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Champagne Bruno Paillard. Ein Rück- und Überblick aus dem Restaurant first floor, Hotel Palace, Berlin

Bei www.captaincork.com habe ich mit einer kleinen Bruno Paillard Eloge meinen Einstand gegeben (hier: http://www.captaincork.com/Weine/champagner-aber-bitte-mit-datum-bruno-paillard-brut-assemblage-2002) und das Glas mit dem großen NPU auf den geschiedenen Captain Klimek erhoben, der guten Ordnung und Vollständigkeit halber nachfolgend meine jüngsten Notizen zu Bruno Paillard, gewonnen auf der Präsentation im first floor des Hotel Palace, Berlin.

I.1 Première Cuvée, dégorgiert Januar 2013

Sehr jung, mit schneidender Säure und dem für junge Champagner ganz typischen Gefühl, in einen frisch von der Streuobstwiese gepflückten Apfel zu beißen. So schmeckt Champagner direkt nach der Marktfreigabe und bei Bruno Paillard schmeckt er in diesem Stadium noch besonders aggressiv.

I.2 Première Cuvée, dégorgiert Dezember 2009

Schon ganz anders schmeckt ein zurückliegendes Dégorgement des exakt selben Champagners, allerdings mit gut drei Jahren Flaschenreife. Die zum Austernschlürfen so begehrten jodigen und an Meerwasser erinnernden Noten gesellen sich zum Apfel dazu und zeigen: wer den Champagner innerhalb der ersten zwei jahre getrunken hätte, wäre vielleicht sogar enttäuscht gewesen. Erst jetzt hat er den Charakter eines Champagners, den man gern zum meeresfrüchtegprägten Apéritif serviert bekommt. Für den Durchschnittstrinker reicht das völlig.

I.3 Première Cuvée, dégorgiert September 2005

Ambitioniertere Genießer haben ihre wahre Freude erst bei einem Dégorgierzeitpunkt, der ganze acht Jahre zurückliegt. Das muss man erstmal wissen. Denn erst jetzt öffnet sich der Champagner wie die weichen Schenkel einer bis zur völligen Zufriedenheit verwöhnten Kokotte. Der Apfel ist noch da und liefert als Apfelchutney dienstbare Säure an die jetzt tonangebenden Confiseriearomen, mit Quittenmus, Orangenschale, Toast und Honig. Das ist das Hochplateau der Reife dieses Champagners.

I.4 Première Cuvée, dégorgiert November 2001

Erst das zwölf Jahre zurückliegende Dégorgement zeigt erste Müdigkeitserscheinungen. Der Honig nimmt langsam Überhand und kleistert mit seinen Akazien- und Kastanienaromen die immer noch merkliche, aber abnehmende Komplexität ein. Dieser Champagner sollte tatsächlich bis zu den Feiertagen ausgetrunken werden.

II.1 Blanc de Blancs Millésime 1999, dégorgiert April 2011

Sehr delikat präsentiert sich der eigentlich immer als unscheinbar abgetane Jahrgang 1999. Wonnige Säure zieht sich mit dem Auftreten erster zarter Pilznoten diskret zurück und überlässt den hinzutretenden Noisettevariationen und Orangenfilets das Feld.

II.2 Blanc de Blancs Millésime 1995, dégorgiert Februar 2007

Weniger fett tritt der stillste Star der Neunziger Jahre an. Damals standen alle zuerst unter dem krönenden Abschluss der jahrgangsreihe 1988, 1989, 1990 still, dann überschattete der mächtige 1996er alles. Auf den talentierten 1995er nahm keiner mehr Rücksicht. Das ist gut für die, die noch welchen haben. Edelgehölz, Meeresgetier und herbfrische Zitrusfrüchte geben den Ton an, bevor gedämpften Schrittes Buttergebäck und noble Röstnoten dazukommen. Mein Favorit in der Verkostung und ein bescheidener, bestens trainierter Langläufer.

