Back to Top

Tag Archives: lanson

Sweet dreams are made of these: Champagne & Cognac

"Sweet dreams are made of this/Who am I to disagree" singt Annie Lennox und wirklich, wer wäre ich, zu widersprechen? Solange es sich um Champagner und Cognac handelt, natürlich. Und weiter: wer wäre besser geeignet, diese beiden Zutaten eurythmisch zu vermischeln, als die jüngste Barkeepergeneration nebst Adepten, Adlaten und Gefolgschaft, die u.a. im Cocktaildreams-Forum den online Austausch pflegt und sich jährlich zum Ideenwettbewerb trifft; 2014 im brausenden Berlin.

Wenn sich die jungen Leute alle schonmal aufraffen, Geld in die Hand nehmen, Zeit verplempern, Kreativsynapsen befeuern, dann haben sie jegliche Unterstützung verdient. Finden alle, die sich als Sponsoren der Veranstaltung bereiterklärt haben, einen Vorschuss auf die Kreativleistung der Cocktaildreams-Forumianer zu leisten. Mein Dank gilt daher den großzügigen Gaben der Unterstützer, die sich an der guten Bildungssache ohne groß Federlesens beteiligt haben:

                Champagne Bruno Paillard

                Champagne Gosset

                Champagne Lanson

                Kölner Weinkeller

                Noblewine München

Das sofort greifbare Resultat war trinkbare Dankbarkeit in Form der neuen Cocktailrezepte und das langfristige Ergebnis wird, wenn die gute Saat vollständig aufgeht, eine Generation von Barkeepern sein, die mir den Lebensnachmittag mit meinen Lieblingsgetränken versüßt, weil sie selbst davon begeistert ist und sich das Pfingstwochenende 2014 als Erweckungsdatum auf die Cocktailschirmchen geschrieben hat, Oliver Steffens und Torben Bornhöft sei Dank, Dank, Dank dafür.

Lanson, dessen Säure nicht jedem Teilnehmer zusagte, machte den Anfang und zeigte, welche hohe Geschmacks- und Aromensensibilität beim Einsatz von Champagner im Barbereich gefordert ist, wenn man den Barkeeper für sich gewinnen will. Champagner ohne biologischen Säureabbau sind deshalb in diesem Bereich mit einem besonderen Erklärungsaufwand verbunden.

Der Pureté von René Geoffroy hat eine für meinen Geschmack nicht abnorm hohe Säure anzubieten aber er schlug, weil Jean Baptiste  kein kein großer BSA-Fan ist, in eine ähnliche Kerbe wie Lanson, was beim Pureté vornehmlich an der fehlenden Dosage liegt. So konnten sich zum Start zwei äpfelsäuredekorierte Champagner dem Publikum stellen und den Gaumen kalibrieren.   

Als reiner Apéro-Champagner kam mit Bruno Paillard Blanc de Blancs Reserve Privée Grand Cru ein ganz ein feiner Champagner an die Reihe​. Für Cocktailmischzwecke ist der wegen seiner verschwenderischen Detailarbeit ungeeignet. Den immer stärker werdenden Bartrend zum gepflegten Glas Champagner abseits vom Mainstream befriedigt man mit Bruno Paillards Blanc de Blancs dagegen umso besser und für Gourmets, die nach der granatenschweren Rotweinprobe nicht auf Nobelgrappa oder Fruchtschnaps schielen, sondern Entspannung auf höchstem Niveau suchen ist der Fall sowieso klar.

Newcomer Chapuy aus dem Grand Cru Oger (von dem immer noch viel zu wenig bekannt ist) hatte es danach mit seinem Blanc de Blancs wiederum sehr schwer, trotz seiner wohl etwas höheren Dosage, aber das sei nachgesehen und verziehen, denn die beiden spielen in völlig anderen Preisklassen. Mit Chapuy macht man Menschen eine Freude, die einen klassischen Côte des Blancs Stil mögen, aber nicht in schwer, umständlich und mühsam zu trinken. Die Verästelungen eines Bruno Paillard spielen da keine Rolle.  

Deshalb konnte mit dem gradlinigen Gosset Brut Excellence einer der in Barkeisen sowieso schon gut eingeführten Lieblinge Beifall einsammeln. Komponenten von Nuss und Toast, die bei dieser wirklich ausnahmsweise mal für den frühen Trinkspass bestimmten Cuvée nicht bestimmend sind, konfligieren weder im Solo mit Knabberartikeln noch als Cocktailzutat. Lediglich die Dosagefrage kann man sich und seinen Gästen ggf. noch stellen, aber an der Bar kann man so viele Fragen stellen, dass es auf diese hier wahrlich nicht ankommt..

Bei Dosnon & Lepage kommt es auf den Pinot Noir an, denn das ist die Rebsorte, aus der die nächste Cuvée bestand.  Energie und Eigenständigkeit wurden von den Teilnehmern geschätzt und nicht wenige setzten den underdog von der Aube als persönliche Neuentdeckung und besonders trinkenswerten Liebling ganz oben auf ihre persönliche Trinkliste.

Semper idem hieß es bei Bollinger, der vielleicht vor vielen Jahren mal so angefangen hat, wie Dosnon et Lepage heute sind und sich deshalb zu recht einen so guten Ruf machen konnte, dass man ihn quasi unkommentiert einfach nur gut finden kann.

Aber dann! Zurück ins Gefecht, das heißt: zurück an die Aube! Von dort feuert seit 2009 Benedicte Leroy puristischen Einzellagenchampagner in die Welt des etablierten Blubbers und fordert zahlreiche Opfer. Ruppert-Leroys Fosse-Grely, ein Mix aus 80PN 20CH, brut nature, holte die Gemeinschaft aus ihren süßen Cocktailträumen und empfahl sich als Wachmacher mit den Weckerqualitäten eines NATO-Alarms. Ideal für Gäste mit leichtem Formtief bis hin zum schweren Durchhänger und wegen der sofort einsetzenden Miosis für die letzten Barbesucher, damit sie keine Probleme mit dem Sonnenlicht bekommen.

