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Tag Archives: ay grand cru

Terres et Vins de Champagne: Henri Goutorbe

 

Vins Clairs 2011:

Pinot Noir Aÿ en Blanc, Pinot Noir Aÿ en Rouge, Assemblage prestige 1er cru. Die Grundweine habe ich dieses Jahr nicht probiert.

Champagner:

Die Champagner von Goutorbe sind mir immer etwas zu hoch dosiert gewesen. Daran hat sich dieses jahr nichts geändert. Wer den Chic eines Winzerchampagners mit dem Geschmack eines großen Hauses sucht, ist hier richtig.

1. Prestige Premier Cru

70PN 25CH 5PM, mit 9,6 g/l dosiert.

Für eine Cuvée, die den Namen "Prestige" trägt, zu kurz geraten. Sonst stimmt alles, der Champagner ist mit großem Geschick hergestellt, vermeidet jede Konfrontation und jedes geschmackliche Risiko. Ein bisschen fühle ich mich an die Biochampagner von Serge Mathieu erinnert, die unter einem ähnlichen Motto stehen: difficile à faire, facile à boire.

2. Grand Cru d'Aÿ Millésime 2005

67PN 33CH, mit 9 g/l dosiert.

Herber und charaktervoller als der Prestige, obwohl die technischen Unterschiede nicht sehr groß zu sein scheinen. Jedenfalls ein Schritt in Richtung ausgeprägter Individualität. Ob Etienne Goutorbe noch sehr viel weiter auf diesem Weg gehen wird, erscheint mir indes zweifelhaft.

3. Rosé d'Assemblage Grand Cru

63PN aus den lieu-dits Raron und Cochemont, 25CH und 12PN als Rotweinzugabe, beide aus dem Aÿ Grand Cru Froide Terre; wieder mit 9,6 g/l dosiert.

Heißfruchtig mit kitschigen Anklängen, die jede Spur von großem Aÿ-Wein übertönen. Könnte mir mit der Hälfte des Zuckers viel besser schmecken.

Kleine Champagnerprobe zum Lesebeginn

I. Regis Fliniaux, Blanc de Blancs d'Ay Grand Cru

Meistens sind die Champagner von Regis Fliniaux gut, machmal sind sie inspirierend, die Cuvée des Signataires kann exzellent sein und von seinem seltenen Blanc de Blancs war ich seit dem allerersten, damals aus der spontan à la volée dégorgierten Flasche genossenen Schluck angetan, bzw. sogar begeistert. Von dieser Hochform war der jetzige Blanc de Blancs weit entfernt. Ich schiebe es darauf, dass die Flasche erst vor drei Monaten dégorgiert wurde und der Champagner noch keine Zeit hatte, sich mit dem Dosageliqueur zu vermählen.

II. Regis Fliniaux, Cuvée Prestige Grand Cru

Die Cuvée Prestige von Regis Fliniaux fand ich nie so gut wie seine anderen Champagner dieser Preisklasse, etwa den eben besprochenen Blanc de Blancs oder die feine Cuvée des Signataires. Auch dieses Mal zeigte sich die Cuvée Prestige nicht überragend schön. Sie litt leider unter derselben Unausgewogenheit und Aufgekratztheit des BdB, denn auch sie war ganz frisch dégorgiert. Also: weiter liegen lassen!

III. Joel Michel, Oeuil de Perdrix, dég. 1. Okt. 2010

50PM 25PN 25CH, 10% Fassausbau, 2004er Basis.

Ca. 5 ha, bewirtschaftet Joel Michel selbst und biologisch (seit Ende der Siebziger, Anfang der Achtziger Verzicht auf Insektizide, Herbizide usw.), das sind im Jahr ca. 50000 Flaschen. Ursprünglich stammt er aus Moussy, das er schon 1970 verließ, um in der Nähe von Château Thierry ein eigenes Weingut zu eröffnen. Die parzellenreinen Weine gären im Fassl, werden nicht geschönt, geklärt, gefiltert. Sein ganz heller OdP war zag- und schmeichelhaft zugleich, ein ganz leichter, nur schwer einzuordnender Vertreter seiner Art, wofür der hohe Meunieranteil verantwortlich sein dürfte. Nach einer reduktiven Eröffnung war der Champagner weich, ja sämig, wenig säurehaltig, jedoch mit einerm prickligen Zitrusschlenker zum Ende hin. Kein spannungsgeladener Champagner, entgegen der Etikettenanmutung auch kein jagdlich-rustikaler oder gargantuesker Champagner, sondern ein garconhafter Schmeichler.

