In Straßburg findet immer der des Vignerons Independants statt, auf dem man zu Ab-Hof-Preisen einkaufen kann. Ganz nebenher kann man sich in der auch zu Viehmarktzwecken geeigneten Halle mit Austern zum Schmunzelpreis vollfuttern (Dutzend frischer Austern zum Mitnehmen oder sechs geknackte Biester mit Butter, Brot und Zitrone zum Preis von 10,00 €), wer die nicht mag, deckt sich mit Schinken, Wurst, Käse, Sandwiches oder, klar, Foie Gras ein. Oder macht aus Zeitnot und Gier alles zusammen, so wie ich. 

Mein Hauptaugenmerk galt den Champagnerwinzern, die über die Halle verstreut ihre heiße Ware ausschenkten.

Fleury-Gille (Courcelles/Trelou sur Marne),

Trelou kennt man von der auf dem Weg dorthin gelegenen Foie-Gras-Farm und vom Bier. Und neuerdings auch wegen einiger dort beheimateter , zu denen ich unbedingt Fleury-Gille zähle. Der undosierte de Noirs Brut Absolut aus 60PM/40PN auf 2011er Basis macht klar, dass Fleury-Gille sich nicht zu den Winzern zählen lassen möchte, die Großhausklone produzieren, sondern lieber zu den Erzeugern mit erkennbarem Lokalcharakter. Der wird zwar bei der Spitzencuvée des Winzers nicht so ganz deutlich, aber darauf kann ich ausnahmsweise verzichten, wenn der sich so schwungvoll die Kehle hinabstürzt. Cuvée Pierre-Louis heißt der Stoff und ist aus 100CH gemacht, mit sechs Monaten Fassaufenthalt. Davon halte ich mir zu Testzwecken einen kleinen Handvorrat, denn auf die Reifefähigkeit bin ich jetzt sehr gespannt. Auch den 2005er aus 50CH/50PN will ich nicht verschweigen, der holt aus dem gerade im mittleren Marnetal nicht ganz einfachen jahrgang alles raus, was geht und steht zur Zeit wie eine Eins.    

Jean Gimonnet (Cuis),

Gimonnet kennt man. Aber nicht den hier. Wobei, mittelbar doch: von den 10 Hektar Rebfläche gehen 20% an Pol-Roger. Der auf 2006er Basis, dégorgiert im Oktober 2014 und mit 4,5 g/l dosiert machte einen ordentlichen Eindruck, der sich stilistisch auch irgendwie in Richtung Pol-Roger verstehen ließ. Knackig und klar, dazu ein ganz leicht nussiges Zugeständnis an den goût anglais, insgesamt gut, nur etwas simpel. Warum es das genau gleiche Produkt dann nochmal als Millésime 2006, dég. November 2014 geben musste, erschloss sich mir auf dem Papier nicht. Im Glas dann schon. Die Qualitöt war doch merklich gehoben, leider auch der Preis: 23,50 € statt 17,60 €. Als klaren Favoriten habe ich für mich die Cuvée (wieder 100CH) Premier Cru für 24,00 € identifiziert, ein so lächerlicher Preissprung gegenüber dem Jahrgangschardonnay, aber eine nochmal deutliche Steigerung im Geschmack. Basis hier ist 2005 mit Reserven aus 2004 und , Dosage hat er 4 g/l bekommen. Lupenrein, auch etwas ins sterile gehend, aber dadurch überhaupt nicht leblos, eher dass er an Klinikfetish und Latexkrankenschwesterdress erinnert, mittellang, mittelleicht, ausgeprägt schön.   

Francois Gonet (),

Gonet ist in der Côte des Blancs ein geläufiger Name. aus Avize, Philippe Gonet aus le sieht man in Deutschland oft. Francois Gonet aus Le Mesnil nicht. Das ist nicht weiter schlimm. Mich haben die Champagner nicht berührt, auch wenn die Preise für Brut (15,30 €), Millésime 2009 (16,70 €) und Prestige auf Basis des 2006ers (20,00 €) sehr auf dem Boden geblieben sind.Mir war die Dosage zu hoch, der Jahrgang zu einfältig gemacht, der Prestige zu antriebsarm.     

Pascal Henin (Ay),

Weiter geht's mit dem kennt man, kennt man nicht Spiel: Ay kennt man. Pascal Henin kennt man nicht. Hier nicht. So alt ist der Erzeuger auch noch gar nicht. 1989 wurde der Familienbetrieb gegründet, eine Rebschule komplettiert das Tätigkeitsfeld der alteingesessenen Familie. Was mir auffiel: die Dosage ist mit 7 g/l nicht wirklich hoch, aber die Champagner wirken so, als habe es der Winzer ein bisschen zu gut mit der Dosage gemeint. Bei einem anderen Winzer und Rebschulbetreiber in Ay ist mir das seit jahren schon ein Dorn im Auge aber vielleicht soll das ja so sein und vielleicht muss ich meinen Gaumen da lieber etwas weniger wichtig nehmen, denn nicht ich muss den Champagner am Ende verkaufen, sondern die Winzer und die werden wissen, was beim Publikum ankommt und was nicht. Der ordentlich gemachte Brut Tradition aus 40PN 40CH 20PM auf Basis 2012 gab als Einstieg jedenfalls diese süßliche Richtung vor, an der es technisch nunmal nichts zu meckern gibt. Der Brut Reserve auf Basis 2010 legte in Sachen Komplexität gleich einige Briketts mehr auf, spätestens nach diesen beiden Champagnern gehen einem dann die Zweifel an der Stilistik verloren: das Süße ist gewollt und gekonnt. Gekonnt und erstmals auch für meinen Geschmack ein Aufmerker war der 2008er Grand Cru aus 50PN aus der Lage La Pelle (die es bekanntlich von einem anderen Winzer auch als sehr trinkenswerte Einzellage gibt) und 50CH aus . Trotz satter 8,5 g/l Dosage ein Wein für Schlemmer und ein richtig guter Vertreter für den reichhaltigen Stil. Hin und weg war ich danach vom Zéro Dosage "Terre de Craie", dessen Aufmachung und Stilistik genau das ist, was ich von einem jungen Betrieb erwarte. Blanc de Blancs mit CH aus Chouilly, Ay, Mareuil le Port, palettenweise Mandarine, Limone und Zitronencrème. So macht Champagner richtig Spaß und dieses Gegenprogramm zum auch sehr schönen, stilistisch gänzlich entgegengesetzten 2008er zeigt mir, dass Henin ein Erzeuger ist, den man im Auge behalten muss. 

Thierry Massin (Ville sur Arce), 

Massin ist wie Gimonnet und Gonet ein Name, der für Verwirrung sorgt und der letzte in der kurzen bekannt/nicht bekannt Serie, die ich auf dem Salon des Vignerons Independants improvisiert habe. Der Instant M Extra Brut mit seinem etwas moderneren und die Cuvée Mélodie mit ihrem etwas altmodischeren Etikett sind keine Monumentalchampagner, aber dermaßen akkurat, schnörkellos, genussfreundlich und sympathisch, dass ich beim nächsten Besuch vor Ort unbedingt etwas davon mitnehmen werde, meine Notizen dazu kann ich nämlich nicht mehr entziffern, sehe aber anhand der Pluszeichen, dass es guten Grund zur Nachverkostung gibt.  

Verwandte Artikel