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Category Archives: Hotels und Restaurants im Test: Reingespitzt bei …

Manche sagen: die Königsdisziplin. Notizen von verschiedenen (Champagner-)Menus. Nicht immer nur gute, gelungene und positiv superlativische Kombinationen werden hier veröffentlicht, sondern authentische Champagner-, Schaum-, Stillwein- und Speiseerfahrungen.

Menu im Berceaux

A. Die Speisenfolge

 

I. Tartar vom Räucherlachs mit Lachsconfit und pikanter Jakobsmuschel

II. Taubengalantine und Foie Gras mit Salatbouquet

III. Barschfilet mit Trüffelbutter

IV. Rinderfilet Rossini

V. Geeistes Pralinensoufflé mit Schokosplittern

VI. Schokolierte Clementinenfilets

 

B. Die Champagner

 

I. Damien Hugot, Epernay, Brut Rosé

Sommelier David Mangeat überraschte mit diesem Erzeuger. Von der bonbonigen Seite kam die Frucht, mit Mandelmus und Butter unterlegt war das Gerüst. Milde Röstaromen und eine wenig merkliche Säure machten den Champagner zum Favoriten in Verbindung mit dem Lachstartar.

II. Pierre Mignon, Le Breuil, Brut Rosé

Der Erzeuger in Le Breuil – dort ist auch Meunier-Spezialist Jean Moutardier zu Hause – hat zwei Rosés. Dieser hier besteht zu 70% aus Meunier, der Rest ist jeweils hälftig Chardonnay und Pinot Noir. Im Unterschied zu seinem Prestige-Rosé ist dieser ein Assemblage-Rosé, was der Sache natürlich grundsätzlich keinen Abbruch tut. In der Nase nicht besonders stark, Beeren, etwas alkoholisch. Am Gaumen setzt sofort ein crèmiger, sahniger Vollmilchschaum an, wie man ihn sich auf dem Kaffee wünscht. Tanningestützte Säure, die als Begleitung zum Dessert ausscheidet, jedoch die Taubengalantine und speziell das Salatbouquet buchstäblich gut einrahmt.

III. Testulat, Epernay, Brut Rosé

Jeweils 50% Pinot-Noir und Pinot Meunier, mit einem Rotweinanteil aus Pinot-Noir. Kein Champagner, der mich begeistern konnte, da er mir etwas uninspiriert vorkam. Der passte mit seiner beliebig-fruchtigen Art zu fast allem; das Lachstartar war etwas schwierig, weil sich der Lachs seltsam nackt in den Vordergrund gestellt sah, zur Taubengalantine schmeckte er wieder ganz gut und bildete einen dezenten Hintergrund. Die Trüffelbutter zum Barsch passte sehr gut zu den minimal erdigen Komponenten des Champagners und dessen Frucht war sowieso völlig unkritisch; zum Filet Rossini tat er sich dann wieder etwas schwer, was ich ihm aber gar nicht so übelnehmen kann. Denn was mir hier nicht gefiel, war die passive Art, mit der er das Filet begleitete – das wiederum ist vielfach genau das, was der Gast zu so einem Gericht wünscht, nur ich eben nicht.

IV. Louis Casters, Damery, Brut Rosé

Von 8 ha in Damery erzeugt das Haus, bzw. Häuschen seine Champagner. Der Rosé entsteht aus Assemblage, Pinot-Noir, Pinot Meunier und Chardonnay sind zu je einem Drittel enthalten. Mir kam der Rosé etwas einfach vor, so wie die ordentlichen, etwas bäuerlichen Rosés aus dem Marnetal gerne sind. Es ist von allem etwas da, aber es fehlt der letzte Schliff. Dem Testulat insofern nicht unähnlich.

V. G. Tribaut, Hautvillers, Brut Rosé Réserve

80% Chardonnay und 20% Pinot-Noir von 12 ha im Premier Cru Hautvillers, da, wo die berühmte Abtei steht. Handgemacht, insbesondere handgerüttelt ist alles bei G. Tribaut – deren Rosé mir deutlich besser gefällt, als der vom größeren Namensvetter Tribaut-Schloesser. Frisch, schlank, mit einer belebenden Säure und gemütlichem Pinot-Noir, vielleicht nicht der einfallsreichste Rosé, aber ein guter Kontrapunkt zum Filet Rossini, weil er genau das Gegengewicht mitbrachte, das mir beim Testulat noch gefehlt hatte.

VI. R & L Legras, Blanc de Blancs

Dieses bekannte Haus aus Chouilly ist vor allem deshalb bekannt, weil seine Chardonnays so zuverlässig gut sind. Anders als bei den Chardonnays aus dem Süden der Côte des Blancs kommen hier neben den apfeligen besonders die gelbfruchtigen, exotischen Komponenten besser und quasi vom Start weg zur Geltung, die geringe Dosage und die sehr positive Flaschenreifung wirken als zusätzliche Boni. Das macht sie natürlich zu beliebten Partnern der Sternegastronomie. Mir gefiel der BdB am besten zum Pralinensoufflé, mit den Clementinenfilets ging es noch gerade so, die Fruchtsäuren wollten sich aber nicht wirklich vertragen.

VII. Louis Casters, Cuvée Eugène

Überwiegend Grand Cru, davon 70% Chardonnay aus der Côte des Blancs und jeweils 15% Pinot-Noir und Pinot Meunier. Hier zeigt der Erzeuger, was er kann. Mit dickem B bläst er die Backen auf: Brot, Brioche, Bratapfel – und piekst dann mit der Säurenadel rein. Das bringt den Ballon nicht zum platzen, sondern lässt ihn wieder auf ein mundfreundlicheres Mass zurückschrumpfen, wo sich alsbald die beiden Pinots bemerkbar machen. Erst undeutlich, dann immer kräftiger, aber bis zum Schluss vom dominanten Chardonnay gezügelt, treten Grapefruit und Johannisbeeraromen an. Zum Pralinensoufflé und zu den Clemetinen gleichermassen gut, mit dem Rinderfilet etwas vordergründig und zu herrschsüchtig. Dafür zu den Fischen und zur Taube eine wünschenswerte Kombination.

Ruhr-Karussell Teil IV

 

 

Was wäre ein Ruhrmenu-Check ohne einen Blick auf die Teller der Résidence? Eben. Unvollständig. Deshalb musste Essens gastronomischer Leuchtturm mal die Lampen anmachen.

 

O.1 Erster Gruß aus der Küche: Dreierlei Appetizer

 

O.2 Amuse Gueule: Variationen vom Ochsenbäckchen, mal knusprig, mal mit Erbsenespuma

 

O.3 dazwischen: Walnussbrot mit mildgesalzener Butter

 

O.4 Zweiter Gruß aus der Küche: Karotten-Chili-Süppchen mit Bananenchip und Karotten-Kokos-Kraut

 

zu alledem: Champagne Perrier-Jouet Belle Epoque 1988;

beim Öffnen noch sehr zurückhaltend, zeigte sich im Glas doch eine altersgerecht verfeinert Perlage in einem sattgoldenen Rahmen. Die anfangs etwas metallische Nase war der Auftakt zu einem reifen, aromatischen Wechselspiel, das hauptsächlich aus frisch eingekochter Kondensmilch, Milchschokoladen- und Haselnussaromen bestand. Im Mund ein quietschfideles Säuregerüst, das immer noch mehr als großzügig mit Apfel, Toffee und Nüssen behängt war. Daher war meine Lieblingskombination die zum gebutterten Walnussbrot. Ebenfalls sehr gut vertrug sich dieser Champagner mit dem knusprigen Ochsenbäckchen und dem exquisit luftigen Erbsenespuma. Auch zum Noriröllchen war der Champagner schön, wobei der Reis noch etwas länger hätte gegart werden müssen, denn mehlig bröckeln dürfen einzelne Körner nicht. Zum zweiten Gruß aus der Küche war die Kombination am schwierigsten, denn insbesondere das Kraut hatte, vor allem zusammen mit dem Bananenchip, einen starken Einfluss auf die Geschmackswahrnehmung. Zum Süppchen allein passte diese entgegen im Vorfeld gehabter Befürchtung schön gereifte Belle Epoque allerdings durchaus.