IV. de Sousa, Cuvée 3A Extra Brut

50CH aus Avize, 50PN jeweils hälftig aus Ay und Ambonnay, dosiert mit 5 g/l

Biodynamischer Champagner; spontaner Gärbeginn, dann thermoreguliert bei – 4 ° C, mit BSA, der Ausbau findet in Beton und 600-Liter-Fudern statt, die Weine werden nicht geschönt und bleiben unfiltriert. Die Trauben stammen aus den drei einzigen Grand Crus, deren Dorfnamen mit "A" beginnen, was den Namen erklärt, aber vielleicht ist das Triple-A ja auch eine Anspielung auf Erick und Michelles Bonität, wer weiß. Der Champagner ist dunkel, glatt, mystisch, pantherhaft, etwas exotisch und leicht karamellig.

V. Domaine Dehours, Pinot Noir Vieilles Vignes Parcellaire "Maisoncelle" Extra Brut 2004, dég. 30. Aug. 2010

Über Jerome Dehours habe ich ja schon im Nachgang zur Vinexpo mit Begeisterung berichtet. Dort habe ich seinen Chardonnay Parcellaire "Brisefer" herausragend gut gefunden, den "Côte en Bosses" Extra Brut 2004 aus allen drei Reben, dégorgiert 7. Januar 2010, fand ich kurz danach im Einzeltest wieder sehr überzeugend, der "Maisoncelle" sollte meine Meinung noch einmal bestätigen. Kirschig, knorpelig, unverwachsen und naturnah, mit einem obszönen Kaviarduft.

VI. Leclerc-Briant, Premier Cru Les Authentiques "Chèvres Pierreuses"

40PN 40CH 20PM.

Was ist denn mit Leclerc-Briant los? Seit der Winzer tot ist, schmecken seine Champagner nicht mehr. Früher war der Chèvres Pierreuses mein Lieblingschampagner aus der Authentique-Kollektion von Leclerc-Briant und letztlich aus dem Gesamtangebot des Erzeugers. Nun erwische ich schon zum wiederholten Male eine Flasche in schwacher Form. Zwar an sich sehr apfelsaftig, aber dann kommt nichts mehr und baut sich auch mit Luft nichts mehr auf. Schlaff, wachsig, ohne Pfiff, wirkt überreif und müde, erinnert ein wenig an überalterten Riesling, bei dem die an sich feine Petrolnote ausnahmsweise sogar störte. Schlimm!

VII. Jacques Lassaigne, Papilles Insolites

Ein in mehrfacher Hinsicht besonderer Champagner. Seine schwarzen Trauben stammen aus Montgueux. Montgueux wird immer als der Montrachet der Champagne dargestellt, die Chardonnays von diesem kleinen Berg mit der ungewöhnlichen Südexposition sind nicht unumstritten, aber sie haben einen unbestritten eigenen, meinetwegen burgundischen Charakter und machen zur Zeit reichlich Furore. Ob der Papilles Insolites wirklich zu 100% oder "nur" zu 75% aus Pinot Noir besteht, ist unklar, der Champagner ist eigentlich sowieso nur ein Experiment, bzw. ursprünglich sogar ein Unfall. Die Trauben der hier verwendeten 2005er Ernte wurde schlicht auf der Presse vergessen, daher die ungewöhnlich dunkle Färbung. Mit dem Saft experimentierte Emmanuel Lassaigne ein wenig, ließ den Schwefel weg und verkaufte das Resultat drei Jahre später an zwei seiner besten Pariser Handelskunden (aus deren Firmennamen sich der Name der Cuvée zusammensetzt: "Les Papilles" und "La Cave de l'Insolite"). Von der Farbe her dem Oeuil de Perdrix sehr ähnlich, wenn nicht sogar noch intensiver eingefärbt. Schokolierte schwarze Johannisbeere, Blaubeerjoghurt, Milchschokolade. Säurearm, etwas scotchig, Rumtopf, dabei ohne Rancio.

