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Die grösste Champagner-Bar der Welt: La Côte des Bar (II/III)

"K.A. Hellenthals Hülfsbuch für Weinbesitzer und Weinhändler oder der vollkommene Weinkellermeister" von Johann Karl Lübeck, M.D., 1829 in Pesth erschienen, lobt die Weine aus den drei Markflecken Trois Riceys in Niederburgund als im ganzen Reiche berühmt. Besonders zögen viele den Wein von Chablis dem besten Champagner vor, heißt es dort weiter. Und damit ist das alberne Buch eines heute völlig zu recht vergessenen und unbekannten Quacksalbers und Kurpfuschers schon wieder uninteressant geworden. Interessant dagegen ist, dass Monsieur Guyot, nach dem eine der in der Champagne zugelassenen Reberziehungen benannt ist, aus Gyé stammte, also von der Côte des Bar; er sah die Dinge ganz ähnlich wie der verrückte Weinarzt aus Transsilvanien und kämpfte lange dafür, Riceys dem Burgund zuzuschlagen. Kümmern wir uns also endlich um Riceys. Ein Ort, der aus drei Orten mit dementsprechend drei Kirchen besteht. Die Erzdiözese Dijon hat historisch das Sagen in Riceys-Haut, die Parochie von Riceys-Bas gehört dem Bistum Troyes an, Riceys Haute-Rive steht unter dem Episkopat von Auxerre. Champagnerkabbalistisch herrscht deshalb die Drei. Keine andere Gemeinde der Champagne ermöglicht es ihren Winzern, zwischen drei verschiedenen Appellationen zu wählen: Coteaux Champenois für die roten und weißen Stillweine, Rosé des Riceys für den burgundischen leichten Rotwein, dem das Örtchen einige Prominenz verdank und schließlich natürlich ist da noch die AOC Champagne. Von meiner letzten Tour stelle ich drei weitere Erzeuger vor, von denen allerdings nur der erste direkt aus Riceys stammt. 

IV. Alexandre Bonnet

1934 wurden die ersten Reben gepflanzt, 1960 die bis heute tätige Firma gegründet. Die ist längst Teil eines größeren Ganzen geworden, Lanson BCC hat sich mit Alexandre Bonnet schlauerweise einen dicken Batzen in der Côte des Bar steckenden Reblands gesichert. Damit bestehen firmenverwandtschaftliche Beziehungen zu Lanson, Philipponnat, Boizel, Besserat de Bellefon, de Venoge, Chanoine und Tsarine. Ein gutes, vor allem gut gemischtes Umfeld. Wie behauptet sich da der Player von der Aube? Wir sehen es sogleich.

1. Grande Réserve

80PN 20CH, 2010er mit bis zu 45% Reservewein aus 2009 und 2008, 10 g/l Dosage

Wirkt trotz seiner 10 g/l Dosage frisch, leicht, mit brotigem Ton, feiner Würze und entfernter Röstigkeit, die vom malzigen Geschmack der Aube-Pinots herrühren wird. Insgesamt schmalhüftig, am Ende ganz leicht gerbend. Damit ist die Stoßrichtung auf ein breites, aber durchaus weinkundiges Publikum abgeklärt.

2. Noir Extra Brut

100PN, 2009er Basis, bis zu 45% Reserve aus 2008, 2007 und 2006, aus der Lage Les Forets.

Die holzige Anmutung findet keine Stützte in der holzlosen Weinbereitung und ist wieder einmal regionales Phänomen, andere würden sagen: Terroir. Altmodische bis klassisch wirkende, etwas apfelige Nase und ein leichtes gerben.Extra Brut, der fortgeschritene Anfänger in die Welt der Niedrigdosage geleiten kann. Mäßige Säure, Eindruck von nussigem Wassereis, Nussgranité.

3. Blanc de Noirs Brut

100PN, bis 40% Reservewein

Deutliche Süße, hineingemengt auch Süßholz und Schokolade, trinkt sich dann aber angenehmer und leichter, als die Nase vermuten lässt. Süße und Säure befinden sich in gutem Gleichgewicht, wobei die Säure länger durchhält und nachreinigt, was den dann zum Vorschein kommenden Tannennadeln und Anisnoten schöne Gelegenheit zur Präsentation gibt.

4. Millésime 2008

50PN 50CH, Trauben aus Les Riceys und neuville sur Seine, mit 8 g/l dosiert

Leider etwas unterdurchschnittlicher Jahrgang, dem der herrliche Schmelz, die weitgefächerte Aromatik und ätherische, unbelastende Süße des Jahrgangs abgeht. Malzbrot, Zuckerwatte und Hagelzucker finde ich da wieder und eine Menge röstiger Noten, was den Champagner in dieser Zusammenstellung geringfügig profaniert.

5. Cuvée Douceur

100PN, ca. 40% Reservewein, mit 33 g/l dosiert

Fruchtfleisch und Säure betten die deutliche Süße gekonnt ein.Außerdem wird die Süße von einer leichten alkoholischen Hitze ausgebremst, bevor sie wirklich nerven kann. Nüsschen, Honig, Blüten und Malz reihen sich auf und geben eine artige Vorstellung ab. Einer der wenigen besser gelungenen Demi-Sec Champagner und ein Produkt, das ich mir vorstellen kann, häufiger im Glas zu haben.

6. Noir Extra Brut Rosé

100PN aus Les Forets, mit 3 g/l dosiert

Rote Grütze meldet sich verhalten zu Wort, ein seidiger Schmelz wirkt genauso unaufdringlich, pikante Salzigkeit wie sie deutsche Heilwässer oder in Frankreich Badoit haben, passt gut zu Malz, Erdbeere und Nüssen, die am Ende eine herbfruchtige Liaison eingehen.

7. Perle Rosée

100PN, davon 90% weiß gekeltert, 10% rot, mit 11 g/l dosiert

Der zweite von drei Roséchampagnern, was doch einigermaßen reichlich ist, wie ich finde. In der Nase viel erdbeer-Rhabarber, im Mund trockener, als darob erwartet und vom Dosagewert angedroht. dafür leider nicht sehr lang, was schade ist, weil sich die Mischung aus Candy, Marshmallow und Himbeerbockbier, wie man es in Belgien zu brauen versteht, ganz vielversprechend zeigte.

8. Expression Rosée

100PN, davon 72% weiß und ganze 28% rot gekeltert, mit 11 g/l dosiert

Typischer Gastronomenrosé, viel Wildkirsche, Walderdbeere, Aromen des Waldes überhaupt.Viel Kraft, wenig Detailverliebtheit, ein Champagner, der zu Andouillettes verzehrt werden will, oder zu gefüllten Schweinsfüssen. 

Auf den Halskrausen steht bei allen Champagnern von Bonnet das Dégorgierdatum, leicht verschlüsselt: L1 GR 10 3 E1 liest sich "GR" für Grande Réserve, "10" für Oktober, "3" für 2013; die technischen Daten schwanken bei allen Cuvées um 3,13 pH und 4,60 g/l Säure. 