 

I.1 Klümpken von geräucherten Aal & Sternenrenette, dazu Weingut Münzberg, Weissburgunder "Schlangenpfiff" Großes Gewächs 2007;

das Klümpken war ein dreischichtiger Würfel aus Gänseleber, einer Mittellage Ruhraal und einer oberen Schicht aus beidem. Eine gut durchdachte Komposition mit einem bissfesten Aal in der Mitte, der sich schön zur Leber machte. Ebenfalls sehr schön war der Schlangenpfiff dazu, klugerweise vom lobenswerten Sommelier Alfred Voigt im passenden Kelch serviert. Der Tupfer Gänselebereis war mir geringfügig zu kalt, um ihn gemeinsam mit dem Wein zu geniessen, was ich etwas bedaure. Die vanillierte Rote Bete hingegen setzte wieder einen schönen Akzent neben den Weißburgunder.

 

I.2 Involtini von Jakobsmuscheln & Brunnenkresse mit Rote-Bete-Chutney, dazu Künstler, Riesling Spätlese Alte Reben, Hochheimer Stielweg 2008

Eine überzeugende aromatische Zusammenstellung war auch die Brunnenkresse mit der Roten Bete. Typische milde Kresse-Schärfe und erdig, saftig, animierend, fruchtig das Chutney. Ein farbenfroher Rahmen für die Jakobsmuschel und genau der richtige Ort für Künstlers Alte Reben, die mir solo noch ein wenig zu jung vorkamen.

 

dazwischen gab es die beliebten selbstgebackenen Brötchen, von denen mir das mit Tomatenpesto noch besser gefiel, als das ebenfalls sehr gute Laugenbrötchen

 

II.1 Stulle von Kaninchen mit gebackenen Schalen & Stampf von Erdäppeln in Honig-Senf-Sauce, dazu Deutzerhof Cossmann-Hehle Spätburgunder Caspar C. 2006

Dieser Spätburgunder gehört zu den trotz Holzeinsatzes zurückhaltenden Vertretern mit kühler, mineralischer, von etwas apfelpektinigem, tanninigem grip unterstützter Stilistik. Zum weichen, aber nicht labberigen Kaninchen passte das sehr gut, während ich dem Wein solo nicht viel abgewinnen konnte. Aber zum Essen ein wahrer Prachtbursche, dessen ganze Stärke sich noch zeigen sollte: in Verbindung mit dem reichlichen Trüffelaroma einerseits, als Komplize der konzentrierten, aber nicht überladenen Sauce und schließlich noch zum Zwiebelconfit. Jede Komponente entlockte diesem allein etwas schüchtern dastehenden Burgunder eine neue treffende und schlagfertige Äußerung, so dass ich den Gang letztlich als den schönsten angesehen habe.

 

II.2 Sautierter Langostino mit Pimentofregola, Auberginentasche und Paprikaperlen, dazu Gerard Boulay Sancerre Chavignol 2007

Wenn man diesen Wein getrunken hat, fragt man sich, warum die verschiedenen Meeresbewohner nicht lieber in Sauvignon-Blanc schwimmen. Mineralisch, gravitätisch, aber nicht schwülstig, mit frischen, an Verbene und Trockenkräuter erinnerndem Duft, im Mund schlank, lang und wendig. Dem Langustino merkte man an, dass er sich in dieser Begleitung wohlfühlte und das Auberginentäschchen fügte einen raffinierten touch hinzu. Besonders gelungen waren aber die Paprikaperlen, deren Aroma sich im Wein gespiegelt fand.

 

III.1 Lachsforellenstollen mit Blutwurst und lauwarmem Kappessalat, dazu Knipser, Mandelberg "Steinbuckel" Großes Gewächs 2007

Der Stollen als Edel-Dürüm angerichtet, auf der einen Seite mit der Lachsforelle, auf der anderen mit der groben Blutwurst, war in einem krossen Teigmantel untergebracht. Den zu zerschneiden, bedeutete leider immer auch, etwas von der Füllung herauszuquetschen, was bei mir nicht sehr schön aussah, aber gut schmeckte. Eine gute Sache waren die luftigen, sehr krossen Kartoffelkissen, aber eine gute Sache war auch der Steinbuckel zur Blutwurst. Die hat bekanntlich eine durstfördernde Eigenschaft, das Große Gewächs in diesem Fall eine dankenswerte und überaus hilfreiche Feuerwehrfunktion.

 

III.2 Strudel vom Saibling mit Spitzkohlsalat und Birnen-Ingwerrelish, dazu Peter und Brigitte Pligers Kuenhof, Grüner Veltliner aus dem Eisacktal 2007

Wenn sich je einer fragen sollte, welche Daseinsberechtigung der Sommelierberuf eigentlich hat, dann ist die Antwort einfach: um dem Gast solche Weine zu empfehlen. Zunächst ein mörderischer Stinker, dann erstmal lange nichts als Mineralstaub und eine konzentrierte, zehrende Säure, nach spannungsvollem Warten kippt der Wein dann nicht tot um oder wird gar brandig, sondern entlässt den Gaumen aus seinem Würgegriff und heraus fallen Blumen, Kräuter und beinahe zufällig noch das Pfefferl. Zum Saibling war das ein extrem guter Griff und zum Birnen-Ingwerrelish hätte ich mir gar nichts anderes wünschen können.

 

IV.1 Taubenbrust und Keule aus dem Henkelmann mit karamellisierten Schwarzwurzeln, Pancettachip und Graupenallerlei, dazu Springfontein Ulumbaza Syrah 2006

Der Henkelmann war ungewohnt minimalistisch, einfach nur ein Knusperbogen, der sich über die saftig lockende Taube spannte. Das Taubenfleisch wunderbar zart, mit einer dichtwürzigen, unverfälschten Sauce, die einwandfrei mit dem beschwingten, leichten Syrah harmonierte. Dem gelang es, einerseits der Sauce, andererseits den Rote-Bete-Würfeln und den Schafspilzen Gewürznoten zu entlocken, die das Menu auch in Afrika hätten heimisch erscheinen lassen können. Schöne Randnotiz: Die Macher von Springfontein kommen sogar aus Essen.

 

IV.2 Steinbutt mit Bianchettotrüffeln, Spaghetti und Canelloni vom Muskatkürbis und Zitrusfrüchtesugo, dazu Springfontein Sauvignon/Sémillon 2007

Zum Steinbutt machte sich der Bianchettotrüffel bestens, schließlich hat er ja jetzt auch Saison. Mir war der Wein etwas zu fruchtig dazu und auch zum Zitrusfrüchtesugo, das wiederum grossartig gelungen war, passte er besser in der Nase als im Mund. Schön dagegen war die Kombination mit dem Muskatkürbis.

 

V. Schnuckelige Quitte mit Ziegenkäseeis, dazu Martin Pasler, Welschriesling Beerenauslese 2006

Die Quittenvariation bestand aus einem Ragout von der Quitte, dem Ziegenkäseeis mit Quitte und einer Lilienblüte, einem Karamell und einem Schokegel mit Apfelfüllung. Die Beerenauslese von Pasler machte alles davon mit. Gegenüber der Quittenvariation spielte sie ihre softe, musige Seite aus, zur Lilienblüte konterte sie mit geballter Süße, die gekonnt zum kräftigen Ziegenkäse überleitete, die vom Apfel aufgelockerten Schokoaromen erwiderte sie mit einem Rest an fruchtiger Säure.