Der selbst in reinen Champagnerkreisen kaum bekannte Diebolt-Vallois Rosé ist mit seiner süßen Beerigkeit der ideale Abschleppdrink und mag daher so manchen Cocktail ersetzen. Das spürten die Forumsteilnehmer und platzierten diesen Prachtwein im Außenbereich, auf der Terrasse, am, bzw. im Pool, aber nicht so sehr in ihren Cocktails selbst.

Wer sich weiter über Cocktails und vor allem natürlich über Cocktails mit Champagner und Cognac belesen will, macht das am besten bei den bloggenden Kursteilnehmern:

http://www.cocktaildreams.de/smf/index.php?topic=8977.0

www.cocktailwelten.de

www.augustine-bar.de

www.cocktailsoldfashioned.de

www.trinklaune.de

 

 

Bruno Paillard: Jahrgangschampagner-Auswahl 1989 – 2002

Bruno Paillard ist eine der feststehenden Größen der Champagne, auch wenn seine Champagner in Deutschland namentlich noch immer nicht so bekannt zu sein scheinen. Dabei leistet er vom crèmigen Standardbrut bis zum bombastischen N.P.U. seit Beginn seiner Erzeugertätigkeit mit der Beständigkeit einer planetarischen Umlaufbahn nicht nur zuverlässige, sondern hochgradig trinkenswerte Arbeit. Eine kleine Leistungsschau exemplarischer Jahrgänge gab es im Rahmen der ProWein:

1. 2002

47CH 42PN 11PM, extra brut dosiert

Anfänglich eine nicht so wahnsinnig schöne, reduzierte Lakritznase, die aber schnell den Schwanz einzieht und einem gut balancierten Champagner mit feiner Säure, mitttlere Frucht und mesomorphem Körper Platz macht. Der Champagner ist noch sehr jung und läßt Jahrgangsqualitäten mehr ahnen, als dass er sie direkt ausspielt.

2. 1999, dég. März 2008

29CH 42PN 19PM

Groszügiger, wenig säurestarker Champagner, der jetzt ein Reifestadium erreicht hat, in dem er sich meiner Meinung nach optimal präsentiert und sich gern so halten darf. Butter, Hefezopf, wenig medizinale Töne, die ins Kräterige hinüberspielen und an Thymian, Rosmarin, Fenchelsamen denken lassen, außerdem eine reizende Akazien- und Kastanienhonignote.

3. 1995, dég. März 2003

Vollreif, deutlich röstig und merklich weiterentwickelt als der 99er, mit vitaler bis kerniger Säure und einer Grandezza, die man dem dauerunterschätzten Jahrgang blind nicht zugetraut hätte. Besonders erfreulich ist für mich die performance auch deshalb, weil nach dem Dégorgement immerhin schon ein Weilchen vergangen ist und die bei verschiedenen Sommeliers oder im Handel liegenden Flaschen sich sehr ähnlich präsentieren dürften. Ein paar noch vor wenigen Monaten mit Sebastian Bordthäuser in Steinheuers Restaurant weggegurgelte Gläschen vom 95er würden das gern bestätigen, wenn sie es noch könnten. 

4. 1989, dég. Oktober 2002

40CH 60PN

Weiter und runder als 1988 und von seiner Art her dem 1999 ziemlich ähnlich, was mich für diesen beste Perspektiven ahnen lässt. Kaffee, Mokka, Schoki, dabei immer noch sehr viel nüchterne Klarheit und geistige Frische.

Die mittelgroßen Häuser: Philipponnat vs. de Venoge

 

Weitesgehend unbemerkt von der deutschen Weinöffentlichkeit hat sich in der Champagne ein Haus formiert, dessen Marktpotential noch längst nicht ausgeschöpft ist. Unter dem Dach der Gruppe Lanson-BCC finden sich geniale Köpfe wie Bruno Paillard, Gentlemen wie Charles Philipponnat, Markengiganten wie Lanson und Industrieerzeuger wie Burtin, daneben kleine und feine Marken wie Besserat de Bellefon und das einst etwas angestaubte Haus de Venoge, das sich momentan sehr sportlich gibt, außerdem eine ganze Reihe zumindest in Deutschland indifferenter Labels wie Chanoine, Boizel und Tsarine. Philipponnat konnte im letzten Vergleich mit Pol-Roger überzeugen, ein kleines Match mit de Venoge sollte deshalb unterhaltsam sein:

 

A. Philipponnat

Charles Philipponnat erklärte mir sehr freimütig, was er von der Jahrgangsdeklarationspraxis hält. Nicht viel, wie seine eigenen Jahrgänge zeigen. Ich erinnere nur an 1991, 1992, 1997 und 2003, Jahrgänge, die für sehr mäßig gehalten werden, bei Philipponnat hingegen stark ausfallen und teilweise (1991) bis heute zu überzeugen vermögen.

I. Royale Réserve, dég. Februar 2011

40-50PN 30-35CH 15-25PM, 07er Basis, Vinifikation im Stahltank und zu einem kleinen Teil im Holzfass, dort auch kein BSA. 25-40% Reservewein aus Soleraverfahren (jedoch nicht klassisch in Pyramidenform, sondern durch nachfüllen im Stahltank), teilweise aus Holzfassausbau. Mit 8 g/l dosiert.

Ähnlich wie die Nummerncuvées von Jacquesson und die Special Cuvée von Bollinger entwickelt sich die Royale Réserve von Philipponnat zu einem Champagner, den ich zu den buchstäblich fundamentalen Weinen der Region zählen möchte. Mit religiöser Gewissheit sind die einzelnen Dégorgements verbindlich, nussig, weinig, hefig, wohlgerundet, aber nicht aalglatt, dezent fruchtig, pointiert und diskret verspielt.

II. Dosage Zéro, dég. September 2009

06er Basis, 25% Reservewein

Flintig, mit dem Duft von unaufgeplatztem, butterglänzendem Popcornmais mit Salzristalle obendrauf. Am Gaumen keine bröckelige, kristalline Struktur, sondern seidenglatte, kühle, transparente Art.

III. Rosé, dég. Juni 2011

07er Basis, Assemblagerosé

Fein und weich, mit milder Candyanmutung. Kam mir viel zu jung vor und muss wahrscheinlich erst noch den Dégorgierschocl verarbeiten.