 

V. Serge Mathieu

Die Nr. 6 in der Rue des Vignes, Avirey-Lingey, da wo Serge Mathieu zu Hause ist, könnte ohne Umschweife als neue Heimstätte der Hobbits dienen, so niedlich, friedvoll und unbekümmert ist es dort. Die Weinbereitung geht dort ohne Filtration, Schönung, passage froid und ähnlichen Zauber vonstatten, daher kommt ein sauberer Stil ohne Holzeinfluss, nur der Fruchtsuche verpflichtet, entfernt vergleichbar mit dem, was bei Billecart-Salmon passiert. Das hebt die Biochampagner von Serge Mathieu vom Aubestil ab, der röstig, kräftig, auch mal derb, gerne malzig und selten besonders raffiniert ist. Auf den Etiketten von Serge Mathieu findet sich immer der kleine Löwenzahn, auf dem Rückenetikett ein durchgestrichener Dinosaurier, als augenzwinkernder Seitenhieb auf die immer alberner werdende Regulierungswut, die allerorten um sich greift und nicht nur in Frankreich die Winzer verpflichtet, immer mehr Warnhinweise auf ihren Produkten anzubringen. Ein mir sehr wichtiger Hinweis ist bei Serge Mathieu auf dem Korken angebracht: nach dem Buchstabenbrand findet sich dort das Jahr (zB "12") und der Monat (zB "11") des Dégorgements. Das alles ist so sympathisch, so präzise wie entspannt, didaktisch wie humorvoll, dass die Werbebroschüre des immerhin 100000 Flaschen in die Welt und bis auf das Dach der Welt verkaufenden Erzeugers gar nicht überzeugender ausfallen könnte.

1. Extra Brut Blanc de Noirs, dég. Nov. 2012

Basis 2010 mit 2009, 5 g/l 

Mineral, paradoxerweise wieder der aubetypische Holzgeschmack, leichte Herbe, die bei 6 g/l RZ überhaupt nicht stört, aber sonst ist der Champagner schon ungewohnt puristisch gehalten für die Gegend.

2. Tradition, dég. Okt. 2013

100PN wie der BdN Extra Brut, aber mit 8 g/l dosiert 

Kokos kam dazu, auch Blutorange, Fruchtfleischfetzen, wegen der Dosage wundert mich nicht, dass da mehr Spiel ist

3. Cuvée Prestige, dég. April 2013

70PN 30CH aus 2007 und 2006, Tirage war allerdings erst 2009, mit 8 g/l dosiert

Kratzig, bissig, schmissig, mit Guave, Kaktus und dem Willen, sicht fortzuentwickeln. Vielleicht einer der reifefähigeren Champagner von Serge Mathieu, wobei ich ihn nicht an seinem Reifepotential messen will, sondern an der spontanen Trinkfreude, die er vermittelt. Michel und Isabelle meinen, das sei ihr weiblichster Champagner, was ich so nicht unbedingt unterschrieben würde, es sei denn, man würde in der Cuvée Prestige die blonde Schwester der Cuvée Sélect sehen, dann stimmt das Bild wieder. 

4. Blanc de Noirs Millésime 2006, 

mit 5g/l dosiert 

Honig, wird langsam zu reif für die Mathieus, wie sie mir selbst sagten; mit gefielen weisse Schokolade und beginnendes Trüffelaroma, mir war aber auch klar, dass diese Entwicklung immer eine Zäsur bedeutet, die Jungweintrinker verabschieden sich an diesem Punkt der Reise, die Fans reifer Sachen treten auf den Plan, müssen aber bedenken, dass mir die Champagner von serge Mathieu noch nie wegen ihrer besonderen reifefähigkeit aufgefallen sind und dass sie auch gar nicht darauf hin angelegt sind. Eine Empfehlung zum Einlagern kann ich daher bei den jahrgängen von serge Mathieu nur auf eigenes Risiko geben.

5. Blanc de Noirs Millésime 2008, dég. Okt. 2013

5g/l

Zuckerwatte, dezent Candy und Marshmallow, etwas weisse Schokolade, Milchschokolade, die Süßigkeiten belasten aber nicht den Gaumen, sondern lassen einer sich entwickelnden Spannung zwischen kandiertem Ingwer, Orangenfilets, Grapefruit, und trockener holziger würze viel Raum. Im Vergleich mit dem 2006er ist dieser hier natürlich der elegantere, auch ausgewogenere Champagner, aber in den nächsten drei bis fünf Jahren kann ich mir gut vorstellen, dass beide nur eine Nasenspitze auseinanderliegen werden, bevor der 2008er die Überhand für sich gewinnt und der 2006er zu mürbe wird, um noch mithalten zu können. 

6. Sélect, dég. Jan. 2013

70CH 30PN aus 2006 und 2005, mit 8 g/l dosiert

Das ist die brünette Schwester der Cuvée Prestige, mit kräftigem Chardonnay macht sie deutlich, dass Druck herscht und keinerlei Anzeichen von Schlaffheit oder Nachgiebigkeit; versöhnliche Kakaonoten wie von der Etikettenfarbe angedeutet umschmeicheln die Zunge schlangengleich wie eine nubische Geliebte.

7. Rosé

90PN 10CH, 2009er Assemblage mit kleinem Rotweinanteil, 9,5 g/l Dosage

Löwenzahnsalat, Mineral, viel Wiesenblume, wenig Frucht. Der Rosé gehört wider Erwarten und trotz seiner an 10 g/l grenzenden Dosage zu den ernsteren Champagnern von Michel und Isabelle. Seine Fans hat er ganz zu recht und der ernste Gesichtsausdruck steht ihm sehr gut, denn da ist nichts ausgezehrtes oder verhärmtes drin, vielmehr ist da die Ruhe und Würde eines in sich ruhenden Champagner(macher)s erkennbar. 

 

VI. Jacques Lassaigne

Wie ein kleiner Tafelberg erhebt sich der Montgueux nördlich von Troyes aus der Ebene. Geologisch ist er ein extremer Südausläufer der Côte des Blancs, sein Boden ist kreidig und trotz seiner tatsächlichen Verortung in der Côte des Bars nicht von Portland- oder Kimmeridge geprägt. Der große Daniel Thibault nannte diesen Hügel mal den Montrachet der Champagne, so wie manche den Clos des Goisses als Romanée Conti der Champagne bezeichnen. Chantal Bregeon-Gonets (von Champagne Philippe Gonet aus, bezeichnenderweise, Le Mesnil) Großvater war einer der ersten, wenn nicht der Erste, die Montgueux als Spitzenterrain, resp. Terroir entdeckt haben. Bei Salon wiederum kann man mit Montgueux nicht viel anfangen, was nicht nur an der hauseigenen Ortsgebundenheit liegt, sondern am Stil der Weine, die vom Kreidehügel stammen. Der bekannteste Montgueuxagitator ist der – soweit mein Französisch reicht – ungemein witzige Emmanuel Lassaigne. Mit dem traf ich mich, um ein paar seiner à la volée dégorgierten Flaschen zu leeren und hinterdrein im Crieurs de Vin ausnehmend convivial zu speisen. 

Bei den Flaschen von Lassaigne fällt neben dem für burgundisch orientierte Winzer schon obligatorisch gewordenen schlicht-weißen Etikett auf, dass der Korken mit drei Schichten unter dem Granulat ausgestattet ist, was man nur allerhöchst selten antrifft und sehr zur guten Lagerfähigkeit beiträgt. Denn um eine Korkschicht zu durchfeuchten, braucht der Wein laut Emmanuel mindestens ca. drei Jahre. Gute zehn Jahre dauert es also, bis er an das minderwertige Granulat stößt und sich dort, bewahre, mit TCA infiziert. Wer so denkt und arbeitet, macht alles richtig und obendrein gibts im Hause Lassaigne gleich drei Töchter, die bald das heiratsfähige Alter erreichen und dafür wiederum, muss ich sagen, sieht Emmanuel auch noch erstaunlich ausgeglichen aus; ein echter Glückspilz also. Und was es heißt, sich wie ein Glückspilz fühlen zu dürfen, kann man mit jedem Schluck seines Champagners am eigenen Gaumen nachvollziehen.

