten 4 g/l dosiert sein dürfen. Partition 2008 und 2009 sind saftig, flott, ja rockig (2008), bzw. klarer, klassischer, förmlicher (2009). Einmal mehr wird hier gelten, dass der 2008er ruhig liegen darf, bis der 2009er seine Vorzüge voll verausgabt hat und sich auf dem absteigenden Ast befindet – das sieht Sélèque ganz ähnlich, weshalb er den Verkauf der 2008er gestoppt hat und erst in ca. fünf Jahren wieder aufnehmen will, mit Spätdegorgements. Überhaupt nicht kindsköpfisch, rebellisch oder aufmüpfig war der 2009er Rosé de Saignée, der auf mich saftig mit leichtem Halskratzen, sonst aber herbfrisch und ziemlich erwachsen wirkte.  

Die an guten Erzeugern reiche Aube hat in Avirey Lingey einen Produzenten, der in Deutschland schon auf eine treue Anhängerschaft blicken und zurückgreifen darf. Zu recht, wie ich finde. Unter den Namen Serge Mathieu machen Isabelle Jakob (geb. Mathieu) und Michel Jakob sonnenklare Champagner, die jugendlichen Übermut und jugendfreie Lebensfreude transportieren. Der Extra Brut aus 100PN hätte auch von Billecart-Salmon nicht sauberer gemacht werden können, der Prestige aus 70PN und 30CH drängt nach vorne und will der Erste sein, sein Spiegelbild ist der Select aus 70CH und 30PN, der Kalk statt Nuss hat, mit seiner behenden Leichtigkeit auch mehr zu schweben als zu stürmen scheint. Den 2008er Jahrgang gab es mit zwei unterschiedlichen Dosierungen und Schwefelgraden zu probieren. Die niedriger geschwefelte Variante hatte den höheren zuckergehalt und wirkte auf mich um eine Spur muffiger, während der höher geschwefelt Champagner Verbene, Zitronenmelisse, Apfel und kräuterige Würze aus dem Glas entließ, die mir so gut gefielen, wie schon beim Besuch vor Ort.  

Aus dem Gänseort Chouilly stammt Vazart-Coquart, Jean-Pierre Vazart ist einer der praktisch immer gutgelaunten Winzer, denen man zunächst gar nicht abnehmen will, dass sie sich schon seit Ewigkeiten mit Sachen beschäftigen, die erst seit Kurzem en Vogue sind. So hat Vazart-Coquart zB eine Solera, die 1982 begonnen wurde, mithin eine der ältesten zumindest mir bekannten Soleras der Champagne. Die bringt naturgemäß jetzt einige pilzige Aromen mit sich, die sich voraussichtlich noch dieses Jahr in Kleinstauflage en mousse beweisen müssen. Der Rest geht wie gehabt zu 25% in den jahrgangslosen Champagner von Vazart-Coquart ein. Der Extra Brut auf 09er Basis punktet mit Früchten und bekommt für seine leichte Candynase keine Abzüge, da sie sich so vorzüglich in das Aromenbild einfügt und nicht kirmeshaft wirkt. Eine feine Exotik durchzieht den Champagner, der bittermandelig ausklingt. Grand Bouquet 2007 und 2008 sind sich nicht sehr ähnlich. Einen Eindruck von Gänseflaum kann man sich vielleicht bei beiden einbilden, aber danach hören die Gemeinsamkeiten auf. 2007 ist der Typ gewaltbereiter Kumpel, 2008 ist der wortgewandte Kumpeltyp, also im Trio mit vier Fäusten der Denker. Ein scharfsinniger, freilich und ein wenig schmecjt der Grand Bouquet 2008 so, wie ich mir viele 1996er gewünscht hätte. Mein Liebling ist aber der gerade degorgierte 1989er, mit 3 g/l Dosage. Frittengewürz, Kurkume, Curryblätter, Safran, Pilze und trotzdem habe ich nicht den Eindruck von Imbissbude, sondern von spitzenmäßiger Gourmetunterhaltung.

Bouzy ist ein Ort, der unter der Last seines Namens zusammenzubrechen droht. Alle Welt prahlt und prunkt mit den Bouzy-Pinots, aber nur zu oft sind die einseitig haselnussig und ohne wirkliche Finesse. Für Terroirfetischisten sicher toll und für Verkoster, die auf hohe Trefferquoten in Blindverkostungen setzen, ein gefundenes Fressen. Aber eigentlich wünscht man sich von einem Grand Cru mehr als das. Der Brut Réservée Grand Cru von Maurice Vesselle liefert genau das. Noblesse und Raffinesse vom Grand Cru, ohne das plum-wiederkehrende und ermüdende Hanutaaroma, das die weniger gelungenen Champagnr aus Bouzy brandmarkt. Dass sowas Bestand haben kann, beweist der 2000er von Maurice Vesselle, in dem sich eben nicht die Haselnuss etwa am Ende doch noch durchgesetzt hat, sondern schön im Glied neben Honig, Pilz und Reife bleibt. Ganz große Klasse ist dann schon der Blanc de Noirs Les Haut Chemins 2005, mit 3 g/l dosiert und ein Pflichtkauf für Eleganztrinker. Ingwer, Honig, Verbene, Zitrone, Toast. So viel Spass für so – vergleichsweise – wenig Geld. Danach hat es der Rosé Saignée wieder mal schwer, vorziehen würde ich soweiso den vom Vetter mit Vornamen Jean – dessen Oeuil de Perdrix ist ein Mordsspass für ganz, aber ganz kleines Geld.    

 

   

Origines Champagne 2014

Die traditionelle Probierwoche in der Champagne ist so traditionell noch gar nicht. Keine zehn, sondern nur läppische sechs Jahre ist es her, dass eine Reihe aktionslustiger und besonders dynamischer Winzer sich entschloss, im Frühjahr eine Verkostung auf die Beine zu stellen, die dem interessierten Publikum tiefere Einblicke in das Terroir der Champagne ermöglichen sollte, als gemeinhin üblich. Dazu gehörte auch, was mittlerweile zum Wahrzeichen dieser Art von Verkostung geworden ist, die Bereitstellung charakteristischer Vins Clairs der vergangenen Ernte. Dieses fiese Zeug hat früher keinen interessiert und jeder war eigentlich froh, dass die Kellermeister das jeden Tag selber süppeln müssen, um in einem kaum näher nachvollziehbaren Prozess einen richtig tollen Champagner zu kreieren. Sicher, einige Autoren schwärmen in ihren Standardwerken vergangener Tage von den hervorragenden Grundweinqualitäten bestimmter Hersteller. Aber sich damit so richtig auseinandersetzen? Lieber nicht. Das hat sich zum Glück geändert, auch wenn die Verkostung von Vins Clairs eine anstrengende und schwierige Sache bleibt, die für mich auch nach fünfzehn Jahren noch keinen Deut einfacher geworden ist. Genau das ist einer der Gründe dafür, dass Assistenzkellermeister oder Kellermeister aus einem Team von Kellermeistern nach ebenso langer Zeit noch als rookies angesehen werden, deren Meinung im Verkosterpanel immer als erste gehört und postwendend abgetan oder vergessen wird. 

In großen Häusern, wo Hekatomben unterschiedlichster Crus in eine Cuvée wandern, ist diese Aufgabe ungleich schwieriger als bei einem Monocru-Winzer, soviel ist andererseits auch wieder klar. So darf man also weder unnötig verkomplizieren, noch unangemessen vereinfachen. Einfach machen es uns die Winzer von sich aus schon. Denn Teil des Konzepts ist es eben, Vins Clairs vorzustellen, die auf besondere Merkmale hinweisen können, die tragende Merkmale einer späteren Cuvée verdeutlichen oder Aspekte aufzeigen, über die man sich im Eifer des Gefechts vielleicht gar keine Gedanken gemacht hätte.    

Mittlerweile haben sich am und um diesen etablierten Termin jedenfalls weitere Winzergruppierungen an die Öffentlichkeit gewagt. Ein der jüngsten, die dieses Jahr Premiere feierte, ist die der "Origines Champagne". Von den dortigen Winzern kenne ich ein paar schon länger persönlich oder verfolge ihr Wirken mit Wohlwollen. Umso schöner ist es dann, wenn sich drumherum eine möglichst homogene Truppe findet, in der eine Bündelung von Ideen und Aktionen möglich ist.