IV. Grand Blanc, Blanc de Blancs 2004

Chardonnay zu 70% aus der Côte des Blancs, jeweils 15% stammen aus dem Clos des Goisses und aus Trépail in der Montagne de Reims. Teils im Holz und teil in den neuen Stahltanks von Philipponnat vinifiziert. Mit 5-6 g/l dosiert.

Eine karibische Schönheit, die Elvis zum Aloha from Hawaii begrüßt haben könnte.

V. Brut Millésime 2003, dég. August 2010

70PN 30CH, mit 6 g/l dosiert.

Lebhaft und sehr reif, dabei nicht fett oder protzig. Auf der einen Seite sättigende Aromen von Kakao, Butter, etwas Nuss, auch Brioche, in der Mitte leicht zimtiges Apfelkompott und auf der anderen Seite eine couragierte Säure, die sich nicht nur als Gegenweicht versteht, sondern eigene Aktenze setzt und dem Wein so seine Spannung verleiht.

VI. Cuvée 1522 Blanc Millésime 2002, dég. Mai 2009

60PN aus Ay, lieu dit "Leon", 40CH jeweils zur Hälfte aus Chouilly, Cramant und Le Mesnil, mit 4 g/l dosiert.

Rote Traube, Muskattraube, Kreide. Dieser Dreiklang macht die Grundharmonie des Weins aus. Dunkle und tiefe Basis sind natürlich die rotfruchtigen, würzigen und leicht unterholzigen Pinotaromen, die große Terz bildet das reintraubige Muskataroma, als reine Quinte kommt kalkige Mineralität hinzu, die den Champagner über den Gaumen ausgleiten lässt und ihn zum starken Partner für Meeresfrüchte macht.

VII. Cuvée 1522 Rosé Millésime 2003, dég. Februar 2010

Im Gegensatz zur weißen Cuvée 1522 bezeichnungsrechtlich nur ein Premier Cru, weil 7% Pinot Noir aus Mareuil enthalten sind. Mit 4 g/l dosiert.

Sobald Kautschuknote, Latex, Ziegenleder und Handcrème verflogen sind, zeigen sich Walderdbeere, Himbeere und die dazugehörige delikate Säure. Sehr schön, sehr untypisch.

VIII. Clos des Goisses 2000, dég. Juni 2010

65PN 35CH, 30-50% im Fass vergoren. Mit 4 g/l dosiert.

Mein letzter Clos des Goisses 2000 war im Oktober 2009 dégorgiert, getrunken habe ich ihn im März 2011. Das aktuelle Dégorgement aus dem Juni 2011 musste sich also erheblich frischer zeigen.

Massiver Champagner, der noch immer nicht in seiner Eröffnungsphase angekommen ist, doch jetzt schon mit einem bedrohlichen Sirren wie von einem aufgebrachten Hornissenschwarm oder einer jenseits der Hügelkuppe herannahenden Kampfhubschrauberformation ankündigt, dass er recht bald entfesselt sein wird. Ältere Dégorgements dürften um Weihnachten 2011 soweit sein, dieses hier vielleicht im Sommer 2012.

Im Herbst 2011 wird es dann den neuen Clos des Goisses 2001 geben. 

Im Herbst 2011 wird es dann den neuen Clos des Goisses 2002 geben.

Jahaa: Philipponnat bringt die beiden Jahrgänge zusammen raus. Der 2001er wird etwas weniger kosten, als der 2002er. 

 

 

B. de Venoge

Als ich Ende der Neunziger auf den damals kurrenten Dom Pérignon 1990 eingeschworen war, eröffnete mir die Cuvée des Princes von de Venoge eine völlig neue Sicht auf die Dinge. Reinsortiger Chardonnay der sich aus pompöskitschigem Flacon ins Glas ergoss und dabei einen Duft verströmte, der mit schwereloser Dom-Eleganz erkennbar nichts zu tun haben wollte. Ganz im Gegensatz zum royalistischen Auftritt ist die Cuvée des Princes so etwas wie die Industrial/EBM-Musik unter den Champagnern. Treibend, pulsierend, mit einer unkonventionellen, düsteren, muskelbetonten Körperlichkeit und finsterer Chardonnayästhetik. Momentan sieht es so aus, als habe man die Cuvée zu Gunsten des Louis XV. aufgegeben, von beiden gibt es einen 1995er, danach nur noch den 1996er Louis XV. Das muss nicht heißen, dass es keine Cuvée des Princes mehr geben wird, immerhin kam Konzerncousin Bruno Paillard erst vor wenigen Tagen mit seinem aktuellen N.P.U. 1996 heraus und Charles Heidsiecks Blanc des Millénaires 1995 ist noch immer die aktuelle Spitzencuvée des Hauses. Freuen würde ich mich natürlich auf ein Widersehen mit diesem sehr eigenwilligen Champagner. Bis dahin lohnt es sich freilich, die anderen Cuvées des Hauses im Blick zu haben.

I. Brut Sélect Cordon Bleu

50PN 25CH 25PM auf 07er Basis mit 20% Reservewein, stahltankvergoren. Mit 8 g/l dosiert.

Anisige bis lakritzige, leicht abweisende Nase. Im Mund überraschend lebhaft, sehr weinig, lebensfroh und kitzelnd.

II. Cordon Bleu Millésime 2000

70PN 15CH 15PM

Stark, fordernd, füllend. Voluminöser Stil, kerniger Champagner mit ausgeprägtem Traubenaroma, leichtem Gerbstoff und wenig Säure.

III. Blanc de Blancs Millésime 2002

80% aus der Côte des Blancs, 20% aus dem Sézannais.

Schlanker, etwas eng gebauter Champagner mit verführerischem Bittermandeltouch und ausgleichender Zitronigkeit; Sorbetcharakter. Geht später ein wenig in die Breite und erinnert dann mehr an lemon curd.

IV. Cuvée Louis XV. Millésime 1996

50PN 50CH aus dem Stahltank.

Großer Champagner. Hochgewachsen und aristokratisch, agil, stilsicher, nobel; kein verspieltes Rokokoweinchen, sondern pure Eleganz und ein an Fassausbau erinnerndes Aroma, das man so nur selten findet.