1. Vigne de Montgueux

2011, 10, 09, Stahltank, 15% Fassausbau über ein Jahr

Massiger Champagner, rauchig, drückendstark und überlegen wie eine Profifussballmannschaft in der Kreisliga, außerdem geheimnisvoll, fein-nussig und etwas kräuterig mit einem milden Hang zum Kakteenhaften, Röstnoten, die von angebrannter Bananenschale stammen könnten, dazu eine lange, fließende Säure und das Gefühl verflüssigter Kreide im Mund

2. Millesime 2006

Den Champagner gibt es ab September 2014, er ist noch massiger, füllender, fetter und reifer als der Vigne de Montgueux, dabei agil, drahtig und wendig, mit weniger Nuss ausgestattet, macht er viel mehr Rabatz am Gaumen, ist oszillierend und frisst sich wie ein Tunnelbohrer in den Schädel. Der Champagner beruhigt sich mit sehr viel Luft, zeigt dann auch kurz, fast wie unwillentlich, etwas Nuss, als gehöre das zu einem ungeliebten Pflichtprogramm an Komplexität und Typizität, bleibt dabei aber durchweg dynamisch, fast ungeduldig, aber nicht genervt.

3. La Colline Inspirée

2010, 2009, dég. im Sep. 2013, zero dosage

Winzerig, umtriebig, aktiv, rumorend. Merkliche Fassvinifikation, burgundischer Typus, ein Charakter, der die Aufmerksamkeit an sich fesselt wie ein sehr guter Illusionist; nur dass hier keine Illusion vorgespielt wird, sondern echtes, großes Champagnerwerk vollbracht wird. Dazu gehört in diesem Fall ein Hauch von After Eight und sogar Cola. Riesenchampagnerspaß!

4. Le Cotet

Vieilles Vignes 1964, dég. Okt 2013, 90% 2010 und 10% 2006, 2004, 2002, quasi ein Multivintagesolera, 80% Stahl, 20% fut de chene; die alten Jahrgänge stammen von geöffneten und als reserve wiederverwerteten Flaschen, wie ich es auch innerlich weinend bei zB Veuve Devaux gesehen habe, wo ein Trupp Arbeiter den Vormittag über unausgelieferte Großflaschen  knallend öffnete und den Inhalt in Tanks schüttete, die dem Reserveweinbestand zugeführt wurden. Der Cotet ist sehr glatt für einen Champagner aus dem Hause Lassaigne, was ich auf den weichzeichnenden Soleraeffekt zurückführe. Von allen Champagnern Emmanuels bietet dieser am meisten easy drinking, das zeug geht runter wie man es in geeignetem Erwachsenenfilmmaterial staunend betrachten kann, oder wie das Schwert beim Schwertschlucker.

 

Champagne Collard-Picard vs. Champagne Vincent Couche

 

Zwei Erzeuger eröffnen den sommerlichen Champagnerreigen. Beide Winzer bewirtschaften etwas mehr als 10 ha und sind vergleichsweise jung. Das eine Haus ist sehr klassisch aufgestellt, wirtschaftet konventionell in der Kernchampagne, das andere wird biodynamisch geführt und liegt an der Aube. 

 

A. Collard-Picard

Zusammen mit Ehefrau Chantal Picard, eine Cousine von Chantal Gonet (Champagne Philippe Gonet), bewirtschaftet Olivier nun schon seit 1996 seine Weinberge in der Vallée de la Marne und die seiner Frau in der Côte des Blancs, insgesamt sind es gut 11 ha. Die gemeinsamen, temperaturgesteuert stahltankvergorenen Grundweine kommen zum Ausbau ins Fuder, BSA wird vermieden, die Flaschengärung findet teilweise unter Naturkork mit Agraffe statt. Das sind eigentlich ganz gute Voraussetzungen, deshalb habe ich mir die einzelnen Cuvées des Hauses mal im direkten Vergleich mit den Weinen von Vincent Couche zu Gemüte geführt.

I. Brut Séléction

50PM 50PN, 07er Basis mit Reserve aus 2006.

Säuerliche Noisettecrème, sonst sauber und lebhaft.

II. Cuvée Prestige 

50CH 25PN 25PM, 07er Basis mit Reserve aus 2006, 2005 und 2004.

Sehr üppige Fruchtmischung aus Ananas und Passionsfrucht, angenehm lang; der kann schon was und sollte das mit etwas mehr Flaschenreife deutlicher zur Geltung bringen.

III. Cuvée Prestige Blanc de Blancs Grand Cru

2007er Basis, aus Bioweinbergen in Le Mesnil und Oger

Steiniger Charakter, verschlossen, sehr ruhig und in sich gekehrt, wenig Säure.

IV. Cuvée Prestige (2005er Basis)

Dem aktuellen Prestige gar nicht ähnlich. Sehr kräftig mit abschließend störender Herbe.

V. Cuvée des Archives Millésimée 2002

80CH 20PN, Trauben aus sehr alten Weinbergen (aus den 1940ern) mit gerade einmal 3000 kg/ha Ertrag. Im Fuder vinifiziert und dort für 18 Monate auf der Hefe ausgebaut.

Voll, sehr kraftvoll bis muskulös, insofern dem 2005er Prestige nicht unähnlich, doch ohne die störende Herbe. Wirkt viel leichter und unbeschwerter als der Prestige. Angeschnittener Apfel, Brot, wenig Säure, recht lang.

VI. Rosé

50PN 50PM, ca. 15% Rotweinzugabe.

Ein eher dunkler Rosé mit anfänglicher Hundefellnase und minimal spritigem Anklang. Weiniger Charakter, der sich auf ein ausgeprägtes Em-Eukal-Wilrdkirscharoma zuspitzt.

VII. Rosé Cuvée des Merveilles

Pinot Noir und Chardonnay aus Vertus, in Lagen sozusagen übereinander vinifiziert. Erst Kirsche, dann Kuchenteigaromen, zum Schluss Bittermandel. Entwickelt sich im Mund genau umgekehrt, fängt mandelig und leicht herbbitter an und wird zum Schluß versöhnlich kirschig und mildsüß.

VIII. Rosé de Saignée demi-sec (45 g/l)

Zwischen exotischem Kirschkuchen und mandeligem Frankfurter Kranz. Buttercrème, ausgeprägte, kontrollierte Süße.

 

B. Vincent Couche

Vincent Couche begann 1999 mit der Umstellung auf schonende, und 2008 die Konversion zur biodynamischen Bewirtschaftung seiner knapp 13 ha an der Aube, unter anderem im jüngst immer mehr Aufmerksamkeit auf sich ziehenden Örtchen Montgueux. Nicht nur er hört auf seine Reben, sondern auch die Reben auf ihn, zB wenn er ihnen Musik vorspielt. Hören sollte er vielleicht außerdem noch auf einen tüchtigen Etikettendesigner, der die arg eigenwilligen Etiketten einer Neugestaltung unterziehen könnte, was ich alles bereits im Frühjahr bemerkte. Auf wen er weiterhin hören sollte, das ist sein önologischer Berater Claude Bouguignon, der hier sehr gute Arbeit leistet.