VIII. Francis Boulard, Mailly Grand Cru Extra Brut, neues Etikett, dég. 18. März 2011

90PN 10CH, 2007er Basis mit 30% reserve aus 2006 und 2005, mit 5 g/l dosiert

Im Fass spontanvergorener Champagner, den man schnell für einen reinen Chardonnay halten könnte, da er eine ansprechende Apfelsaftnote hat, die hier viel gesünder, strahlender und reiner ausgeprägt ist, als beim Chèvres Pierreuses. Einer der ersten Champagner von Francis Boulard, die ich seit dem Etikettenwechsel getrunken habe; zwar habe ich die von ihm und seiner Tochter kreierten Grundweine und Cuvées schon probieren können, da war aber alles noch unrund, ungelenk und nur schwer gut zu finden. In der jetzigen Form zeigt sich die altbekannte Größe von Francis Boulard, der Neustart ist mithin geglückt.

IX. Janisson-Baradon, Cuvée Georges Baradon 2001, dég.

70CH aus der Einzellage Les Toulettes, 30PN

Der 2001er ist der Nachfolger des sehr guten 1999ers, der weitestgehend ausgetrunken sein dürfte und mir vom ersten Kennenlernen bis zum letzten Tropfen erhebliche Freude bereitet hat. Leider war 2001 kein besonders starkes Jahr, was das Reifepotential betrifft. Der 2001er Georges Baradon muss nämlich jetzt ausgetrunken werden. Er ist nicht ungefällig, nur ein bisschen zu festgelegt auf eine Kirschwassernote, die rechts und links neben sich kaum andere Aromen zur Geltung kommen lässt und nocht nicht schnapsig wirkt – doch wird das wahrscheinlich bald kommen. Bis Weihnachten 2011 gebe ich ihm noch, danach steigt er definitiv und merklich ab, für manchen Champagnerfreund dürfte er schon in diesem hochreifen Zustand problematisch sein.

X. Janisson-Baradon, Blanc de Blancs Special Club "Les Toulettes" 2004

Eine ganze Stufe über dem Georges Baradon steht die 1947 bepflanzte Einzellage "Les Toulettes", in dieser Form nach dem 2000er überhaupt erst zum zweiten Mal auf den Markt gebracht und wiederum ein voller Erfolg. Aus den Toulettes bedient sich die Cuvée Georges Baradon zum größten Teil (und soweit ich weiß hat dort auch der famose Jacques Diebolt von Diebolt-Vallois Reben stehend), wie man weiß, mit allen Stärken und allen Schwächen die eine solche Cuvée dann hat. Im reinen Einzellagenchampagner findet sich dafür alles völlig fugenlos gefügt, geht Toffee mit Fruchtpüree Hand in Hand, ohne dass die fruchteigene Säure für Komplikationen sorgt. Brioche, Mandelsplitter, Lemon Curd, ein stattlicher Champagner mit Körper und Biß.

XI. Bérèche et Fils, Instant "Le Cran" 2004, Handdégrogement am 5. November 2010

55CH 45PN, alte Reben gepflanzt von Großvater Pierre Bérèche, mit 2 g/l dosiert

Köstliches Himbeeraroma und ein verführerischer Knackarsch, ultrafein, gleichzeitig unaufgesetzte, ungekünstelte Coolness, eine Mischung aus der kess-frechen Bryce Dallas und der naiv-holden Jennifer Finnigan. Kauftip.

XII. Piper-Heidsieck, Rosé Sauvage

Zum Zeitpunkt der Neuauflage des Sauvage-Champagners war die angesprochene Käuferschicht zu jung, um sich an den alten weißen Extra Brut Sauvage von Piper-Heidsieck zu erinnern, daher gab es wahrscheinlich keinen Konflikt zwischen den beiden. Der Rosé Sauvage ist jung, jugendlich und schmeckt möglichst früh nach der Marktfreigabe sehr gut, mit zunehmender Lagerdauaer baut er leider unverhältnismäßig schnell ab. So war es hier. Zwar prägten viele rote Beeren das Bild, aber alles wirkte zusammengequetscht, gedrückt, eng, schwer und gezwungen. Keine Leichtigkeit, keine sündige Sorglosigkeit; zum Steak noch gut, allein nicht mehr so recht zu genießen.