 

Die Vermutung, Philipponnat würde das zarte Pflänzchen de Venoge erbarmungslos kannibalisieren, ist falsch. Im Haus de Venoge steckt viel Potential, alte Kraft von langjährigem Renommée und wenn man sich dort entscheiden könnte, das Portfolio etwas aufzuräumen (denn es gibt eine Unmenge weiterer Cuvées von de Venoge, die ich aber nicht alle probiert habe) und das Markenimage etwas stimmiger zu gestalten (Louis XV. im Kristallflacon passt nicht recht zum Ivy League Polo Dress, bzw. vielleicht noch zu irgendwelchen pseudohistorisierenden fraternities), dann dürfte der Rückkehr des Hauses in die öffentliche Wahrnehmung nicht mehr viel im Wege stehen. Weinmäßig jedenfalls stimmt die Substanz.  

Grand Chapitre 2010 in Brenners Park-Hotel, Baden-Baden

 

A. Apéritif

Flying Buffet:

– Bouillabaisse mit Austernschaum, kräftige Bouillabaisse und ein sehr gelungener, jodiger, minimal nussiger Austernschaum bildeten den vielversprechenden Auftakt;

– Gelierter Tafelspitzhappen, auch der Tafelspitzhappen war sehr gut, recht kräftig, nicht zu gross portioniert;

– Confierte Jakobsmuschel, reizte mich nicht;

– Avocadocrème mit Melone, war ein frischer Ausklang des Einstiegs.

1. Louis Roederer Brut Premier

40CH 40PN 20PM. Immer wieder ein verlässlicher Champagner. Dass Helmut Thoma und Frank Elstner sich am Roedererstand festgetrunken haben, erstaunt mich daher nicht.

2. de Saint Gall Blanc de Blancs Premier Cru en Magnum

Premier und Grand Crus; floral, ganz leicht gebuttert, mit Apfel und etwas Hefe. Kein besonders komplizierter Champagner, der vom Magnumausschank allerdings profitiert, da er sich doch verfeinert zeigt.

3. Nicolas Feuillatte Blanc de Blancs Grand Cru 2002

Schöner, etwas mandeliger Champagner, gegenüber dem erst vor Kurzem noch getrunkenen 2000er deutlich besser und profilierter. Im Vergleich zu den Genossenschaftskollegen von de saint Gall der stärkere Champagner.

4. Pommery Rosé Apanage

42CH, der Rest sind PN und PM, sowie ein Coteaux Champenois Rouge. Leichtigekeit und Balance stehen im Vordergrund, gefolgt von einer Dosage, die den Champagner für Nichtspezialisten gut zugänglich macht. Solo ist er mir zu leicht, zum Käse – wie im Laufe des Menus zum Chaource, aber auch zu Ziegenfrischkäse und Schafsmilchkäse – ist er dagegen genau richtig.

5. Bollinger Special Cuvée en Magnum

60CH 25PN 15PM. Fleischig, gleich nach dem Einschenken noch etwas verschlafen und schweflig, mit Luft dann die ganze Pinotarie, deretwegen man Bollinger so gern im Glas hat. Der ideale Übergang zum Menu und für den Weg vom Kulturhaus LA8 durch den kleinen Park rüber zum Park-Restaurant.

B. Menu aux Champagnes

Andreas Krolik vom Park-Restaurant des Brenners (* Guide Michelin, 17 Punkte Gault-Millau) war für das Menu verantwortlich. Mit einer Truppe von insgesamt fast dreißig Mann in Küche und Service brachte er den Abend über die Bühne. Plus: der Service war aufmerksam und flott. Der Champagner wurde lege artis ins lotrecht gehaltene Glas eingeschenkt. Minus: es gingen arg viele Gläser lautstark zu Bruch.

I. In Olivenöl konfierter Thunfisch mit marinierten Gurken, Paprikavinaigrette und Safran- Limonencrème

dazu: Taittinger Comtes de Champagne 1999

Diesen Champagner trinke ich immer wieder gerne. Er gehört zu den körperreichen Blanc de Blancs und selbst wenn man darüber streiten kann, ober er nicht etwas hoch dosiert ist, kann man an seiner Entertainerqualität nicht viel rütteln. Und der 99er ist ein guter Entertainer, genauso wie Pierre-Emmanuel Taittinger selbst. Der kleine Anteil fassausgebauter Grundweine macht sich in Form von Tannenhonig und Butterhörnchen bemerkbar, als Belag gibt es weichen Pfirsich. Vordergründig wenig, gut gerundete Säure, ein Champagner, der jedem sofort schmeckt. Dazu hätte man praktisch alles servieren können, Andreas Krolik entschied sich für Thunfisch. Eine sichere Bank. Der Thunfisch war erstklassig, Gurken und Paprika waren ebenfalls gut, aber nicht die erwartete Herausforderung für den Champagner. Spannung baute sich da nicht auf. Der aparte Geschmack der Limonencrème war schön, leider waren die Tupfer sehr klein.

II. Seeteufelmedaillon, Apfel-Curry-Sud, Kokosschaum und Erbsenmousseline

dazu: Duval-Leroy Femme de Champagne 1996 en Magnum

79CH 21PN, der Chardonnay kommt aus zwei kleinen Parzellen in Chouilly Grand Cru, der Pinot aus je einer Parzelle in Bouzy Grand Cru und Ay Grand Cru. Gegenüber den nur 5% fassausgebautem Grundwein in den Comtes sind es hier 7%, die Dosage liegt bei etwas unter 5g/l. Gegenüber der letzten Flasche, die ich vor ca. einem halben Jahr getrunken habe noch keine wesentliche Weiterentwicklung. Viel Säure, wenig Aroma. Ungewöhnlich mineralisch, eng und langsamentwickelnd für Chouilly, auch vom Pinotanteil habe ich noch nicht viel festgestellt. Im Burgunderkelch öffnete sich der Champagner schneller und besser als in den Zwiesel-Kristallen, zeigte aber auch dort nicht viel mehr als eine Holz- und Säurewand. Zum Seeteufel konnte man sich das gut gefallen lassen, Apfel und Curry gesellten sich in das noch sehr offene und aromenarme Gerüst des Champagners, die Kombination war also gut gewählt.