II.3 Millésime 1989, dégorgiert Mai 2003

Die Assemblage aus dem Jahrgang 1989 ist wieder nur was für Altweinfreunde. Das Bild wird von Trockenfrüchten bestimmt und erinnert mich außerdem wegen seiner in Rauchige gehenden Röstigkeit an englische Orangenmarmelade mit einem Schuss Scotch. Der Campari-O unter den Champagnern.

Philipponnat Clos des Goisses 1994 – 2004

Jahrgangschampagner aus dem nur mäßig prominenten Champagnerjahr 1994? Da würde ich normalerweise abwinken. Bei Philipponnat nicht. Nicht, nachdem ich mit dem als ähnlich düster bekannten Jahrgang 1991 aus demselben Haus so gute Erfahrungen gemacht habe und Philipponnat sich nach einigen weiteren Proben sogar als regelrechter Spezialist für derartige Schwachjahre (2000, 2001, 2003) in meinem Verkostungshirn verankert hatte. Eine kleine Vertikale drängte sich also förmlich auf und wenn man schonmal in der Champagne ist, sollte man sich einen Besuch in Mareuil-sur-Ay sowieso nicht entgehen lassen. Die Champagner aus dem Clos des Goisses werden mit Anteilen zwischen 30% und 60% im kleinen Fass vergoren und durchlaufen keinen BSA, egal ob im Fass oder im Stahltank vergoren. Ein Chardonnayanteil von meistens zwischen 30% und 40% dient als Frischespielbein, während der dominierende Pinot Festigkeit, Struktur und Würze liefert. Das Geheimnis seiner outperformance in den bekanntermaßen schwachen Jahren ist damit aber noch längst nicht gelüftet. Muss auch nicht, mir reicht es völlig, wenn ich weiß, auf wen ich mich dann verlassen kann.

 

1. Clos des Goisses 2004, dég. Februar 2013

Eine ganze Wiener Feingebäckstube in der Nase, sehr viel Hagelzucker, einige Zimtblätter, Fenchelsamen und Lindenblütenduft. Der Champagner wirkte noch unentschlossen, war reichlich zu jung und wie mitten in der Pubertät erwischt, der uneinheitliche Mundeindruck rührt außerdem vom kürzlich erfolgten Dégorgement her, denke ich. Ein noch unzusammengefügtes Meisterstück, dessen künftige Balance, eingängig-crèmige Art und superbe Balance greifbar im Raum steht und wahrscheinlich durch nichts mehr verhindert werden kann, außer eben durch unglücklich gewählte Dégorgierzeitpunkte.

 

2. Clos des Goisses 2003, dég. August 2012

Hitzige Nase mit Dill, frischen Kräutern und Anis. Im Mund eine kaktusfeigenartige Stacheligkeit, mit hinterlistigen Säurefäden, die fast schon mehr stören, als helfen. Hilfe nämlich braucht man beim Verdauen dieses dicken Champagners, dem in seinen ersten Glasminuten mittlere und hohe Töne völlig abgehen, wie bei einer defekten Lautsprecherbox. Mit Luft entsteht ein etwas teeriger Duft, der mich an den geschätzten, aber schwierigen Duft Palais Jamais von Etro erinnert.

 

3. Clos des Goisses 2002, dég. Februar 2012

Algen, Apfel, Feigenschale, Melone, ein Nasengefühl wie bei einer sehr noblen Seife. Im Mund geheimnisvoll, mit dunkleren Aromatönungen, als die Nase ankündigt, wirkt zähfließend, was aber täuscht, wobei ich nicht unterschlagen will, dass ich eine höhere Säurepräsenz wünschenswert gefunden hätte. Wie der eng verwandte 2004er wirkt auch der 2002er noch unfertig und weitere drei Jahre Flaschenruhe seien ihm herzlich gegönnt.