Die Blanc de Noirs Nacht

 

1. Wilhelmshof, Blanc de Noirs Brut 2007

20 Monate Hefelager.

Der erste Wein in einer Verkostung sein zu müssen, ist immer mit Schwierigkeiten behaftet. Der Gaumen mancher Verkoster ist vielleicht noch nicht recht kalibriert, die Begeisterungsschwelle noch nicht alkoholbedingt gesunken. Der Wilhelmshof musste als leicht zu enttarnender Pirat diese undankbare Einsteigerrolle übernehmen. Für den bekanntermaßen exzellenten und vielfach dekorierten deutschen Sekterzeuger mit der hohen Champagneraffinität war die Pole-Position leider besonders ungünstig, denn Sekt und Champagner lassen sich nur ganz schwer in einer Probe, bzw. in einem flight unterbringen. Hinzu kommt noch, dass der konkret verkostete BdN mit einem unangenehmen Sauerkrautstinker nicht auf Anhieb begeistern konnte; besser wurde er dann zu allem Unglück auch nicht mehr. Keine Spur von der sonst vom Wilhelmshof bekannten Sekt-Noblesse, keine betörende Frucht, zwar ein angenehmes Mundgefühl, aber letztlich zu wenig von allem.

2. Marie-Noelle Ledru, Ambonnay Grand Cru Brut

80PN 20CH, mit ca. 8g/l dosiert.

Von Viticultrice Marie-Noelle Ledru ist mir die Spitzencuvée de Goulté sehr ans Herz gewachsen. Ihre anderen Champagner kenne ich nicht so gut und so war es für mich schwer, mich dem Champagner blind zu nähern. Hochwertiges Lesematerial konnte man vermuten, dafür gaben Struktur und Gewicht des holzlos ausgebauten Weins genügend Anhaltspunkte. Die deutlich schmeckbare Wildkirsche kam mir allerdings allein etwas zu simpel vor, Nebenaromen konnte ich kaum ausmachen.

3. Roger Brun, Cuvée des Sires, Grand Cru "La Pelle" Extra Brut 2002

100PN aus südlich exponierter Einzellage; in kleinen Holzfässern vinifiziert. Unfiltriert, mit 3 g/l dosiert.

Kräftig, reif, vollmundig, dabei etwas pektinig und ganz leicht trocknend, daher an der Gaumenmitte vielleicht nicht gerade ein Loch, aber eine dünnere Stelle. Ich dachte wegen seiner verschwenderischen Fruchtnase (Kirsche, Banane, Bratapfel) zuerst an eine noch ganz junge Cuvée des Signataires von Régis Fliniaux, den ich erst kurz zuvor noch besucht hatte. Zumindest was den Ort betrifft, lag ich also richtig. Ein schöner Champagner, der wegen seiner durchdringenden Aromatik nicht an einen 2002er denken lässt und gut zum Essen passt.

4. André Clouet, Un Jour de 1911 Multi Vintage (2002, 2001, 2000 (?))

100PN aus Bouzy Grand Cru.

Ein langgehegter Wunsch ging in Erfüllung: mal eine etwas reifere Flasche vom 1911er trinken. Bisher habe ich diesen Champagner immer viel zu jung getrunken. Mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Denn schon in seiner Jugend schmeckt er famos, bei mir ist er als Burlesque-Champagner abgespeichert. Doch ist mir bei früheren Flaschen stets sehr schmerzlich bewusst gewesen, wie viel Potential er hat. Köstlich war der Mix aus weichen, sämig-fruchtigen Aromen vollreifen Beeren, die behutsam daruntergewobene Vanilligkeit, die unverpampte Textur. Die sehr scharf umrissenen Konturen von Goji-Beere, Cranberry und Zitrusfrüchten jüngerer Flaschen sind jetzt nicht verschwommener, aber gaumenfreundlicher, nicht mehr so dichtgedrängt und quirlig. Dieser Reifezustand entspricht seinem wärmenden Naturell – vielleicht schaffe ich es jetzt, dies Flaschen länger unangetastet zu lassen.

5. Jérôme Prévost, La Closerie, Rosé Brut Nature "fac-simile" (2007er), #58/2800, dég. Dezember 2009

100PM davon 11% Meunier Stillweinzugabe. Ausbau in jungen und alten Barriques.