III. Himbeersorbet aufgegossen mit Alfred Gratien Cuvée Paradis Rosé

dazu: Alfred Gratien Cuvée Paradis Rosé

67CH 33PN aus Premier und Grand Crus. Erste Gärung in Barriques.

Diese Kombination war aus zwei Gründen abzulehnen. Zum einen gießt man Sorbets seit den späten Neunzigern nicht mehr auf, denn man bestellt ja auch keinen Schwarzwaldbecher als Dessert. Dann war die Kombination aber auch geschmacklich ein Fehlgriff. Ich habe nichts dagegen, ein erfrischendes Sorbet zwischen den Gängen zu genießen, daran liegt es nicht. Ich werde aber unfroh, wenn ein süßes Sorbet die Aromen eines Champagners völlig übertönt. Das war hier der Fall. Dabei hätte man wissen können, bzw. müssen, dass gerade die Champagner von Alfred Gratien – schließlich gehört der Erzeuger sogar zusammen mit dem Brenners zur Oetkergruppe – keinen biologischen Säureabbau durchlaufen und daher mit einer besonders markanten Säure ausgestattet sind. Das wiederum macht den Paradis trotz seiner verführerischen Erdbeer-Himbeernase zum geschworenen Gegner jeglicher Süßspeise. Dementsprechend wirkte der sonst sehr schöne Paradis Rosé nach dem Sorbet sauer und aggressiv.

IV. Kalbsrücken mit Pinienkern-Pecorino-Kruste, Chardonnay-Champignon-Sauce, Wirsing, Petersilie und Römischen Nocken

Veuve Clicquot-Ponsardin La Grande Dame 1998

62,5PN 37,5CH von acht Grand Crus. Die Grande Dame schmeckte kräftig, pinotgeprägt, war sehr weinig, etwas holzig bis leicht pilzig und für mich war eine Flasche minimal korkig, die andere war ok. Das Kalb war gut, aber nicht sehr präzise gegart. Was ich nämlich nicht mag, ist ein diffuses Ineinanderübergehen des vom Rand her wegen der Hitze bereits gebräunten Fleischs und des rosafarbenen Kerns. So aber war es hier. Keine klare Trennung, kein gleichmäßig einskommafünfmillimeterdicker Rand, sondern das ganze Stück war praktisch gleichmäßig hellrosa mit leichter Färbung, was für schlechtes Timing spricht. Der Wirsing war durch den Rahm nicht mehr besonders stark wahrzunehmen, dadurch ging Spannung verloren. Die Chardonnay-Champignon-Sauce war wiederum kein besonders riskanter Zug. Die Römischen Nocken waren mir zu laff.

V. Chaource von Maître Antony und pain d'épices

dazu: Lanson Extra Age en Magnum und Pommery Rosé Apanage

40CH 60PN aus Premier und Grand Crus. 2003er Basis mit Reserve aus 2002, 1999. Kein BSA. Leider sehr kalt serviert und dadurch etwas betäubt, mit Luft schälte sich ein ziemlich muskulöser Körper heraus, auf den man gespannt sein darf und der zum Käse schon eine gute performance lieferte. Der Chaource war fein, aber bemerkenswert war vor allem das Früchtebrot. In dicken Schnitten, kam es auf den Tisch, war überaus saftig, endlich auch mal mit etwas mehr Mut gewürzt. Besser noch als der Lanson passte aber der Pommery Rosé Apanage. Das ist ein fruchtiger, leichter Champagner, der erkennbar auf gehobenes easy drinking setzt und merklich dosiert ist. Zum Chaource fielen seine beerenfruchtigen Aromen angenehm auf, auch zum Früchtebrot mit Butter war er der bessere Partner.

VI. Dessertbuffet mit Laurent-Perrier Rosé en Magnum

100PN Saignée. Den Champagner habe ich separat von den Desserts genossen, weil er sich zwar zu vielen Speisen kombinieren lässt, aber eben nicht zu Süßem.

– Apfelkuchentaler, davon habe ich gleich ein paar eingeworfen, Hennessy X.O. zum hinterherspülen und gut;

– Früchteespresso mit Passionsfruchthaube, war eine gute Idee, vor allem da ich Passionsfruch gern mag;

– Waffelröllchen mit Stracciatella-Füllung, nett, aber nicht besonders;

– Makirolle aus Schokolade mit Ananas und Goldstaub, schöne Kombination aus dünner, nicht zu fetter Zartbitterschokolade und saftigen, aber nicht suppenden Ananaswürfeln;

– Crème brûlée, war auch gut;

– Pralinés, sahen alle etwas bemüht und überdekoriert aus

– Maccarons, krachten nicht, sondern waren schon etwas angeweicht, was die Freude an der schmackhaften Füllung trübte

Nochmal reingespitzt in Nelson Müllers Schote

I. Amuse Gueule: Thunfisch Teriyaki mit Melonenkügelchen, dazu: Champagne Lanson Rosé

Der Thunfischhappen war fest, aromatisch und mit unaufdringlich angeröstetem Sesam ummantelt, beide verschmolzen mit dem kräftigen Lannson Rosé. Die angenehm reifsüssen Melonenkügelchen passetn sehr gut zum hun, weniger gut zum Champagner.

***

II. Trio vom Bachsaibling in Gewürzorangen gebeizt, mit marinierten Schwarzwurzeln, dazu: weiterhin Champagne Lanson Rosé

Festes Fleisch vom Bachsaibling in der geräucherten und in der gravad Variante, dezentes Aroma in der Schäumchenvariante mit Pumpernickel, zu jeder Variante passte der Champagner ganz exzellent.

***

III. Borschtsch von Flusskrebsen mit Sauerrahm, dazu Caspary, Riesling feinherb 2007

Klare, minimalistische, mit großzügiger Flusskrebsfleischgarnitur versehene Rote-Bete-Suppe, auf den Punkt gegartes, Karotten- und Zucchini-Gemüse drin, dazu der feinherbe Riesling, wunderbar. Allein war mir der Riesling etwas zu platt, zum Borschtsch dagegen eine willkommene Ergänzung.