 

Patron Bühler, ließ zur Strafe für den versäumten Schluck vom mitgebrachten 88er Belle Epoque schwarze Gläser auffahren, deren Inhalt bestimmt werden musste. Listigerweise hatte er Champagne Lenoble Rosé 2004 eingeschenkt; dessen fruchtige, nicht sehr säurebetonte Art liess mich auf einen noch jungen Winzerchampagner mit mindestens 70% Chardonnay tippen. Ob weiß oder Rosé, da war ich mir nicht sicher, wobei die ausgeprägte Frucht sehr für Rosé sprach, ebensogut hätte es aber auch ein hoher Chardonnayanteil aus Ay oder Mareuil sein können.

 

Abschließend gab es noch eine umfangreiche Auswahl vom gut sortierten Käsewagen, ganz zum Schluss Pralinés.

 

Die zwei Sterne sind verdient, die Küchenleistung muss ich gegen Anwürfe, sie sei allzu unbeweglich in Schutz nehmen. Der Service ist über jeden Zweifel erhaben, ausgesprochen aufmerksam und niemals aufdringlich, gleichzeitig von einer unaufgesetzt fröhlichen Freundlichkeit, die man andernorts vermisst. Auch entstand in dem nicht sehr großen Speiseraum in keinem Moment der Eindruck von Enge oder Überfülltheit. Glückliches Essen!

Ruhr-Karussell Teil III

Dritte Station war Knut Hannappels Restaurant in Essen.

Amuse Gueule: Entenleberpraline mit Zwiebelconfit

Die Entenleberpraline ist einer von Knut Hannappels Klassikern. Immer zartschmelzig, immer ziemlich süss und fast immer schon so sättigend, wie ein Hauptgang. Aber gestern hatte ich reichlich Appetit mitgebracht und die kleine Nascherei vorweg machte Lust auf mehr. Dazu gab es Casparis restsüßen Enkircher Moselriesling, den ich auch zum ersten Gang beibehielt. Der ebenfalls angebotene Champagner von Veuve Pelletier war grauenhaft und schmeckte nach gewaltvoll abgepressten Schlusenresten. Schlimmes Massenzeug. Bloss schnell vergessen, das!

 

I. Duett vom Kaninchen mit Sellerieschmand und Speckluft

Das Kaninchenduett war gut. Einerseits eine feste, leicht säuerliche, aber nicht wie Sauerfleisch angelegte Sülze mit schönen festen Fleischstücken und Möhrchen, dazu passte gut die dünn gehobelte, erdig-würzige Rote Bete und eigentlich auch der besonders luftige Speckschaum, der leider wiederum so luftig war, dass das Speckaroma sich praktisch nicht entfalten konnte. Andererseits gab es eine Galantine vom Kaninchen zu deren zartem Fleisch der würzige Sellerieschmand sehr gut passte. Auch über Kreuz schmeckten Sülze mit Sellerieschmand, bzw. Galantine mit Roter Bete und Speckluft gut. Schön war auch der Riesling dazu.

 

II. Roulade von der Lachsforelle auf Blutwurst-Graupenrisotto mit Schwarzwurzelmousseline

Die Lachsforelle sah innen eher roh als glasig aus und war gleichzeitig zu weich, was mich nicht zufriedenstellte. Das Blutwurst-Graupenrisotto konnte die Forelle leider auch nicht mehr retten, weil es nur eine untergeordnete Rolle spielte. Es war zwar leidlich gut und hatte zusammen mit der Schwarzwurzelmousseline einige aromatische Akzente auf seiner Seite, aber die misslungene Lachsforelle wog zu schwer. Dem Weissburgunder aus der Ruhredition war's natürlich egal, der passte zu beidem ganz gut, ist ja auch eine erprobte Kombination.

 

Entr'Acte: Mangosorbet mit Knisterzucker

Gleichsam als Versöhnung kam das Mangosorbet. Das war ausgezeichnet. Nicht zu süss, sondern ganz auf der Mangolinie mit einer natürlichen Herbe, ziemlich dick und auch mit grobem Knisterzucker dekoriert, der mehr als nur knisterte, indem er förmlich knallte.

 

III. Gefülltes Haustäubchen auf Steckrübenpurée mit Buchweizencrêpes

Hier kam der Teller besonders schlön angerichtet, die Stücke von der Taube waren dunkelrosarot und bildeten zusammen mit einem Taubenschlegel und dem Buchweizencrêpe den Umriss einer fliegenden Taube nach – mit etwas Phantasie. Einwandfrei gebraten das Taubenfleisch, sehr aromatisch und erdig das Steckrübenpurée, vorbildlich dünn der Buchweizencrêpe, dessen dunkle, an verschmutzten Kaffeefilter erinnernde Färbung nicht nur gut zum Ruhrgebietscharakter des Menus passte, sondern auch dezent nach Vollwertkost schmeckte. Dazu gab es etwas Rahmwirsing, der sich ebenfalls harmonisch einfügte. Der Spätburgunder aus der Ruhredition ließ auch hier nichts anbrennen.

 

IV. Hüfte vom Ruhrwiesenlamm mit Schnibbelbohnenconfit und Kartoffelcharlotte

Die Kartoffelcharlotte war etwas arg mild gewürzt, mag aber von manchen als passender Hintegrund für das kräftige Lämmchen und die sehr konzentrierte, gute Sauce empfunden werden. Gut, aber keineswegs originell war das Schnibbelbohnenconfit dazu. Der junge Pigmentum, Cahors, machte zum Lamm keine Probleme, solo wäre er mir zu einseitig gewesen.

 

V. Warmer Quittenpudding mit Ziegenkäse-Panna-Cotta und geeistem Apfelsaft

Der Quittenpudding entpuppte sich als Quittenschlupfer, was mir recht war. Noch schön warm und mit reichlich saftigen Quittenwürfelchen belegt, hätte ihn auch mein k.u.k. Großmutter aus dem Ofen gezaubert haben können. Das Apfelsorbet stand dem Mangosorbet in Qualität und Aromentiefe nicht nach, es war allenfalls etwas flüssiger, passte aber exzellent zum Quittenschlupfer. Schwierig, aber meiner Meinung nach gelungen war die Ziegnkäse-Panna-Cotta mit Minze. Ich weiss, dass Ziegenkäse mit seiner stalligen und salzigen Aromatik schon so nicht exklusiv auf Zuspruch stösst; dann das ganze noch in Dessertform? Nun, das geht sehr gut, wenn man sich auf eine Menge von ca. eineinhalb Esslöffeln beschränkt und zum Beispiel ein fruchtigfrisches Apfelsorbet dazu anbietet. Ich fand die Panna Cotta jedenfalls sehr gelungen, genau richtig dosiert und war mit dem Dessert sehr zufrieden. Weniger zufrieden war ich mit dem dazu angebotenen lieblichen Gutswein aus der Literflasche von Caspari – es hätte auch ein adäquater Stoff sein dürfen.

Eröffnung des Champagnerleistungszentrums

Das "Champagnerleistungszentrum" ist eine lose Folge von Verkostungsnotizen, in der die Gastroperformance ausgewählter Champagner etwas genauer beleuchtet wird. Zur Eröffnung des Champagnerleistungszentrums trafen zwei Bewerber aufeinander. Der kleine, wendige Winzerchampagner von Thierry Bourmault und der Jahrgangschardonnay vom Genossenschaftsgiganten:

 

A. Thierry Bourmault Blanc de Blancs Premier Cru "Sylver Class"

Dieser sehr kleine Winzer aus Cuis ist mir nun schon zum wiederholten Male positiv aufgefallen. Der Erzeuger bringt im Jahr weniger als 20000 Flaschen auf den Markt und verkauft einen Teil seiner Trauben an ein namhaftes großes Haus. In einer kleineren Blanc de Blancs Verkostung machte er eine gute Figur neben Dethune und Ruinart und bei meinem letzten Champagnebesuch glänzte er schon wieder.