Gleich als erstes war ich bei Florence Duchêne aus Cumières, die ich schon verschiedentlich vorgestellt und gelobt habe, weil mir der jugendlich-frische Ansatz gefällt, aber auch die interkulturelle Vermählung: die Cuvées oberhalb von Brut Tradition und Reserve tragen die Namen philippinischer Naturgottheiten und den Eindruck von subtropischer Wildheit bekommt man durchaus, wenn man den bewusst ungebändigten Noten der Duchêne-Champagner nachspürt. 

Tristan Hyest, den ich seit einiger Zeit schon aufsuche, um seine Einzellagenchampagner in statu nascendi zu probieren und abzugreifen, gefiel mir besonders gut mit seinem Brut Reserve, der vor Lebensfreude strotzte und damit selbst die von mir sehr geschätzte Cuvée Colostrum, die ich von ihm ja als allererste kennen- und lieben gelernt hatte, in die Schranken wies. Der feine Rosé hatte es dann natürlich schwer, noch zu punkten.

Benoît Déhu, dessen 200er Millésime mich vor längerer Zeit nachhaltig positiv angesprochen hatte, war mit einem ganz anderen lineup an den Start gegangen. Er hat die Einzellage La rue des Noyers in drei unterschiedlichen Formen vinifiziert: als Weißwein, als Rotwein und als Extra Brut Champagner. Die Rebsorte ist jeweils Pinot Meunier und das ist das tolle an solchen Veranstaltungen: Winzer, die sich genaue Gedanken darüber machen, was sie dem Publikum neben einem milden Rausch noch mit auf den Weg geben können. Ich fand jedenfalls den Champagner exquisit und werde nicht versäumen, mir davon einen kleinen Handvorrat anzulegen, denn Pinot Meunier in dieser Form zu bekommen, gelingt nicht alle Tage. Als Weißwein ließ er alle Facetten exotischen fruchtreichtums spüren, ohne dabei oberflächlich oder auf Effekt ausgerichtet zu wirken, als Rotwein gehört er zu den ernstzunehmenden Gewächsen, mit denen sich eine württembergische Konkurrenz von Drautz-Able, Schnaitmann oder Neipperg wunderbar aufmischen ließe.

Pierre Amillet von Robert Moncuit aus Le Mesnil war in meinen Augen schon lange ein Typ, der mit seinem Champagner Mitglied einer dieser Winzergruppen hat werden müssen. Seit geraumer Zeit gehören seine Jahrgänge und seine jahrgangslosen Extra Bruts für mich zu den Dauerbrennern auf der Einkaufsliste besonders bekömmlicher und freudestiftender Le-Mesnil Champagner. Eine richtige Prestigecuvée fehlt noch, aber dringend erwarten tue ich sie nicht. Dafür ist schon sein Champagner aus dem preislichen Fundaments- bis Mittelbaubereich genug Entertainment. Spannend ist es aber auf jeden Fall seine Chétillons und die von Pierre Peters nebeneinander zu probieren (was hier nur nacheinander ging), auch sein Solera-Projekt gibt begründeten Anlass zu der Hoffnung, dass aus dem Haus gegenüber vom Bahnhof in Le Mesnil noch viel Gutes kommen wird. Übrigens ist der Bahnhof seit gerade mal einer Woche zu einem hübschen kleinen Restaurant umgewidmet und gebaut, dort kann man die Muóncuit-Champagner glasweise schlürfen und aus der umfangreichen Karte weitere örtliche Erzeuger hinzuwählen. 

Der junge Laurent Vauversin von Champagne Vauversin aus Oger, das trotz Grand Cru Status noch viel zu viele unbekannte Winzer beherbergt, stellte einen Champagner vor, den ich noch einige Male zu trinken haben werde, bevor ich ihn ganz ergründen kann. Die Reserve Orpair 2007. Ein ausgemacht raffiniertes Stück aus alten kleinen Holzfässchen, mit vollem BSA und 6 g/l Dosage. Sowas von schmackhaft und sowas von durchtrieben, dass es mir regelrecht Schauer über den Rücken treibt.

Sehr sympathisch war Nicolas Salomon von Champagne Denis Salomon aus dem Marnetal. Seine Champagner sind mir wenigstens teilweise schon länger bekannt, weil sie oft glasweise in der Region angeboten werden und zuletzt hatte ich im Champagnerlädchen der drei Mädels aus Dizy, die nun nach Hautvillers gezogen sind, davon gekostet. Zu einer sehr schmackhaften Platte mit regionalen Kleinigkeiten übrigens. Die beiden Jahrgänge 2008 und 2009 waren wie ihr Schöpfer sympathisch, der Rosé schön fruchtig, alle drei hätten mehr Druck Dynamik und Frechheit vertragen können, finden aber sicher auch ohne ihre Liebhaber, gerade bei den Freunden des nicht allzu säurestarken Champagners.

Aus Venteuil, wieder Vallée de la Marne, kommt Champagne Maurice Grumier. Fabien Grumier hatte die Cuvées Amand Extra Brut, Mill. 2005 Extra Brut und Instant Brut Nature mitgebracht, außerdem gab es einen Meunier aus Festigny zu probieren, eine der Hochburgen des Spitzenmeunier, sowie eine Solera, begonnen 2013. Mein Favorit dieser Auswahl dicht beieinander liegender Champagner war die Cuvée Amand aus einem Viertel Pinot Noir und sonst Chardonnay, mit 6 g/l dosiert. Reichhaltig, von altmodischer Großzügigkeit, der man einen kundigen Holzeinsatz abschmeckt.   

Sehr gut gefiel mir außerdem die Leistung von Jérôme Bourgeois, der Champagne Bourgeois-Diaz aus Crouttes sur Marne vertreten hat und dessen Rosé ausgezeichnet mit schwarzen Noten von Pfeffer und Lakritz arbeitet. 

Nicht so gut gefallen haben mir die Champagner von Nathalie Falmet. Der Brut Nature war so karg, dass er mir schon bitter vorkam, der eigentlich sehr schöne, wenngleich ebenfalls karge Einzellagenchampagner Val Cornet und selbst der Rosé de Saignée waren alle nicht Hochform. Das habe ich schon besser von ihr getrunken, daher hier keine weiteren Auswalzungen. 

Ein Traum in weiß: schöne Chardonnay-Champagner

Es gibt nichts schlimmeres, als einen durchschnittlich guten Blanc de Blancs. Das ist eines der wenigen Weistümer, die ich auf meiner Âventiure des Champagners erlangt habe. Das Thema Blanc de Blancs Champagner ist so ausgelutscht, fad und arg, dass man damit wirklich niemanden mehr belästigen mag. Und doch finden sich immer wieder Mutige, die es auf sich nehmen, die letzte, nein allerletzte Facette zu erspüren. Sascha Speicher vom Meininger Verlag ist zB so einer.

Aus meiner Tirade nehme ich, das vorweg, die Blanc de Blancs aus, die unter Beteiligung der alten Rebsorten entstanden sind, also alles, was mit Pinot Blanc, Arbane, Petit Meslier oder gar Pinot Gris zu tun hat. Mein Verdikt gilt nur für die – mengenmäßig ohnehin allein maßgeblichen – Chardonnaychampagner. 

Warum eigentlich ist denn nun also Blanc de Blancs Champagner so schlimm? Oder anders, was ist schlimm daran, Blanc de Blancs gut zu finden? Der Reihe nach. Blanc de Blancs sind an sich gar nicht schlimm. Schlimm ist nur die Verwahrlosung, die in diesem Champagnersegment herrscht. Die Einfalls- und Mutlosigkeit, die Mentalität des "lieber sicher als gut", die einlullende Überformung des antizipierten Massengeschmacks. Das ist schlimm am durchschnittlichen Blanc de Blancs. Über die dazu noch handwerklich schlecht geratenen Exemplare brauche ich mich gar nicht auszulassen und habe da nichts abzuarbeiten, darum geht es mir auch gar nicht. Zur zweiten Frage: warum darf man Durchschnittschampagner nicht gut finden? Antwort: dochdoch, man darf, aber man braucht darüber nicht groß palavern. Im besten Sinne (be)merkenswerte Champagner sind das nicht. Trinken und vergessen reicht völlig. Nur wenn es um mehr gehen soll, als gewohnheitsmäßig in Trab gehaltenen alkoholischen Metabolismus oder Champagner als reflexhaft geordertes Abschleppgetränk für Menschen, die Cliché für ihren höchstpersönlichen Geschmack halten oder rundheraus jede Entscheidung als Geschmackssache, in Sachen Wein und Champagner besser bekannt als "schmeckt mir oder schmeckt mir nicht"-Antwort, patziger noch: " mir schmeckt er halt", zu Tode relativieren – dann, ja dann wird es interessant. Nur ist das Eis in dieser Region sehr dünn. So dünn, dass es für die meisten nur aus der Ferne zu betrachten ist und dementsprechend verfälscht ist dann auch die mehr oder weniger sachunkundige Einschätzung.

