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Tag Archives: Stuttgart

Bio-Champagner nachprobiert

 

I. Françoise Bedel

Ein nettes Wiedersehen mit der stets sehr eleganten Madame Bedel und ihren Weinen. Auf ihre exzellente Cuvée Robert Winer befragt, gab Madame Bedel zur Antwort, dass sie einen 2008er in petto hat. Darauf wird die Champagnerwelt leider noch gute zehn Jahre warten müssen, fügte sie aber sogleich hinzu. Wenn der 2008er mit dem famosen 1996er vergleichbar ist, werde ich gerne warten.

1. Dis, Vin Secret Brut Nature 2003

86 PM 8 PN 6CH. Die Apfelaromen vom letzten Mal haben sich wohl ausmetamorphiert und entschieden, sich in Richtung überreifer Schattenmnorellen zu entwickeln. Trotz seiner weichen Art mit einer angenehmen Spritzigkeit ausgestattet, wobei die Säure etwas überfordert wirkt.

2. Entre Ciel et Terre Brut 2002

100PM. Das feine, leichte elegante Element der Weizenmehlnase hat sich gehalten und verfeinert. Hinzu kommt ein leicht herbes Quittenmusaroma. Der Champagner ist balanciert, lebhafte Säure und eine leichte Mürbe stehen in gutem Gleichgewicht und können sich so sicher noch ein paar Jahre spannungsvoll belauern, bevor der Champagner abbaut.

3. Origin'elle Brut 2004

78PM 9PN 13CH. Alkoholische Nase, im Mund herb. Säurearm und in gewisser Weise effizient: aus dem was er an Meuniercharakter hat, holt er das beste raus.

4. L'âme de la Terre Extra Brut 2002 – informell –

Drittelmix. Erde, Brot, Getreide, wie der Name schon ankündigt. Im Mund glatt, sauber und schnittig, wenn nicht gar seidig. Milde, charaktervolle Herbe.

II. Thierry de Marne, Champagne Frison Demarne

Die allerersten Flaschen gab es, noch ohne Rückenetikett (das später einmal das Dégorgierdatum des jeweiligen Lots tragen wird). Im Frühjahr hatte ich in Paris die damals noch namenlosen Cuvées probiert, nun gab es die in den Startlöchern stehenden Champagner quasi als pre-opening.

1. Blanc de Blancs "Lalore" non dosé, 2007er Ernte

Hatte ich auf meine Merkliste gesetzt und siehe, der Champagner hat sich ganz prachtvoll entwickelt. Frisches Chardonnaynaturell, das mich auf Anhieb an einen am Vorabend getrunkenen 2004er Blanc de Blancs "Les Vents d'Anges" 2004 von Xavier Leconte erinnerte. Knackig, lang, ein vorwärtsdrängender Chardonnay mit einer feinen Butterweck-, Buttercroissantnase. Wenn dieses junge Haus so weitermacht und seinen Champagnern später einmal noch mehr Zeit auf der Hefe gönnt, haben wir einen neuen Spitzenerzeugeranwärter.

2. "Goustan", 2007er Ernte

50PN 50CH. Auch hier lohnt es sich, den Champagner im Blick zu behalten. Rassig, mineralisch; wie seine blonde Schwester mit starkem Vorwärtsdrang, etwas dunkler, eher auf der Krustenbrotseite. Sehr charmantes Mentholfinish.

III. Jean-Pierre Fleury, Champagne Fleury

Aus der Vielzahl der Cuvées von Fleury gab es diesmal drei Champagner.

1. Fleur de l'Europe Brut Nature

85PN 15CH. 2001er Basis mit Reserve aus 2000.

Frische Baumwollnase, dicht gewebt, fast filzig. Etwas chlorig, mittelschwer. Nicht der größte Wurf aus der Fleury-Kollektion.

2. Extra Brut 1995, dég. 2009

80PN 20CH.

Reifer 95er, dem man mit ein wenig glücklicher Spekulation das späte Dégorgement abschmecken kann. Vornerum lebhafte Frische, hintenrum altersangemessen Mürbe. Ähnliche Spannung wie bei Bedels Entre Ciel et Terre 2002. Kann noch ein ganze Weile.

3. Rosé de Saignée Brut (2007)

80PN 20CH.

Herber, kräftiger Rosé, dessen Blumendekor über sein männliches Interieur täuscht.

IV. Bertrand Gautherot, Champagne Vouette & Sorbée

Bertrand Gautherot stellte die Erzeugnisse seiner Kinder vor.

1. Fidèle

100PN. 2007er. Dégorgiert am 14. Dezember 2009. Je mehr Flaschenreife der Champagner bekommt, desto weiter entfernt er sich von seinem niedlichen Namen. Zur Zeit wirkt er kraftstrotzend und zeigt das reinste Raubkatzennaturell. Fleischig, gerbstoffig, lang.

2. Blanc d'Argile

100CH. 2007er. Am 12. Januar 2010 dégorgiert. Immer noch Banane, immer noch üppiges Erdbeer-Himbeer-Aroma, das sich mit Luft in einen gar nicht mal unangenehmen Klebstoffduft umwandelt. Sehr sportlicher, ausgeruhter und mühelos wirkender Typ, geht wie ein Rennwagen über die Zunge. Vom Holz merkt man nicht mehr ganz so viel. Wird sich weiterhin positiv entwickeln, denke ich.

3. Saignée de Sorbée

Ein 2006er. Dégorgiert am 12. April 2010. Dieser Champagner hat sich gegenüber dem letzten Mal gefangen. Ein betörender und für Roséchampagner ungewöhnlich geheimnisvoller Boudoirduft macht sich bemerkbar, floral, mit Maiglöckchen und Lilie. Ein Verkoster meint: das ist der Duft von getragenen Damenstümpfen. Wenn ich meine Damenstrümpfe ausziehe, duften die nicht so, aber wahrscheinlich meinte der Kollege das auch nicht. Am Gaumen ist der Champagner eigenwillig schön, die florale, etwas cremige Textur bleibt lang am Gaumen.

V. Vincent Laval, Champagne Georges Laval

Ohne Bart sieht er nicht mehr aus, wie Käpt'n Haddock; cool und entspannt, prächtig gelaunt präsentiert er seine Champagner, dass es eine Freude ist.

1. Cumières Premier Cru Brut Nature

2006er. 50CH 25PN 25PM. Kraftvoll, crèmig, etwas fleischig, milde Parfumnote, Duft von Nivea und Zitrusfrüchten. Am Gaumen dann pinotgeladen, weinig und gefühlvoll. Entwickelt sich scheinbar recht flott.

2. Les Chênes Cumières Premier Cru 2005

100CH. Starker Champagner in kleiner Auflage (1776 Flaschen und 49 Magnums). Haselnussnote und Aromen aus der Thaiküche. Immer wieder Zitronengras, Ingwer, Limette. Mildes Holz, superbe Sauberkeit und enormes Entwicklungspotential.

3. Cumières Premier Cru Brut Nature 2002 en Magnum

Schwebend leicht, fein, weich, haselnussig, mittelgewichtig. Schlank, doch im Kern sehr konzentriert. Da findet sich eine Ahnung von Ammoniak, die aber nicht zehrend oder sonstwie beschwerend wirkt, sondern dem Wein eine sportliche Aggressivität verleiht, die mir gut gefällt.

