Mehr noch als jedes andere Datum im Jahr ist Silvester ein Champagnerdatum. Deshalb gab es zu Silvester eine Magnumparty, bei der sich das Flaschenformat en passant auf seine Kriegswaffentauglichkeit oder zumindest auf seine Eignung für das Abfeuern von Silvesterraketen praktisch untersuchen ließ.

Da für einen originalgetreuen Nebelwerfer sechs glatte Rohre erforderlich sind, mussten erst sechs Magnums geleert werden, im Verlauf der Vorbereitungsarbeit war dabei sogar noch Zeit, Appetit und Muße für erstaunliche Experimente, wobei ich eine koffeinfreie Coke Deluxe (d.i. koffeinfreie Coke mit Jahrgangschampagner aus der Magnum) nur um Haaresbreite letztlich doch nicht zubereitet habe.  

I. Paul Michel, Blanc de Blancs Premier Cru 1988 en Magnum

Der Erzeuger aus Cuis ist Mövenpick-Kunden als deren Hauschampagner bekannt. Ob er das schon war, als der 1988er in den Handel kam, weiß ich nicht. Was ich aber schnell festgestellt habe ist, dass dieser Champagner seinen Zenit schon lange überschritten hat. Vielleicht ist Cuis nicht das Örtchen, aus dem die Granatenchardonnays kommen, vielleicht ist aber auch Paul Michel nicht der Erzeuger für langlebige Champagner. Ich vermute das letztere. Daher wanderte der Champagner dann auch in das Käsefondue, wo er allerdings eine tragende Rolle spielte und sich sehr gut mit Kirschwasser und Bergkäse verband.

II. Vilmart, Grand Cellier d'Or 2000 en Magnum

Einer der stärksten Champagner des Abends, wenn nicht sogar gleich ganz Gesamtsieger war der 2000er Vilmart, der sich in anspruchsvoller Umgebung befand. Zunächst hätte ich ihm nicht zugetraut, seinen älteren Jahrgangsbruder zu überflügeln, von den Prestigecuvées ganz abgesehen. Der Grand Cellier d'Or 2000 war auf den Punkt gut; geschmeidiges, von der kräftigen Aromenstruktur gut eingebundenes Holz ließ ihn unangreifbar erscheinen, der Auftritt am Gaumen war dementsprechend selbstbewusst.

III. Vilmart, Grand Cellier d'Or, 1995 en Magnum

Stark, mit dem 2000er offensichtlich eng verwandt, aber nicht gleichermaßen auf den Punkt war der 95er Grand Cellier d'Or. Das Holz konnte man gut wahrnehmen, auf eine andere Weise freilich, als beim frischen 2000er, denn der Champagner hatte sich ja schon ein paar Jährchen entwickelt.

IV. Vilmart, 'Solera' aus Grand Cellier d'Or 1995 und 2000

Eine mehr als interessante Erfahrung war der Mix aus Grand Cellier d'Or 1995 und 2000. Arithmetisch wäre es am ehesten ein 1997er, geschmacklich war der Mix ebenfalls sehr dicht dran, vielleicht aber noch eine Spur besser, dank der überaus guten Form, in der sich der 2000er präsentierte und wohl auch dank des guten 95er Materials.

V. Taittinger, Comtes de Champagne 1995 en Magnum

Unter den Prestigecuvées stets eine sichere Bank, im Vergleich mit dem prächtig aufgelegten Vilmart merkte man aber vor allem, dass die raffiniert kaschierte aber letztlich doch relativ hohe Dosage dabei eine nicht zu unterschätzende Rolle spielt. Typ smarter Entertainer und damit ganz aus dem Holz, aus dem auch Pierre-Emmanuel Taittinger selbst geschnitzt ist.

VI. Pol-Roger, Cuvée Sir Winston Churchill 1995 en Magnum

Leider etwas verschnupft zeigte sich der sonst so zuverlässige SWC. Wo gewöhnlich kein Mangel an Pinotkraft und stahlhartem Chardonnay herrscht, war nachgiebige bis schwammige Struktur und eine unentschiedene bis diffuse Aromatik auszumachen. Anzeichen für einen Korkschleicher vielleicht, vielleicht aber auch Ausdruck langsamer Reifung und längeren Verbleibens in aromatisch indifferenten Entwicklungsphasen. Wäre es nicht meine letzte SWC 95 Magnum gewesen, würde ich grundoptimistisch übrige Flaschen nach dieser Erfahrung für längere Flaschenreifung wegpacken.

VII. André Robert, Blanc de Blancs Grand Cru 2003 en Magnum

Definitiv kein Chardonnayjahr war 2003 für Champagne Robert aus Le-Mesnil. Schwermütig und nur mit einem verzweifelten, ins Bittere schlagenden aufbäumen annähernd den Ausdruck von Lebhaftigkeit vermittelnd, außerdem praktisch säurelos. 

Wie sich um Mitternacht herausstellte, eignen sich Champagnermagnums nur bedingt für den Abschuss von Silvesterraketen. Denn das Holzstöckchen, das an der eigentlichen Treibladung befestigt ist und gemeinhin in leere Sektflaschen gesteckt wird, neigt bei ungünstigem Winkel dazu, sich mit der Bodenausbuchtung von Champagnerflaschen zu verkeilen, so dass die Treibladung nicht mehr ausreicht, um die Rakete aus der Flasche zu ziehen. Das führt zu hautnahen, auf Augenhöhe stattfindenden Explosionssensationen mit staunenden Aaaahs und Ooohs aus der Zuschauermenge und ggf. jeder Menge Verletzten, ist aber dennoch eine Mordsgaudi.