Einige Champagner, die eine Betrachtung aus der Nähe lohnen, sind diese hier. Es sind nicht unbedingt die ultrararen oder ultrateuren Champagner oder förmliche unicorn wines, wie man so schön sagt, aber es sind Champagner, die Beschäftigung bieten und die man haben wollen muss.

1.a) Eric Rodez Blanc de Blancs Brut

Eric Rodez hier, Eric Rodez da, Eric Rodez überall. Seit Jahren hat der Mann bei mir einen festen Platz im Champagnerherz und muss deshalb immer wieder als Paradewinzer herhalten, wenn es um rebsortenreine Champagner, Multi Vintage und Kunst der Assemblage geht. Denn das kann er wie kaum ein anderer, ohne dass er dabei verschreckend oder verstörend wirkt. Man kommt sich bei ihm nicht vor wie bei einem irren Sektierer und allein schon für dieses gute Gefühl hat er meine Wertschätzung. Als Blanc de Blancs ist eigentlich der Einsteiger von Rodez schon hinreißend genug, noch verrückter wird es erst mit den Empreinte de Terroir Chardonnays, von denen sich jetzt noch einige 1999er am Markt befinden und der aktuelle 2003er, die gleichermaßen obergeil sind.

Bei dieser Gelegenheit weise ich gleich noch auf drei Champagner hin, die ebenfalls Aufmerksamkeit verdient haben und sich in gewisser Hinsicht sehr ähnlich sind:

– Regis Fliniaux Blanc de Blancs d'Ay Grand Cru NV, Regis ist in der Dorfmitte zu Hause und leider immer ausverkauft, aber wenn man beharrlich genug in seinem Minimuseum stehen bleibt und etwas zu kaufen verlangt, degorgiert er ggf. spontan was weg und stattet die Flaschen mit ihren Etiketten aus. Der Blanc de Blancs aus ay ist eine Seltenheit, weil in diesem Ort niemand Sinn für Chardonnay hat, alles stürzt sich verständlicherweise auf den Pinot. Dabei sind die Chardonnays von hier so herrlich eigenständig und beweisen mit ihrer typischen Aromatik beste Herkunft, da ist es ein Jammer, dass nicht mehr Winzer Blanc de Blancs d'Ay produzieren.

– Gaston Chiquet Blanc de Blancs d'Ay Grand Cru NV, wenn man Chiquet hört, denkt man schnell nur an die Chiquet-Brüder, die Jacquesson leiten und in immer neue Sphären heben. Aber Gaston Chiquet, wenige Meter daneben, ist immer gut für einen tiefen Schluck aus der Pulle. Sein Blanc de Blancs d'Ay gehört zu den ältesten, wenn es nicht sogar gleich ganz der erste ist.  

– Lallier, der einstige Kellermeister von Deutz & Geldermann, ist als Dritter im Bunde in Ay ansässig und macht einen Blanc de Blancs, der zu 70% Chardonnay aus den Dorflagen enthält und 30% aus der Côte des Blancs. Das hievt in nicht in ganz dieselbe Schiene wie die anderen beiden, aber ist auf jeden Fall probierenswert, um Erkenntnisse abseits des Massenchardonnays zu sammeln. 

2. Agrapart Minéral Blanc de Blancs Grand Cru Extra Brut 2005

Ein anderer Winzer aus dem Spitzensegment und einer der großen Avize-Winzer ist Pascal Agrapart, der unermüdlich an neuen Cuvées arbeitet. Wie bei Rodez kursieren vom Minéral derzeit zwei Jahrgänge, 2005 und 2007; der Verzihz auf BSA gibt dem Chardonnay sehr viel Schwung mit, wobei dem kräuterigen Apfelaroma Sahnigkeit und edle Herbe kunstvoll zur Seite gestellt sind.  

3. de Sousa Cuvée des Caudalies Blanc de Blancs Grand Cru Brut

Der dritte große Avize-Winzer, der sofort die Synapsen besetzt, wenn von dem Örtchen die Rede ist, ist Erick de Sousa, der als einer der ersten den Schritt zur Aufspaltung gegangen ist und unter seinem Namen die Winzertradition, das berühmte "RM" hochhält, während unter dem Label Zoémie de Sousa zugekaufte Trauben vinifiziert werden. Seine Cuvée des Caudalies ohne Jahrgang ist ein Klassiker der réserve perpetuelle und hat mir schon vor Jahren ein in mehreren Varianten erlebbares Paradoxon vor Augen geführt, nämlich das von Reife und Jugend im selben Champagner.  – man erlebt das sonst noch bei Spätdégorgements – überspitzt ausgedrückt –  in Form eines unerhörten Säureangriffs, dem dann unvermittelt wohltuende Tertiäraromen folgen. Bei der Cuvée des Caudalies ist es die besondere Solera-Weichheit, die den Champagner trotz seiner knackigen Säure so eindrucksvoll wirken lässt.  

4. Jacques Lassaigne Le Cotet Blanc de Blancs Extra Brut

Montgueux und die Winzer dieses Champagner-Tafelbergs, das ist per se schon etwas besonderes. Die Lage als südlichster Ausläufer der Côte des Blancs ist natürlich exponiert bis exotisch und so verblüfft es nicht, wenn sich einige der ansässigen Montgueuxwinzer von der fruchtigen Ausdrucksstärke ihrer Chardonnays dazu verführen lassen, allzu banale Weinchen zu vinifizieren, womöglich in der Hoffnung, bloßes Aroma könnte den entscheidenden Vorsprung garantieren. So ist es nämlich nicht. Im Gegenteil, das Aroma will korrekt geführt werden, sonst fasert es aus und macht den Wein lächerlich. Emmanuel Lassaigne ist einer, der das weiß und kann. Seine Champagner wirken puristisch und kompromisslos, auch salzig und gar nicht unbedingt wie Aromenschwergewichte. Aber Lassaigne geht mit dem großen Aromenvorrat, den ihm der Berg anvertraut um, wie der Bäcker mit dem Teig. Er knetet ihn gehörig und walzt ihn geschickt aus, am Ende steht kein dicker Klumpen mehr, sondern präzis ausgestochene Formen.

5. Rafael & Vincent Bérèche Côte Grand Cru Blanc de Blancs Extra Brut 2002

Bei Bérèche und kürzlich auch bei Janisson-Baradon hat sich dieselbe Entwicklung vollzogen, wie bei Agrapart, ein Teil der Produktion bleibt "RM", ein anderer wird "NM". Der Côte von Bérèche stammt aus der NM-Linie. Das macht ihn nicht schlechter, ganz im Gegenteil. Der Chardonnay für den Côte stammt großteils aus Cramant, der Ort ist bekannt für Ausgewogenheit und die Vereinigung aller Stärken der umliegenden Grand Crus. Ausgewogenheit ist deshalb bei diesem Champagner auch das Hauptstichwort. Die Säure ist zurückhaltender, Apfel, Nüsse und Brioche sind da, aber bleiben dem Rampenlicht fern. Und das ist klug, denn durch die marktschreierische Art, mit der diese typischen Aromen immer wieder an den Mann gebracht werden, gewinnt man keine Freunde. Die Textur ist seidig, fast hätte ich gesagt mehlig, denn kurz hatte ich den Eindruck, aber das teigige Element findet sich hier allerhöchstens in Form einer Erinnerung an Laugenbrezeln. 

6. Bruno Paillard Blanc de Blancs Brut 2004

Die gewaltige Ernte des Jahrgangs 2004 hat uns Champagner beschert, die von manchen mindestens auf dem Nioveau von 2002 gesehen werden, von manchen aber auch als gefährlich substanzschwach, ja dünn bis wässrig gesehen werden. Die Gefahr mangelnder Konzentration sehe ich beim 2004er Chardonnay von Bruno Paillard nicht. Er wirkt etwas fetter sogar, als der Côte von Bérèche, aber das mag eine Dosagefrage sein.