4. Coteaux Champenois Rouge Cumières Premier Cru 2008

Langpfeffer, Tellycherrypfeffer, Kirsche, mandel- und Aprikosenkerne. Weich, mit dennoch kerniger Säure, die sich aber nicht aufdrängt und gegen Ende etwas seifig wirkt.

VI. David Léclapart, Champagne David Léclapart

Immer Chardonnay, immer Jahrgang, immer ohne Dosagezucker und stets mit vollem BSA. Das ist die scheinbar einfache Formel, auf die sich David Léclaparts Champagner bringen lassen.

1. Amateur 2007

100CH von sechs Parzellen. Stahltankausbau. Nur ca. 2-3 freies SO2 mg/l. Rund, weinig, etwas kratzig, auch gerbstoffig.

2. Alchimiste 2007

Marzipan, Rosenwasser, Aprikosenmus, weißer Pfirsich, Orangenblüten, auch Fleur de Sel und was das Verblüffendste ist: ein Geschmack von frischer Foie Gras. Enorm.

3. Artiste 2005

100CH von zwei Parzellen. Halb Stahl, halb Barrique. Weich, schaumig, rund und lang. Schmeichelhafte und leichtfüßig daherkommende Mineralität mit darübergestreuten Zuckerblüten. Sanftes Timbre, das ein wenig der Stimme von David Léclapart entspricht

VII. Champagne Leclerc-Briant

Pascal Leclerc-Briant ist leider am 6. Oktober 2010 verstorben.

1990 begann er mit dem biodynamischen Weinbau nach Jacques Puisais in einer nur 50 Ar großen Parzelle. Im Jahr 2000 wurden erst die Lagen Les Crayères und Les Chèvres-Pierreuses, dann der gesamte Rebbestand in Cumières und Verneuil biozertifiziert. Seit 2006 ist der gesamte Rebbesitz von Leclerc-Briant bio-, seit 2008 demeter-zertifiziert. Pascal Leclerc-Briant war einer der unermüdlichen Antreiber in der Region und einer der wirkmächtigsten Biopioniere der Champagne. Auf ihn gehen die Bio-Tastings der AIVABC zurück.

1. Cuvée de Reserve Brut

70PN 30CH aus 06, 05 und 04. Mit 8 g/l dosiert. Entweder hat die zusätzliche Flaschenreife dem Champagner sehr gut getan, oder die vor einem halben Jahr probierte Cuvée de Réserve hatte einen Hau, bzw. war eben einfach noch nicht soweit. Saftig, g'schmackig, mit einer für 8 g/l schon mehr als nur leichten Süße, dennoch mit hintergründiger Kraft. Schöner Standardbrut.

2. Les Chèvres Pierreuses Cumières Premier Cru

40PN 40CH 20PM.

Mein Liebling aus der Kollektion von Leclerc-Briant. Fordernder, druckvoller Mix aus quietschlebendigem Chardonnay und nur scheinbar um Seriosität besorgtem Pinot, der gegen Ende handzahm wird.

3. Cuvée Divine 2004

50PN 50CH.

Weicher Champagner mit dem Charakter von Kalbfleischrollbraten. Was ich auf der Master Class schon festgestellt habe, bewahrheitet sich hier erneut. Der Champagner ist dicht, aber nicht fokussiert, wuchtig, aber nicht massig.

VIII. Bruno Michel

Bruno Michel erklärte mir, weshalb sein "Rebelle" diesen und nicht einen anderen Namen bekommen hat. Weil er die Biobewegung als eine rebellische Bewegung ansieht, die sich gegen den industriellen Massenwein zur Wehr setzt. Eine sympathische Begründung, wie ich finde.

1. Cuvée Blanche Brut

50PN 50CH. 07er Basis mit Reservewein aus 2006. Mit 8 g/l dosiert. Fruchtiger, für die Chardonnays aus Pierry und Chouilly recht typischer Stil, angereichert mit floralen Aromen von Geißblatt und Weißdorn. Stoffig und etwas rauh am Gaumen. Schön.

2. Cuvée Rebelle Extra Brut

2006er von alten Reben. Mit 2 g/l dosiert. Herb, griffig, gegenüber der letzten Probe deutlich runder und nicht mehr so stürmisch-kämpferisch. Kirschkerne und Birnengehäuse, drumherum weiches, sehr aromatisches Fruchtfleisch.

3. Cuvée Blanc de Blancs Pierry Premier Cru

Gegenüber der Cuvée Blanche verfeinert, geschliffener, eleganter, länger und tiefer.

4. Cuvée Rosé

80PM als Saignée und 20CH als Assemblage dazu. Dieser Champagner passt zu Andouillettes, das habe ich beim ersten mal festgestellt und dabei bleibt es nach meiner Meinung auch. Jetzt schmeckt er allerdings schon deutlich feiner nach pürierten Erdbeeren, bzw. Erdbeermargarita. Schlotzig.

IX. Franck Pascal

Neue, wie Franck Pascal einräumte auch schönere Etiketten zieren nun seine Flaschen. Der Inhalt entspricht dem, was ich bereits von ihm kennengelernt habe.

1. Sagesse Brut Nature, dég. 11. Mai 2010

57PM 38PN 5CH.

Alkoholische Nase, wässriger Gaumen. Dann viel Säure. Wieder mal ein viel zu junger Champagner von Franck Pascal. Ich wüsste zu gerne mal, wie die denn in reif schmecken. So kann ich wenig drüber sagen.

2. Tolérance Rosé, dég. 6. Juli 2010

Aus Assemblage entstanden, bilden 96% Sagesse und 6% Pinot-Noir + Pinot Meunier die Cuvée. Etwas enger zusammengeschnürt sind bei diesem Champagner die verschiedenen Stränge aus Säure und wässrig-flüssigem Aromen-Liktorenbündel. Leicht, mineralisch, fruchtarm.

3. Coteaux Champenois Rouge Confiance

Erinnert in der Nase an gedeckten Pflaumenkuchen und an den selbstgebrannten Pflaumenschnaps der Bauern in der Gegend um Nevers. Griffige, konsequent kühl und etas steinig wirkender Pinot.

Einladung zur I. Champagne Master Class

Liebe Champagnerfreunde,
bei Gelegenheit zahlreicher Champagnerverkostungen wurde ich immer wieder mit der Idee konfrontiert, doch endlich eine Champagne Master Class zu etablieren. Dieser Gedanke hat mittlerweile Form angenommen. Im Laufe der Planung musste ich mich mit mehreren Aspekten auseinandersetzen, die das Wesen einer Wine Master Class ausmachen.