I. Blanc de Blancs Perle de Nacre

100CH aus Montgueux, Holzfassausbau, 2004er Basis mit Reserve aus 2003 und 2002

Der Grundwein hierfür schmeckte wie eine Apfelzitronenlimonade mit Marihuanaextrakt, der fertige Champagner war sehr vollmundig, saftig, weinig und nur durch seine leicht exotische Note noch etwas limonadig.

II. Cuvée Sélection (konventionelle Version vor 2008)

ca. 70PN ca. 30CH

Der "alte" Sélection bringt ein ähnliches Gewicht auf die Waage wie die Perle de Nacre, ist aber nicht so narkotisierend., hat auch nicht dieselbe Tiefe, wirkt außerdem schärfer und kratziger.

III. Cuvée Sélection (biodynamische Version nach 2008)

ca. 70PN ca. 30CH aus 2009

Extrem blumig, Holunderblütenextrakt, Gras (nicht das aus der Perle de Nacre). Sehr stramme Leistung.

IV. Dosage Zéro, dég. Februar 2011

PN/CH, 2003er Basis mit Reserve aus 2002, 2001 und 2000. Dosagelos, weil 10 g Restzucker drin sind.

Frisch, rassig und lang. Mit der typischen Explosivität später Degorgements.

V. Rosé Désir (konventionelle Version vor 2008)

07er Basis mit Reserve aus 2006

Ziemlich herber Stoff, keine Marihuananoten, kaum belebende Frische, wirkte etwas eigenbrödlerisch auf mich. Da ich ihn vor drei Monaten deutlich lebenslustiger im Glas hatte, war das erstmal nicht so schön. Des Rätsels Lösung war eine andere: es gibt nämlich eine alte und eine neue Version.

VI. Rosé Désir (biodynamische Version nach 2008)

2009er Basis.

Da war er wieder, der Blumen- und Grasduft, vermischt mit eingelegten Sauerkirschen. Im Mund mineralisch, leicht trocknend, durch seine vorsichtig kitzelnde Säure gleichzeitig auch wieder gaumenwässernd.

VII. Bulles de Miel

Entspricht dem Dosage Zéro, d.h. PN/CH, 2003er Basis mit Reserve aus 2002, 2001 und 2000, hier aber mit 36 g/l dosiert. Teilweise BSA. 

Milde, unaudfdringliche Süße, wirkte auf mich etwas belanglos; dennoch ein sehr angenehmer Wein zum wegballern.

VIII. Sensation 1995, dég. 1. Oktober 2010

PN/CH, 2584 Flaschen.

Oxidative Reife, Hanuta, Honigtoast mit viel Butter, leichtem Champignonduft. Sehr schöner Champagner.

WoBeLeSchm-Weinreise durch drei Jahrhunderte – 1872 bis 2007

Die Worst-Best-Lecker-Schmecker-Probe begann mit

I. Van Volxem, Scharzhofberger Pergentsknopp 2001

Blutjung kam mir der Wein noch immer vor. Klar, die gelbobstige Primärfrucht hatte sich weitgehend verabschiedet und war wahrscheinlich sowieso nie besonders hervorstechend. Nun ist der Wein eine sehr gelungene Mischung aus steiniger Mineralität und umwerfend herb-saftiger, süß-saurer Zitrusfrucht. Kaum zu glauben, dass der schon ein paar Jährchen in der Flasche hinter sich hat.

II.1 Maison Paul Robin à Rully, Bourgogne Mousseux Méthode Champenoise Extra Dry 1959

Ein süßer Rotsekt kam da ins Glas. Kirschjoghurt und stahlig-metallische Noten rangen ohne Rücksicht auf das Geschmacksempfinden des bemühten Trinkers um die Vorherrschaft. Dementsprechend hin- und hergerissen war ich dann auch zwischen freundlichem Interesse an den noch ganz zackigen Fruchtkomponenten und Ablehnung des kaputten Stahgeschmacks. Mehr als nur interessant war dieser Schäumer am Ende allemal, denn bei allem Krampf zeigte er sich dank der herausragenden Jahrgangsqualität und nicht nur aufgrund des hohen Zuckergehalts noch erstaunlich frisch.

II.2 Charles Heidsieck Brut NV aus den 60ern

Ein sehr schönes und von den Schwierigkeiten seines exotischen Vorgängers unbehelligtes Trinkerlebnis bot der Charles Heidsieck. Leicht toastig, mit Kaffeearomen, buttrig, warm und mittellang; schwaches Mousseux und eine langsam abstumpfende Spritzigkeit kündeten vom hohen Alter des Champagners, der sich sehr aufgeräumt und in Topverfassung zeigte.

III.1 Montrachet (Maison Paul Robin?) aus den 40ern

Colafarbe und aufgewirbeltes Depot machten den Wein nicht gerade zum optischen Sieger, aber was er zu bieten hatte, stand dazu in deutlichem Kontrast. Butter, Toffee, Haselnuss und Erdnusscrème, erst sehr viel später Pilzrahmpfanne, Maggi und Dill. Im Mund war der Wein nicht besonders lebhaft und nicht gerade druckvoll, aber seine behäbig an den Gaumen abgegebenen, leicht karamellisierten Pilzaromen fand ich beeindruckend. Am Tisch wurde das teilweise anders gesehen.

III.2 Bouchard Père et Fils, Chassagne-Montrachet 1953

Ausdrucksarm, säuerlich, gezehrt und hohl schlug sich danach der 1953er Chassagne-Montrachet.

III.3 Ramonet-Prudhon, Chassagne-Montrachet Les Ruchottes Premier Cru 1954

Mit kaltem Räucherspeck in der Nase und feiner Süße im Mund versuchte der 1954er Chassagne-Montrachet zu überzeugen. Da er nicht unfein wirkte und einige Kraftreserven mobilisieren konnte, habe ich ihn deutlich über dem 53er gesehen, aber keinesfalls in der Nähe des Montrachet. Von der Größe des 1973er Batard-Montrachet, mit dem Ramonet-Prudhon beim 1976er Spurrier-Tasting in Paris den sechsten Platz bei den Weißweinen errang, konnte dieser Wein noch nicht viel gehabt haben.

IV.1 Flouch Fils, Chambolle-Musigny 1917

Die letzte Flasche 1917er Chambolles-Musigny hatte leider Kork und auch bei dieser hier stand für mich ein Korktreffer im Vordergrund. Milde Buttertöne drangen zwar noch durch, ließen eine vernünftige Bewertung aber nicht zu.

IV.2 (unbekannter Erzeuger), Beaune Clos des Mouches Premier Cru 1947

Joseph Drouhin (ca. 6 ha) und Domaine Chanson (ca. 4 ha) sind die großen Namen, die man mit dem ca. 14 ha großen Clos des Mouches (à miel; seinen Namen hat der Clos von den Honigbienen, die dort früher zu Hause waren – und nicht von ordinären Schmeißfliegen) verbindet, nicht zuletzt seit dem berühmten 1976er Spurrier-Tasting in Paris – dort belegte ein weißer 1973er Clos des Mouches von Drouhin den fünften Platz. Davon war unser 1947er freilich noch weit entfernt. Eine leicht scharfe Waschmittelnase mit konzentriertem Kompottduft von roten Früchten, großzügig mit schwarzem Pfeffer unterlegt, ließen den Wein pikant wirken, doch stand er immer auf der Kippe und schien mir dauernd in Richtung Zusammenbruch abrutschen zu wollen.

IV.3 SCEA Beaune, Beaune Clos des Mouches Premier Cru1947

Gekochtes, etwas mehliges Obst. Mürbe und warm. Im Mund schön weich, zunächst wie frischgekochter Milchreis, dann zartnussig, später mit Maggi.