7. Duval-Leroy Blanc de Blancs Brut Nature 2002

Nussig, reif, mit Hefezopf und einem dezenten Holzeinfluss präsentiert sich der Chardonnay Brut Nature aus dem Duval-Leroy, das vor allem wegen seiner exquisiten Authentis-Champagner bekannt ist und das ich wegen der Femme de Champagne genannten Spitzencuvée schätze, die es jetzt auch als Rosé gibt. Der Chardonnay in undosierter Form ist recht neu und Zugeständnis an den dorthin drängenden Markt, sofern man bei der als brut nature insgesamt verkauften Menge an Champagner überhaupt von einem richtigen Markt reden kann. Jedenfalls aber ist dieser Champagner ein Bekenntnis in Richtung der Winzer, die damit angefangen haben, Einzelmerkmale vor Kontinuität im Geschmack zu setzen. Sahnig und reif, mit viel gelber Frucht schließt dieser untypische Champagner.  

8. Taittinger Comtes de Champagne Blanc de Blancs Brut 2005

Die Aromenklassiker Nuss, Hefe, Toast und Apfel haben diesen Champagner zu recht berühmt gemacht und unter den Chardonnay-Prestigecuvées gehört er zum nicht wegzudenkenden Inventar. Besonders, wenn er seine zwanzig oder fünfundzwanzig Jahre hinter sich gebracht hat, wobei ich mich mit wohligem Schaudern an den 1994er Comtes de Champagne erinnere, den ich technisch für toto und in einer Probe nur als Kuriosum hätte betrachten wollen, der dann aber so aufdrehte, dass ich mich über meine voreilige Einschätzung richtig geärgert und umso mehr am Champagner gelabt habe. Zurück zum 2005er, der seinen Reiz von Currystraucharomen, Safran, Zimtblatt, Muscovado und trotz all der Orientalik einer kreuzfahrerischen Gemütsruhe und kühlen Ausstrahlung bezieht. Er wirkt und ist süßer als die Chardonnays der Winzer, aber meiner Liebe tut das keinen Abbruch.  

9. Ruinart Dom Ruinart Blanc de Blancs Brut 2002

Zusammen mit dem Comtes de Champagne und dem Blanc de Millénaires von Charles Heidsieck ist das wahrscheinlich einer der größten Chardonnaychampagner, die man von einem Erzeuger dieser Größenordnung bekommen kann. Er gehört schon kurz nach der Freigabe zu den würzigsten, auch am mutigsten mit Röstaromen versehenen Champagnern, bleibt aber dank des verschwenderischen Einsatzes von Butterschmalz, Hagelzucker, Macadamia, Pekan- und Paranuss, einer glanzvollen Parade unterschiedlichster Apfelsorten und dank seiner enormen Durchzugskraft nicht stehen, sondern spurtet unermüdlich und raubkatzenhaft über den Gaumen. 

Champagnergala – Schlosshotel im Grunewald, Berlin

Ein Schloss ohne Leben ist wie ein Champagner ohne Perlen. Das teilweise von Karl Lagerfeld eingerichtete Palais Pannwitz wurde zuletzt mehrfach hin- und herverkauft; etwas länger zurück liegen auch die lebensfrohen Zeiten, in denen Romy Schneider hier geheiratet oder Demi Moore mit Ashton Kutcher die Laken zerpflügt hat. Das Schlosshotel im Grunewald drohte als ex Vier Jahreszeiten, ex Ritz-Carlton, ex The Regent um ein Haar, den Anschluss an die sich laufend selbst erneuernde Spitzenhotellerie im Zentrum der Stadt zu verpassen. Jetzt hat es einer gekauft, der dem ehrwürdigen Haus neues Leben einhauchen will, ohne den in der Lobby hängenden Kaiser (Wilhelm II.) noch im Tode zu vergraulen. Nur, wie füllt man ein Schlosshotel mit Leben? Indem man es mit Champagner füllt. Das ließ sich der damit beauftragte Tjorben Montefury nicht zweimal sagen. So prompt, wie flugs und leichthändig richtete er am vergangenen Montag eine Champagnergala aus, die sich sehen lassen konnte – und auf der man sich sehen lassen konnte. Man, das heisst die unabdingbare Klatschspalten- und Grunewaldprominenz. Die hielt freilich erst Einzug, als die freihabenden Sommeliers und Gastronomen schon wieder abgezogen, selig in den Korbmöbeln auf der Terrasse weggeschlummert oder noch ganz anders beschäftigt waren.

Aufgefahren wurde ein schöner Mix großer Häuser mit schlossgeeigneten Champagnern und einige weniger bekannte Erzeuger. 

1. Billecart-Salmon zeigte sich im schmucken Gewand, mit dem gediegenen 2004er, einem seit seiner Freigabe immer besser werdenden Sous Bois, der jetzt leider bald ausverkauft sein wird und dessen dauerhafte Aufnahme ins Programm von Billecart leider sehr fraglich erscheint, außerdem mit Nicolas-Francois Billecart 1999. Den 1998er finde ich jetzt und für die nächsten Jahre optimal, der 99er wird sich als guter Nachfolger und meinem Gaumen sicher nicht zum letzten Mal die Ehre erweisen.

2. Piper und Charles Heidsieck standen nebeneinander und waren dabei so grundunterschiedlich, dass man wahrscheinlich schizophren werden oder bewusstseinserweiternde Drogen nehmen muss, um die Arbeit von Regis Camus wirklich verstehen zu können. Charles Heidsieck war mit dem Jahrgang 1999 und 2000 in weiß und rosé da, sowie mit dem bombastischen Blanc de Millenaires 1995 im neuen outfit. Dessen Knalleffekt blieb beim wievielten Mal nachprobieren natürlich aus, aber jedes Mal wenn ich ihn trinke, freue ich mich riesig, dass es mit dieser Cuvée in der viel geschmähten Großhausluxusklasse etwas gibt, das selbst abgebrühteste Gaumen noch zu kitzeln vermag. Piper überzeugte mit dem neuen Millésime 2006, der mir jetzt schon besser gefällt, als der bis dahin bereits gute 2004er je tat und weil danach Rare 2002 zu erhalten war, der sich gegenüber meinen letzten beiden Proben im März 2014 und Oktober 2013 noch einmal fortbewegt, vor allem aber dosagemäßig beruhigt hat, wäre ich gern noch länger am Stand geblieben; dazu trug ganz zum Schluss noch der Brut Sauvage Rosé bei, den ich bei Piper schon einmal in der weißen Jahrgangs-Urform zu kosten bekommen hatte und der vor einigen Jahren ohne erkennbare stilistische Verwandtschaft zu den Mode-Rosés gehört hat. In der Ecke würde ich ihn auch bis heute sehen. Dreißig Jahre Glaschenreife halte ich bei dieser Cuvée nicht für förderlich.

3. Philipponnat glänzte mit einer der einheitlichsten Stilistiken überhaupt, vom einfachen Brut aus der Magnum über Brut Nature, Blanc de Blancs, Milléime 2008 und Blanc de Noirs, bis zum Rosé eine einzige geschlossene Front. Die brach erst auf mit dem Cuvée 1522 weiß aus dem Jahrgang 2004 und dem formidablen Clos des Goisses 2000. Mir gefiel der 1522 besser, als der Clos des Goisses, weil er etwas fülliger zu sein schien und nicht so verhalten auftrat. Dem Clos des Goisses tut das keinen Abbruch, er war erst im November 2013 degorgiert worden und hat seine beste Zeit deshalb noch vor sich, wie ich von mehreren Begegnungen innerhalb der letzten vier, fünf Jahre weiß. An den 2001er kommt er meiner Meinung nach noch immer nicht heran, aber der stand am Montag überhaupt nicht zur Debatte.

4. Lallier entließ den einfachen Brut, den Blanc de Blancs und einen Rosé ins Glas. Der Blanc de Blancs war davon am bemerkenswertesten, auch wenn er nicht, wie von mir in solchen Fällen bevorzugt, zu 100% aus Ay stammte, sondern "nur" zu 80%, der Rest dann aus der Côte des Blancs. Zu Lallier werde ich in nächster Zeit noch ein paar mehr Worte zu verlieren haben, weil ich schon um das Jahr 2000 herum gehörigen Trinkspass mit diesem bei uns seltsam unbekannten Erzeuger verbunden habe; damals gab es in Münster ein kleines Weinlädchen, über das ich Geschmack an Lallier gefunden hatte, wobei Münster in Sachen Champagner schon damals nicht zu verachten war, wenn ich etwa an die Maison de France von Marie-Claire Buffet am Friesenring zurückdenke.