***

IV. Heilbutt im Kartoffelmantel mit Steinpilzen, dazu: Cloudy Bay Sauvignon-Blanc 2006

Auch der Heilbutt war gekonnt zubereitet, mit festem, aber leicht zu trennendem Fleisch und einem hauchdünnen Kartoffelscheibenmantel, der das fischeigene Aroma verfeinert bzur Geltung kommen ließ. Das charakteristische Cloudy-Bay-Aromenspiel trat hier insbesondere mit roten Johannisbeeren hervor, im übrigen wäre der Cloudy Bay mir als Solist etwas zu lahm und kurz gewesen.

***

V. Pochiertes Kalbsfilet mit Ziegenfrischkäse und Piemonteser Spinat und weissem Alba Trüffel, dazu: Tempranillo Rioja Crianza

Zartes Milchkalbfleisch mit grosszügig getrüffeltem Spinat ist schon eine schöne Kombination. Ebenso milchig und zart wie das Fleisch waren die Ziegenfrischkäsewürfelchen, die sich bestens mit dem Spinat vertrugen. Sehr recht war mir dazu der jugendliche 100% Tempranillo aus Rioja, dessen Namen ich allerdings nicht notiert habe.

***

VI. Hirschkalbrücken mit Selleriemousseline, Quittenkompott, und Holunderjus, dazu: Bove Indio Montepulciano d’Abruzzo 2005

Auch für sehr kritische Fleischesser ein Vergnügen war der perfekt gegarte Hirsch. Eine Millimeter dicke braune Umrandung, im Kern gleichmäßig zartrosa, aber nicht mehr blutig-roh. Kontrastierend dazu die Selleriemousseline, vermittelnd die fruchtigen Aromen von Quittenkompott und dem kräftigen Holunderjus, das ganze in einer sehr würzigen Natursauce, da kam der kraftvoll kirschige Montepulciano gerade recht. Mit seiner konzentrierten, fast passitohaften Würze ein starker Partner für den Hirsch.

***

VII. Lauwarmer Lebkuchen mit Portweinbuttereis und Bratapfel, dazu: Banyuls 1998

Der Bratapfel mit Marzipanfüllung als Bindeglied zwischen dem erdig-weihnachtlich-würzigen Lebkuchen und dem fruchtigen, erfrischenden Portweineis war eine sehr gute Idee, das selbe kann man vom Banyuls sagen, der sich wie ein Tawny Port ausnahm und mit seiner minimal malzigen, vielleicht auch ganz mild zimtigen Note jede Komponente des Desserts umschmeichelte.

Menu vom Grand Chapitre 2009

A. Champagne-Apéritif

I. Moet et Chandon Grand Vintage 2000 en magnum, 50 CH, 34 PN, 16 PM

Kein Moet-bashing an dieser Stelle. Der Grand Vintage 2000 ist ein sehr gut gelungener Jahrgangsvertreter mit Akazienduft, Lychee, Mandelgebäck und Dosenobstmischung “Tropical”. Im Mund unaufdringliche, aber sehr lange und elegante Säure, der ideale gehobene crowd pleaser.

II. Laurent-Perrier Brut en magnum, 45 CH, 40 PN, 15 PM, [Premier Cru], ca. 15% Reserveweine, 12 g/l dosiert

Frischer, leichter, etwas kühler Standardbrut, mit 12 g Dosage am obersten Ende der Brutskala und im Übergangsbereich zum Extra Dry. Im Mund sauber, mit kreidiger Textur und sanfter, seriöser Säure.

III. Nicolas Feuillatte Palmes d’Or 1996, 50 CH, 50 PN

Vollreife Ananas, Orangen, Pomelos, Hibiskusblüten, Akazienhonig, Nüsse und Äpfel, nelkengespickte Orangen, flüssige Weihnachtsstimmung. Im Mund eine ungewöhnliche, fast bodenlose Tiefe, Säure, die wie eine Nadelrad die Kehle runtergeht, ohne Wunden zu reissen, gleichzeitig heilende, balsamische, medizinale Noten, die aber nicht an bittere Pillen, sondern an Fruchtgelee erinnern. Unverschämt guter Champagner.

B. Menu

I. Millefeuille von Jakobsmuschel, Thunfisch und bretonischem Algensalat mit Gillardeaux-Auster und gebratener Garnele, dazu: Taittinger, Comtes de Champagne Blanc de Blancs 1999 en magnum

Einer von den schlanken, beinahe hageren Comtes, die so gar nicht zu Pierre-Emmanuel Taittinger passen. Kaffeedurft, mineralische Noten und geröstetes Brot, im Mund schlanke, frische Säure, die sehr gut zu den leicht salzigen Algen, zur Jakobsmuschel und zum Thun passte. Auch die gebratene Garnele war ein dankbarer Partner für diesen Comtes, die Auster hätte allein besser geschmeckt.

II. Warm geräucherter Ruhraal mit Bohnen, Speck und Birne, dazu: Lanson Noble Cuvée 1995 en magnum, 70 CH, 30 PN, aus Avize, Oger, Cramant, Bouzy, Verzenay

Einer der beeindruckendsten Vertreter aus dem Haus Lanson, jedenfalls was die letzten zwanzig bis fünfundzwanzig Jahre betrifft. Reiche Apfelernte, Birne, Weinbergpfirsich, ein Sack voll grüner Kaffeebohnen und Kastanien, auch Kräuterduft und eine warme, erdige Art. Grossartige Entwicklung über Stunden hinweg, wurde immer besser, komplexer und schöner, zusammen mit dem 97 R.D. mein Favorit des Abends. Der Rujraal war zum Glück überhaupt nicht fett und gab zusammen mit der Birne eine traumhafte Kombination zum Champagner ab.

III. Moorhuhn auf Pastinakenpurée im Sellerieblatt, mit Champagnersauce, gebratenen Pfifferlingen und Rosmaringlacé, dazu: Bollinger Grande Année 1997 RD, dég. 28. Sep. 2008, en magnum, 65 PN, 35 CH, extra brut dosiert

Schier unfassbar, wie der völlig unspektakuläre, will sagen: auf gehobenem Niveau gut trinkbare, wirklich nicht unleckere, aber auch nicht als Champagner für die Ewigkeit gemachte Grande Année in der R.D.-Fassung aufgeht. Dunkle Vinosität, klare Pinotnatur, Fleisch, Saft, ein druckvoll und vulkanartig aus dem Glas strömendes autolytisches, von Honig, Zitrus, Ingwer und Ginseng geprägtes Aroma. Im Mund ein ebenso explosives Gefühl und eine absolut adäquate Säure. Die Pastinaken dazu waren etwas zu laff, das Moorhuhn hingegen genau das richtige, von mir aus hätte es auch rohes Wildschweinfleisch sein können, dieser Champagner hätte das in der derzeitigen Hochform locker verkraftet.