Die Zusammensetzung der Teilnehmer einer Master Class spielte dabei eine wichtige Rolle. Ich habe mich dafür entschieden, die Veranstaltung allen Champagnerinteressierten zugänglich zu machen. Ausschlaggebend war dabei, dass die Verkostungserfahrung von professionellen und privaten Champagnerliebhabern nach meinem Eindruck in der Praxis nicht so weit auseinanderklafft, wie bei Bordeaux, Burgund und anderen Stillweinen. Es erscheint mir deshalb gerechtfertigt, Angehörige beider Gruppen an dem "Exotenthema" Champagner teilhaben zu lassen. Eine weitere wichtige Überlegung war der Probenaufstellung selbst gewidmet. Schon eine kurze Beschäftigung mit der Materie reicht, um festzustellen, wie höchst heterogen selbst ein so überschaubares Gebiet wie die Champagne ist. Dem sollte die Probenzusammenstellung Rechnung tragen, ohne jedoch ein Unschärfe in das didaktische Konzept zu bringen. Ohne vorzugreifen hoffe ich, dass mir der Mix gelungen ist. Schließlich musste ich mich noch mit der Frage befassen, ob und welche Speisen die Verkostung begleiten sollen.

Nach langem Ringen und weil ich weiss, wie anstrengend eine intensive Probe mit zwanzig Champagnern sein kann, habe ich mich für eine Menubegleitung entschieden. Damit fiel gleichzeitig die Entscheidung gegen eine labormäßige, allzu verschulte Verkostung. Bei allem Bildungsmehrwert, den eine Master Class haben soll, steht für mich bei dieser Veranstaltung doch die champagnertypische Lebenslust und ungehemmt hedonistische Begeisterung im Vordergrund.

Ich freue mich, Sie

am Samstag, 21. August 2010 zur I. Champagne Master Class in der Résidence, Essen-Kettwig einladen zu dürfen.

Einen geeigneteren Zeitpunkt als das Kulturhauptstadtjahr kann ich mir für die erste Champagne Master Class in Essen nicht vorstellen. Und es gibt keinen geeigneteren Ort für diese erste Veranstaltung, als das erste Haus am Platz – den exklusiven Club B in der Résidence (2 Sterne im Gault-Millau und 18 Punkte im Guide Michelin). Diese von Patron Berthold Bühlers freundlicher Präsenz gekennzeichnete Chambre Séparée bietet Platz für maximal zwanzig Schlemmer und Geniesser. Werfen Sie hier schonmal einen Blick hinein: http://www.hotel-residence.de/page16/page16.html.

Was es geben wird:
Henri Bach wird zu den insgesamt acht Flights mit zusammen zwanzig Champagnern ein exklusives Sieben-Gang-Menu auf die Teller bringen. Für alle, die sich danach nicht mehr in ein Taxi setzen wollen, hat Berthold Bühler zum Preis von 50 statt 95 Euro pro Person im Doppelzimmer inklusive Frühstückschlemmerbuffet ein kleines Zimmerkontingent reserviert (Einzelzimmer sind für nur 75 statt der sonst fälligen 125 Euro verfügbar).
Zimmerbuchungen können über mich oder direkt in der Résidence vorgenommen werden. Verkostet werden Champagner von 1979 bis 2005, darunter Magnums, Spätdégorgements, Bio-Champagner, Rebsortenraritäten, Starwinzer und renommierte Prestigecuvées, kurz: es wird eine tour d'horizon durch die Champagne.

Die Anmeldung:
Der Preis für Champagner und Menu beträgt 200,00 EUR. Sommeliers und Restaurantfachleute, die an der Champagne Master Class teilnehmen, erhalten auf Wunsch ein Zertifikat. Um den reibungslosen Ablauf zu gewährleisten und allen Interessierten eine faire Chance zur Teilnahme zu geben, ist die Teilnahme nur gegen Vorkasse möglich. Anmeldungen nehme ich per mail und auf den üblichen Kommunikationswegen bis zum 30. Juni 2010 entgegen. Unmittelbar nach Eingang der Anmeldung verschicke ich jeweils eine vorläufige Anmeldebestätigung mit der Bitte um Zahlung des Teilnehmerbeitrags. Die endgültige Anmeldebestätigung versende ich dann in der Reihenfolge der Zahlungseingänge. Es gilt wie immer: wer zuerst kommt, trinkt zuerst.

Ich freue mich auf eine hervorragende Veranstaltung in herrlichem Ambiente mit einer Runde von Champagnerbegeisterten,

Boris Maskow

Champagnermenu in Hackbarth’s Restaurant

Lange bevor ich wusste, wo denn im Ruhrgebiet eigentlich Oberhausen liegt, empfahlen mir bereits verschiedenste Bekannte, bei Gelegenheit Hachbarth's Restaurant ebenda aufzusuchen. Diese Gelegenheit, so dachte ich seinerzeit, würde noch lange auf sich warten lassen und so könne es auch ruhig bis auf weiteres sein Bewenden damit haben. Doch dann kam alles anders, ich ins Ruhrgebiet und natürlich entsann ich mich der betagten kulinarischen Empfehlungen. Am eindrucksvollsten hatte ich den bezwingenden Ton eines ganz bestimmten Fürsprechers im Ohr und an den tagelang nachhallenden Tinnitus konnte ich mich ebenso lebhaft wie deutlich erinnern. So reifte denn der Entschluss in mir, den berühmten Herrn Hackbarth einmal aufzusuchen und setzte sich als latenter Wunsch in mir und letztlich auch in meinen tausenderlei über Tische, Desktop-PCs, Smartphones und Netbooks vagabundierenden, nie wirklich synchronisierten Kalendern fest.

Irgendwie wollte es dennoch nie klappen, mit dem Besuch. Bis ich vor wenigen Wochen eine Veranstaltung auf der Zeche Zollverein mit einem Weinbeitrag samt körperlicher, vor allem stimmlicher und nicht zuletzt auch geistiger Präsenz zu versehen hatte. Wer aber kommt da ebenfalls in das rückwärtige Räumchen? Meister Hackbarth, dem ich somit bei einem von ihm geleiteten Kochkurs von Ferne auf das Hackbrett schauen konnte. Die erste Kostprobe gab es an diesem Abend bereits in Form einer Flusskrebssuppe, die ich in Sterneschuppen schon schlechter bekommen habe. Der danach verabreichte Senfrostbraten vom Iberico Pata Negra-Rücken mit Mille-Feuille von geröstetem Wirsing, gebackenen Karrtoffeln, Birnen-Lauch-Confit und Trüffeljus konnte den Besuchsdruck noch ein weiteres Mal erhöhen.

Wer Hanseaten in der Familie hat, weiß, dass diese Leute gern den Patrizier und Pfeffersack geben. Nicht so der Hamburger Jörg Hackbarth: freundliches, einehmendes und verbindliches Wesen, ein guter Zuhörer und besonnener Sprecher. Und ein ungekünsteltes understatement, das man ihm gern abnimmt. Dabei, und das ist fast das beste, ein Champagnerfreund. Die Sache war schnell klar und gegen alle terminlichen Widerstände spitzte ich gestern endlich in Hackbarth's Restaurant.