Ich meine ja, dass längst nicht jeder der mal bei Anselme Selosse ein Praktikum gemacht hat, gleich ein Selosse-Schüler ist. Jérôme Prévost ist aber doch einer. Zu Hause ist er in Gueux. Das ist ein beschauliches Nest westlich von Reims, an der A4 Richtung Paris, IKEA-Freunde wissen, wo. Das Aufsehenerregendste in Gueux ist die freundlich-geschwätzige Verkäuferin im Tante-Emma-Eckladen, aber rein äußerlich gewiss nicht das Prévostische Anwesen. Daran fährt man schnell mal vorbei, denn Monsieur Prévost bewirtschaftet nicht zig Hektar und residiert nicht wie die großen Herrschaften. Über eine unscheinbare Bimmel kündigt sich der Besucher an, wenn er Einlass begehrt und wird freundlich aber bestimmt abgewiesen, wenn es nichts zu verkaufen gibt, was der Regelfall ist. Sein Champagner mit dem außergewöhnlich schlichten Etikett kam hell-zwiebelschalenfarben ins Glas. Kaum zu greifen war die Aromatik dieses noch ganz blutjungen Champagners, von dem man sich nur wünschen kann, dass er in Zukunft mehr Zeit auf der Hefe verbringen darf. Mineralisch, dicht, wandlungsfreudig. Beerig, vegetabil, mineralisch. Wispernd und leise, aber nicht vernuschelt. Kompromisslos und bestimmt, mit hoher Kraftreserve und viel Potential, allerdings von völlig anderer Machart als der 1911er in seiner Jugend. Sehr schön dürfte dieser ultrarare Champagner derzeit zu sparsam gewürztem Fisch mit hoher Eigenaromatik schmecken, noch viel schöner in fünf Jahren solo.

6. Jacquesson, Rosé, Dizy Premier Cru Extra Brut "Terres Rouges" 2003, mise en bouteille 14. Mai 2004, dég. 1er Trim. 2008

83PM, gepflanzt 1971 und 17PN, gepflanzt 1993; Mazerationsrosé mit 12 Stunden Schalenkontakt. Vinifikation im Fuder, dosiert mit 3,5 g/l.

Mit diesem Champagner kam das genaue Gegenteil des Prévost ins Glas. War der eine schon fast zu hell für einen Rosé, so war dieser hier meiner Meinung nach zu schon wieder sehr sehr dunkel und hätte ebensogut als – unzulässiger – Rotchampagner eingeordnet werden können. Dem 1959er Bourgogne Mousseux Méthode Champenoise vom Wochenende zumindest in der Farbe sehr ähnlich. In der Nase konzentriert, schwere, aber nicht bordellige Duftschwaden. Intensiv erdbeerig, mehr noch kirschig und mit viel Bodenhaftung – kein bloßer Früchtchenchampagner, sondern merklich enge Verwandtschaft zu Burgund. Sehr reif, säurearm. Überaus stark in Kombination mit Schinken, Salami, Pfeffer, Edelschimmelkäse. Faszinierend.

7. Xavier Leconte, "Les Vents d'Anges" 2005

100PM.

Nach dem Roséflight und ganz besonders nach dem mächtigen Jacquesson hatte es dieser weiße Meunierflight nicht leicht. Die Champagner von Xavier Leconte aus Troissy gehören zu den eleganteren Vertretern aus dem Marnetal. Von bäuerlicher Unbeholfenheit und trampelnder, etwas unsauberer Fruchtigkeit bei ihm keine Spur. Die Rebsortenchampagner aus seiner Serie "Les Vents d'Anges" gefallen mir alle gut, am besten gefallen mir Chardonnay und Pinot Noir. Den Pinot Meunier habe ich bei dieser Gelegenheit zum ersten Mal geöffnet. Grapefruit und Birne, reif, aber nicht überreif. Schlanker Wein ohne störende Holzeinflüsse.

8. Leclerc-Briant, Cumières Premier Cru Les Authentiques "La Ravinne"

2006er und 2005er, Blanc de Noirs von Pinot Meunier aus Verneuil. Mit 5 g/l dosiert.

Von der Frucht her dem Leconte sehr ähnlich, lediglich mit einer Spur mehr frischer Säure und einer etwas breiteren Bauart.