 

4. Clos des Goisses 2001, dég. Juni 2011

Mein Favorit. Aus einen frostigen Jahr mit später Lese, Richard Juhlin empfiehlt sogar, den Jahrgang gleich komplett zu ignorieren, aber so kann man eben danebenliegen. Wie im Land der Raketenwürmer schießen Säurefontänen durch den Champagner, eine gewaltige und unbändige Kraft will sich hier aus der Flasche und dem Glas befreien, wenn der Champagner nicht so gut wäre, würde ich Alpträume von der Vorstellung bekommen, sowas in den Eingeweiden sitzen zu haben.

 

5. Clos des Goisses 2000, dég. Juni 2011

und dég. Oktober 2009 getrunken März 2011; deg juni 11, getr juni 11

Ein alter Bekannter ist mittlerweile der 2000er Clos des Goisses und einer von der Sorte, mit denen der Abend gar nicht schiefgehen kann. Komplex und in jeder Sekunde Neues aus den Tiefen seiner Perlage hervorholend, wie ein in Rausch geratener Verkäufer einer Edelboutique. Das ist nicht immer von Anfang an so, diese Flasche hier fand ich zum Beispiel erst etwas arg reduktiv, als sei sie mit einer dicken Kruste Austernschalen verschlossen, die sich aber schnell als brüchig entpuppte und das Panorama exquisit reifer Röstaromen in Nase und Mund entließ. Natürlich wirkte dieser Champagner nach dem brutaleren 2001er süßer, aber eben nicht unterlegen. Die meisten würden ihn dem 2001er wahrscheinlich deutlich vorziehen.

 

6. Clos des Goisses 1995, dég. Juni 2011 (Long Vieillissement)

Von diesem Champagner mussten drei Flaschen von ihrer Daseinsnot befreit und aus dem irdischen Jammertal entlassen werden; die erste hatte deutlichen Kork, die zweite wurde von heftiger Reduktion gebremst und erst die letzte Flasche dankte für die Erlösung mit körpeweise reifen Äpfeln, Kaffee, Pilzen, crèmiger, rahmiger Textur, Veilchennoten, obszön glitschiger Säure und einem ebensolchen Drang in Richtung Rachen.

 

7. Clos des Goisses 1994, dég. September 2004

Der Scheidebecher in mehrfacher Hinsicht. Für die Verkostung der letzte Champagner und für die meisten Champagnertrinker das Reifestadium, ab dem sie aussteigen. Dabei wirkte der 94er Clos des Goisses nicht überreif, maderisiert, allzu sherryhaft oder gar angeschossen, sondern hat derzeit so viel Reife und Konzentration in sich vereinigt, dass ich ihm gut und gerne noch ein beachtliches Leben in der Flasche prophezeie; was die meisten Trinker hingegen stören dürfte, ist die mit der allgemeinen Konzentration einhergehende Ballung herber, dunkler, kräftig-würziger Aromen, die dem Champagner etwas an Tempo zu nehmen scheinen. Für mich bedeutet das Erreichen dieses Reifestadiums nicht anderes als den Aufstieg in eine andere Klasse, weiter nichts.

 

Fazit:

Paradox, dass der Clos des Goisses, eine der heißesten Weinbergslagen der Champagne überhaupt, in so gegensätzlichen Jahren wie 2001 und 2003 so hochzuschätzende Champagner bringt. Toll, dass der Clos des Goisses so eigene, eigenwillige und reifebereite Weine liefert.      