Der I. Gang bestand aus Hackbarth's Tapas: Thunfisch auf Rübchen, Ententerrine auf Chutney und Grissini mit Scampifüllung auf Asiasalat. Dazu gönnte ich mir Bernard Tornays Extra Brut. Dessen haustypisch haselnussige, mit Mineralien und Räuchernoten unterlegte Nase war ein Sparringspartner auf Augenhöhe für den exzellenten Thunfisch. Ob die anderen beiden da mithalten würden? Sie hielten. Entenfleisch ist so oder so einer der absoluten Traumpartner für dosagearme Champagner denn das, was diesen Champagnern manchmal an Saftigleit fehlt, bekommen sie von einer guten Entenfleischterrine oder -galantine allemal zurück. Nun noch die Grissini, die nicht zu gross, nicht zu teigig, von der richtigen Knusprigkeit – nämlich ohne die Gefahr mittelschwerer Gaumenverletzungen durch granatsplitterartige Teigbruchstücke – und dem richtigen Verhältnis von Teig zu Füllung waren. Exakt zu diesem Champagner passte das nahtlos. Selbst der von mir ob seiner süssen Säure zunächst mit Sorge betrachtete Asiasalat spielte mit.

Als II. Gang gab es Jakobsmuscheln in Salbei gebraten auf sizilianischem Brotsalat. Dazu trank ich Champagne Nominé-Renard Brut Rosé. Die Salbeiblätter waren von milder Salbeiwürze und Gottseidank nicht so herb-medizinal, was zu dem feinfruchtigen Rosé nämlich gar nicht gepasst hätte. So allerdings passten die Salbeiblätter gut zum Champagner und zur Jakobsmuschel, die wiederum auf einem vorbildlichen Brotsalat thronte. Dessen geröstete Brotscheiben waren überwiegend dünn bis hauchdünn und allesamt knusprig. Das für mich entscheidende bei diesem Gericht ist, dass die Brotscheiben nicht von den Tomatenwürfeln aufgeweicht werden, bevor man mit dem Essen überhaupt beginnt. Sehr zu meiner Freude blieb die ganze Komposition stabil und verlief nicht zu einem Tomaten-Brot-Matsch. Der Champagner freilich hatte etwas Mühe mit dem rustikalen Salätchen, wäre aber auch schon mit der Jakobsmuschel allein in Bedrängnis geraten.

Der III. Gang bescherte mir ein Steinbuttfilet mit Pinienkernen und Serranoschinken auf Tagliolini in Krustentierschaum. Dazu gab es weiterhin den Rosé und außerdem den Nominé-Renard Brut Tradition. Der Fisch mit dem grotesk verdrehten Gesicht zeichnet sich durch ein festes, strahlendweisses Fleisch aus, das zur kombination mit dem Fleisch von Landbewohnern herausfordert. Oft bekommt man dann eine gebratene Blutwurstscheibe zum Steinbutt, bei Hackbarth's war es Serranoschinken. Den fand ich, zusammen mit dem ganz dezent aromatischen Krustentierschaum, gut dazu ausgewählt und zubereitet. Die Pinienkerne waren darüber hinaus eine geschickte Überleitung zu den recht weichen Tagliolini. Zu alldem vertrug sich der weiße Champagner-Allrounder von Nominé-Renard sehr gut und bei diesem Gang zeigte sich dann auch der Rosé wieder versöhnlich. Zum weißen Fischfleisch gefiel er mir übrigens besser, als zum Serranoschinken, beim weißen Champagner war es genau umgekehrt.

Gang IV. war Maishuhnbrust mit Morcheln auf Leipziger Allerlei und Kerbeljus, dazu gab es weiterhin den weißen Nominé-Renard und den 2003 by Bollinger. Meine Haupteindrücke dieses Ganges stammen von den Morcheln, vom Kerbeljus und vom 2003 by Bollinger. Die drei waren wie füreinander geschaffen. Die Morcheln mit ihrer morbide Lüsternheit verbreitenden Aromatik, dazu der konzentrierte, aber nicht lästige Kerbel und ein 2003 by Bollinger in Bestform, Puligny-Montrachet pur! Das zweifellos gelungene Maishuhn wurde fast zur Nebensache, das Leipziger Allerlei konnte im Rahmen der Butteraromatik glänzen.

Zu, Schluss gab es den V. Gang, ein Délice Variée aus Zitronenparfait mit Erdbeere und Rhabarber, Armem Ritter und Streuselkuchen auf Quarkmousse mit Äpfeln. Dazu weiterhin Bollingers verrückten Jahrgang. Das Zitronenparfait war sauber, etwas milchig, mit angenehm herben Zitronenschalenschnipseln, erdbeeren, die nach erdbeeren schmeckten und einem bissfesten, aromatischen roten Rhabarber. Der Arme Ritter passte wegen seiner Herkunft aus der Backstube und seiner nicht so hervorstechenden Süße am besten zum Champagner, der sich von Minute zu Minute weiter in seine Burgunderrolle vertiefte. Die Streusekuchenstange war wegen ihrer Festigkeit das ideale Werkzeug, um die fluffige Quarkmousse aus dem Becher zu holen und dabei immer auch ein paar Apfelwürfel mit aufzulesen. Noch vor wenigen Monaten hätte der Bollinger ganz gewiss auch dazu gepasst, aber an seinem Burgundertag war die Kombination mit dem Armen Ritter überlegen.

So ging die Zeit in Hackbarth's Restaurant dahin und hat sich gelohnt. Ein Blick auf das Regal mit den in der Vergangenheit geleerten Weinflaschen bestätigte, was ein Überfliegen der Weinkarte unmissverständlich angekündigt hatte: hier wird gute Küche mit Freude am Wein gelebt. Nicht unerwähnt bleiben darf der flotte und gut geschulte Service, kleine Holperer beim Dahersagen der Menuabfolge sind lässlich und spielen insbesondere für mich bei einem Haus, das mit guten Gründen nicht am Sternerummel teilnimmt, keine Rolle.

Dom Ruinart vertikal getrunken

A. Blancs:

I. 1981

Dem 81er hatte das Haus ein neues, nicht mehr ganz so überfrachtetes Etikett spendiert. Ob sich das auf den Champagner ausgewirkt hat? Man weiß es nicht. Überfrachtet wirkt an diesem athletischen, aber nicht asketischen Typ nichts. Drahtig und sehnig, Grapefruit und Toastbrot, ein isotonisches Getränk für Genießer, ideal nach dem Fressmarathon oder einer langen Rotweinprobe.

II. 1993

Kein sehr starker Dom Ruinart, man muss sich sogar fragen, was bei Ruinart in diesem Jahr passiert ist und für mich eng damit verknüpft ist die Frage, warum zum Teufel man keinen 95er Dom Ruinart bekommen kann. Der Champagner hat eine dürftige, allenfalls seltsam reife, aber überhaupt nicht ansprechende Nase. Und schmeckt einfach nur fertig. Meiden!

III. 1979

Mühelos überholt der 79er den 93er. Was ist da noch an Leben in diesem Champagner, ein bizzeln und sprotzeln, das reinste Fest. Dazu Milchkaffee, Toffee, ankaramellisierte Butter, englische Orangenmarmelade, so schön müssten alle reifen Champagner sein und vor allem die viel zu vielen viel zu gewöhnlichen Blanc de Blancs können sich bei diesem Reifeverhalten eine dicke Scheibe abschneiden.