 

I. St. Jacques provenzalisch, mit Basilikum-Steinpilzpesto und Limette

Die St. Jacques waren sehr gross ausgefallen, trotzdem mit einem gleichmäßig glasigen Innenleben. Genau die richtigen Appetithappen also, zu denen sich die kräftige Basilikum-Aromatik fast schon zu sehr aufdrängte, wenn nicht der Limettenspritzer für etwas Bändigung auf dem Teller gesorgt hätte. Dazu also der Sylver Class. Der Limettenspritzer zu den St. Jacques war gleichzeitig das Bindeglied zu der ausgesucht saftigen, limonenfrischen Natur des Champagners. Der dampfte förmlich im Glas, einen solchen enormen Überdruck bekommt man in deutschen Markensekten scheinbar nur mit zugesetzter Industriekohlensäure hin. Im Mund lebhafter, turbulenter Schaum und eine Aromenkoloratur wie in Mozarts Sonate Nr. 11 in A-Dur, KV 331, vulgo Rondo alla Turca. Ich weiss, sehr viel Metaphernkonfekt und wikipediagesättigte Bildungshuberei. Aber genau so schmeckte das nunmal.

 

II. Foie Gras mit Ratafiagelee und rosiniertem Pain Grillé

Unvermeidlich in Frankreich ist die Foie Gras und ich komme leider nicht dran vorbei. Vor allem nicht, wenn man mir ein Ratafiagelee dazu verspricht, dessen konzentrierte, mostige Süße viel besser zur Foie Gras passt, als Trüffel oder Preiselbeeren. Die Foie Gras war erwartungsgemäß schmelzig, aber mir etwas zu fad, so dass das Ratafiagelee keinen adäquaten Kontrapunkt setzen konnte, sondern etwas mastig wirkte. Der Wirt schien das zu wissen, denn zu dem rosinierten Pain Grillé schmeckte die Foie Gras dann wieder. Das Pain Grillé hatte die Schlüsselrolle auch hinsichtlich des Champagners: der hatte zwar praktisch noch gar keine Röstnoten entwickelt, aber man konnte zusammen mit dem Toastaroma eine Vorstellung davon gewinnen, wie der Champagner sich vielleicht einmal entwickeln würde.

 

III. Avocado mit luftgetrocknetem Schinken und Scheiben vom Parmiggiano Stravecchia

Avocado ist eine ziemlich fette Frucht. Oder Gemüse. Oder Obst. Oder was auch immer. Das macht sie zum Partner für spritzigen Champagner. Obacht ist jedoch geboten und unkritisch zusammengestellte Paarungen werden mit Bitternoten bestraft. Nicht so hier. Der mildsalzige, butterweiche Schinken und der kristalline, körnige Parmesan waren zusammen mit dem reifen, weichen, aber noch nicht matschigen Fleisch der Avocado eine zwar nicht besonders ausgefallene, aber unter Weinkombinationsgesichtspunkten auch nicht leicht zu bewältigende Aufgabe. Hier bewies der Sylver Class Allrounder-Qualitäten und ich konnte mir nicht viele Stillweine vorstellen, die dazu besser gepasst hätten. Etwas indifferent war der Champagner freilich zur Avocado, er gewann aber in der Kombination.

 

IV. Fladenbrot mit geräuchertem Scamorza und Soppressa

Der Scamorza ist ja auch so ein Geselle. Das Raucharoma und die Neigung zum Flocken und Fädenziehen machen ihn etwas schwierig. Deshalb esse ich ihn am liebsten ohne alles, höchstens noch mit einem Stückchen abgerissenen Brots. Oder aber man schneidet den Kollegen in nicht zu dünne Scheiben und steckt ihn in den Ofen. Da kann er sich dann zum Beispiel mit der Schärfe einer gut gewürzten Soppressa vermählen und heraus kommt ein buntgewürzter Spielplatz par excellence, der Tummelplatz für alle Moselkabinette, leichten Pouilly-Fumés, so manchen Chablis und nicht zuletzt die leichteren Champagner. Der Bourmault hatte den Vorteil der sprudelnden Frische, denn nach dem zweiten oder dritten Gang schätze ich die gaumenreinigende Wirkung der Kohlensäure sehr. Vielleicht war die Champagnerfrucht, der Käse und die Soppressa auch einfach etwas zu viel, muss ich im Nachhinein sagen.

 

B. Nicolas Feuillatte Blanc de Blancs 1998

Der Genossenschaftschampagner ist in Frankreich einer der großen Marktteilnehmer und gewinnt auch in Deutschland immer mehr Anteile. Die Basisqualitäten sind in Ordnung, die Spitzencuvée Palmes d'Or ist es ebenfalls (die 96er Palmes d'Or ist sogar herausragend), auch wenn sie kaum einer kennt und wenn sie von Champagnergeeks beinahe furchtsam gemieden wird. Was in Deutschland noch fast unbekannt ist, sind die mittleren Qualitäten von Nicolas Feuillatte. Dazu gehören vor allem die verschiedenen Rebsorten- und Lagenchampagner. Das Klügste, was eine Cooperative machen kann, ist die Vorteile der Mitgliederstruktur auszuspielen. Die Champagnergenossenschaften sind darin alles in allem ziemlich gut. Nun musste also der 98er Blanc de Blancs ran.

 

I. Grüner Salat mit Vinaigrette

Diese Speise, so simpel sie ist, stellt für jeden Wein eine Herausforderung dar. Schuld ist natürlich die Vinagrette. Der Feuillatte gab einen guten Einstand. Gülden und reif stand er im Glas, lockte mit Honigduft und Mandelmilch, Toast, Apfelsaft und Lindenblütentee. Eine wohlgenährte, propere kleine Prinzessin kündigte sich an. Und Frauen können mit Salat sowieso irgendwie besser, als Männer. Ein knüppelharter Chardonnay aus Le Mesnil wäre also vermutlich die falsche Wahl gewesen. Unser Prinzesschen ging die Sache behutsam an. Die milde Nase empfing ausgesucht höflich den forschen Senf aus der Vinaigrette und nahm ihm so ganz unverhofft den Wind aus den Segeln. Im Prinzessinengemach von Apfel, Honig und Mandel hätte aber auch der stänkerndste Saubube noch Manieren an den Tag gelegt. So war der Einstieg schonmal gelungen.

 

II. Pâté de Campagne von der Ente mit Pain Grillé und violettem Senf

Dass der Feuillatte mit Senf kann, hatte er gezeigt. War noch die Eskalationsstufe violetter Senf abzuchecken. Der verhielt sich aber zahm, war selbst eher von der fruchtigen und entgegenkommenden Seite und nicht einer von den um jeden Preis auftrumpfenden Senfen. Damit stand der Senf ganz in der Tradition seines prominentesten Anhängers, Papst Clemens VI., dem man sagenhaftes diplomatisches Geschick nachsagt. Der päpstliche Nuntius und die Champagnerprinzessin vergnügten sich vornehm, die Landpartie wurde von zartem Entenfleisch in einer angemessenen Schmalzhülle begleitet, das bewährte Pain Grillé sorgte für harmonischen Gleichklang mit den schon reiferen, mehr als andeutungsweise toastigen Chardonnaytönen.

 

III. Boeuf Tartare

Auf das diplomatische Zwischenspiel folgte eine sehr weltliche Aufforderung zum Tanz. Das Boeuf Tartare mit seinen Kapern, Anchovis und der Worcestershiresauce ist eine ziemliche Zumutung für den Champagner. Mir schmeckt es aber gelegentlich ganz gut, musste der Champagner also sehen, wo er blieb. Gegen das Tartar war geschmacklich nichts einzuwenden, ich habe lediglich etwas mehr grob gemahlenen Pfeffer dazugefügt und war sehr gespannt auf den Zusammenprall. Der Feuillatte musste die Fähigkeit zeigen, sich schnell an veränderte Bedingungen anpassen zu können, echte Evolutionssiegerqualitäten also. Etwas ungelenk wirkte der Champagner indes, als er auf die Worcestershiresauce traf, auch der aromatische Pfeffer machte es ihm nicht gerade leichter. Die soeben noch hochgeschätzte milde und versöhnliche Art musste einer erhöhten Schrittfolge weichen, das Tartar kitzelte ein paar Säureakzente mehr heraus und die weiche, einlullende Frucht sah sich ummodelliert zu einer Komplizin des Kapernaromas. Insgesamt eine vorhersehbar schwierige Kombination, die den Champagner an seine Grenze brachte.