9. Egly-Ouriet, Blanc de Noirs Grand Cru Pinot-Noir Vieilles Vignes "Les Crayères", dég. nach 54 Monaten im Januar 2008

Erste Gärung im Holzfass (kennt man sonst noch von Krug oder Alfred Gratien). Ungeklärt, ungeschönt, ungefiltert. Kein BSA. Mit 2 bis 4 g/l dosiert.

Ein klarer Schritt nach oben und gelungener Abschluss eines schönen Blanc de Noirs Abends war der Crayères von Egly-Ouriet. Sattes Gold kündigt reife Aromen an, aber auf das dann kommende Erlebnis sollte man vorbereitet sein. Der erste Schluck ist, als würde man in eine bereits fahrende Achterbahn einsteigen. Temporeiche Entwicklung, mit Beerenfrüchte, Zwetschgenkuchen, pikant holziger Minzigkeit, die entfernt an amerikanische Eiche erinnert und ganz dezenter Hefe. Anders als in der Achterbahn rutscht man hier nicht auf einer glatten Sitzbank hin und her, sondern hat in phantastischen Sportsitzen jederzeit perfekten Halt. Völlig zu recht ein weithin begehrter Champagner.

10. Zoémie de Sousa, Blanc de Blancs, Cuvée Precieuse

Chardonnay aus Chouilly, Cramant, Avize, Oger und Le-Mesnil.

Der große Erfolg der Winzerchampagner von Erick de Sousa führte dazu, dass er den Status des négociant erwarb und begann, unter dem Namen Zoémie eine Champagnerlinie zu kreieren, bei der er Trauben zukauft. Das gelingt ihm ganz gut, denn an den Prinzipien der Weinbereitung wird dabei nicht gerüttelt. Die Vinifikation findet in 400-Liter Eichenfässern statt, es folgt ein dreißigmonatiges Hefelager. Autolytische Aromen, rote und grüne Äpfel prägen das Geschmacksbild.

Grillen und Roséchampagner

1) Legras & Haas Rosé de Riceys
Reichlich dunkel, zum Rand hin aufhellend, ziegelrot, erinnert ein wenig an Sherry, dieoxidative Nase bestätigt das anfangs, wird mit viel Luft aber leichtfruchtig, etwas holzig, behält eine schwach gemüsige Note bei, entpuppt, sich, wenn man keinen Korkschleicher unterstellt, als ziemlich leichter, mittellanger Wein mit lustiger, anregender Frische und interessantem Eukalyptuston; kein Schwergewicht, insgesamt kaum mehr als eine interessante Erfahrung, vor allem, da die Still- und Roséweine der Champagne zwar schon seit hunderten von Jahren keine überragenden Ruf mehr genießen, aber immerhin eine vom aussterben bedrohte Spezies sind.

2) Eric Rodez Grand Cru Rosé, Ambonnay
Einer der beiden stärksten Weine des Abends. Sehr hell, reichperlend mit üppigem Cordon und Kirschbananennase. Sehr verführerisch die fruchtige, reife rote Beerenfrucht, verspielte, lebhafte Säure mit genügend Körper drumherum, bestens balanciert, mittellang mit sauberem Abgang, paßt zu (Nudel-)Salaten besser als zum Grillgut

3) Yves Delozanne, BdN Rosé (sic!), Serzy et Prin
Der Spezialist für's Bäuerliche mit einem überraschend guten Champagner. Helles Kupferrot, lebhafte Perlage, sehr schöner Cordon, ausgesprochen weiniger und runder Charakter bereits in der Nase, außerdem Mandelaromen und Rosenwasser, Marzipan, Pistazieneis. Im Mund dann druckvoll, unaufdringliche, sehr präsente Säure, die sich zum Schluß noch einmal mit einem kecken Hüpfer blitzsauber verabschiedet. Außergewöhnlich hoher PM-Anteil, Jahrgangscharakter. Eigentlich auch eher ein Solist, paßt aber auch zu Geflügelwürstchen, wenn man nicht gerade dazu neigt, sich sehr viel Sauce auf den Teller zu kleckern.