V.1 Château Beychevelle (van der Meulen) 1928

Farblich voll auf der Höhe, in der Nase Schuhcrème, Leder und Phenol, die allesamt zeigen, wie kraftvoll und höchst lebendig der Wein noch ist. Im Mund zunächst ganz schön sauer, mit etwas Gewöhnung kann man dem aber noch etwas abgewinnen und ich denke zum Entrecôte vom Koberind hätte der Wein sich sehr gut gemacht.

V.2 Château Talbot 1947

Rettich und Radieschen kamen mir in der Nase entgegen und erst dachte ich mir schon, dass da wohl nicht viel zu erwarten sein dürfte. Im Mund zeigte sich dann, wie irreführend dieser allererste Eindruck war. Mit Luft gewann der Wein ungemein, eine gewisse Schärfe blieb zwar durchgängig drohend im Hintergrund, aber der Wein plusterte sich aromatisch auf, wurde kräftiger, legte an Masse zu und erschien mir am Ende dicht, kernig und gesund.

V.3 Château Palmer (Mähler-Besse) 1952

Unter dem Kork konnte man Liebstöckel wahrnehmen, mehr leider nicht.

VI.1 unbekannter Erzeuger, mglw. Abfüller aus Volnay, Clos des Bécasses (wahrscheinlich Département Var/Bouches du Rhône) 1926

Farbe war komplett ausgefallen, wahrnehmen konnte man in der Nase Karamell und einen nicht uncharmanten Lackduft, im Mund war der Wein sauer und kaputt.

VI.2 Assmannshäuser Spätburgunder 1872

Tzatzikinase, etwas metallisch und blechern. Im Mund für sein Alter noch sehr schick. Wie der Kuss einer Neunzigjährigen.

VI.3 unetikettierter Spätburgunder (?), wohl aus den 40ern

Sauerampfer, saurer Schweiss. In Mund dann sogar mit einigem Gewicht, aber eher klobig als von schwerwiegender Aromatik.

VII.1 Chianti, I.L. Ruffino 1950

Dem Erzeuger gehören heute weit über 1000 ha. Dieser Chianti kam ganz klassisch aus dem Fiasco, freilich stammt er aus einer Zeit, in der Chianti noch nicht als Massenplörre die Köpfe deutscher Studenten vernebelte. Starker Wein, trotz einer leicht zehrenden Säure.

VII.2 Château Nenin 1950

Nicht so schön, wie man angesichts des flights hätte erwarten können, war der 1950er Nenin. Er wurde von seinen beiden Partnern buchstäblich überflügelt.

VII.3 Château Recougne, Bordeaux Supérieur, 1950

Phenolisch, aber nicht kaputt, denn mit jeder seiner sanft wellenartig aus dem Glas strömenden Duftfreisetzungen gibt der Wein mehr Tabak, mehr eingekochten Früchtesud, Lakritz und Teer ab Rund und weich, als hätte ihm das Alter so gar nichts anhaben können. Sehr schön und für ein Weingut, das erst 1938 gegründet wurde, eine richtige Sensation.

VIII.1 Château Recougne, Bordeaux Supérieur, 1961

Der 61er Recougne, den ich schonmal sehr loben konnte, kam da nicht ganz dran. Konstant scheint das Château dennoch zu sein, auch diese Flasche brachte einen reifen, saftigsüßenen Wein zum Vorschein, der mit Tabak und Rauch nicht sparte, aber auch einen ganzen Sack voller Früchte geschickt einzubinden wusste.

VIII.2 Château Recougne, Bordeaux Supérieur, 1966

Müder, phenolischer und mit ausgeprägterer Säure kam dann der auch beim letzten Versuch schon schwächere 66er ins Glas. Nach zwei so bestechenden Leistungsvorführungen des Châteaus sehe ich über eine rechtschaffene Müdigkeit jedoch gerne hinweg – genügend andere Weine prominenterer Châteaux haben schließlich mit ähnlichen Erscheinungen zu kämpfen und dürften damals schon bedeutend mehr gekostet haben.

IX.1 Vosne-Romanée aus den 40ern/50ern

Ein leichtes Stinkerle lässt mich erstmal Abstand nehmen, mit Luft kommen Kräuter und Rauch aus dem Glas, im Hintergrund schleicht etwas Frucht verdruckst herum.

IX.2 Caves Mövenpick, Pinot-Noir, Schweiz, 1984

Ein überraschend gut erhaltener Spätburgunder, der auch deutscher Herkunft häte sein können. Eine deutliche Kümmelnote stört dabei nicht. Gut!

IX.3 Amselfelder, Jugoslawien, 1961

Bei diesem Wein hätten sich die Geister viel deutlicher scheiden können. Da Uwe aber bereits im Vorfeld Sorge dafür getragen hatte, dass in der angenehmen Runde keine Etikettentrinker das Klima verhunzen, konnte z.B. ich mich mit Nachdruck für den Wein einsetzen, der mein Liebling in diesem flight war und auch nach dem Aufdecken blieb. Eine starke, schon etwas saccharinige Süße, über die der Wein zweifellos verfügte, war dafür nicht allein ausschlaggebend. In der Nase nämlich war der Wein fremdartig und doch seltsam vertraut, was daran liegen mag, dass er aus Pinot-Noir gekeltert wurde. Etwas seifig, irgendwie gekünstelt frisch und fruchtig, ohne dass ich aber hätte festmachen können, was mich denn genau daran gestört hätte. Im Mund natürlich süss, gleichzeitig jugendhaft, selbst eine gewisse Spritzigkeit war noch da, ein Wein letztlich, der durch seine Eigenartigkeit Spannung erzeugte und mir deshalb – trotz seiner künstlich wirkenden Süße – gefiel.

Dann kam der Königsflight des Abends.

X.1 Domaine de la Janasse, Châteauneuf-du-Pape Vieilles Vignes 2007

85% Grenache, 10% Syrah, 3% Mourvèdre, 2% divers, ein Viertel gärt im Barrique der Rest im Fuder. Ausbau zu 75% im Stahltank und in kleinen Eichenfässern.

Blumen, ätherische Öle, Garrique, bouquet garni. Cassis, vollreife schwarze Beeren. Auch hitzige, tabakige Aromen und heißer Asphalt. Kraftvoller aber nicht fetter Körper, schwerstlang, finessereich, komplex und voller Wandlungsreichtum, perfekt sitzendes Tannin. Kaum anzunehmen, dass der Wein noch besser wird, doch sprechen alle Anzeichen dafür.

X.2 Clos des Papes 2007

65% Grenache, 20% Mourvèdre, 10% Syrah und 5% Muscarin, Vaccarese, Counoise. Ausbau im großen Holzfass.

Pflaumenmus, Schwarzkirschen, schweres Leder, schwarzer Tee, Datteln, Rosinen, Weihrauch. Erstaunlich: der Wein wirkt weder alkoholisch noch besonders gerbstoffig und dennoch bombastisch, nach dem Janasse fast schon erdrückend und wird erst mir viel Luft lockerer. Für mich gegenüber dem Janasse der stärkere Wein mit noch mehr Potential. Im Moment wirkt er zusammengequetschter, aber wenn alles gutgeht ist er mit ein paar Jahren Flaschenreife mächtiger, länger.