5. Moet et Chandon hatte Grand Vintage 2004 in weiß aus der Magnum und als Rosé 2002 dabei. Speziell der weiße Grand Vintage ist so moetig, wie ein Champagner überhaupt nur sein kann, das heißt fruchtig, optimal balanciert und Ausdruck selten erreichter Könnerschaft im Umgang mit dergestalt vielen Grundweinen, wie sie mancher Kellermeister seinen Lebtag nicht zu beurteilen hat. Als Rosé war mir der Champagner etwas wenig dynamisch und schien mir insgesamt verschlossen bis abweisend, was bei einem so schönen Jahrgang durchaus Wunder nimmt. Mag sei, dass ein plénitude-Wechsel ansteht und demnächst Tertiäraromatik zum Vorschein kommt, dann kann und darf, ja muss es wieder aufregend werden, mit diesem buchstäblichen Grand Vintage.  

6. Pommery wollte ich eigentlich zweimal besucht haben, weil ich nach dem jugendfrischen, erst vor kurzem überhaupt in die Welt entlassenen Apanage Prestige und der allerfeinsten Louise 1999 unbedingt noch die Vranken-Champagner kosten wollte, kam dann aber aus Zeitnot nicht mehr dazu. Ja, die Louise 99, das ist ein feines Stöffchen. Nicht auf demselben Level wie 2002, aber doch weit über dem, was man gemeinhin mit Jahrgängen wie 1998 und 1999 verbindet, die geschwisterlich und geflissentlich als mauer Ausklang des Jahrzehnts angesehen werden, auchvon mir übrigens. Das aber auch nur, weil es wirklich nicht soo viele famose 98er und 99er gibt, die meisten Champagner bis zum großartigen 2002er sind kaum mehr als solide Handwerksarbeit, die nicht zu grenzenloser Begeisterung hinreißt, selbst bei den Prestigecuvées nicht, die zwischen 1996 und 2002 fast alle etwas gebeutelt dastehen. Zu den wenigen Ausnahmen gehört die Louise 1999 und vielleicht erweist sich ja bald noch der eine oder andere Spitzenchampagner anderer Erzeuger als Überraschungskandidat, es würde mich für alle freuen, die damals tüchtig in diese Jahrgänge investiert haben.  

7. Lenoble hat mit dem Brut Intense einen modernen Klassiker in die Flasche gebracht, der sich demnächst sicher noch als parkettfester Begleiter ausgesuchter Speisen erweisen wird; ich kann das deshalb so leicht behaupten, weil ich mir selbst zum Ziel gemacht habe, eine kleine Verkostung damit zu garnieren. Litschi, Drachenfrucht, Nashibirne, Nektarine, eine elegant ausgebreitete UNterlage mit Aromen aus der Wiener Feinbäckerei, präzis abgestimmte Säure, wer da groß was zu meckern hat, weiß nicht viel über guten Champagner.

8. Taittinger hatte einen ungewöhnlich starken Brut in der Magnum dabei und zauberte mit dem Comtes de Champagne 2005 nicht nur mir ein Lächeln ins Gesicht. Das verging nicht, als ich danach noch den höher dosierten Nocturne im Discokugel-Look probierte, denn zeitgleich eilten Kellner mit Thunfischhappen, Salat-/Erdbeerbouquet und Verbenenjus herbei, was den gar nicht so pappsüss schmeckenden Champagner bestens einrahmte.

9. Louis Roederer hatte ich unmittelbar nach Philipponnat aufgesucht und mir dort den Brut schmecken lassen, bevor ich mich an Rosé 2008 und Cristal 2006 heranmachte. Der Brut Premier von Roederer ist ein Champagner, der von Holzfasspolitik glänzend profitiert und den Trinker großzügig daran teilhaben lässt. Ein besonderer Trunk ist der eigenwillige, aber sehr gut gelungene Jahrgangsrosé, der große Anlagen in sich trägt und in ein paar Jahren macnhem Prestige-Rosé den Rang streitig machen könnte. Unbestritten in der Prestigeklasse zu Hause ist der jüngste Cristal. 2006. Einer der besten Cristalle, die ich seit längerer Zeit getrunken habe, vom denkwürdigen 1941er abgesehen. Ich bin geneigt, mich bei meinen Äußerungen zu Cristal zu wiederholen, aber ich meine es immer wieder ernst. Also: Cristal 2006 ist magnifique. Vor allem hat er eine hypnotisierende Säure, die ihn über seine Vorgänger 2005, 2004 und 2002 hebt und ihm im günstigsten Fall ein längeres Leben bescheren wird, als vielen weiteren, auch sehr guten Cristal-Jahrgängen. 

10. Gosset trumpft seit einiger Zeit verstärkt nicht nur mit seiner Celebris-Reihe auf. Man hat sich renoviert, die Etiketten sind entrümpelt, der Chic ist geblieben. Fassvinifikation und Verzicht auf biologischen Säureabbau waren immer die Asse, die Gosset neben dem hohen Alter hinlegen konnte. Überzeugt hat Gosset meiste im Mittelfeld mit den Champagner der "Grande …" Reihe, der einfache Brut Excellence ist, nach meiner Wahrnehmung besonders im Ruhrgebiet, für viele Gastronomen eine schöne Einstiegsdroge. Ein Kleinod, an dem Viele wahrscheinlich achtlos vorübergegangen sind, gab es auf der Champagnergala von Tjorben zu probieren, das ist der Petite Douceur Rosé Extra Dry. Extra Dry? fragen sich jetzt alls Naturweintrinker und Extrempuristen. Ja, Extra Dry. Denn die Champagnerwelt lebt nicht von der Reduktion des Zuckers auf Null oder in den Unter-Null-Bereich hinein, wenn es denn so etwas gäbe, sondern Dosage ist ein Spielzeug, das man in zwei Richtungen bewegen kann. Gelangt man in Extrembereiche, ist der Spielspass schnell weg. Das gilt für dosagelose Champagner wie für zu hoch dosierte Champagner. Wenn ein Kellermeister – in Wahrheit ist es natürlich seltenst nur ein Kellermeister, sondern in der Regel ein ganzes Team von Verantwortlichen – mit Dosage umgehen kann, wirkt sein brut nature nicht armselig, unreif, grün, klapperig oder ausgezehrt und sein extra dry, dry oder doux nicht moppelig, breitgelatscht, vogelscheuchig oder clownesk überschminkt. Dies süße Rosékreation von Gosset ist so ein gelungenes Kellermeisterstück, das nicht zu jeder sich bietenden Gelegenheit getrunken werden will, aber zu mancher Gelegenheit passt, wie nichts sonst. Das macht den Experimentalchampagner, von dem es zunächst nur ca. 2000 Flaschen gibt, zu einer Bereicherung. Blanc de Blancs und Grand Millésime 2004 von Gosset verdienen eine lobende Würdigung, weil sie den Stil des Hauses nach wie vor gut verkörpern; der Champagner, über den ich mich bei Gosset am meisten gefreut habe, ist aber der Petite Douceur.     

  

Die grösste Champagner-Bar der Welt: La Côte des Bar (III/III)

Weiter geht die Reise entlang der großen Bar. Die nächste Station ist Veuve Devaux, bevor zum Schluss zwei Mitspieler der Winzertruppe Terres et Vins de Champagne kommen, über die ich im Rahmen der Verkostungsberichte von den großen Frühjahrsverkostungen noch mehr zu sagen haben werde.

VII. Veuve Devaux

Die große Cooperative der Aube gehört mit Co.Ge.Vi, der ältesten Champagner-Genossenschaft, zur Alliance Champagne. Unter deren Dach befinden sich außerdem die Union Auboise und Covama, die mit Marken wie Champagne Pannier, Champagne Jacquart, Champagne Montaudon und Champagne Collet operieren. Ein Riesenladen also, der 2500 ha Rebfläche kontrolliert. Marie Gillet und Kellermeister Parisot waren so freundlich, mir Teile dieses Reichs zugänglich zu machen.

Das ist im Leben hässlich eingerichtet/Daß bei den Rosen gleich die Dornen stehen.

Deshalb geht es zuerst an die Vins Clairs, den Zahnschmelz etwas zurückstutzen. Das ist jedenfalls immer meine Grundbefürchtung. Im Idealfall präsentieren sich die Grundweine dann viel zahmer als gedacht und sind für Rieslingtrinker nicht selten richtiggehend trinktauglich.