Bruno Paillard Nec Plus Ultra 1996 Release Party

 

Lange hatte sich Bruno Paillard dagegen gewehrt, eine Prestigecuvée auf den Markt zu bringen. Dabei hätte er gleich mehrfach die Möglichkeit dazu gehabt, die Natur spielte seinem damals noch jungen Haus übermütig Jahrgänge wie 1988 und 1989 in die Hände. Doch erst der Jahrgang 1990 sollte sich als Geburtsjahr für den Nec Plus Ultra erweisen. In England, von wo der entscheidende Impuls ursprünglich gekommen war, sorgte das für Jubel und reißenden Absatz. Es folgte der zu recht erfolgreiche 1995er und dann war es lange still, man hätte fast befürchten müssen, dass Bruno Paillard das Projekt N.P.U. wieder aufgegeben hat. Hat er natürlich nicht, der 1996er lag die ganze Zeit fertig im Keller und musste nur wegen seiner jahrgangstypischen Attribute mehr als die obligatorischen zehn Jahre dort warten, bevor ein erstes Dégorgement ernsthaft in Betracht kommen konnte. Im Jahr 2009 war es dann soweit, der N.P.U. 1996 wurde geöffnet, erwies sich aber als zu säurehaltig und ungebärdig. Flugs sperrte Bruno Paillard ihn wieder weg und ließ ihn weiter warten. Bis zum 20. Juni 2011. Da war endlich Marktfreigabe und ein bestgelaunter Bruno Paillard überließ es dankenswerterweise seiner charmanten Tochter, mich zu initiieren.

I. Blanc de Blancs Millésime 1999, dég. September 2010

Adäquater Steigbügelhalter für den N.P.U. ist der im April des Jahres erstmals öffentlich vorgestellte 1999er Blanc de Blancs – Avant-Première war übrigens im Hamburger Hotel Louis C. Jacob. Der Champagner hat eine Leichtigkeit, die zum Motto "Vivacité" des Künstleretiketts von Guillemette Schlumberger passt, rote und grüne Äpfel, Orange, Nektarine, etwas Fenchel. Im Vergleich mit vielen anderen, routiniert runtergespulten 1999ern wirkt der Blanc de Blancs von Bruno Paillard lebensbejahend, abenteuerlustig und offen, womit er voll auf der Hauslinie liegt.

II. N.P.U. 1996, dég. Januar 2009, Flaschennr. 0003/6523

Limette, Ingwer, Orangenstäbchen, konzentrierte Apfelnoten und eine je nach Gewöhnung ungezogene bis schockierende Säure, sekundiert von warmen Holznoten und sizilianischem Torroncini-Nougat. Bewegender Champagner mit eskalierendem Sendungsbewusstsein, das die Herzen und die Backen schwellen lässt. Dazu gab es guten Schinken, frisch auf den Teller gesäbelt. Dessen salzige Noten sind bekanntlich ideale Kontrapunkte für mächtige Champagner, ebenso wie alter Parmiggiano Reggiano oder der in Frankreichs Sternerestaurants immer beliebter werdende alte Gouda. Keine Überraschung also, dass der N.P.U. sich zusammen mit dem Schinken so wundervoll wegkauen ließ, wobei die erhebliche Säure mit dem nussigen Fett ausgiebig zu tun hatte und dadurch positiv zum Gesamterlebnis beitrug.   

Die mittelgroßen Häuser: Philipponnat vs. de Venoge

 

Weitesgehend unbemerkt von der deutschen Weinöffentlichkeit hat sich in der Champagne ein Haus formiert, dessen Marktpotential noch längst nicht ausgeschöpft ist. Unter dem Dach der Gruppe Lanson-BCC finden sich geniale Köpfe wie Bruno Paillard, Gentlemen wie Charles Philipponnat, Markengiganten wie Lanson und Industrieerzeuger wie Burtin, daneben kleine und feine Marken wie Besserat de Bellefon und das einst etwas angestaubte Haus de Venoge, das sich momentan sehr sportlich gibt, außerdem eine ganze Reihe zumindest in Deutschland indifferenter Labels wie Chanoine, Boizel und Tsarine. Philipponnat konnte im letzten Vergleich mit Pol-Roger überzeugen, ein kleines Match mit de Venoge sollte deshalb unterhaltsam sein:

 

A. Philipponnat

Charles Philipponnat erklärte mir sehr freimütig, was er von der Jahrgangsdeklarationspraxis hält. Nicht viel, wie seine eigenen Jahrgänge zeigen. Ich erinnere nur an 1991, 1992, 1997 und 2003, Jahrgänge, die für sehr mäßig gehalten werden, bei Philipponnat hingegen stark ausfallen und teilweise (1991) bis heute zu überzeugen vermögen.