 

IV. Ziegenkäsetartelett und überbackener Bleu d'Auvergne

Als Abschluss eine leichtere, klassischere Kombination, deren Hürden nicht so hoch waren. Zum Ziegenkäsetartelett konnte das ganze Arsenal des Champagners noch einmal glänzen, eine sowjetrussische Militärparade war nichts dagegen. Schwierig wurde es zum Bleu d'Auvergne. Der verlangte mehr Herzblut und Süße. Dass die Kombination gelang, lag nicht an Reife und dazugehöriger Alterssüße des Chardonnays, sondern nach meinem Dafürhalten bloss am Dosagezucker.

 

C. Auswertung

Beide Champagner waren in guter Form, der youngster Bourmault vielleicht sogar in der Form seines Lebens. Von diesem Talent wird mit Sicherheit noch einiges zu hören sein. Aus dem Stall der Genossen kam ein gut geformter, gediegener und sehr weltläufiger Champagner, der ersichtlich aus einem großen Erfahrungsschatz schöpfen konnte. Einen Hauch mehr an Spontaneität und Originalität hatte am Ende der Winzerchampagner.

Ruhr-Karussell Teil II

Zweite Station war der Kölner Hof in Frohnhausen

 

Amuse Gueule: Strammer Max mit Wachtel-Spiegelei und Grubensalz, Meerrettichschaum, roter Bete und Brikett von der Schweinskopfsülze, dazu Champagne Alfred Gratien Brut Classique NV

Eine sehr schöne Eröffnung mit einem perfekten, trotz seiner geringen Größe ungeheuer aromatischen Spiegelei. Der Meerrettichschaum mit der roten Bete war auch schön abgestimmt, vertrug sich aber mit dem Champagner nicht so wundervoll harmonisch, wie der stramme Max. Die Sülze wiederum war einwandfrei abgestimmt mit der knusprigen Ummantelung und passte sehr gut zum Champagner.

 

I. Kaninchenfilet und Aal mit gebackener Schwarzwurzel, dazu Markgraf von Baden, Müller-Thurgau, Birnauer Kirchhalde 2008

Aromatischer, nicht zu fetter und schön festfleischiger Aal, sehr schön dazu die Karottencrème und auch die nussige Würze des fesch-eleganten Müllers machte sich gut dazu. Wenn ich ehrlich bin, habe ich ja für Müller-Turgau nichts übrig. Aber es gibt immer wieder Kombinationen, in denen er sich gut macht, so wie hier. Das Kaninchenfilet als zweiter Prüfstein für den Müller erwies sich eenfalls als nicht zu abgehoben. Insbesondere mit der bissigen, aussen krossen Schwarzwurzel ein schöner Partner für den Müller.

 

II. Taubenwürstl und Blutwurst mit Himmel und Erd, dazu Blankenhorns Spätburgunder aus der Ruhr-Edition

Das Taubenwürstl war im Grunde eine aufgeschnittene Boudin Blanc mit einem Taubenkern. Was eine pikante, auch sehr sättigende Kombination war. Die weiche, feinteigige Blutwurst war nicht zu salzig und arrangierte sich glänzend mit dem Kartoffelpurée und dem roten, kirschtomatenförmigen Apfelgelee. Der fruchtige Spätburgunder wirkte eine Spur metallisch mit der Blutwurst, bettete aber das taubenwürstl schön ein.

 

Entr'acte: Limetten-Basilikum-Sorbet mit Minzpesto

Ein Traum! Das Basilikumaroma passte perfekt zu der herbfrischen Limette, das Sorbet war nicht zu fest, aber auch nicht an den Rändern schon wässrig geworden, das Minzpesto brachte einen zusätzlichen, nicht erdrückenden oder gar an Krankenhaustee erinnernden Kick. Könnte ich kiloweise essen.

 

III. Hecht und Lachsforelle mit Graupeneintopf und Steckrüben-Roulade auf Kressesauce, dazu Weissburgunder von Buhl aus der Ruhredition

Die Forelle war von etwas weicher Konsistenz, auch die Graupen waren schon eine Spur zu weich. Die Roulade hingegen war etwas innen etwas musig, schmeckte aber sehr vollmundig; die Kressesauce war insgesamt von einer frischen, dezenten Kresseschärfe, die gut zu Hechtklössen und Forelle passte, aber ruhig etwas stärker hätte ausgeprägt sein können. Der betont fruchtige Weissburgunder zeigte sich sehr konziliant, alles in allem war das aber der schwächste Gang.

 

IV. Rücken und Keule vom Lamm mit Schnibbelbohnen und Eierkohlen-Kartoffeln, dazu Lestage-Simon Cru Bourgeois Supérieur 2005

Hier zeigte Heinz Furtmann wieder die volle Breitseite, speziell die Sauce war die reinste Lämmchenessenz. Die Rückenstücke waren in einer kräuterigen Kruste, innen war das Lamm von hellstem Rosa. Die Stücke aus der Keule profitierten besonders von dem kraftvollen Sud und entfalteten eine herbkräftige Aromatik, die gut zu den mundgerechten, leicht mürben Happen passte. Der Bordeaux war zur Keule die bessere Kombination und brachte mit feinen Graphitstrichen, Mandel und Kirscharoma noch eine weiter Komplexitätseben ins Spiel. Als Solist wäre er indes nicht geeignet gewesen, für mich eher der klassische Speisenbeleiter.

 

V. Törtchen und Mousse von der Quitte mit Steckrübeneis, dazu Guntrum, Penguin Silvaner Icewine 2007 aus der amerikanischen Broadbent Selection

Der Eiswein zunächst mit viel Reiswaffel, Aprikose und Pfirsich in der Nase im Mund praktisch null Säure, aber eine smoothe, loungige Atmosphäre. Passte sehr gut zu den Quittenaromen und auch zum nur dezent süßen Steckrübeneis; besonders gut meiner Meinung nach zu dem herrlichen kleinen Quittentörtchen.

Ruhr-Karussell Teil I

Erste Station war die Schote von Nelson Müller in Essen.

Amuse Gueule: Thunfischtartar mit warmer Kichererbsenkugel und Gurkenspaghetti

Dazu Pol-Roger Cuvée Sir Winston Churchill 1996. Prachtvoller Champagner, reifes, reines Gold und eine überströmende Aromatik schon von weitem. Typisch für den SWC ist die kraftvolle, pinotgeprägte Nase mit dem raffiniert untergehobenen, rassigen Chardonnayapfel und einem Anflug von Toast. Im Mund kompakt und würzig, mit einer ariadnefadenmäßigen, silberhellen Säure. Eine geschmackliche Erfahrung der besonderen Art war die Kombination mit dem Kichererbsenkügelchen. Das war mit Kreuzkümmel und Koriander gewürzt und forderte den Champagner zu Höchstleistungen heraus. Die Mélange wird sicher nicht jedem gefallen, ich fand den Kontrast aber sehr appetitanregend.

 

I. Förderturm vom geräucherten Aal und Sieglinde mit Backpflaumen und Speck

Dazu Pol-Roger Cuvée Sir Winston Churchill 1996. Zum Fördertürmchen auf Schwarzbrotunterlage passte das ganz hervorragend. Der Aal und die stromlinienförmige Säure vertrugen sich vorzüglich. Erstklassig war auch die Kombination aus Backpflaume, Speck und Champagner. Ein sehr gelungener Einstieg.