Bei den Blanc de Noirs aus Riceys mit und ohne BSA fielen mir lakritzige, süßholzige und Noten von Cassis auf, stets umwölkt von einem mentholischen Einfluss, teilweise mit feinkörnigem Salz, insbesondere der allererste Vorlauf der ersten Pressung, also im Ergebnis ein Anteil von vielleicht 200 Liter, war bei aller feingliedrigen frucht doch sehr salzig.

Der Chardonnay war recht umgänglich, gleich, ob aus Montgueux, Chouilly, Montaigu oder sonstwo in der Champagne. Gutmütig, weich, mit reifer Zitrone, etwas banane und dem Frühstücksapfelkompott von Danone sehr ähnlich, das ich wenig zuvor verspeist hatte. 

Die Reserven aus dem Fuder waren da schon deutlich komplexer. Beim Mix aus 55PN 45CH schien mir das Holz noch etwas zu üppig, aber da der Wein hintenrum wie ein Ballon aufging, ist er dort wo er jetzt ist, gut platziert und wird sich dermaleinst als wohlbalancierter Reservewein erweisen. Ganz anders eine Solera aus Chouilly-Chardonnay, 1995-2012, die nicht im Fuder sondern im Tank heranwächst. Hier hat sie viel Raum für grosse aromatische Flexibilität, der Wein wird so weich und soleratypisch, wie angestrebt, schon jetzt zeigt er sich mit feiner Spannung und köstlicher Nuss. Eine später angelegte Solera Cuvée "D" von 2002-2012 mit 40CH 60PN entpuppte sich als sehr femininer Wein, chambollehaft, in der Nase ein feines Parfum, im Mund weich und säureschwach, das Holz nur als Idee merklich, ohne technische Funktion.

Bei den fassvinifizierten Weinen gab Riceys sich als sportliche Joggerin, Banane und Fruchtzucker sind die passenden Energielieferanten, das Holz strukturiert und in der Nase fühlt sichs wohlig warm an. Die fassvinivizierten Montgueux hielten sich leider nicht besonders gut, grillierte Süß-Salzigkeit herrschte vor und wurde von einem Chinakohltönchen nicht gerade positiv untermalt. Da muss sich noch was tun. Viel getan hat sich beim elegantesten der Weine, der von einem für Eleganz bekannten Terroir stammt, nämlich aus Urville, und mich sogleich an die Weine von Drappier erinnerte, bei denen genau diese geschliffene und polierte Eleganz ein bestimmendes Wesensmerkmal ist. Der Pinot aus der Vallée  de la Seine 2008 hingegen stammte aus einem der am frühesten ausreifenden Sektoren und ließ das auch schmecken. Muskat und eine verschlafene Weiblichkeit schienen mir hier prägend. Nördlich von Urville tendiert die Eleganz in Richtung atärkerer Fruchtigkeit; südlich, auf dem Hochplateau zeigt der Pinot wieder vermittelnde eigenschaften und in Riceys stehen sich Frucht und Kraft gegenüber.

Ganz interessant finde ich immer wieder, wie viele Anregungen die Champagne aus der Bierindustrie übernimmt. Dort wie hier wird Tangentialfiltration und Jetting angewandt, was im fertigen Produkt wahrscheinlich niemanden interessiert. A propos fertiges Produkt: als nächstes kommt bei Devaux das Degorgierdatum aufs Etikett, was ich sehr begrüße. 

Champagnes:

1. Cuvée "D" Extra Brut

Feine, wohlige Wärme, das jodige, meinetwegen mineralische, salzige Element macht den Champagner zu einer Empfehlung bei Speisen ohne jegliche Sauce. Raffinierterweise merkt man nichts vom eingesetzten Holz, positiv dürfte wohl auch der Einfluss von Reserveweinen ohne BSA zu werten sein.

2. Cuvée "D" Brut

Der Chmpagner wird von Grillaromen beherrscht und ist mit 8 g/l dosiert, das macht ihn rundlich und gut, da er trotz allem  nicht zu hoch dosiert erscheint.

3. Cuvée "D" Rosé 

Ein Assemblagerosé, die Rotweinzugabe liegt bei 10-12%, der Pinot dafür stammt aus Riceys und Neuville. Der Rosé "D" ist immer ein jahrgangschampagnerg, aktuell 2008 aus hälftig CH/PN, ein Drittel bis zur Hälfte davon ist ohne BSA. Das ergibt eine Buttergebäcknase, lecker frisches Backofenbrot, außerdem ersetzt der Champagner den roten Fruchtaufstrich beim Frühstück. Wieder sind mit 7 g/l höhere Dosagewerte erreicht, als ich bevorzuge, aber die ansprechende, sogar etwas scheue Nase und das helle, schwache, ja hilfeheischendes Rosé mit weissem Charakter versöhnt mit dem unbotmäßigen technischen Wert. Insgesamt ist der Rosé frisch bis unschuldig, mit herzlichem Griff.

4. Millésime 2002 en Magnum, dég. Ende 2012 

Die Normalflasche ist schon bei 2005 angekommen, daher war es schön, diesen in der Aube gut gelungenen Jahrgang nochmal probieren zu können. Hälftig PN/CH, zeigt er sich reif und entwickelt, mit erstem Kastanienhonig und getrockneten Blüten, vor allem Kamille, was mir nicht so arg zusagte; ich würde den Champagner noch etwas liegen lassen.

 

VIII. Olivier Horiot

Wer meine Notizen verfolgt, weiss, dass ich Horiot schon länger im Blick habe, mit den Jahrgängen vom Anfang der 2000er Jahre aber gehadert habe. Nach mehreren ins Land gegangenen Jahren und Ernten hat sich das geändert. Bei meinem jüngsten, aber beileibe nicht letzten Aube-Besuch habe ich einen Blick in das Reich von Horiot geworfen und bin zusätzlich beruhigt. Dort läuft alles bestens. Die Frühjahrsverkostungen in der Champagne sind mittlerweile leider weit davon entfernt, getreue Lagebilder zu liefern, einfach weil es dort zu voll und drängelig ist. Für mehr als eine grobkörnige Momentaufnahme reicht es nicht; wenn man aber die Summe der Verkostungseindrücke zusammennimmt, ergibt sich sehr wohl ein brauchbares Bild, das sich insbesondere schärft, wenn man die deutlich verbesserten Einkaufsmöglichkeiten nutzt, die der Onlinehandel bietet. Denn dank einiger engagierter Händler bekommt man heute mühelos Champagner nach Hause geliefert, die früher unbedingt eine Tour vor Ort erforderten. Da mir die ruhige Nachverkostung besonders heißer oder besonders wackliger Kandidaten sehr wichtig ist, freue ich mich natürlich sehr über diese Entwicklung. 

Eine verdienstvolle Hilfe beim Terroirverständnis bietet Horiot mit seinen Stillweinen an. Den südlich ausgerichteten "En Valingrain" kann man dabei als den Grand Cru und den ostexponierten "En Barmont" als Premier Cru verstehen. Der Valingrain 2009 ist leicht, elegant, mit Kirsche, Cassis, Blüten, Malz, Nüsschen und zum Schluss hin Süßholz, manches Belgische Bier könnte so duften. Fruchtiger und um eine Spur einfacher gestrickt ist der Barmont, mich erinnern beide entfernt an Barolo und Barbaresco. En Valingrain hat 2010 als Besonderheit einen weißen Coteaux Champenois hervorgebracht, der sich aus Chardonnay, versehentlich vom Père Horiot gepflanzt, und Weißburgunder zusammensetzt. Schmatzt sich buttrig und karamellig vom Gaumen weg und ist mit mäßiger Säure ausgestattet, ganz ähnlich Badischem Weißburgunder aus der Dr. Heger Klasse, dachte ich mir beim probieren.

1. Cuvée Sève Rosé de Saignée 2007 Extra Brut

Pinot Noir aus Fassvinifikation, der ab 2008 aus der Lage Barmont stammt. Dieser hier ist immer noch sehr beerig, hat aber auch händevoll Rosenblüten, phenolische und nussige Töne gehen darin fast völlig unter, der Champagner wirkt auf mich wie persisches Pistazien-Rosenblüteneis. Mit Luft wird er dann auch sehr lasziv, eine sofortige Verführungsgarantie gibt es aber nicht, der Rosé 2007 ist dann doch mehr vom Typ trojanisches Pferd oder Langsamwirker.