I. Royale Réserve, dég. Februar 2011

40-50PN 30-35CH 15-25PM, 07er Basis, Vinifikation im Stahltank und zu einem kleinen Teil im Holzfass, dort auch kein BSA. 25-40% Reservewein aus Soleraverfahren (jedoch nicht klassisch in Pyramidenform, sondern durch nachfüllen im Stahltank), teilweise aus Holzfassausbau. Mit 8 g/l dosiert.

Ähnlich wie die Nummerncuvées von Jacquesson und die Special Cuvée von Bollinger entwickelt sich die Royale Réserve von Philipponnat zu einem Champagner, den ich zu den buchstäblich fundamentalen Weinen der Region zählen möchte. Mit religiöser Gewissheit sind die einzelnen Dégorgements verbindlich, nussig, weinig, hefig, wohlgerundet, aber nicht aalglatt, dezent fruchtig, pointiert und diskret verspielt.

II. Dosage Zéro, dég. September 2009

06er Basis, 25% Reservewein

Flintig, mit dem Duft von unaufgeplatztem, butterglänzendem Popcornmais mit Salzristalle obendrauf. Am Gaumen keine bröckelige, kristalline Struktur, sondern seidenglatte, kühle, transparente Art.

III. Rosé, dég. Juni 2011

07er Basis, Assemblagerosé

Fein und weich, mit milder Candyanmutung. Kam mir viel zu jung vor und muss wahrscheinlich erst noch den Dégorgierschocl verarbeiten.

IV. Grand Blanc, Blanc de Blancs 2004

Chardonnay zu 70% aus der Côte des Blancs, jeweils 15% stammen aus dem Clos des Goisses und aus Trépail in der Montagne de Reims. Teils im Holz und teil in den neuen Stahltanks von Philipponnat vinifiziert. Mit 5-6 g/l dosiert.

Eine karibische Schönheit, die Elvis zum Aloha from Hawaii begrüßt haben könnte.

V. Brut Millésime 2003, dég. August 2010

70PN 30CH, mit 6 g/l dosiert.

Lebhaft und sehr reif, dabei nicht fett oder protzig. Auf der einen Seite sättigende Aromen von Kakao, Butter, etwas Nuss, auch Brioche, in der Mitte leicht zimtiges Apfelkompott und auf der anderen Seite eine couragierte Säure, die sich nicht nur als Gegenweicht versteht, sondern eigene Aktenze setzt und dem Wein so seine Spannung verleiht.

VI. Cuvée 1522 Blanc Millésime 2002, dég. Mai 2009

60PN aus Ay, lieu dit "Leon", 40CH jeweils zur Hälfte aus Chouilly, Cramant und Le Mesnil, mit 4 g/l dosiert.

Rote Traube, Muskattraube, Kreide. Dieser Dreiklang macht die Grundharmonie des Weins aus. Dunkle und tiefe Basis sind natürlich die rotfruchtigen, würzigen und leicht unterholzigen Pinotaromen, die große Terz bildet das reintraubige Muskataroma, als reine Quinte kommt kalkige Mineralität hinzu, die den Champagner über den Gaumen ausgleiten lässt und ihn zum starken Partner für Meeresfrüchte macht.

VII. Cuvée 1522 Rosé Millésime 2003, dég. Februar 2010

Im Gegensatz zur weißen Cuvée 1522 bezeichnungsrechtlich nur ein Premier Cru, weil 7% Pinot Noir aus Mareuil enthalten sind. Mit 4 g/l dosiert.