IV. 1990

Ein Champagner, den ich mit Fragezeichen versehen hatte und auf den ich gespannt war. Die 1990er sind allgemein sehr früh – ich vermute ja: von Champagner-immer-viel zu-jung-Trinkern – enthusiastisch beschrieben worden. Und wahrlich, das timing war nicht schlecht: die Abfolge 1988-1989-1990 spielte guten Kellermeistern phantastisches Material in die Hände, viele 88er sind heute bombig, von den 89er hört man nicht mehr viel, weil sie wahrscheinlich überwiegend getrunken wurden, und 1990 nimmt eine gewisse Sonderstellung ein. Bis zum Jahreswechsel 1999/2000 waren die damals teilweise flammjungen 90er weit überwiegend in einer sehr guten Form. Danach tauchten viele ab, manche tauchten nie wieder auf, andere sind noch untergetaucht, andere kommen langsam in der nobel-zurückhaltenden Zeremonien-Gewandung großer Champagner wieder an die Oberfläche. Dieses Abtauchen wird bei anderen Weinen selbstverständlich hingenommen, bei Champagnern jedoch fast immer und vor allem von Bordeaux-Leuten zunächst mit Irritation quittiert. Völlig zu Unrecht, wie ich meine. Beim Dom Ruinart 1990 wusste ich nicht, in welcher Form ich ihn antreffen würde. Die Antwort hätte Conrad Ahlers kurioser Weise schon 1962 gewusst: "bedingt abwehrbereit"! So wie der 90er Rosé sich mit einer nicht altersuntypischen Gemütlichkeit rund und weich zeigte, war auch der weiße Dom Ruinart 1990 jenseits seiner midlife crisis wieder aufgetaucht. Leichte Bindegewebsschwäche, mäßig ausgeprägte Antriebsstärke, abgeschliffene Reiss- und Schneidezähne, erste Anzeichen einer Osteoporose. Damit will ich nicht sagen, dass der Champagner im Eimer war, so schwach wie der 93er war er lange nicht. Er war mehr der Typ Business Angel, also der gestandene Manager, der die gröbsten Stürme des Lebens hinter sich gebracht hat und jetzt sein umfangreiches Wissen weitergibt. Denn an Aromenfülle war kein Mangel. Jetzt trinken.

VI. 1988

Ein unerwartetes Kopf-an-Kopf Rennen gab es mit dem 1988er Dom Ruinart. Von schlankerer Anlage und bei den Rosés mit etwas mehr als einer Nasenspitze vorn, war hier der Gegensatz zwischen reifem, aufgeplustertem, farbenfrohem 90er Chardonnay und vorbildlichem, säurestarkem, reichlich bissigem, in der Jugend sogar giftigem Blanc de Blancs gut zu sehen. Im Vordergrund Kaffee und Röstaromen, dicht dahinter eine agile, mineralische Zitrussäure und ein feiner Schmelz. Ich glaube nicht, dass sich da noch sehr viel ändern wird, insbesondere weiß ich nicht, ob mit weiterer Flaschenreife noch eine zusätzliche Aromenschicht hinzutreten wird. Wenn er sich so noch etwas hält, ist das schon eine sehr gute Leistung. Traumhaft wäre dieser Champagner natürlich in einer mit Champignons und Waldboden angereicherten Form. Wird man ja sehen, ob das noch kommt.

VII. 1996

Der erste Dom Ruinart mit dem jetzt aktuellen abgerundeten Etikett. Kann man im Moment nicht viel zu sagen, finde ich. Hart, aber nicht abweisend, sehr viel Zitrusfrische macht sich am Gaumen breit, dahinter kommt noch nicht viel zur Geltung. Anknüpfungspunkte für ein gutes Reifeverhalten könnte die etwas undurchdringliche, milchige Crèmigkeit sein. Milchig empfinde ich hier vor allem im Sinne einer dicken, süsslichen Milchcrème, nicht im Sinne einer abgeflachten und breitgewalzten Aromatik, die auf übertriebenen Säureabbau zurückgeht. Der Champagner befindet sich offensichtlich noch im Puppenstadium, wo er gern die nächste Jahre bleiben darf, wenn es der guten Sache dient.

 

B. Rosés:

I. 1979

Ein Etikett so elegant wie die Holzstiche und Schnitzmotive von lustigen Biertrinkern in Opas Kellerbar. Stets als Assemblage-Rosé mit knapp 20% Stillwein aus Verzenay und Verzy, das Grundgerüst ist reiner Chardonnay. Schon ein sehr reifer Rosé, der mit viel kandierter Frucht, Orangeat, Amarena-Cocktail-Kirschen und einer insgesamt süsslichen Art, wie sie die älteren Herrschaften gern haben, zu überzeugen versuchte. Positiv hervorzuheben ist die enorme Präsenz, die der Champagner hatte und die sehr reichhaltige, das Alter und die vereinzelt trocknend wirkenden Sherrytöne etwas vergessen lassende Aromatik.

II. 1982

Diesen Dom Ruinart gab es zum Glück schon mit dem geringfügig aufgehübschten Etikett. Ebenfalls ein sehr rüstiger Rosé. Frühverrentete Lehrer, die im Garten ihre Kirschen vor dem Raub der Vögel beschützen, können nicht dynamischer sein. Gedeckter Kirschkuchen mit guter Schlagsahne, dazu Schwarztee. Gut möglich, dass der hohe Pinot-Anteil sich im Alter typischerweise mit dieser Kirschnote bemerkbar macht. Fällt mir erst jetzt auf.

III. 1986

Reifer, als ich vermutet hätte, vielleicht liegt's am Jahrgang. Während ich bei den beiden Vorgängern mit der Kaffeekränzchenstilistik gut zurecht kam, hätte ich mir hier Abwechslung oder zumindest eine jugendlichere Interpretation gewünscht. Doch statt einer aufgepeppten Version von gedecktem Kirschkuchen und Tee gab es nun Schwarzwälder Kirsch, Dänische Buttercookies, Mandelkrokant, Mürbeteigkuchen und Jacobs Krönung mit Kirschwasser. Sehr schön, einerseits, dass da noch so viel Spiel war, anstrengend andererseits, so viele, leider zum Teil schon etwas angetrocknete Aromen im Mund zu haben.

IV. 1985

Frischer, griffiger, frecher und mal wieder eine Bestätigung für die Langlebigkeit und Qualität des Jahrgangs war der 1985er. So simpel und unraffiniert es klingt: Rote Grütze (natürlich die mit dem guten Überseerum) mit Vanillesauce im Pfannkuchenwrap beschreiben es ganz gut.

V. 1990

Aus der Normalflasche war er mit viel Freude trinkbar, bei diesem Champagner lohnt sich aber die Anschaffung in Magnums, denn der Magnumeffekt ist hier scheinbar besonders stark ausgeprägt. Entwicklungsfreudig, wobei das Tempo, mit dem die Fruchtparade vorbeizieht teilweise etwas hektisch und überstürzt wirkt. Typisch für Dom Ruinart Rosé und beim 90er besonders stark ausgeprägt ist die weinige, deutlich vom Spätburgunder geprägte Art. Weiche Aromen von Kokos, Mandel und Milchschokolade, erfrischende Komponenten vom Erdbeer-Rhabarber Kompott. Aus der Magnum ist die Entwicklung langsamer, genussvoller.