4) Charles Lafitte Rosé
Helles Rosé mit langsam aufsteigenden Perlen, wenig Cordon. Wilder, animalischer anmutende Nase, die mit etwas Luft abflacht und sich in ein fleischiges, mit röstigen Noten durchsetztes Bouquet verwandelt. Insgesamt sehr runder, ausgewogener, unaggressiver Wein von mittlerer, aber eher kurzer Standzeit und milder Säure. Weniger Malo wäre hier vielleicht mehr gewesen. Für einen Vrankenchampagner aus dem Massenprogramm immerhin sehr gut. Aufgrund seiner bäuerlich zupackenden Art ein guter Grillbegleiter.

5) Tsarine Rosé 1999
Zarthell, fröhliche, mittelgroße Perlage, souveräne Cordonbildung. Volle, sehr elegante Nase, weinig, hefig, rund. Darunter eine feinverwobene Schicht bananiger, exotischer und leicht amylischer Noten, Cantuccinicharakter; mittellang, als Solist vielleicht sogar etwas länger nachzuverfolgen, beim Grillen zu kurz. Wegen seiner zarten, beinahe femininen Art insegsamt leider kein besonders guter Grillchampagner.

6) Charles Heidsieck Rosé 1996
Helles, ins rötliche gleitendes, sattes Kupfer, mittelgroße Perlage – wirkt fast etwas zu früh von der Hefe genommen, kann aber auch glasbedingt gewesen sein. Schöner Cordon, fleischige, röstbrotige Nase, volle, hefige Jungweinnase, Jahrgangscharakter. Auch im Mund stramme Säure und hefig abgepolsterte Fruchtnoten, beginnt jetzt, Spaß zu machen, kann aber bequem noch länger. Mit Luft zusehends feiner, mit würziger Cassisnote und warmen, holzigen Anklängen. Ein sehr schöner Grillchampagner.

7) Bollinger Grande Année Rosé 1996
Schönes sattes Kupferrot, mittelschnell aufsteigende, feine Perlage, üppiger Cordon. Fette, animalische, würzige-weinige Nase, dicht, erdig, ein wenig fruchtarm. Auch im Mund kommt erst nach dem Steinebeißen die Frucht ins Spiel, vermischt mit reichlich heißer Butter. Harte, rasante Säure, im Abgang dampft noch etwas Schokolade aus. Eigentlich viel zu jung getrunken, zum Grillen aber gerade recht. In drei Jahren sicher kein Grillchampagner mehr, sondern ein distinguierter, sehr vorbildlicher Vertreter der 1996er Prestigerosés.

8) Gosset Celebris Rosé 1998
Leider war es schon etwas dunkel, die Farbe war aber eher zartaltrosa als schreiend pink. Reicher, weiniger, schon sehr harmonischer Champagner mit dickstoffiger, samtiger, blumigfrischer Nase und hauchfeinen Toffeenoten, die mich immer ein wenig an Haferflocken mit braunem Zucker erinnern. Honig, Säure, Holz und Frucht in schönster Eintracht. Geschmeidiger Wein, der zu den gereichten Erdbeeren besser als zum Grillgut paßte.

9) Laurent Perrier NV Rosé
Buttrig, fett, sauber, stoffig. Rosenwasser und Mandeln, dazu ein angenehm mürbes haut goût, das aber flott wieder von Fruchtnoten eingefangen wird, bevor es aufdringlich wird. Gelungener Schlußwein mit reichlich Druck, um auch den strapazierten Gaumen noch anzusprechen, ohne ihn zu überfordern.

Fazit: Die Champagner für sich genommen waren alle sehr gut, das Grillgut auch. Die Kombination war nicht immer optimal, was aber auch daran gelegen haben mag, daß die einzelnen 2er Flights nach dem Rosé de Riceys sehr viel Aufmerksamkeit beansprucht haben und die Kombination mit dem Grillgut – zumindest bei mir – darüber ins Hintertreffen geriet. Die etwas grob gewirkten, derberen Champagner oder auch die ungestümeren mit reichlich Druck paßten gut, während elegantere Weine oft untergingen. Ob sich nicht vielleicht auch manche BdBs geeignet hätten ist schwer zu sagen, ich denke mit Geflügelwürstchen und Salat sicher, bei den dunkleren Fleischsorten ist dann doch Roséchampagner zu bevorzugen. Der Rosé de Riceys war wenn überhaupt, dann nur mit viel Luft und zum Gegrillten trinkbar, allein machte er eine etwas schwache Figur, was mich nicht besonders erstaunt.