Sobald Kautschuknote, Latex, Ziegenleder und Handcrème verflogen sind, zeigen sich Walderdbeere, Himbeere und die dazugehörige delikate Säure. Sehr schön, sehr untypisch.

VIII. Clos des Goisses 2000, dég. Juni 2010

65PN 35CH, 30-50% im Fass vergoren. Mit 4 g/l dosiert.

Mein letzter Clos des Goisses 2000 war im Oktober 2009 dégorgiert, getrunken habe ich ihn im März 2011. Das aktuelle Dégorgement aus dem Juni 2011 musste sich also erheblich frischer zeigen.

Massiver Champagner, der noch immer nicht in seiner Eröffnungsphase angekommen ist, doch jetzt schon mit einem bedrohlichen Sirren wie von einem aufgebrachten Hornissenschwarm oder einer jenseits der Hügelkuppe herannahenden Kampfhubschrauberformation ankündigt, dass er recht bald entfesselt sein wird. Ältere Dégorgements dürften um Weihnachten 2011 soweit sein, dieses hier vielleicht im Sommer 2012.

Im Herbst 2011 wird es dann den neuen Clos des Goisses 2001 geben. 

Im Herbst 2011 wird es dann den neuen Clos des Goisses 2002 geben.

Jahaa: Philipponnat bringt die beiden Jahrgänge zusammen raus. Der 2001er wird etwas weniger kosten, als der 2002er. 

 

 

B. de Venoge

Als ich Ende der Neunziger auf den damals kurrenten Dom Pérignon 1990 eingeschworen war, eröffnete mir die Cuvée des Princes von de Venoge eine völlig neue Sicht auf die Dinge. Reinsortiger Chardonnay der sich aus pompöskitschigem Flacon ins Glas ergoss und dabei einen Duft verströmte, der mit schwereloser Dom-Eleganz erkennbar nichts zu tun haben wollte. Ganz im Gegensatz zum royalistischen Auftritt ist die Cuvée des Princes so etwas wie die Industrial/EBM-Musik unter den Champagnern. Treibend, pulsierend, mit einer unkonventionellen, düsteren, muskelbetonten Körperlichkeit und finsterer Chardonnayästhetik. Momentan sieht es so aus, als habe man die Cuvée zu Gunsten des Louis XV. aufgegeben, von beiden gibt es einen 1995er, danach nur noch den 1996er Louis XV. Das muss nicht heißen, dass es keine Cuvée des Princes mehr geben wird, immerhin kam Konzerncousin Bruno Paillard erst vor wenigen Tagen mit seinem aktuellen N.P.U. 1996 heraus und Charles Heidsiecks Blanc des Millénaires 1995 ist noch immer die aktuelle Spitzencuvée des Hauses. Freuen würde ich mich natürlich auf ein Widersehen mit diesem sehr eigenwilligen Champagner. Bis dahin lohnt es sich freilich, die anderen Cuvées des Hauses im Blick zu haben.

I. Brut Sélect Cordon Bleu

50PN 25CH 25PM auf 07er Basis mit 20% Reservewein, stahltankvergoren. Mit 8 g/l dosiert.

Anisige bis lakritzige, leicht abweisende Nase. Im Mund überraschend lebhaft, sehr weinig, lebensfroh und kitzelnd.

II. Cordon Bleu Millésime 2000

70PN 15CH 15PM

Stark, fordernd, füllend. Voluminöser Stil, kerniger Champagner mit ausgeprägtem Traubenaroma, leichtem Gerbstoff und wenig Säure.

III. Blanc de Blancs Millésime 2002

80% aus der Côte des Blancs, 20% aus dem Sézannais.

Schlanker, etwas eng gebauter Champagner mit verführerischem Bittermandeltouch und ausgleichender Zitronigkeit; Sorbetcharakter. Geht später ein wenig in die Breite und erinnert dann mehr an lemon curd.

IV. Cuvée Louis XV. Millésime 1996

50PN 50CH aus dem Stahltank.