 

II. Schwarzwurzelcrème mit Kaninchenmaultaschen

Dazu Franz Keller Silvaner Oberbergener Bassgeige 2008 und Reichsrat von Buhl Weissburgunder 2007. Die Schwarzwurzelcrème kam von der Konsistenz wie Kondensmilch daher und trug ein feines Schaumhäubchen. Dazu vertrug sich der Silvaner mit seiner eigenwilligen Aromatik nicht so gut, wie der duftige, melonige, mit filigraner Säure ausgestattete Weissburgunder von Buhl. Zu den perfekten, in Bissfestigkeit, Packdichte und Aromatik gar nicht mehr zu übertreffenden Kaninchenmaultaschen lief der Silvaner zu besserer Form auf und überholte den hier etwas zu leichten Weissburgunder sogar.

 

III. Kross gebratene Lachsforelle mit Sauerkraut und Blutwurststrudel

Dazu Blankenhorn Spätburgunder 2008. Die Ruhredition des Blankenhorn Spätburgunders ist ein ordentlicher Gutswein mit ansprechender Fruchtfülle und einer präsenten Säure. Zur Lachsforelle mit Blutwurststrudel war das die richtige Entscheidung. Der Fisch konnte mit seinem würzigen Fleisch und den blattfeinen, gerösteten Blutwurstscheibchen genau die nötige Gravität entfalten, die es dem Spätburgunder leichtmachte, sein verspieltes Beerenaroma darauf auszurollen.

 

IV. Taubenbrust mit Graupenrisotto und karamellisiertem Knoblauch

Dazu ein Ribatejo Trincadeira 2007. Die Taubenbrust war zum weinen gut. Saftig glänzende Aussenhaut und ein gleichmäßiges, grossflächiges Rosa innen, auch beim Schlegel bis an den Knochen perfektes Rosa und dazu ein verführerischer Geflügelduft. Der erste Biss mehr ein gleiten als ein beißen, dazu der marzipanige Duft vom Trincadeira, gepaart mit der würzigen, nicht zu gerbstoffigen, etwas mürben Kirschfrucht – hier waren die Verhältnisse gegenüber dem Fischgang praktisch umgekehrt. Der Wein bildete das Panorama und die Taubenbrust konnte mitsamt dem karamellisierten Knoblauch und den sämigen Risotto im Vordergrund glänzen.

 

V. Armer Ritter vom Kaiser-Wilhelm Apfel mit Rübenkrauteis

Dazu Losen-Bockstanz Riesling Auslese Wittlicher Portnersberg 2006. Der Wein duftete nach Lady Grey und Reiswaffeln und liess fürchten, er können nicht mit dem rustikalen Apfel mithalten. In puncto Süße hatte er es auch schwer, bedingt durch die hohe, auch erfrischende Säure wirkte die Auslese neben dem Dessert nur knapp auf Augenhöhe mit, wobei das intensive Rübenkrauteis es dem wein sicher zusätzlich schwer machte. Dafür schmeckte der Portnersberg zusammen mit dem Nachhall des Desserts um so besser und konnte als Solist vollends überzeugen.

 

 

Schliesser: Lemaire-Rasselet Brut Reserve NV

Nach alter deutscher Sitte gab es nach dem Essen wieder Champagner, diesmal Lemaire-Rasselets brut Reserve. Ein gediegener, ruhiger Champagner, der mir wesentlich willkommener war, als jede Form von geistigem Getränk. Reife Äpfel, Biskuit und ein sahniges Mundgefühl ergabe einen schönen Ausklang für den Abend.

Besuch der alten Dame: Grande Dame 1985

Gestern gab es Veuve Clicquots Grande Dame 1985. Die war schon in der Nase exakt so, wie auf der Kapsel: wuchtig, herbe, sehr füllig. Im Glas war der Champagner dann weniger alte Witwe, als vielmehr ziemlich knackiges, wenn auch nicht mehr gaanz taufrisches Mädel. Ein schicker Twen, was ja auch zum Jahrgang paßte. Verhaltene Säure und sehr viel weinige Würze, Andeutungen von Milchkaffee, Karamell, Buttertoffee und Kakao, aber alles wirklich nur hauchfein und in den nächsten Jahren sicher immer stärker werdend. Dieser elegante, noch herzhaft jugendlich wirkende Champagner spricht sehr für das Haus Clicquot, in der Jugend sind die Champagner immer haarscharf zu hoch dosiert für meinen Geschmack – passen dafür aber zu zahlreichen Speisen sehr gut, dazu gleich mehr -, im Alter zeigt sich dann, was die réaction Maillard alles vermag. Korrespondierende Speisen waren:

– Brunnenkressesuppe mit pochiertem Wachtelei, kein dreamteam zur GD, die beiden standen sich in respektvollem Abstand gegenüber, bzw. einander zur Seite, gingen aber keine harmonische Allianz ein. Trotzdem lecker und spannungsvoll.

– Jakobsmuschel mit hauchdünnem Cräcker auf blanchiertem Kohl, sehr schmackhaft, Jakobsmuschel und Champagner sowieso, in Verbindung mit dem kleingeschnipselten Kohlgemüse und dem Keks dann noch einmal bereichert.

– Kaninchen mit Linsen und Speckschaum, eine Spitzenkonstellation, für Liebhaber von herzhaften Variationen rund um den Speck ein besonders schönes Erlebnis. Dankenswerterweise war das Kaninchenfilet mit einem schützenden und gut harmonisierenden Teigmäntelchen versehen, zusammen mit den reifen Noten der Grande Dame wundervoll.

Dann war die GD leer und es folgte Perrier-Joeut Belle-Epoque 1983. Erst kleines Stinkerle im Glas, mit Zeit und Luft dann auf Kosten der von vornherein optisch müden Perlage ein kleines Chardonnaywunder im Glas. Bei älteren Belle Epoques zeigt sich eben immer wieer die grandiose Standfestigkeit der Cramantchardonnays. Die Nase betörend mit kandierten Zitrusschalen, der Mund von stahlharter Säure ausgekleidet, mit langem, feinstprickelndem Nachhall.

– dazu Stubenküken mit Knoblauchconfit, köstlich! Punkt.

– zum auf der Haut gebratenen Zander samt Fenchelgemüse ebenfalls eine ausgezeichnete Kombination und ein würdiger Platzhalter für zB Leitz‘ Magdalenenkreuz.

Die crème brûlée vertrug sich dann bestens mit Barbeitos 1978 Madeira Verdelho, nach dem Käffchen gab es dann Reisetbauers Elsbeere, ein Brand den man am liebsten inhalieren will, bis das Glas leer ist. Schmeckt aber auch so ganz gut.

flying buffet und passende Champagner

Vorspeisen

 

I.1 Brioche mit Foie Gras, dazu Ralf Peter Schauf Rieslingsekt (ecovin) trocken 2007

Die daumenkuppengrossen Hamburger hatten einen Tupfer zartschmelzender Foie Gras als Belag. Fast schon banal, aber wenn Burgerbrötchen und Foie Gras im richtigen Verhältnis (der Foie Gras Klacks muss ca 2/3 der größe des Miniburgers haben) zueinander stehen, ein willkommener Snack.

Dazu passt sehr gut der mit 7,50 EUR gar nicht teure Winzersekt aus Ernst an der Mosel. Gerade weil er trocken dosiert ist, paaren sich die Süße von der Foie Gras und die durch den Dosagezucker herausgehobene Rieslingfrucht optimal.

 

I.2 Rinder-Carpacchio mit Rucola, dazu Jean Moreau Brut Tradition Grand Cru NV

Etwas faseriges Rucola und extrem dünn geschnittenes Carpacchio, das bevorzugt am Teller kleben blieb oder sich nur durch Zusammenmatschen auf ein Essgerät bringen ließ. Dazu Schnipsel von irgendeinem viel zu jungen Hartkäse. Schmeckte zwar, machte aber keine Freude. Freude machte dagegen der hälftig aus Chardonnay und Pinot vinifizierte Champagner von Moreau aus Ambonnay. Für einen Brut denkbar hoch dosiert und für mich schon extra dry, aber wegen seiner gediegenen, zwischen sportlicher Chardonnayfrische und gemütlicher Pinot-Ruhe angesiedelten Art mit einem Schwenker über Butterscotchtoffee sehr sympathisch. Gut zu Rucola, zu großzügiger geschnittenem Carpacchio sicher auch.