IV. Chaource, dazu: Duval-Leroy Rosé Brut

Schöner, etwas zu junger Chaource, der Duval-Leroy Rosé mit seiner sehr massenkompatiblen, fruchtigen Art machte das wieder wett.

V. Tarte Tatin mit Marc de Champagne-Granité und Sauerrahmeis, dazu: Veuve Clicquot Rich Reserve Vintage 2002

Schöne warme Tarte, deren Granité schon ziemlich alkoholisch schmeckte und eine ziemliche Herausforderung für den Veuve Clicquot Rich Reserve war. Warum Veuve dieses Granatenschöne Jahr als demi-sec vinifiziert hat, wird wahrscheinlich ein Geheimnis bleiben, jedenfalls geht die besondere Eleganz und ultraelegante Feinheit dieses Jahrgangs unter dem Dosagezucker völlig verloren. Schlechter wird der Rich in seiner Eigenschaft als demi-sec dadurch indes nicht.

VI. Feingebäck und Pralinen, dazu: Cognac Hennessy Fine de Cognac, Cognac Davidoff Classic und Porto Rozès

Küchencheck bei Confrère Sascha Stemberg, Haus Stemberg


Begleitweine:

1. Champagne Lanson Black Label NV

säurefrisch, apfelig, mittellang

2. Dr. Deinhard/Wegeler, Bernkasteler Doctorberg Rieslingsekt Brut 1984, AP-Nr. 88

elegante, noch jung wirkende Petrolnase, im Mund wenig, aber lange, saubere Säure, mittlere Struktur

3. Portwein Pocas-Pousada Vintage 1997

Mürbeteig-Kirschkuchen, weich, Mandeln, Aprikosenkerne, rund, milde Säure, schöner Jahrgang, der sich jetzt bestens trinken lässt

Menu:

I. Amuse Gueule, Tatar von Flusskrebsschwänzen

angenehm festes Krebsfleisch, harmonierte mit der Kressegarnitur; zusammen mit dem Sekt schmeckte verstärkt Jod und Meer durch, in Kombination mit dem Champagner unaufgeregtere Aromatik

II. Tafelspitzcarpacchio vom Kalb mit Balsamico und Feldsalat

zu dem zartmürben Tafelspitz passt der Sekt aufgrund seiner ebenfalls weichen, etwas mürben Art sehr gut, der Champagner war dagegen etwas zu dynamisch

III. Graupensuppe mit Würstleinlage

Die schmeckte so, wie ich Graupensuppe als Kind nicht mochte, heute aber sehr schätze. Nicht zu matschige Graupen, im richtigen Verhältnis zur Flüssigkeitsmenge, sämig mit Kartoffel- und Karottenschnipseln, einige Stückchen von der nicht ganz so dicken Mettwurst, grosszügig gesalzen. Dazu passten Sekt und Champagner gleichermaßen, der Sekt als Harmonieprogramm, der Champagner als frischer Kontrast.

IV. Amuse Gueule, Passionsfruchtsorbet

Dazu hätte ich mir Diebolt-Vallois’ Fleur de Passion 2002 gewünscht, aber die passionsfrucht war auch ohne diesen Champagner so prall und intensiv, dass ich davon gern mehr genommen hätte.

V. a) Königsberger Klopse mit Kartoffelstampf und roter Beete

Klöpse der feineren Art, die Sauce hätte etwas mehr Säure und dickere Kapern vertragen können, der Kartoffelstampf war ebenso wie die rote Beete genau richtig. Der immer noch feinstperlige Sekt schaffte den Gang mit etwas Mühe, lockerer kam der Champagner durch, der mit seiner gegenüber den Klopsen leicht dominierenden Säure ein guter Essenspartner war.

V. b) Wiener Schnitzel mit Kartoffelsalat

Zum Kalb hatte sich der Riesling ja schon im Carpaccio-Gang gut gemacht, hier kam eine krosse, sehr feine, angenehm feste Panade und ein Spritzer Zitrone dazu, womit der Sekt mehr als gut zurecht kam. Auch der Champagner ließ sich gut dazu trinken, wirkte aber etwas “overdone” zum Schnitzel.

VI. Amuse Gueule, Lavendelmarshmallow

Ein Hauch Molekularküche. Ziemlich süss mit dezentem Lavendelaroma, das nicht gleich so aufdringlich roch, wie Omas Toilettenspray. Gelungen!

VII. Gebrannte Crème mit Verbene und Aprikosensorbet

Auch hier die richtige Dosierung Verbene zur Crème brûlée, so dass die im original Weck-Glas servierte Crème nicht allzu gesund, sondern immer noch nach Kalorienbombe schmeckte, allerdings nach einer, der man durch die auflockernde Wirkung der Verbene gar nicht abschmeckte, welche Sprengkraft sie im Hüftbereich enthält. Durch die vom Verbenenaroma aufgefangene Süße erwies sich auch der Port als eine glückliche Kombination.

VIII. Käsevariation vom Affineur

Brin d’Amour,

Carré de l’Est,

Coulommier fermier,

Montbriac,

Fourme d’Ambert,

dazu Feigensenf, Birnenkompott, Aprikosenkompott und Auberginen-Chili-Crème

Am besten hat mir der Fourme d’Ambert mit dem Birnenkompott gefallen, aber auch der Coulommier fermier mit der Rosmarinkruste war mit der Auberginenchilikombination sehr gut. Zum Carré de l’Est passte natürlich der Champagner am besten, der Montbriac wiederum vertrug sich besser mit dem Sekt. Der Brin d’Amour war mit sekt und Champagner zu genießen und schmeckte mir auch zusammen mit dem sehr sehr konzentrierten, über-natürlich fruchtigen Aprikosenkompott. Der Portwein machte sich am besten zum Fourme d’Ambert.