2. Cuvée Sève Blanc de Noirs 2008 Brut Nature

Die weiße Version des Sève dampft sich, im Glas angekommen, erstmal aus wie jemand, der nach 20 Minuten 95°C-Sauna in den Schnee hinaustritt.Speck, Rauch und Nussmix, Räuchermandeln, Ingwer, Zitronengras und tonisierende Herbe. Ein Champagner von der Aube in denkbar guter Form!

3. Cuvée 5 Sens 2009 Brut Nature

Arbane, Pinot Blanc, Pinot Meunier, Pinot Noir und Chardonnay, fassvinifiziert und über ein Jahr dort drin gelassen, um sich zu vereinigen. Der resultierende Champagner ist saftig und trägt reichhaltige rote Äpfel mit sich herum, außerdem Blütenblätter, darunter wieder Rose und wie so oft in diesen Zusammenstellungen alter Rebsorten habe ich den Eindruck, im Konzert zu sitzen, wo jede rebsorte eine Solopartie spielen darf und sich sonst als teamplayer beweisen soll. Nicht allen gelingt das immer so gut, wie hier.

4. Cuvée Métisse Noir et Blancs Extra Brut

80PN 20PB, 2006er Basis, damals noch im kleinen Fass vinifiziert, jetzt ins Fuder übergesiedelt; der Reservewein stammt aus Solera, die Dosage liegt bei 2 g/l. Schönes easy drinking, wenn man zB an Horiots Wuzzler kickert. Nashibirne, Litschi, Apfel; als Siegestrunk genauso gut, wie wenn man verloren hat und den Schmerz zu lindern sucht. 

 

IX. Marie-Courtin

Die Aube ist bekannt für ihre starken Pinots, die Chardonnays aus dem nächst Chablis gelegenen Champagne-Teilgebiet kennt man hingegen seltsamerweise kaum. Von Pinot dominiert sind gewöhnlich auch die Champagner von Dominique Moreau, die unter dem Namen ihrer Großmutter derzeit heftig reüssiert: als Hommage an die Ahnin heißt das Haus „Marie-Courtin“. Die Formel für den brausenden Erfolg ist sorgsame sélection massale im Weinberg, wo konsequente Biodynamie stattfindet, während die Holzfassvinifikation mit weinbergseigenen Hefen weitestgehend interventionslos erfolgt. Unverfälscht ist daher auch die Präsentation ihrer Champagner, ganz ohne tünchende Dosage.   

Dominique Moreaus kleines Weingut an der Seine verfügt über Weinberge mit schöner Ostexposition, 6 Ar liegen am begehrten oberen Hügelrand, rechteckig darunter erstrecken sich die weiteren 2 Hektar. Bei einem so kleinen Betrieb gibt es nicht dauernd sehr viel Neues zu berichten; aber doch: etwas Arbane hat Dominique neu gepflanzt, die Rebsorte gibt freilich nur sehr wenig Ertrag von unter 2000 kg/ha. Man kennt die Champagner von Dominique hier noch nicht sehr gut, dabei macht sie alles richtig. Der Einsteiger ist rasant und messerscharf, die Concordance kommt völlig ohne Schwefel aus, Efflorescence und Eloquence sind Zeugnisse großer Weinbereitungskunst, die in keinem Augenblick verkrampft oder gezwungen wirkt.

1. Eloquence

Schöngeister, Humanisten und Angeber kennen Aristophanes als einen der großen griechischen Komödienschreiber, dessen Spott demaskiert. Ganz gleich, wo man sich nun selbst intellektuell ansiedelt, der Eindruck, den der Blanc de Blancs „Eloquence“ von Marie-Courtin macht, dürfte bei jeden ehrlichen Menschen mit einem Funken Weinverstand derselbe sein: Fassungslosigkeit und offenmündiges Staunen über den – und hier bediene ich mich bei dem genau zu diesem Zweck erwähnten Aristophanes – likymnischen Glutblitz unter den Champagnern und seine mehr als unverblümte Art. 100CH aus hälftig 2010 und 2009, 2009 hat Fassausbau genossen, 2010 war nur im Stahl; als reinsortiger Chardonnay stellt die Eloquence eine Ausnahme im Portfolio der Champagner von Marie-Courtin dar; doch bleibt die Dame dahinter ihren Prinzipien treu. Das erklärt den weihnachtskometenhaften Einschlag dieses Champagners am Gaumen, festlicher und natürlicher zugleich kann man gar nicht trinken. Feinste Holznoten bergen einen goldenen Schatz reifer Äpfel, Orangen und Gewürze, Säure strahlt selbst durch den dicksten Weihnachtsbraten noch hindurch und veredelt gestopfte wie ungestopfte Foie. Der Champagner hat außerdem eine Ladung gezuckerter Kräuter in der Nase, Rosmarin, Thymian fallen mir dazu ein, die leichte Zuckeranmutung ist fraglos auf den Extrakt des undosierten Champagners zurückzuführen. Sehr raffiniert und aus dem Hinterhalt wirken Rosenwasser, Faludeh, und Verbene auf den verblüfften Gaumen ein. Muss man probiert haben.

2. Resonance

100PN aus 2011, non dosé, aus dem Stahl, ist dieses Spitzenjahr frei von Krankheiten; der Ertrag lag bei Marie-Courtin zwischen 4600-9500 kg/ha und ergab diesen schlanken, glatten, erst im Hals vernachlässigbar hitzigen Champagner, der mit typischem Malzbonbon nicht gerade um sich wirft, aber doch sehr artig spielt. Agrumes, Nektarine und Ingwer schärfen den Champagner gekonnt auf. So geht ein gelungener Einstiegschampagner. 

3. Efflorescence

100PN, der Ausbau erfolgt für elf Monate in gebrauchten 228 l Fässern aus Burgund. Dem 2009er nimmt man gern sein feines Holzaroma ab und erfreut sich an der brillanten, schlanken, schimmernden Säure darunter, denn die notwendige Frucht bleibt voll erhalten und ganz am Ende hat das Holz einen wärmenden Einfluss.

4. Concordance 

100 ungeschwefelter PN aus 2010; das ist ein nur entfernt nussiger wein mit etwas oxidativem Ton, der kein Luftton ist. Delikat, vielschichtig, sonderbar im positiven Sinne.

ProWein 2014 – Die besten Champagner und Schaumweine

Die Prowein begann für mich am Samstag unter anderem mit einem sehr seltenen Champagner: de Marne – Frison Cuvée "Elion" Rosé. Von de Marne -Frison habe ich schon verschiedentlich berichtet und dabei letzthin leider auch erwähnen müssen, dass die Zukunft des 6,5 Hektarguts in Ville sur Arce (Aube) ungewiss ist. Aber Valerie Frison macht allein weiter, nachdem ihr Mann Thierry sich in den Süden Frankreichs verabschiedet hat. Die Zukunft ist also sicher und weil ich hoffe, dass sie auch rosig ist, kam der rare Rosé ins Glas. Der ist eher dunkel und so granatenfruchtig, so voller Granatapfel, dahinter Banane und Kirsche und ein etwas ungemütlicher Gerbstoff, dass mir um die Zukunft dieses sympathischen Kleinerzeugers nicht bang ist. 

Der Eröffnungssonntag brachte verschiedene schöne Schäumer ins Glas. Lanson öffnete beispielsweise aus der spätdegorgierten Jahrgangscollection (alles Magnums) ein paar Exemplare. Mir gefiel der ausdrucksstarke, einerseits sehr frische, andererseits gediegen-reife 1976er, dég. im Februar 2014, am besten.

Zuvor hatte Cyril Janisson aus seiner Einzellagen-/Einzelrebsortenserie den von "Chemin de Conges" in "Conges" umbenannten 2006er Meunier ins Glas gebracht und meinen Beifall geerntet. Der neue Jahrgang ist etwas niedriger dosiert, was ihm unheimlich gut steht und mehr Durchzugskraft verleiht. Der Champagner ist rassiger, klarer definiert, sportlicher und um Nummern forscher, als sein Vorgänger. 