 

I.3 Steinpilz-Tiramisu, dazu Rene James Lallier Brut Zéro Grand Cru NV

Intensives Steinpilzaroma und angenehm feste, nicht zu fluffige Konsistenz. Mir aber selbst als kleine Portion zu viel und zu einseitig. Nicht ganz glücklich dazu der "einfache" Grand Cru von Lallier aus 70% Pinot (Ambonnay) und 30% Chardonnay (Avize) als Zéro-Dosage, jedenfalls dann nicht, wenn das Dégorgement noch nicht so weit zurückliegt. Das Hauptproblem beim Zéro ist, dass er kurz nach dem Dégorgement zu frisch ist und dann nicht so konstant und zuverlässig reift, wie der leicht dosierte Champagner. Gerade die reifen Lalliers bestechen aber durch pilzige Noten und Unterholz, Kaffee- und röstige Komponenten.

 

Hauptspeisen

 

II.1 Maispoularden-Variation am Lollystick, dazu Taittinger Brut Prestige Rosé NV

Zartes, warmes Fleisch am Stiel, eine gute Sache. Mal mit Spinat, mal mit Pumpernickel, teilweise mit einer Karottencrème, jede Variante war gut zu essen. Wieder 70PN/30CH, hier in einer ganz leichten, fruchtigen Mischung, die nach Art der großen Häuser auf Massengeschmack getrimmt ist – das aber so gut, dass es schwer fällt, zu widerstehen. Etwas schwierig mit gemüsigen Speisen, aber sehr schön zur Maispoularde und zum Pumpernickel. Indifferent zu Karotte.

 

II.2 Seeteufelmedaillons auf Pestonudeln mit Lauch-Tomaten-Gemüse, dazu Duval-Leroy Femme de Champagne 1996

Gegen Seeteufel kann man ja nicht viel haben. Die Pestonudeln waren leider etwas hart, das Lauchgemüse nervte und hätte viel dezenter und in kleinerer Menge serviert werden sollen. Entschieden gut und ein großartiger partner zum Fisch die Femme de Champagne. Reife, kräftige Säure und ein zupackender Stil, eine Cuvée aus ca. 25% Pinot und ca. 75% Chardonnay, die eins zu eins dem emanzipierten Führungsstil von Carol Duval entspricht. Nichts für Schleckermäuler und mit Sicherheit kein Champagner fürs Schäferstündchen, sondern ernste Unterhaltung.

 

II.3 Hummerpraline im Kanakiteig auf Mango-Limonen-Ragout, dazu Baron Fuenté Blanc de Meuniers NV

Schöne Kombination aus zurückhaltendem, sehr dünnem Teig, gut wahrnehmbarem Hummer und auflockernder Frucht. Die originelle Flasche birgt einen nicht minder originellen Inhalt, 100% Pinot Meunier, weiß gekeltert. Eigentlich eine sehr naheliegende Cuvée für ein Haus aus Charly sur Marne, denn es handelt sich um die beherrschende Traube im Marnetal. Richtig ausgebaut kann man mit diesem underdog überraschende Ergebnisse erzielen und manche Meuniers bringen es gar zu Kultstatus. Das ist hier gar nicht gewollt, dieser Champagner ist mehr eine Hommage an das Fruchtfleisch auf den mineralischen Rippen vieler "normaler" Cuvées, denn das eine ohne das andere kann nicht sein und nur allzuoft wird mehr Wert auf das Skelett gelegt, als auf die Figur. Fortgeschrittene Reifetöne versprechen eine zum Hummer passende dekadente Üppigkeit, die sich im Mund als konzentrierte, rosinige, auch schon überreife Fruchtdominanz äußert. Säurearm und von Honigtönen umspielt, passt dieser Champagner gut zu den Säurespitzen vom Mango-Limonen-Ragout. Solo geht er mir dagegen zu schnell aus dem Leim.

 

II.4 Vanillierte rote Linsensuppe mit St. Jacques, dazu Deutz Cuvée Brut Classic NV

Sämige, gut gelungene Komposition und bissiges Muschelfleisch, da kann man nicht meckern.

Passend dazu die renovierte Bilderbuchcuvée von Deutz. Drittelmix aus gleichen Teilen Chardonnay, Pinot-Noir und Pinot Meunier, keine zu hohe Dosage und eine von dezent animierender Säure getragene Mineralität, dazu pürierte Früchte und krosser, leicht gebuterter Toast.

 

II.5 Canneloni mit Garnelenfüllung auf Zitrusspinat und Pinienkernen, dazu Franck Bonville Les Belles Voyes Blanc de Blancs Grand Cru (2004)

Bissfeste Canneloni mit etwas müder Garnele, dafür ein aromatischer, grossblättriger, gleichzeitig zartfester Spinat, die Pininekerne dazu sanft angeröstet und aromatisch aber nicht zwingend nötig.

Kein offizielle deklarierter Jahrgangschampagner, aber fakisch ein 2004er aus dem Herzne von Oger, wo die Chardonnays so tiefgründig mineralisch und von strenger Säure sind, wie im benachbarten Le-Mesnil. Die Einzellage Belles Voyes ist mit steinaltem Chardonnay – um die 80 bis 90 Jahre – bepflanzt; Franck Bonville zwingt die Reben zum Glück und lässt sie fast wie im Märchen vom tapferen Schneiderlein die letzten Tropfen aus dem Gestein pressen. Dementsprechend sagenhaft schmeckt der im alten Holzfass gereifte Wein. Großartig und wie verwandt mit Pinienkernen, gut zu den Cannelloni, auch zu den Garnelen, etwas schwierig mit dem Spinat und am besten eigentlich solo.

 

Nachspeisen

 

III.1 Kakaowürfel mit flüssigem Mangokern, dazu Pol-Roger Rich (demi-sec) NV

Ziemlich mastiger kleiner Kakaoklotz, der an Eiskonfekt erinnert, die Mangofüllung hätte mehr Biss und Säure benötigt. Nicht völlig unproblematisch aber mit etwas gutem Willen dazu der Demi-Sec von Pol-Roger. Der ins Zitrusfruchtige neigende Champagner ist gar nicht so arg süss und daher ein heikler Partner für Desserts. Mit dieser eher bitterschokoladigen und ziemlich buttrigen Kreation kommt er, wenn man nicht partout in den Diabetikerhimmel will, gerade noch zurecht.

 

III.2 Quittenmousse mit Lakritzreduktion, dazu Charles Heidsieck Blanc de Millenaires 1995

Feine, sehr saubere Quittenaromen, angenehm samtige Textur, dezente Süßholzaromen, die auch nicht stärker hätten sein dürfen. Diesen Blanc de Blancs muss man allein deshalb zur Quittenmousse trinken, weil er die Quittenaromen so völlig auf Augenhöhe wiedergibt. Da die Quittenmousse nicht zu süss ist, wirken die Aromen prachtvoll und holzschnittartig vergröbert, aber immer noch sehr kunstvoll.

Essen verwöhnt

1. 1/2 hummer, dazu bruno paillard première cuvée

der hummer schwamm leider im dressing und war auch arg klein. daher war es schwer, an das scherenfleisch zu kommen, zumal mit messer und gabel. bruno paillards arbeit überzeugte da schon mehr. reife, leicht oxidative art mit viel apfel und spritz.