VI. 1988

Auf Augenhöhe mit dem 90er. Gebuttertes Rosinenbrötchen, eine Auswahl verschiedener Fruchtmarmeladen, Toastbrot und Kaffee – bei diesem Champagner erkennt auch der Letzte die Bedeutung des Worts Champagnerfrühstück. Einziger Wermutstropfen: in der Normalflasche gewinnen nach Luftzufuhr süssliche, kräuterige Aromen und eine alterstypische eindimensionale Säure etwas zu schnell die Oberhand.

VII. 1996

Blind würde man sagen: erstens Blanc de Blancs und zweitens untrinkbar. Wer ihn jetzt öffnet, sollte ein Freund stark gepfefferter Austern mit etwas zu viel Zitronensaft sein. Daneben finden sich noch einzelne, verloren wirkende rote Johannisbeeren und ätherisch feine, bzw. ätherisch kleine Mengen reifer Himbeeren. Erinnert mit etwas Gewöhnung (oder Einbildung, schwer zu sagen) an Molke mit Erdbeer-Himbeer-Maracuja Geschmack. Jedenfalls ein gutes Zeichen für später.

Einladung zur Champagnerprobe für Neugierige

Für alle, die sich dem Champagner freundschaftlich nähern wollen und in den Tiefen der Kreidekeller von Reims und Epernay noch kein zweites zu Hause gefunden haben, biete ich am 15. Mai 2010 eine Auswahl von 14 aktuellen Champagnern an.

Neben bekannten Vertretern, werde ich einige in Deutschland weitgehend unbekannte Winzer der Champagne vorstellen. Winzer mit außergewöhnlichen Einzellagenchampagnern, exzellente Jahrgangschampagner und Grand Crus werden sich mit Biochampagner und holzfassausgebauten Cuvées ein Stelldichein geben. Natürlich wird auch ein Dom Pérignon geöffnet.

Und weil man nicht nur trinken kann, wird es auch noch tagesfrische, kulinarische Köstlichkeiten – auf die Champagner abgestimmt – geben.

Die Champagner-Verkostung findet am 15.Mai 2010 in Essen statt!
Die Kosten für die Veranstaltung betragen 95,- Euro gegen Vorkasse bis zum 30.4.2010

Darin enthalten sind:
– Die Verkostung von 14 Champagnern nebst lehrreichen Ausführungen zu den einzelnen Sprudlern
– Begleitende Speisen

Ich freue mich, viele bekannte Gesichter wiederzusehen und neue Champagnermitstreiter kennen zu lernen!

ProWein-Champagner: Nachlese Teil II

IX. Besserat de Bellefon

Auch hier selbst zu später Stunde noch freundlich Bewillkommnung und Vorführung der neuen, superschicken Lackholzkiste, in der sich die gamme stilgerecht präsentieren lässt.

1. Cuvée des Moines Blanc de Blancs

Ein zuverlässiger und immer wieder auf sehr hohem Niveau angesiedelter Champagner ist der Blanc de Blancs von Besserat de Bellefon. Schafgarbe als Hinweis auf eine flüchtige Säure vermochte ich darin weniger wahrzunehmen, als mir im Gespräch angekündigt wurde. Dafür reife Aprikosen und weisse Pfirsiche, mit Luft entfalteten sich tatsächlich noch ein paar gebrannte Mandeln und kandierte Früchte, der Säurewert blieb auf dem Teppich.

2. Cuvée des Moines Millésime 2002

Sahnig, stoffig, lockend, mit einer an Bienenwachs erinnernden Nase und sehr milder Textur. Wie schon der Blanc de Blancs war dieser Champagner kein Säuregigant. Tarurig hat mich das nicht gemacht, denn für Säure ist der Jahrgang sowieso nicht berühmt. Eher schon für eine lange, balancierte, sehr elegante Art. Die war hier etwas gehemmt und wirkte schüchtern, erholt sich aber bestimmt in den nächsten Jahren.


X. Francoise Bedel

Vincent Bedel nahm sich sehr viel Zeit, um die außergewöhnlichen Champagner seiner Mutter vorzustellen. Die Biodyn-Zertifizierung erfolgte 2001, nachdem Francoise und Vincent 1996 ein dramatisches Schlüsselerlebnis hatten. Dabei wurde vor allem Francoise klar, dass Leben und Arbeit bei ihr aus der Blanace geraten waren. Der Arzt Robert Winer, dem die Familie einen Hommage-Champagner widmet, ist der Impulsgeber für die vollkommene Umstellung von Lebensstil und Arbeitsweise gewesen.

1. Origin'elle 2004

78PM 13CH 9PN. Saftig und glatt, in der Nase hagebuttig, apfelpektinig, auch Fenchel, mit Kräutern und etwas exotischer Frucht. Machte einen warmen, wohligen Eindruck von altgewordenem Apfel. Am Gaumen wenig Angriffsfläche meiner Meinung nach der morbideste von allen Bedel-Champagnern

2. Dis, Vin Secret 2003 Brut Nature

86PM 8PN 6CH. Klassischer und schöner dagegen der Dis, Vin Secret, trotz des schwierigen Jahres. Aufgrund der hohen Reifegrade war bei diesem Champagner keine Dosage nötig, wie sich nachher beim dosierten Dis, Vin Secret zeigen würde. Merklich waren die fortgeschrittenen, reifen Aromen von Trockenobst und eine leicht alkoholische Note.

3. Entre Ciel et Terre 2002 Brut Nature

100% Pinot Meunier. Sehr spielfreudig zeigte sich der Entre Ciel et Terre. Hinter dem pudrigen Make-Up versteckte sich eine überraschend hervorschnellende Säure, die man einem reinen Meunier nicht ohne weiteres zutraut. Apfel, Hefezopf und allererste Anlagen für eine toastige Röstigkeit, dazu etwas Lemon Curd. Stattlicher Champagner.

4. Entre Ciel et Terre 2002 Brut

Erwartungsgemäss etwas gedämpfter, ich will nicht sagen verwaschener, waren die Aromen beim brut dosierten Entre Ciel et Terre. Immer noch ein schöner Champagner, der viele Champagnerfreunde sehr positiv überraschen dürfte, aber wenn man ihn als brut nature getrunken hat, wird man den dosagelosen Champagner bevorzugen. Wirkte am Tag davor und in einem anderen Kontext (nämlich gegenüber dem Dis, Vin Secret 2000 und 2003) besser.

5. Dis, Vin Secret 2003 Brut

Hier dasselbe. Gegenüber der dosagelosen Ausgabe einfach ein Haufen mehr an reifen, teilweise überreifen Aromen und kein bisschen übriggebliebener Säure. Lässt den Champagner langsam, fad und müde wirken, was schade ist.

6. Robert Winer 1996, dégorgiert im Oktober 2008

88PM 6CH 6PN. Einer Gesamtsäure von 8,01 g/l stehen hier 6,9 g/l Restzucker gegenüber, freies SO2 lässt sich mit lächerlichen 13 mg/l nachweisen. Das Öffnen der hanfstrickverschlossenen Flasche mit dem eigenwilligen Etikett lässt die Reise beginnen. Die fernöstliche Reisgebäcknase deutet noch nichts von der ungeheueren Kraft dieses Champagners an. Die kommt erst im Mund voll zur Geltung. Das ist kein harmloses tackling mehr, sondern ein rabiater bodycheck. Wie ein mittlerer Sekiwake verstopft der Champagner erstmal den Mund, bevor er mit einiger Anstrengung der Geschmacksnerven sinnvoll getrunken werden kann. Grapefruit, Pitahaya, Granatapfel, Kumqat und Physalis rumpeln erbarmungslos in den Schlund und lassen einen aufgerührten Trinker zurück.