In der nämlichen Champagnerlounge, die letztes Jahr erstmals oberhalb der Österreicher in Halle 7.1 zu finden war und heuer nicht so verdruckst im Halbdunkel, sondern in überwiegend strahlendem weiß vorzufinden war, schenkte Montgueux-Winzer Vincent Couche seinen Sensation 1997, dég. 12. April 2012, aus. Das ist seine Antwort auf den Trend zum verlängerten Hefelager und gefiel mir schon als 1995er sehr gut. Diesmal war eine Spur mehr Eleganz und Finesse, etwas weniger Oxidation und daher sogar mehr Trinkvergnügen als erwartet in der Flasche.

Von 1995 zu 1997 zurück zu 1995: Bruno Paillard, der zum Jahrgangsvergleich seiner aktuellen 2004er Vintages geladen hatte, überzeugte mal wieder mit seinem 1995er Assemblage, der sich bei mir wegen seiner perfekten Reife noch vor dem 2004er Blanc de Blancs, dem 2004er Cuvée und dem 1995er Blanc de Blancs platzieren konnte. Und das will was heißen, denn der 1995er Blanc de Blancs war in einer ähnlichen Vergleichsprobe mit den Jahrgängen 1989, 1995, 1999 Anfang des Jahres in Berlin noch mein klarer Favorit.

Die jungen Aube-Player Tendil & Lombardi mit dem verblüffend an Dom Pérignon angelehnten Etikett konnten vor allem mit ihrem Blanc de Noirs punkten, Piper-Heidsieck setzte sich mit dem 'gewöhnlichen' 2006er Vintage positiv nach oben vom sehr guten und mancherorts (FINE Champagne Magazine Nummer 1 der 100 Best Champagnes for 2011) für überragend gehaltenen Rare 2002 ab. Den sehe ich erst in der Spitzenriege, wenn der Babyspeck abgeschmolzen ist.

Bei den englischen Sparkling Wines ('Méthode Anglais') hat Gusbourne die Nase vorn; dort hat man sich Verstärkung geholt: Charlie Holland, der von Ridgeview kommt und Christian Holthausen, der vor gar nicht so langer Zeit von Piper-/Charles Heidsieck zu Nyetimber gewechselt hat. Während ich tüchtig mit Charlie probierte, schlürfte Christian übrigens den eben erwähnten Conges von Janisson-Baradon, was ich ihm von Herzen gegönnt habe. Schon länger im Auge habe ich von Camel Valley den Annie's Anniversary Brut, ein sagenhaft flottes Gerät mit quiekend frischer Säure, Boskoop und Lemon Curd, also allen Attributen, die man sich nur wünschen kann, um den eingestaubten Gaumen freizubekommen. Balfour hatten nur zwei Sparkler da, aber die waren ebenfalls sehr gut und hatten mir schon im letzten Jahr sehr gut gefallen. Die Präsentation war von der knorrigen Art und mit einem Humor, der den anhaltenden Kriegserfolg des Empires erklären hilft. 

Aus deutschen Landen habe ich leider nicht sehr viel probieren können, weil jeder Aufenthalt in der Deutschlandhalle selbst den ehrgeizigsten VKN-Produktionswillen unterminiert und zunichte macht. Vor lauter Begrüßung und Wiedersehen kommt man kaum zum probieren. Geschafft habe ich deshalb nur ein paar Flaschengärer wie Madame Bettys Rheingau Riesling Brut vom Sekthaus Solter, das auf den Etiketten witzigerweise und quasi im Anschluss an die Engländer (oder umgekehrt) die 'Méthode Allemande' für sich reklamiert. Aus der Raumland-Kollektion gefielen mir am besten Marie-Luise und Blanc et Noir, das Triumvirat muss noch ruhen, bevor es sich zum Gaumennahkampf rüsten soll. Vor allem optisch positiv aufgefallen ist mir außerdem mal wieder der Winzerhof Stahl aus Auernhofen, der in Würzburg die "Edel Stahl Brause!" versekten lässt. Dieser Riesling Brut Sekt ist mir eigentlich zu hoch dosiert und schmeckt verdächtig nach Aromahefen, aber wer partout keinen Champagner anrühren will, wird sich leicht mit diesem Frankensekt versöhnen und im Idealfall natürlich verwöhnen können.     

Aus Spanien drang lediglich eine Cava zu mir durch, die sich aber wegen des Chardonnayanteils darin selbst zu später Stunde noch mit Freude trinken ließ. Ausgeschenkt wurde sie von Hauptstadtwinzer Daniel Mayer, der für die spanischen United Wineries als Sales Director Deutschland fungiert. Eben diese United Wineries haben übrigens auch beim Sieger der italienischen Euposia Challenge unter den Rosé-Schäumern ihre Finger im Spiel. Denn der italienische Trento-DOC Erzeuger Cesarini Sforza, von dem der nicht zuletzt unter meiner Mitwirkung aufs Siegertreppchen gehobene "Tridentum Rosé" stammt, gehört den Spaniern.

Der Proweinmontag sollte Großes bereithalten. Nämlich die Party auf der Party: die Caractères et Terroirs de Champagne Single Vineyards Probe in luftiger Höhe. Jörg Kalinke hatte extra und dankenswerterweise höchst bereitwillig seine Bar M168 im Düsseldorfer Rheinturm zur Verfügung gestellt. So konnten gottlob 15 Champagnerwinzer ihren Stoff und seine Wirkung auf den menschlichen Organismus vorstellen. Champagne Aspasie brillierte mit den Cépages d'Antan und einem sehr gelungenen Brut de Fut, von Meunierspezialist Michel Loriot gefiel mir die Monodie, die mir aber neuerlich zu hoch dosiert vorkam. Über den modern gehaltenen Chétillons 2007 von Pierre Peters und die Cuvée des Grands Vintages muss ich glaube ich nicht viel sagen, die beiden haben ihren guten Ruf völlig zu recht, wenngleich sie völlig unterschiedliche Geschmäcker ansprechen. In Richtung des Chétillons ging auf der Caractères-Veranstaltung sonst nur noch die Einzellage "Les Fervins" von Penet-Chardonnet, der mit viel Energie den Markt aufrollt. Dass Eric Rodez auch mit Chardonnay umgehen kann, wissen mittlerweile selbst die erkenntnisscheuesten Typen. 

Daher überrascht es nicht, wenn ich bekenne, dass auf der Meiningerprobe von Sascha Speicher am Dienstag der Blanc de Blancs von Rodez zu meinen Favoriten unter den vorgestellten Chardonnays gehörte. Einhalt gebot dem erst der letzte Champagner der Verkostung, Ruinarts großartiger Dom Ruinart 2002. Dazwischen gab es mit der Cuvée des Caudalies von de Sousa, Emmanuel Lassaignes Le Cotet, Rafael und Vincent Bérèches lange auf der Hefe gebliebenen "Côte" sehr starke Mitbewerber und selbst Taittingers Comtes de Champagne 2005 schaltete sich kurz vor Schluss noch kurz ein, konnte aber nicht als game changer reüssieren. Denn für mich waren die Sieger klar: Rodez und Ruinart. Jacquesson, Bollinger, Gosset und Pol-Roger gerieten mir auf der diesjährigen ProWein etwas aus dem Fokus. Sie werden es verkraften, denn es ist kein Ausdruck von Missbilligung, sondern vielmehr so, dass diese guten und stabilen Erzeuger gerade nicht meiner ständigen Aufsicht bedürfen.   

Jerome Coessens' Champagner habe ich erst kurzem wieder lobend erwähnt, daher spare ich mir hier weitere Ausführungen. Hinweisen möchte ich an dieser Stelle sehr gerne noch auf die Champagner des jungen Thibaud Brocard von der Aube, der als Winemaker bei Champagne Brocard-Pierre eine köstliche Cuvée mit dem Namen Limited Edition Blended zu verantworten hat. Das ist Champagner, wie man ihn sich von einem Talent der jungen Champagne-Avantgarde wünscht. Deutlich weniger weitläufig und fassnah angelegt ist die wagemutig gestaltete Cuvée Lady Style von Champagne Malard, Lieferanten des Hauschampagners von "Nicolas", dem französischen Pendant zu unseren Jacques' Weindepots. Die Cuvée Lady Style ist Extra Brut und aromatisch eine etwas unterkühlt wirkende Schönheit vom Typ der eiskalten osteuropäischen Spionin aus James Bond und anderen Agentenfilmen. An dem Cliché ist hier sogar etwas dran, denn Leitfigur ist die bildhübsch in Szene gesetzte Ehefrau des rugbyspielenden Hausherrn, Model und Volleyballspielerin Natacha Malard, die gebürtig aus der Ukraine stammt.