XI. Dow's Vintage Port 2007

Meine Vermutung Vin doux naturel, vielleicht ein 2007er Maury war so grotesk falsch und daneben nicht. Denn mit Portwein hat dieser Dow's – noch – nicht sehr viel gemein. Im Vordergrund stand blumig angereicherte, veilchenartige und etwas mehlig wirkende Fruchfülle, im Hintergrund schwarzer Pfeffer und einige Beeren. Erst mit ganz viel Luft zogen ein paar Marzipanduftstreifen auf. Schön, aber viel zu jung.

XII.1 Shiraz Black Opal, Australien, 1976

Erdbeer, Himbeer, Sahnebonbon. Einfache, naive Frucht, sauber und langweilig, für sein Alter sicher eine respektable Leistung.

XII.2 Château Ste. Michelle, Washington State, Cabernet-Sauvignon, 1977

Château Ste. Michelle ist das Pionierweingut im Washington State, deutsche Trinker kennen es von der Zusammenarbeit mit Ernst Loosen im Eroica-Riesling Projekt und natürlich vom Spurrier-Tasting, wo der 1973er Cabernet-Sauvignon von der heute zu Ste. Michelle gehörenden Stag's Leap Winery eine gute, ja sogar die beste Figur machte und den Ruhm amerikanischer Weine eindrucksvoll unternauerte. 1973 wurden die ersten Ste. Michelle Reben im Cold Creek Valley gepflanzt, heute gelten sie als alte Reben. Der Wein war möglicherweise nicht ganz fehlerfrei. Zu malzigen Noten und Aromen von Salbei und Liebstöckel gesellten sich Rosine und Lakritz, das Hauptproblem war aber, dass unter den dominanten Eukalyptus-Menthol-Schwaden immer weider ein Korkaroma durchzudringen schien. Schwer einzuschätzen war der Wein deshalb, doch schmeckte er mir gar nicht schlecht.

XII.3 Meerlust, Cabernet-Sauvignon, 1978

Einfacher war der Jungfernjahrgang von Giorgio dalla Cia. Der heutige Senior unter den afrikanischen Weinmachern vinifizierte drei Jahre nachdem man sich bei Meerlust entschieden hatte, den Weinbau stärker in den Mittelpunkt zu rücken, 1978 seine ersten Weine dort und hat sich nach 25 Jahren nunmehr auf die Rolle des Beraters zurückgezogen. Sein Erstling war mild und leicht, Duft und Geschmack von Honig, kaltem Rauch und Speck waren ansprechend, im Mund konnte er leider sein Versprechen nicht einlösen und war um.

XIII.1 Domaine de Nalys, Cuvée de Puits de l'Orme, Châteauneuf-du-Pape, 1978

Bis 1976 gehörte die Domaine dem Docteur Dufays, der sie an Groupama verkaufte. Den in Châteauneuf gemeinhin sehr gut ausgefallenen Jahrgang kann, bzw. muss also der Versicherer für sich reklamieren. Ein großes Plus ist das in diesem Falle nicht, der Wein hatte einen üppigen Heftpflasterstinker (Vinylguajacol) und abgesehen von reichtlich Thymian nahm ich nichts war. Der Wein war kurz, herb und fertig.

XIII.2 Balgownie Estate, Cabernet-Sauvignon, 1989

Von Niveaduft abgesehen brachte dieser Wein nicht mehr viel.

XIV.1 Henri Giraud, Hommage à Francois Hémart

70PN 30CH aus Ay Grand Cru. Sechsmonatiger Ausbau im kleinen Holzfassl aus Argonner Eiche.

Einer der traditionsreichsten und mit einigen seiner Cuvées leider auch teuersten Vertreter des exklusiven Örtchens. Die Hommage ist, anders als die Esprit-Weine, schwerer, merklicher vom Holz geprägt, das den Grundweinen jedoch keine belastende oder vanillig-toastig modifizierende Note gibt, sondern mit einer aristokratischen, schlichten Kühle dient. Sehr viel Säure darf man im übrigen von diesem Champagner nicht erwarten.

XIV.2 Eric Isselée Grande Sélection

50PN 50CH.

Diesen Champagner habe ich lange unterschätzt. Für mich war Erics Champagner immer gleichbedeutend mit seinem Blanc de Blancs Grand Cru, speziell der 2002er hat es mir angetan. Bei einem meiner letzten Besuche dort habe ich mich ganz gegen meine Gewohnheit für ein Wartegläschen von der Grande Sélection entschieden. Das war so verblüffend gut, dass ich gleich ein Päckchen mehr ins ohnehin schon volle Auto gepackt habe und nach der Altweinrutsche erwies sich die Grande Sélection als ein sehr geeigneter Gaumenfreispüler. Kräftiger Pinot Noir und kräftiger Chardonnay zu gleichen Teilen, mehr ist es ja gar nicht. Und doch: klärend, animierend, aufbauend. Schön!

XIV.3 Alain Bailly Rosé

Mit seiner leichten Frucht hatte es der Alain Bailly ganz zum Schluss natürlich schwer, denn noch klangen die wuchtigen, reifen, auch alten und herrschsüchtigen Rotweinaromen nach.

Brüsseler Spitzen – Champagner- und Weinoldies verkostet

I. Weingut Fritz Allendorf, Winkeler Hasensprung Riesling Cabinet 1969, AP.-Nr. aus 1973

Erdig, etwas muffig und moosig, mit einer aparten Kräuteraromatik und angegorener Maracuja, wirkt exotischer und fetter, weil säurearm, als ein Rheingauer aus dieser Zeit. Außerdem deutliche Firne, die noch Platz für einen letzten mineralischen Druck am Zungenrand lässt. Erkennbar ausgesuchte Qualität aus der Übergangszeit zwischen altem und neuem Weinrecht.

II. Weingut Richard Nägler, Mittelheimer Goldberg Spätburgunder Weißherbst Auslese 1975

Sehr dunkel, wie Amarenakirschlikör. Auch in der Nase intensiver Kirsch-Schokoladen-Duft. Dessertcharakter. Im Mund sanft, samtig, wie feinpüriert und durchgeseiht. Langer, eleganter, ausgewogener, reifer, noch lange nicht am Ende angekommener Trinkgenuss, der weder optisch noch – zunächst – aromatisch den Spätburgunder Weißherbst verrät.

III. Champagne Grongnet, Carpe Diem Extra Brut avec ficelage traditionnelle

70CH 20PN 10PM.

Aus Etoges kommt dieser kleine Erzeuger, der zum Kreis der Special Clubberer gehört. Die Cuvée ist auf Chardonnay fokussiert, dessen schneidige Säure sehr sportlich daherkommt. Die beiden Pinotrebsorten bemänteln diesen flotten Sportler seidig, insgesamt ergibt das eine herbfrische, mittellange und angenehm apfel-zitrusfruchtige Neuinterpretation des Chardonnaythemas.

IV. Laurent-Perrier, Brut, Halbe Flasche aus den späten 60ern oder frühen 70ern

Zweifellos ältlich, mit nur noch ganz verhaltenem, kaum vernehmbarem Seufzer beim Öffnen. Für eine kleine Flasche dennoch überraschend frisch, am Gaumen mit der charmanten Mischung aus damals wie heute üblicher recht hoher Dosage und als pièce de résistance einer gut merklichen Säure.

V. Graves Superieur Ende der 60er

Kraftvoller weißer Charakter von altem Sauvignon-Blanc. Abgelagertes Heu, das noch einen frischen Duft verströmt, weißer Nougat, Kokos, Sahne, englische Crème. Hätte ich bei einem simplen Graves Superieur nicht erwartet.

