Passender als mit Kellers Hubacker kann man eine Kellerparty gar nicht eröffnen.

I.1 Keller Hubacker trocken 2001

Am Anfang der Kellerparty stand die Frage, ob, warum und welcher deutsche Riesling stärker ist, als österreichischer vom Zuschnitt beispielsweise eines Wachauer Smaragds, vom Zuschnitt eines sagen wir mal: Knoll, Ried Loibenberg. Eine erste Antwort sollte Kellers monolithischer Hubacker liefern, dem aber sogleich aufgrund gerade seiner massiven, nach dem Abklingen eines leichten Eröffnungsprickelns kompromiss- und fugenlosen Art die speziell dem deutschen Riesling so typische Facettenhaftigkeit abgesprochen wurde – nachdrücklich bis krakeelig, unterbrochen nur von ebenso unmittelbar wie stimmungsvoll bis wehmütig angestimmten Versfetzen des Udo Jürgens Klassikers "Griechischer Wein", von einem sonst sehr angenehmen Österreicher übrigens (dessen Sangeskunst keineswegs geschmälert werden soll, wenn ich sie nur knapp unterhalb der Melodie des sterbenden Schwans ansetze). Der jugendliche Eindruck traf auf andeutungsweise firnige Reife, der 2001er Hubacker dürfte jetzt das Hochplateau seiner Entwicklungsfähigkeit erreicht haben.

I.2 Wittmann Morstein trocken 2005

Also musste der etwas jüngere Wittmann ran. Schlank und drahtig zeigte der Morstein den Unterschied zwischen schwerem Panzerkampfwagen und agilem Jagdpanzer. Noten von Popcorn und Pink Grapefruit, Apfel und Ananas, Mineral und Stahl oder anders: nicht nur Feuerkraft und Panzerung, sondern Kraftbeherrschung und Beweglichkeit machen diesen Wein aus. Damit war die Frage nach Deutschland oder Österreich eigentlich schon entschieden. Geklärt werden musste nun noch, wem denn die Krone unter den trockenen deutsche Rieslingen gebührt.

Die beiden Rieslingaufklärer in Punkten:

Keller Hubacker 2001: 93

Wittmann Morstein 2005: 93+

 

II. Kutch Pinot Noir Sonoma Coast 2008

Statt einer Werbepause, wie im Fernsehen kurz vor dem Scheitelpunkt des Spannungsbogens üblich, gab es zwischendurch einen kalifornischen Pinot Noir von Jamie Kutch. Schnell als Pinot aus heißem Anbaugebiet identifiziert, sprach er, da außerdem viel zu jung, nicht alle an, was ich vollauf verstehe. Von meinen verbliebenen drei Flaschen werde ich die nächste erst in vier bis fünf Jahren öffnen.

 

III.1 Emrich-Schönleber Monzinger Halenberg Auslese trocken 2001

Zurück zum Riesling. Und gleich zu so einem erhebenden Wein. Von den vier angetretenen Kämpen war das der filigranste, zarteste, eleganteste, in der Sagenwelt sozusagen der Elf unter den Weinen. Eine erstaunliche Nase, die vom Grundton her zwischen Orangenmarmelade, Lemon Curd und Pimm's No.1 angesiedelt ist und damit sehr englisch wirkt. Außerdem Noten von Kräutertee und eine feinkörnige Süße. Spannungsvoll wie ein englischer Langbogen, mit dem Edward III. im Hundertjährigen Krieg bekanntlich eine legendär gute Figur machte.

III.2 Köhler-Ruprecht Kallstadter Saumagen Auslese trocken R 1998

Rockiger, massiver Wein, der wie eine mittelalterliche Ramme den Gaumen penetriert, so dass der ganze Kopf nachwackelt. Trockenblumen, Kräuter, Honigkruste. Wirkt reif, aber nicht mitgenommen, Säure ist viel da, zeigt sich aber nicht. Die Belagerungsmaschine unter den Rieslingen und trotz seiner gigantischen Abmessungen ohne jede Ähnlichkeit zu den behäbigeren, speckigeren Österreichern.

III.3 Künstler Kirchenstück Auslese trocken 1998

Zurückhaltender, diplomatischer als der Saumagen. Sehr fein gewandet und erkennbar aus bestem Haus bringt er Reiswaffel und türkischen Honig als Gastgeschenk für die Nase mit, eine pikante Zitruszubereitung mit u.a. betörendem Verbeneduft lässt jedes nur denkbare Eis sofort schmelzen, nein sublimieren. Der Pinot des Rieslings, wie der Künstler selber sagt.

III.4 Georg Breuer Berg Schlossberg trocken 2001

Stoffig, herb, rauh; kräftiger Schwarztee und Zitrone. Zupackender als das Kirchenstück, dabei nicht plump oder grobschlächtig, sondern von Säure umgeben, die dem Wein Akrobatik und Elastizität verleiht.

Die vier Rieslingikonen dieses flights stecken das derzeit für mich gültige Weltbild des trockenen Rieslings ab. In Punkten:

Emrich-Schönleber Monzinger Halenberg Auslese trocken 2001: 97

Köhler-Ruprecht Kallstadter Saumagen Auslese trocken R 1998: 96+

Künstler Kirchenstück Auslese trocken 1998: 95

Breuer Berg Schlossberg trocken 2001: 95

Viel besser konnte es also nicht mehr werden. Nur anders.

 

IV.1 Santenay Henri de Villamont Collection du Dr. Barolet 1924

Was macht man auf, wenn man die feinsten trockenen Rieslinge getrunken hat, für süß aber noch nicht bereit ist? Was Rotes. Gut, wenn man in so einer Situation auf eine Buddel aus dem berühmten Bestand vom vedienten Dr. Barolet zugreifen kann. Nicht so gut, wenn der Wein putt ist. Rote Grütze, Schoko und eine immer stärker werdende Metallnote künden von einstiger Größe, die massive Trübung des Weins wies uns Ahnungsvollen aber schon vorab den Weg zur Schädelstatt.

IV.2 Cabernet Franc (?) ohne Etikett von der Loire, wahrscheinlich vor 1931

Man hätte meinen können, einen gut gereiften Lagrein im Glas zu haben, so sehr dominierten Leder, Schuwichse und Paprikanoten, die wir aber als zuverlässige Cabernet-Franc Indikatoren ansprachen.

 

V. Château Fortia Châteauneuf du Pape 1920

Vom Gründer des französischen AOC-Systems gab es nach einem Abend der Superlative noch eine ultimative Steigerung, Wein so anrührend wie der Gesang eines sterbenden Schwans. Ein Wein, der still macht und dem man mit dem üblichen Vokabular gar nicht recht beikommen kann. Speckig, räucherig, bouquet garni, im Mund die meiste Zeit voll üppiger Süße und Malzigkeit, dabei kühlend und balsamisch, erst am Ende wechselt die Rosmarin-Thymian-Mischung ins Medizinal-phenolische. Prall, lebhaft und komplex, wirkte sehr viel jünger als 1920.