Großer Champagner. Hochgewachsen und aristokratisch, agil, stilsicher, nobel; kein verspieltes Rokokoweinchen, sondern pure Eleganz und ein an Fassausbau erinnerndes Aroma, das man so nur selten findet.

 

Die Vermutung, Philipponnat würde das zarte Pflänzchen de Venoge erbarmungslos kannibalisieren, ist falsch. Im Haus de Venoge steckt viel Potential, alte Kraft von langjährigem Renommée und wenn man sich dort entscheiden könnte, das Portfolio etwas aufzuräumen (denn es gibt eine Unmenge weiterer Cuvées von de Venoge, die ich aber nicht alle probiert habe) und das Markenimage etwas stimmiger zu gestalten (Louis XV. im Kristallflacon passt nicht recht zum Ivy League Polo Dress, bzw. vielleicht noch zu irgendwelchen pseudohistorisierenden fraternities), dann dürfte der Rückkehr des Hauses in die öffentliche Wahrnehmung nicht mehr viel im Wege stehen. Weinmäßig jedenfalls stimmt die Substanz.  

Grillen und Roséchampagner

1) Legras & Haas Rosé de Riceys
Reichlich dunkel, zum Rand hin aufhellend, ziegelrot, erinnert ein wenig an Sherry, dieoxidative Nase bestätigt das anfangs, wird mit viel Luft aber leichtfruchtig, etwas holzig, behält eine schwach gemüsige Note bei, entpuppt, sich, wenn man keinen Korkschleicher unterstellt, als ziemlich leichter, mittellanger Wein mit lustiger, anregender Frische und interessantem Eukalyptuston; kein Schwergewicht, insgesamt kaum mehr als eine interessante Erfahrung, vor allem, da die Still- und Roséweine der Champagne zwar schon seit hunderten von Jahren keine überragenden Ruf mehr genießen, aber immerhin eine vom aussterben bedrohte Spezies sind.

2) Eric Rodez Grand Cru Rosé, Ambonnay
Einer der beiden stärksten Weine des Abends. Sehr hell, reichperlend mit üppigem Cordon und Kirschbananennase. Sehr verführerisch die fruchtige, reife rote Beerenfrucht, verspielte, lebhafte Säure mit genügend Körper drumherum, bestens balanciert, mittellang mit sauberem Abgang, paßt zu (Nudel-)Salaten besser als zum Grillgut

3) Yves Delozanne, BdN Rosé (sic!), Serzy et Prin
Der Spezialist für's Bäuerliche mit einem überraschend guten Champagner. Helles Kupferrot, lebhafte Perlage, sehr schöner Cordon, ausgesprochen weiniger und runder Charakter bereits in der Nase, außerdem Mandelaromen und Rosenwasser, Marzipan, Pistazieneis. Im Mund dann druckvoll, unaufdringliche, sehr präsente Säure, die sich zum Schluß noch einmal mit einem kecken Hüpfer blitzsauber verabschiedet. Außergewöhnlich hoher PM-Anteil, Jahrgangscharakter. Eigentlich auch eher ein Solist, paßt aber auch zu Geflügelwürstchen, wenn man nicht gerade dazu neigt, sich sehr viel Sauce auf den Teller zu kleckern.

4) Charles Lafitte Rosé
Helles Rosé mit langsam aufsteigenden Perlen, wenig Cordon. Wilder, animalischer anmutende Nase, die mit etwas Luft abflacht und sich in ein fleischiges, mit röstigen Noten durchsetztes Bouquet verwandelt. Insgesamt sehr runder, ausgewogener, unaggressiver Wein von mittlerer, aber eher kurzer Standzeit und milder Säure. Weniger Malo wäre hier vielleicht mehr gewesen. Für einen Vrankenchampagner aus dem Massenprogramm immerhin sehr gut. Aufgrund seiner bäuerlich zupackenden Art ein guter Grillbegleiter.