Am Tag zuvor hatte ich auf der Renaissance des Appellations bereits folgende Champagner von Bedel probiert:

7. Dis, Vin Secret 2000

Fortgeschrittene, aber nicht unangemessene Reife. Mit Kandiszucker lackierter Apfel trifft es wohl ganz gut. Unter der knusprigen Karamellzuckerschicht lag ein warmer, mürber Apfel mit einem sehr appetitlichen Fruchtfleisch.

8. Âme de la Terre 1998, dég. Juni 2008

24PM, 35PN 41CH. Mit 11,9 g/l dosiert, bei 4,55 g/l Säure. Was war zu erwarten? Dass der Champagner fruchtig sein würde, weil leicht pinotdominiert und weil die Chardonnays von Bedel keine besonders fordernde Säure entfalten. Was noch? Dass die Frucht mir zu plakativ sein würde und der Dosagezucker mir zu hoch vorkommen würde. Und dann noch, dass das späte Dégorgement dem Wein etwas zusätzliches Leben einhauchen würde, worüber ich mir aber noch nicht ganz sicher war. Genau so war der Champagner am Ende. Eigentlich schade, denn in der langen Lagerphase hätte doch etwas viel besseres draus werden können – die Cuvée Robert Winer hatte es vorgemacht.


XI. Fleury

Fleury ist mit revolutionären Methoden vertraut. 1901 gehörte Fleury (gegründet 1895) zu den ersten Winzern der Region, die gepfropfte, reblausresistente Pinot-Noirs pflanzten. Während der Wirtschaftskrise von 1929 gehörte Fleury dann zu den ersten Erzeugern, die ihre Trauben wieder selbst vinifizierten und nicht mehr zu Schleuderpreisen an die großen Häuser verkauften. Im Jahr 1970 war Fleury einer der ersten ökologisch arbeitenden Winzer. Die Umstellung auf biodynamisch erfolgte schrittweise seit 1989, damit ist Fleury wiederum einer der ersten biodynamisch arbeitenden Winzer in Frankreich. Schon am Vortag auf der Renaissance des Appellations probiert.

1. Brut Tradition Blanc de Noirs

Vollmundiger, gutmütiger Champagner.

2. Brut Prestige Fleur de l'Europe

Gewöhnungsbedürftiges Etikett. 85% Pinot-Noir und 15% Chardonnay. In Nase und Mund dann nicht ganz so gewöhnungsbedürftiger, kräftiger, dichter, nicht sehr komplexer Champagner.

3. Rosé de Saignée Brut

Nach den beiden behäbigen, ordentlichen weissen Champagnern kommt beim Rosé eine kleine Überraschung, der Champagner ist von einer gewissen Eleganz und Leichtigkeit, die man gemeinhin mit Rosé-Champagner verbindet, vom Hausstil aber nicht unbedingt erwartet.

4. Millésime 1995, dég. 2009

Wie praktisch immer bei Fleurys Jahrgängen 80% Pinot-Noir 20% Chardonnay. Deutlich ist das Pinotübergewicht, aber der Chardonnay setzt sich mannhaft zur Wehr. Unterstützung erhält er vom späten Dégorgierzeitpunkt, das gibt ihm einen Frischeturbo. Im Moment sehr schön zu trinken, vielleicht die nächsten drei Jahre noch auf diesem Niveau, dann dürfte der Champagner abbauen. Interessanter Kandidat für eine Gegenüberstellung normaler Dégorgierzeitpunkt ./. spätes Dégorgement.


XII. Franck Pascal

Monsieur Pascal war wieder selbst am Stand und erklärte seine Champagner, die es demnächst mit neuen Etiketten zu kaufen gibt. Zur Biodynamie kam er über das Militär. Dort lernte er chemische Kampfstoffe kennen und war später ganz frappiert, als er auf der Weinbauschule eine ähnliche Wirkweise von Pestiziden, Herbiziden und allen möglichen anderen -ziden auf lebende Organismen kennenlernte. Folgerichtig beendete er 1998 den Einsatz von Chemikalien und Düngemitteln im Weinberg.

1. Cuvée Prestige Equilibre 2003

Drittelmix, der mit backenzusammenziehendem Süssholz anfängt und die schwarze, von Holunderbeersaft, Brombeeren und Cassis geprägte Aromatik durchhält. Wirkt bereits ganz zugänglich.

2. Cuvée Prestige Equilibre 2002

Drittelmix, mit 4,5 g/l dosiert. Viel enger, verschlossener, mineralischer als der 2003er. Kein Champagner, der jetzt oder innerhalb der nächsten zwei, drei Jahre viel Freude bereitet und im Moment nur sehr trainierten Champagnerfreunden gefallen dürfte. Wenn alles gutgeht, ändert sich das demnächst, der Champagner ist einfach noch viel zu sehr in sich selbst verdreht.

3. Cuvée Tolérance Rosé

Nach den beiden Jahrgängen wirkte der Rosé fruchtig, unausgezehrt, ausgeruht und wie zu Scherzen aufgelegt. War er in Wirklichkeit natürlich nicht, da war sein vom Sagesse ererbtes Naturell und die schwer entzifferbare Handschrift des Winzers davor. Unter den Rosés unserer Zeit sicher einer der interessantesten. Nichts für Hedonisten.


XII. Philipponnat

Die Champagner von Charles Philipponnat sind immer ein Gläschen wert, waren am Stand leider sehr sehr kalt.

1. Royal Reserve

Jugendlich, unbekümmert, frisch und fruchtig plätscherte der Standardbrut ins Glas. Dahinter steckt überwiegend Pinot-Noir, ca. ein Drittel Chardonnay und ca. ein Viertel Pinot Meunier. Der Reserveweinanteil kann auf bis zu 40% klettern und wird im Soleraverfahren gewonnen. Biologischer Säureabbau ist für diejenigen Grundweine, die bei Philipponnat ins Holz dürfen, kein Thema. Unter anderem deshalb stecken sie die 9 g/l Dosagezucker gut weg. Für ein großes Haus wäre das übrigens nicht besonders viel, doch ist Philipponnat kein grosses Haus, sondern eher ein großer Winzer. Das sieht man allenthalben an der sehr sorgfältigen, am Detail orientierten Vinifikation. Wie es sich für gute Winzer gehört, trägt jede Flasche das Dégorgierdatum auf dem Rückenetikett. Immer wieder eine Freude und in Deutschland ein noch immer viel zu unbekanntes Haus.