VI. Château de Madère, Cerons, aus den 60ern

Suesser, grobgemahlener Senf, Kerbel, gebackener Estragon. Nur noch leicht süsslich für einen richtigen Süßewein und schon reichlich alt, aber noch mit etwas Freude trinkbar, z.B. zum Baguette mit eingebackenen Oliven und Chili, wesentlich besser zu eingelegten Oliven mit Anchovis, deren salzige Aromen der Wein sehr gut einbettet.

VII. Coron Père et Fils, Négociants à Beaune, Puligny-Montrachet 1955

Klassischer Chardonnayauftritt mit einer etwas trocknenden Art, aber noch mit viel frischer Zitronenmelisse und minimal medizinalem Unterton, etwas augeblichenem Apfel, vital, aber langsam, d.h. innerhalb der nächsten ca. fünf Jahre an seine Grenze gelangend.

VIII. Château Cheval-Brun, St. Emilion 1964

Ein ordentliches Trinkerlebnis war der Cheval-Brun, langsam überhand nehmende Alterssüße ist mir ja alemal lieber, als knochige, ausgezehrte Weine. Tabak, Pflaumenmus, leicht rauchige, speckige Noten, alles in allem sicher kein sehr eleganter Wein mehr, aber immerhin ein alter Schmusetiger.

IX. Château Recougne, Bordeaux Superieur 1961

Klar überlegen war da der 61er Recougne, obwohl nur ein ordinärer Bordeaux Supérieur. Süß, aber von der noch saftigen Art, reif, alt, dicht, erstaunlich tiefgründig, auch mit viel Tabak und Rauch, aber vor allem einer im Vordergrund stehenden betörenden fruchtig-sämigen Weichheit, Balance und wundervoll gereiften Tanninstruktur.

X. Château Recougne, Bordeaux Superieur 1966

Kein Wunder, dass der 66er aus gleichem Hause dagegen kaum eine Chance hatte. Nach eine korkähnlichen Phase vor allem Ladungen von Erdal Schuhcrème mit Bienenwachs, auch schwarzes Leder. Für mich am ehesten Ähnlichkeit mit einem mittelstarken Lagrein.

XI. Vieux Château Bourgneuf, Pomerol 1967

Schwer war der Vieux Château Bourgneuf. Ein Wein, der den ganzen Rachen verstopft, wie ein zu großer Bissen von einem zu trockenen Kuchen. Dementsprechend gab es Kirsche, Johannisbeere, Schokoladenkuchen, dick gesossten Tabak, Marillenkernöl. Sehr süß kam mir der Wein vor und nicht ganz entschlossen, zwischen einem letzten säuregeladenen Aufbäumen und einer schweren, müden Dichte.

XII. Beaune, Cuvée Reservée, Ende 50er Jahre

Erst Milchschokolade, dann kam mehr und mehr Liebstöckel dazu, meiner Meinung nach entwickelte sich außerdem viel Eau de Vie de Kirsch, am Ende dann eine etwas einfältige Erdnussflipsaromatik.

XIII. Clos des Papes, Schweizer Füllung 1965

Hellroter, süßlicher, griffiger, am Gaumen leicht kühlend wirkender Wein, der wie eine Mischung aus Herta Müller und Gundel Gaukeley auf mich wirkte. Trotz des erkennbar fortgeschrittenen Alters immer noch irgendwie sexy. Reichlich rote Beeren, die mit einer agilen Säure für wohltuende Abwechslung im süßlicher werdenden Aromengemisch sorgen. Der Wein baute sich mit Luft noch etwas auf, bevor er nach einigen Stunden erst abzubauen begann.

Im Champagnerleistungszentrum: Sip of Gold von Sieger by Fürstenberg

Sip of Gold

Die Brüder Michael und Christian Sieger präsentieren unter dem Markennamen Sieger eine vielfältige Produktpalette, die relevante Bereiche des stylebewussten Haushalts abdeckt. Neben Mode, Möbeln und Papeterie gehört dazu auch die Porzellankollektion „Sieger by Fürstenberg“, die in Kooperation mit der traditionsreichen Porzellanmanufaktur Fürstenberg entstanden ist.

Von besonderem Interesse ist für mich die Serie „Sip of Gold“. Die nur 2 – 2,5 mm dünnen Champagnerbecher von Sieger by Fürstenberg wirken berückend auch auf den, der hauchdünnes Kristallglas von Riedel, Zalto oder anderen Meistern der klassischen Trinkglasfertigung gewöhnt ist. Damit üben die Porzellanbecher eine Faszination aus, der man sich schwer entziehen kann: feinstes japanisches Teeporzellan beherbergt schließlich vergleichbar noble Gewächse und entbehrt einer Vergoldung mit 24 Karat – das ist schon ein Blickfang auf dem Tisch. Die von mir getesteten Modelle Plain, Cushion, Woven, Moon und Circus sind mit unterschiedlichen, eher minimalistischen Reliefdekors versehen, sonst unterscheiden sie sich nicht. Durchprobiert habe ich die Becher in unterschiedlichen Versuchsanordnungen mit Champagnern, deren Geschmacksprofile ich gut kenne. In einem Solotest habe ich die Becher mit drei unterschiedlichen, jeweils schon reifen und sehr ausdrucksvollen Champagner Prestige-Cuvées auf ihre Champagneraffinität hin geprüft. In einem zweiten Teil habe ich die Becher zu einem Menu von Ruhrgebiets-Topkoch Jörg Hackbarth und einer Reihe sehr unterschiedlicher Champagner ausprobiert.

A. Champagner

I. Krug Vintage 1988

Dieser in allen Varianten nussige Champagner, dessen immense Apfelpower sich nach und nach mit einer gemächlicheren Gangart ans gute Werk macht, glänzt mit einer (Aromen-)Vielfalt, wie man sie sonst nur zu Zeiten des Kalten Kriegs auf der ordensgeschmückten Brust eines sowjetischen Gardeoffiziers finden konnte. Die Wucht dieses Champagners allein hätte noch vor wenigen Jahren gereicht, den Eisernen Vorhang einzureißen. Heute ist er versöhnlich, aber nicht ohne ein grimmig-verschmitztes Blitzen in den Augen. Im Sip of Gold fand sich dieser Ausnahmechampagner in einer Ausnahmeumgebung wieder. Und wie das Leben manchmal so spielt – er kam damit nicht zurecht. Die ehrfurchtgebietende Aromaparade musste dramatische Einbußen wettmachen, was im Glas nach Uhrmacherpräzision aussah, wurde im Becher zum fröhlichen Durcheinander. Karneval statt Militärparade, der Champagner als Karikatur seiner selbst.

II. „S“ de Salon 1990

Ein anderer Grande ist der ehrwürdige „S“ de Salon. Ein Champagner, der ein Raunen durch den Raum gehen lässt, selbst wenn niemand im Raum ist. Von einer völlig anderen Bauart, als der 88er Krug, ihm in Sachen Langlebigkeit jedoch verwandt. Als mir ein lieber Kollege vor fünf Jahren einmal 1990er Salon vorsetzte, weil er selbst neugierig auf den Champagner war und nicht glauben wollte, dass ein Champagner nach so vielen Jahren nicht nur nicht tot, sondern noch gar nicht richtig wach sein kann, da war der „S“ gerade aus seiner ersten jugendlichen Bockigkeitsphase herausgetreten und wirkte sehr unausgeglichen. Mittlerweile gibt es einige große 90er, die schon wieder abtauchen, andere drehen nochmal richtig auf und dieser hier schien sich nicht recht entscheiden zu können. Im Impitoyables-Konterglas machte sich viel Cognac, Calvados, Walnuss, malzige, röstige Brotrinde und kandierte Frucht breit, am Gaumen wirkte er aber sehr uneinheitlich und fast ein bisschen müde. Im Porzellanbecher war der Eindruck nicht besser, allenfalls schwieriger zu fassen. Ersichtlich groß, aber seltsam unfokussiert wirkte dieser Champagner. Da ich von seiner Form außerhalb des Bechers nicht ganz und gar überzeugt war, kann ich keine gültige Empfehlung aussprechen, würde aber im Moment davon abraten, reife, mächtige und nussige Champagner aus dem Sip of Gold zu trinken.