5) Tsarine Rosé 1999
Zarthell, fröhliche, mittelgroße Perlage, souveräne Cordonbildung. Volle, sehr elegante Nase, weinig, hefig, rund. Darunter eine feinverwobene Schicht bananiger, exotischer und leicht amylischer Noten, Cantuccinicharakter; mittellang, als Solist vielleicht sogar etwas länger nachzuverfolgen, beim Grillen zu kurz. Wegen seiner zarten, beinahe femininen Art insegsamt leider kein besonders guter Grillchampagner.

6) Charles Heidsieck Rosé 1996
Helles, ins rötliche gleitendes, sattes Kupfer, mittelgroße Perlage – wirkt fast etwas zu früh von der Hefe genommen, kann aber auch glasbedingt gewesen sein. Schöner Cordon, fleischige, röstbrotige Nase, volle, hefige Jungweinnase, Jahrgangscharakter. Auch im Mund stramme Säure und hefig abgepolsterte Fruchtnoten, beginnt jetzt, Spaß zu machen, kann aber bequem noch länger. Mit Luft zusehends feiner, mit würziger Cassisnote und warmen, holzigen Anklängen. Ein sehr schöner Grillchampagner.

7) Bollinger Grande Année Rosé 1996
Schönes sattes Kupferrot, mittelschnell aufsteigende, feine Perlage, üppiger Cordon. Fette, animalische, würzige-weinige Nase, dicht, erdig, ein wenig fruchtarm. Auch im Mund kommt erst nach dem Steinebeißen die Frucht ins Spiel, vermischt mit reichlich heißer Butter. Harte, rasante Säure, im Abgang dampft noch etwas Schokolade aus. Eigentlich viel zu jung getrunken, zum Grillen aber gerade recht. In drei Jahren sicher kein Grillchampagner mehr, sondern ein distinguierter, sehr vorbildlicher Vertreter der 1996er Prestigerosés.

8) Gosset Celebris Rosé 1998
Leider war es schon etwas dunkel, die Farbe war aber eher zartaltrosa als schreiend pink. Reicher, weiniger, schon sehr harmonischer Champagner mit dickstoffiger, samtiger, blumigfrischer Nase und hauchfeinen Toffeenoten, die mich immer ein wenig an Haferflocken mit braunem Zucker erinnern. Honig, Säure, Holz und Frucht in schönster Eintracht. Geschmeidiger Wein, der zu den gereichten Erdbeeren besser als zum Grillgut paßte.

9) Laurent Perrier NV Rosé
Buttrig, fett, sauber, stoffig. Rosenwasser und Mandeln, dazu ein angenehm mürbes haut goût, das aber flott wieder von Fruchtnoten eingefangen wird, bevor es aufdringlich wird. Gelungener Schlußwein mit reichlich Druck, um auch den strapazierten Gaumen noch anzusprechen, ohne ihn zu überfordern.

Fazit: Die Champagner für sich genommen waren alle sehr gut, das Grillgut auch. Die Kombination war nicht immer optimal, was aber auch daran gelegen haben mag, daß die einzelnen 2er Flights nach dem Rosé de Riceys sehr viel Aufmerksamkeit beansprucht haben und die Kombination mit dem Grillgut – zumindest bei mir – darüber ins Hintertreffen geriet. Die etwas grob gewirkten, derberen Champagner oder auch die ungestümeren mit reichlich Druck paßten gut, während elegantere Weine oft untergingen. Ob sich nicht vielleicht auch manche BdBs geeignet hätten ist schwer zu sagen, ich denke mit Geflügelwürstchen und Salat sicher, bei den dunkleren Fleischsorten ist dann doch Roséchampagner zu bevorzugen. Der Rosé de Riceys war wenn überhaupt, dann nur mit viel Luft und zum Gegrillten trinkbar, allein machte er eine etwas schwache Figur, was mich nicht besonders erstaunt.