Ruhrmenu im Kölner Hof

I.1 Ballontine von der Wildente mit Eisweingelee und Aprikosen-Rosmarinbrioche
dazu: Caspari, Riesling feinherb 2007
Die kleine Wildentenspirale mit dem petersiliengefärbten Gänseklein sehnte sich nach genau diesem einfach gestrickten, robusten, aber als Moselaner erkennbaren Riesling und seiner schon andeutugnsweise würzigen Petrolnote.Weniger gut zum Eisweingelee, aber ausgezeichnet mit dem obstig-medizinalen Brioche.

I.2 Dreierlei vom Hummer (Hummer-Velouté, Hummercrème, Hummereis mit Knoblauchbrunoise) und Jakobsmuscheln
dazu: Champagne Regis Fliniaux Blanc de Blancs Grand Cru
Der Verführer aus Ay war zum haargenau zubereiteten Velouté fast nicht zu schlagen, die sämige, aber bei weitem noch nicht mehlige Konsistenz des Hummersäftchens trug röstige, nussige und keineswegs angebrannt schmeckende Aromen und war damit ein sehr guter Partner für den seinerseits mit feiner Nusswürze, Öligkeit und crémiger Textur reagierenden Chardonnay, der aber vollends brillierte, indem er die Ay-typische exotische Fruchtkomponente freigab

I.3 Rücken und Bäckchen vom Kalb mit Pfifferlingen, Pastinakenpüree und Hokkaido-Kürbis
dazu: Elio Altare, L'Insieme VdT (Mix aus Barbera, Cabernet Sauvignon, Dolcetto, Nebbiolo, Syrah) 2004
Kräftiger, von jungem Cabernet dominierter Wein aus dem offenen, karitativen Gemeinschaftsprojekt von acht Winzern – jeder macht seinen eigenen, als Insieme verkauften Mix in einer Auflage von jeweils knapp 1000 und insgesamt max. 5000 Flaschen. Würzig, mit dynamischer Säure und sehr positiver ntwicklung mit Luft. Braucht noch ein paar Jahre, um als Solist zu überzeugen, kam aber mit dem kräftig gewürzten Kalbsbäckchen schon gut zurecht und vertrug sich auch mit den Pastinaken.

Ri-, Ra-, Rosé-Champagner

I. Billecart-Salmon Rosé
Der Rosé-Klassiker hatte ca. ein Jahr Flaschenreife, was gut war. Vollmundig, rund, facettenreich, zu Recht einer der tonangebenden Nichtjahrgangs-Rosés.

II. Alfred Gratien Rosé
Die spritzige, leicht aggressive Säure, lässt zunächst an jungen Jahrgangschampagner denken, aber wie so oft liegt alles nur am BSA. Nicht weiniger und auch nicht komplexer als der Billecart-Salmon, aber von sperrigerer Art; gefiel mir, vielleicht auch, weil er mir geringer dosiert vorkam oder einfach nur, weil ich ihn nicht gar so häufig im Glas habe, etwas besser.

III. Henri Giraud, Francois Hémart Rosé en Magnum
Mein wine of the night. Ricolakräuter und Orangenschale, anschmiegsam und trotzdem mit funkelndscharfer Säurekralle ausgestattet, der reinste Katzenchampagner.

IV. Denis Salomon Rosé de Saignée
Dieser Champagner war bäuerlich, kirschsaftig, eine Cuvée aus Meuniers. Mit etwas couragierterer Säure wäre er sicher attraktiver gewesen, hatte es nach dem Hémart aber natürlich sehr schwer. Die beiden wirkten im direkten Vergleich zwar nicht wie Cecilia Bartoli und Florence Foster Jenkins, aber vielleicht ein bisschen wie das iPhone 3Gs und ein handelsübliches pre-paid Handy

V. G. H. Mumm Rosé Millésime 1985
In der Nase deutlich frischer als im Mund, wo anstelle der belebenden Kohlensäure eine etwas ältliche Weintextur Raum griff. Für Freunde reifer Champagner noch mit Mehrwert zu trinken, für Frischefetischisten leider tot. Gerade für diesen Jahrgang ist das besonders traurig, denn meine übrigen Erfahrungen mit den 1985ern sind sehr gut und zeugen von langer Lagerfähigkeit.