III. Louis Roederer Cristal 1997

Eine schöne Paarung, von der ich im Vorfeld schon gedacht habe, dass sie überzeugen würde, war der jetzt sehr reife und gut trinkbare Cristal 1997 im Sip of Gold. Ganz, als hätten sich zwei gesucht und gefunden. Glamourfaktor und Anspruch bewegen sich auf derselben Wellenlänge, der üppige Zarenchampagner und das Adelsgeschirr passen so stimmig zueinander, wie sonst allenfalls noch Kaviar und purer Wodka. Nicht von ungefähr dürften handelsübliche Wodkagläser eine dem Sip of Gold entsprechende Form haben und Cocktails wie der Siberian Kiss aus Wodka, Champagner und sonst nichts erleben in einem Porzellanbecher wie diesem die „absolut“ höhere Weihe.

B. Menu

Der I. Gang bestand aus Hackbarth's Tapas: Thunfisch auf Rübchen, Ententerrine auf Chutney und Grissini mit Scampifüllung auf Asiasalat. Dazu gab es Bernard Tornays Extra Brut. Dessen haustypisch haselnussige, mit Mineralien und Räuchernoten unterlegte Nase wirkte im Porzellanbecher etwas zu breit und alkoholisch. Unterschiedlich hohe Befüllung half nicht, dieses Problem auszugleichen. Der Champagner von Tornay, der sonst in allen möglichen Gläsern zu überzeugen weiß, stieß hier offensichtlich an eine Grenze, was sehr bedauerlich war.

Als II. Gang gab es Jakobsmuscheln in Salbei gebraten auf sizilianischem Brotsalat. Dazu trank ich Champagne Nominé-Renard Brut Rosé. Der fruchtige, feine, sehr elegante, aber nicht überkanditelte Rosé ist auch eher ein Kandidat für Flötengläser. Das wurde einmal mehr im Sip of Gold deutlich. Denn das Verhältnis von Flüssigkeitsoberfläche zu darüberliegendem Duftkamin entspricht beim Sip of Gold in etwa dem eines bis zur breitesten Stelle gefüllten Top Ten Glases von Schott-Zwiesel oder dem eines halbgefüllten One for All Rotweinglases von Peter Steger. Auch aus diesen Gläsern empfiehlt es sich bekanntlich nicht, ultrafeine Rosés zu trinken.

Der III. Gang bescherte mir ein Steinbuttfilet mit Pinienkernen und Serranoschinken auf Tagliolini in Krustentierschaum. Dazu gab es weiterhin den Rosé und außerdem den Nominé-Renard Brut Tradition. Vom Rosé war auch mit Luft nicht mehr viel zu erwarten, der weiße Nominé-Renard gab dafür alles. Im Glas stets einer der lustigsten, zu jedem Gaumen freundlichen Champagner, zerrte er hier alles aus sich heraus und bewies seine wahre Größe. Kein vorschmeckender Alkohol, keine Hitze oder Schärfe, sondern eine üppige, blumige, von getrockneten Cranberries und Sanddorn geprägte Aromatik, dazu ein mildes Trockenkräuterbouquet. Na also, geht doch.

Gang IV. war Maishuhnbrust mit Morcheln auf Leipziger Allerlei und Kerbeljus, dazu gab es weiterhin den weißen Nominé-Renard und zusätzlich 2003 by Bollinger. Meine Haupteindrücke dieses Ganges stammen von den Morcheln, vom Kerbeljus und vom 2003 by Bollinger. Die drei waren wie füreinander geschaffen. Die Morcheln mit ihrer morbide Lüsternheit verbreitenden Aromatik, dazu der konzentrierte, aber nicht lästige Kerbel und ein 2003 by Bollinger in Bestform, Puligny-Montrachet pur! Im Porzellanbecher zeigte sich der Bollinger so opulent verführerisch, pudrig, buttrig, geschmeidig und mätressenhaft wie nie zuvor und war der Version im Konterglas deutlich überlegen.

Zum guten Schluss gab es den V. Gang, ein Délice Variée aus Zitronenparfait mit Erdbeere und Rhabarber, Armen Ritter und Streuselkuchen auf Quarkmousse mit Äpfeln. Dazu weiterhin Bollingers verrückten Jahrgang. Das Zitronenparfait war sauber, etwas milchig, mit angenehm herben Zitronenschalenschnipseln, Erdbeeren, die nach Erdbeeren schmeckten und einem bissfesten, aromatischen roten Rhabarber. Der Arme Ritter passte wegen seiner Herkunft aus der Backstube und seiner nicht so hervorstechenden Süße am besten zum Champagner, der sich von Minute zu Minute weiter in seine Burgunderrolle vertiefte und am Ende noch der Marquise Pompadour höchstselbst den Rang hätte streitig machen können.

Vor dem farbenfrohen Hintergrund des 18. Jahrhunderts, wie ihn der Film Marie-Antoinette mit Kirsten Dunst inszeniert hat, versteht man meiner Meinung nach die Porzellanbecher von Sieger by Fürstenberg erst richtig. Es geht weder im Film noch bei den Porzellanbechern um historische Richtigkeit und erst recht nicht um das unter Weinfreunden beliebte herumeiern um das beste Glas. Es geht bei diesen Bechern vielmehr um die Lust an der Zwanglosigkeit in einer so noch nicht dagewesenen Form. Das macht die Sip of Gold Reihe interessant, aber auch besonders anspruchsvoll …. Denn wie sich gezeigt hat, schmeckt daraus nicht jeder Champagner gut. Das ist kein Grund zur Beunruhigung, wenn man denn weiß, welche Champagner daraus gut schmecken. Und da beweist der Sip of Gold Klasse: Es sind die außergewöhnlichen Champagner, die in den Bechern dieser Serie zu einer Hochform auflaufen können, wie man sie nicht oft erlebt. Der Zarenchampagner Louis Roederer Cristal etwa öffnet in diesem Becher sein orthodoxes Herz und pulsiert mit ungekannter Kraft. Ein anderer mächtiger und rarer Champagner, der 2003 by Bollinger, wächst im Sip of Gold gleichsam über sich selbst hinaus.

Conclusio: Für den gewöhnlichen Genuss sind diese Becher nicht gemacht. Sie fordern kraftvolle, weinige und opulente Champagner. Wer sich zum Kauf von Bechern aus dieser Reihe entscheidet, sollte das sehr bewusst tun. Und er muss sich die Frage beantwortet haben, wie er seinen Champagner trinken will: nach dem Stil der Zeit und ohne Rücksicht auf Verluste, oder mit aller Distinktion und Sorgfalt, die der Wahl eines königlichen Getränks angemessen ist.

Hier geht es zum Hersteller: www.sieger.org/de/sip_of_gold