2. tortelloni al tartufo (schwarz), dazu wieder den bruno paillard

die tortelloni waren gut, eine war am rand einen tick zu hart, es gab reichlich sauce, die ich auch gern in einer kleinen tasse ordere, wenn sie mir schmeckt, beim trüffel wurde nicht gegeizt. gut dazu wieder der paillard, dessen reife art eine schöne kombination gerade mit dem trüffel ergab

3. crespelle mit spinat-ricotta-füllung in trüffelsauce und mit frischem schwarzem trüffel, dazu van volxem volz 2006 en magnum

die crespelle hatten eher calzonecharakter und spinat-ricotta-füllung ist nun wahrlich nicht der gipfel ambitionierten küchenschaffens, aber ich hatte es sowieso nur auf den van volxem abgesehen und brauchte nur die begleitspeise dazu. die kombination war mehr, als ich erwartet hatte: der saarrielsing zeigte sich gegenüber dem spinat souverän und konnte wegen der übriggebliebenen knapp 4 g restzucker wohl besonderen charme im umgang mit diesen nicht gerade weinfreundlichen gemüse entfalten

4. tatar à la harry’s bar, dazu rudolf fürst, spärburgunder centgrafenberg „r“ 2003 en magnum, außerdem ornellaia 2000 und sassicaia 2002

das tatar war mir zu süss und zu matschig. den fürst dagegen hätte ich küssen können, so gut war der. betörende, frucht, feinstziselierte säure, von störendem holz keine spur, der wein war so drahtig und so beweglich wie ein erster solist im weltklasseballett. dolle vorstellung. völlig andere schiene der ornellaia, wobei der eine überbordenede frucht hatte, die sich mit dem fürst sehr gut vertrug. diese beiden weine waren ein bisschen wie fritz wunderlich (fürst) und, auch wenn es vom land her nicht passt, rolando villazon. fürst mit einer unglaublichen leichtigkeit und geschmeidigkeit, die mühelos klippen und aromentechniosch allzu simple verlockungen umschifft, ein wunderlich eben, der spielend leicht grosse oper und leichte muse verbindet, der andere mit einer präzisen wucht und kunstfertig geschliffenen ungeschliffenheit, vielleicht einer der weine, die too much bieten und sich am ende verzetteln – aber ich habe heute davon nichts mitbekommen, der wein war in top-form. schließlich noch der für meine begriffe bordeauigste supertoskaner, ein konzentrierter sud von schwarzer johannisbeere, brombeere, holunder und einer noch keineswegs ruhigen, aber sehr vertrauenerweckenden tanninladung

5. gratinierter ziegenkäse mit rosmarinhonig, radicchio-rucola und himbeervinaigrette, dazu taittinger brut réserve

beim schließer stimmte wieder alles, die balance von ziege, gewürz und honig passte, auch die vinaigrette war weder bonbonig noch zu sauer und der taittinger leistete solide begleitarbeit.

Menu vom Grand Chapitre 2009

A. Champagne-Apéritif

I. Moet et Chandon Grand Vintage 2000 en magnum, 50 CH, 34 PN, 16 PM

Kein Moet-bashing an dieser Stelle. Der Grand Vintage 2000 ist ein sehr gut gelungener Jahrgangsvertreter mit Akazienduft, Lychee, Mandelgebäck und Dosenobstmischung „Tropical“. Im Mund unaufdringliche, aber sehr lange und elegante Säure, der ideale gehobene crowd pleaser.

II. Laurent-Perrier Brut en magnum, 45 CH, 40 PN, 15 PM, [Premier Cru], ca. 15% Reserveweine, 12 g/l dosiert

Frischer, leichter, etwas kühler Standardbrut, mit 12 g Dosage am obersten Ende der Brutskala und im Übergangsbereich zum Extra Dry. Im Mund sauber, mit kreidiger Textur und sanfter, seriöser Säure.

III. Nicolas Feuillatte Palmes d’Or 1996, 50 CH, 50 PN

Vollreife Ananas, Orangen, Pomelos, Hibiskusblüten, Akazienhonig, Nüsse und Äpfel, nelkengespickte Orangen, flüssige Weihnachtsstimmung. Im Mund eine ungewöhnliche, fast bodenlose Tiefe, Säure, die wie eine Nadelrad die Kehle runtergeht, ohne Wunden zu reissen, gleichzeitig heilende, balsamische, medizinale Noten, die aber nicht an bittere Pillen, sondern an Fruchtgelee erinnern. Unverschämt guter Champagner.

B. Menu

I. Millefeuille von Jakobsmuschel, Thunfisch und bretonischem Algensalat mit Gillardeaux-Auster und gebratener Garnele, dazu: Taittinger, Comtes de Champagne Blanc de Blancs 1999 en magnum

Einer von den schlanken, beinahe hageren Comtes, die so gar nicht zu Pierre-Emmanuel Taittinger passen. Kaffeedurft, mineralische Noten und geröstetes Brot, im Mund schlanke, frische Säure, die sehr gut zu den leicht salzigen Algen, zur Jakobsmuschel und zum Thun passte. Auch die gebratene Garnele war ein dankbarer Partner für diesen Comtes, die Auster hätte allein besser geschmeckt.

II. Warm geräucherter Ruhraal mit Bohnen, Speck und Birne, dazu: Lanson Noble Cuvée 1995 en magnum, 70 CH, 30 PN, aus Avize, Oger, Cramant, Bouzy, Verzenay

Einer der beeindruckendsten Vertreter aus dem Haus Lanson, jedenfalls was die letzten zwanzig bis fünfundzwanzig Jahre betrifft. Reiche Apfelernte, Birne, Weinbergpfirsich, ein Sack voll grüner Kaffeebohnen und Kastanien, auch Kräuterduft und eine warme, erdige Art. Grossartige Entwicklung über Stunden hinweg, wurde immer besser, komplexer und schöner, zusammen mit dem 97 R.D. mein Favorit des Abends. Der Rujraal war zum Glück überhaupt nicht fett und gab zusammen mit der Birne eine traumhafte Kombination zum Champagner ab.

III. Moorhuhn auf Pastinakenpurée im Sellerieblatt, mit Champagnersauce, gebratenen Pfifferlingen und Rosmaringlacé, dazu: Bollinger Grande Année 1997 RD, dég. 28. Sep. 2008, en magnum, 65 PN, 35 CH, extra brut dosiert

Schier unfassbar, wie der völlig unspektakuläre, will sagen: auf gehobenem Niveau gut trinkbare, wirklich nicht unleckere, aber auch nicht als Champagner für die Ewigkeit gemachte Grande Année in der R.D.-Fassung aufgeht. Dunkle Vinosität, klare Pinotnatur, Fleisch, Saft, ein druckvoll und vulkanartig aus dem Glas strömendes autolytisches, von Honig, Zitrus, Ingwer und Ginseng geprägtes Aroma. Im Mund ein ebenso explosives Gefühl und eine absolut adäquate Säure. Die Pastinaken dazu waren etwas zu laff, das Moorhuhn hingegen genau das richtige, von mir aus hätte es auch rohes Wildschweinfleisch sein können, dieser Champagner hätte das in der derzeitigen Hochform locker verkraftet.

IV. Chaource, dazu: Duval-Leroy Rosé Brut

Schöner, etwas zu junger Chaource, der Duval-Leroy Rosé mit seiner sehr massenkompatiblen, fruchtigen Art machte das wieder wett.

V. Tarte Tatin mit Marc de Champagne-Granité und Sauerrahmeis, dazu: Veuve Clicquot Rich Reserve Vintage 2002

Schöne warme Tarte, deren Granité schon ziemlich alkoholisch schmeckte und eine ziemliche Herausforderung für den Veuve Clicquot Rich Reserve war. Warum Veuve dieses Granatenschöne Jahr als demi-sec vinifiziert hat, wird wahrscheinlich ein Geheimnis bleiben, jedenfalls geht die besondere Eleganz und ultraelegante Feinheit dieses Jahrgangs unter dem Dosagezucker völlig verloren. Schlechter wird der Rich in seiner Eigenschaft als demi-sec dadurch indes nicht.

VI. Feingebäck und Pralinen, dazu: Cognac Hennessy Fine de Cognac, Cognac Davidoff Classic und Porto Rozès