Abschließend Armagnac Baron de Cygnac 1978, der zunächst reichlich spritig roch und sich mit Luftzufuhr erst langsam entfaltete. Langer Flaschenschlaf führt offenbar auch beim Armagnac zu einer gewissen anfänglichen Trägheit. Nach dem Aufwachen dann volles Rohr Pflaume, Walnuss, geröstete Mandelkerne, im Mund konzentriert,aber nicht kratzig, lang, samtig, mild

Bochum kulinarisch als Kulisse für das Champagnerleistungszentrum

I.1 Charles Lafitte Brut,

40PN, 20PM, 40CH.

Einfacher, kurzer, etwas herber Champagner – kein Ruhmesblatt für Vranken-Pommery und um Welten schwächer als der Jahrgangslafitte. Konnte zum Weißen Wels mit Paprika-Schalottenconfit und Sesamkartoffeln nicht überzeugen und musste sich klaglos dem routiniert auftretenden Lanson Black Label geschlagen geben.

 

I.2 Jacquesson Avize Grand Cru 1996

Den Champagner fand ich wiederum sehr anstrengend und noch völlig unreif; der 97er hingegen wird, wie die meisten seiner Jahrgangskollegen, viel Freude bereiten. Paprika-Schalottenconfit und selbst pure Knoblauchmarmelade sind für ihn keine gastronomischen Herausforderungen. Der Wels ist ein angemessener Partner für diesen herrischen Champagner.

II.1 Lanson Black Label

Zuerst bekam ich den Haussekt eingeschenkt, der aber sowas von pappsüss war, dass ich den Irrtum schnell reklamierte und einen Essensgutschein für das Versehen erhielt, was mich versöhnlich stimmte – schmeckte ausgemacht gut und sauber, riss mich zwar nicht um, vertrieb aber die letzte Klebrigkeit, die von der zuvor eingeworfenen Känguruh-Currywurst am Gaumen geblieben war.

 

II.2 Franck Bonville Avize Grand Cru

Kam mir etwas holzig daher, schmeichelte aber dann doch noch mit angenehmer Apfelnote. Sehr interessanter Kontrast zum Lanson Black Label, der etwas einschüchternd mit seiner fordernden Säure wirkte. Die hätte er für seinen Kontrahenten gut gebrauchen können. So ist er zwar jetzt besser und angenehmer trinkbar als der 96er Jacquesson, nur auf lange Sicht wahrscheinlich unterlegen.

 

III. Veuve Clicquot La Grande Dame 1998,

64% Pinot Noir, 36% Chardonnay.

Zum guten Abschluss bedard es immer eines würdigen Vertreters.Die Grande Dame beginnt ihren Auftritt stark schweflig und wird erst mit 3,5 Stunden Luft überhaupt zugänglich, dann aber kommen Enthüllungen am laufenden Band, erst die zartfruchtige Nase, eine leicht röstige Würze und weisse Blüten, Himbeer- und Johannisbeerduft, getrocknete Blüten, Aloe Vera, Toast, Butter, das alles wie auf einem langsam drehenden Karussell in bunter Folge. Am zweiten Tag ganz ohne Schwefel und alle Aromen deutlich asugeprägter, klarer und gediegener, am dritten Tag Entfaltung der vollen Pracht, leider nur noch wenig Mousseux, aber ein vollmundiges, richtig gutes Geschmackserlebnis.

In der Traube Tonbach

Zu Essen gab es in der Köhlerstube der Traube Tonbach 2008:

I. Kalbskopf und Pilze aus dem Nordschwarzwald,


II. Gebratenen Adlerfisch und glasierte Garnele auf Erbsenpüree mit Minze und Limonenextrakt,


III. Lammrücken von der schwäbischen Alb an milder Thymianjus, gerührtem Maisgrieß, Koriander-Popcorn und Zucchini,

IV. Pinkes Pampelmusen-Cassisgranité, Beerenkompott und prickelnden Champagnerschnee

dazu:

1. Franck Bonville Grand Cru Blanc de Blancs 2002

Mineralischer, kalkiger, sehr fokussierter, für den Jahrgang mit viel Kraft ausgestatteter Chardonnay ohne Fruchtfirlefanz, äußerstenfalls mit Eau-de-vie-, Calvados- oder Cognac-Anklängen. Zusammen mit dem Chartogne-Taillet war das die beste Kombination zum Kalbskopf, denn die Pilze brauchten unbedingt etwas kraftvolles, stämmiges zum gegenhalten, was ihnen die Cognac-Calvados-Anteile des Champagners sehr gut liefern konnten.

2. Bruno Paillard Réserve Privée Chardonnay, dég. Juli. 2007

Ein Crémant-Champagner mit sensationeller Mousse, trinkt sich wie Sprühsahne direkt aus der Dose, kehleneschmeichelnde vanillige Süße und balsamische Textur. Zum Fisch war der Champagner optimal und stach den Lanson um Haaresbreite aus. Der Vorteil liegt in der behutsamen Sahnigkeit des Champagners, der sich um den Fisch legt, als wollte er ihm die Meeresheimat ersetzen.

3. Chartogne Taillet Fiacre Tête de Cuvée 2000, 40% PN, 60% CH

Auch ein Crémant-Champagner praktisch komplett von alten bis sehr- oder gar uralten Reben (noch aus der Präphylloxerazeit) vom Massif St. Thierry. Weich, süß, weinig, burgundisch, etwas mürbe, aber noch nicht müde und wegen seines leicht erdigen Burgundertyps eine gute Wahl zum Kalbskopf mit den Pilzen.

4. Lanson Vintage 1988, 51% PN, 49% CH

Ausgesprochen dynamischer Champagner, Säure wie soeben erst dégorgiert, praktisch keine Alterstöne, viel viel Apfel, rundlicher Körper und lebhafte Gaumenattacke. Zum Lamm, das für champagner meistens eine große Herauzsforderung darstellt, war dieser Champagner der richtige. Reife, durchsetzungsstarke, dabei würdevolle Säure verhalf ihm zu einem starken Auftritt zusammen mit der ausgeprägt aromenstarken Beilagenkompisition. Zum Dessert gefielen Chartogne-Taillet und Lanson am besten, wobei ein Ratafia die besseren Dienste geleistet hätte.