2. Grand Blanc Millésime 2002

Dieser Champagner ist in Teilen ein Clos des Goisses. Dort stehen nämlich ein paar Chardonnayreben, die nachher einen Teil der Wirkmacht des Clos des Goisses ausmachen. Zu 15% stammen die Chardonnays dieses Weins ebenfalls aus dem Clos des Goisses. Der Rest kommt überwiegend aus der Côte des Blancs. Im Stahltank bekommen diese Weine ihren Schliff und ihre chablismässige Statur, wobei es auch in diesem Champagner Anteile gibt, die im Holzfass waren und keinen BSA mitgemacht haben. In der mit 5 g/l dosierten Cuvée merkt man von alledem nicht viel. Ich war zum Beispiel viel mehr damit beschäftigt, über den Chardonnay aus dem Clos des Goisses nachzudenken und ob ich den beim nächsten Besuch mal als Grundwein probieren könnte. Denn irgendwas haben diese Trauben, was dem Champagner einen besonders weichen twist verleiht, eine träumerische Unschärfe nach der Art wie sie David Hamiltons Bilder berühmt gemacht hat.

3. Réserve Millésimé 2002

70% Pinot-Noir aus Ay und Mareuil, 30% Chardonnay aus der Côte des Blancs. Trotz seiner Dosage von 9 g/l ein lebhafter, frischer Champagner, der mir aus der Kollektion am gefälligsten vorkam. Datteln, Feigen, Aprikosen, weisse Schokolade und Limette halten sich hier spannungsvoll die Waage.

4. Cuvée 1522 Blanc Grand Cru 2002

Gedächtniscuvée anlässlich der Niederlassung der Familie in Ay. Folglich muss Pinot-Noir aus Ay mit 60% den Löwenanteil in der Cuvée bekommen. Warum der Rest Chardonnay aus Oger stammt, ist mir nicht klar. Ich finde das nicht konsequent; Philipponnat hätte viel lieber Chardonnay Grand Cru aus Ay nehmen sollen, das hätte viel authentischer zu der Cuvée gewirkt und außerdem traue ich Philipponnat ohne weiteres zu, mit den Trauben vernünftige Resultate zu erzielen. Im Bereich der von diesem Champagner bereits preislich anvisierten Kundschaft wäre das sicher auf große Entzückung gestossen. Mit 4 g/l dosiert und langem Hefelager ist der 1522 so etwas wie eine kleine Prestigecuvée. Schmeckt balanciert, pendelt sich aromatisch beim Khakisüppchen mit Pinienkernen und Ingwer ein.

5. Clos des Goisses Blanc 2000

70% Pinot-Noir und 30% Chardonnay. Wie bei allen Philipponnat-Champagnern geht es auch hier um Frische, Klarheit, Rasse und Stil, daher der bewährte Mix aus Stahltank und BSAlosem Fassausbau. Obwohl mit nur 4 g/l dosiert und zu kalt serviert, entfaltete der Clos des Goisses mühelos seine ganze Pracht. Kakao und Kirsche, Toastbrot und Powidl-Palatschinken, Kaisermelange, Germ- und Marillenknödel, die ganze Wiener Kaffeehauskultur in einem Champagner! Ein schöner Beleg dafür, dass der Clos des Goisses besonders in schwachen Champagnerjahren großartige Champagner liefern kann.

6. Royal Reserve Rosé

Ein Assemblage-Rosé mit 7-8% Coteaux Champenois. So leicht und lebensbejahend wie das zarthelle Rosa des Champagners schmeckt er, Erdbeer-Himbeeraromen werden von 9 g/l Dosagezucker recht vorteilhaft herausgehoben, eine hauchdünn unterlegte Tanninstruktur erinnert daran, dass der Champagner aus einem sehr distinguierten Haus kommt. Alles in allem dennoch kein besonders komplizierter Champagner.


XIII. Paul Goerg

Monsieur Moulin, den die Genossen bei Ruinart herausgekauft haben, stellte die Cooperativenchampagner und die neue, 2004 als Handelshaus gegründete Marke Prieur vor. Die Goutte d'Or aus Vertus stand bis vor kurzem unter der Leitung von Pascal Férat, der nach den jüngsten Querelen in der Winzerschaft die Führung des Winzerverbands übernommen hat. Unter dem Namen Paul Goerg treten die Genossen seit 1982 eigenständig am Markt auf, vorher teilten sie das Schicksal des unbekannten Saftlieferanten mit zahllosen anderen Kooperativen der Region.

1. Brut Tradition

60CH 40PN. Sehr leichter, mit seinen 8 g/l nicht hoch dosierter Champagner. Weinig und angenehm, etwas kurz.

2. Blanc de Blancs

Dem Tradition eng verwandt, mit mehr Dampf, mehr campheriger Säure und einem Beigeschmack von geschwenkter Butter. Nicht besonders groß.

3. Blanc de Blancs Millésime 2002

Stärker hervortretende Chardonnayeigenschaften, voluminöser Apfel, bei mäßigen Säuregraden. Wenn die Mitgliedsbetriebe ihre Lagen in den Premier und Grand Crus der Côte des Blancs haben – so scheint hier doch überwiegend das leichte, fruchtige Element verarbeitet zu werden. Geht beim 2002er in Ordnung.

4. Cuvée Lady Millésime 2000

85CH 15PN. Acht Jahre Hefelager. Ziemlich proper, dabei fast ein wenig divenhaft schwankend zwischen fruchtiger Herzlichkeit und spröder Mineralität präsentiert sich die Prestigecuvée der Genossen. So stellen sich die Mitglieder die perfekte Champagner-Winzerehefrau vor, geschäftlich diamanthart, aber reinen Herzens, rund, facettenreich, nach innen ausgeglichen und harmonisch. Gelungen.

Weinsause bei Essen-Privat

A. Als Menu gab es

I. Lachsterrine und Variation vom Wildlachs

II. Flusskrebssuppe mit Zitronenbutter-Croûtons

III. Wiesenkräuter an Rinderfiletspitzen

IV. Lammhüfte vom Grill mit Haricots verts, Fenchelgemüse und Trüffelkartoffelpurée

V. Dessertvariation mit Erdbeersorbet

 

B. Dazu die folgenden Weine

Opener:

Champagne Eric Isselée, Blanc de Blancs Grand Cru 2002 en Magnum

Schon wieder der Isselée. Weil er immer noch gut ist, der Isselée. Zusammen mit Voirin-Jumels Blanc de Blancs Grand Cru ist das bis auf weiteres mein favorisierter Partychampagner aus der Magnum. Saftig, wohlgerundet, mittellang, ein echter Appetitanreger, der aus der Magnum immer genauso schnell verschwindet, wie aus Normalflaschen.

Weiss:

I. Reichsrat von Buhl, Weissburgunder "Ruhr-Edition" 2009

Dieser Wein wird nicht ohne Grund den Sommer an Rhein und Ruhr beherrschen. Fruchtig, mit kerniger, für Weissburgunder schon sehr stattlicher Säure, zur Seite hin mit hellen Blüten und weissem Pfirsich abgepolstert. Der typische crowd pleaser.

II. Pompaelo Blanco 2009

Auf der ProWein erstmals probiert und als Muster mitgenommen. Wenn ich das richtig erinnere, ein Mix aus Viura und Chardonnay mit Muscat Gros Grains, es kann aber auch alles ganz anders sein. Das wohlige, reichhaltige Bouquet spricht für den von mir jetzt einfach mal unterstellten Rebsortenmix, im Mund fiel er leider nach dem Buhl deutlich im Säurewert ab und wirkte laff. Doch nochmal solo nachprobieren.

III. Badet, Clement & Cie., Révelation 2008

Chardonnay und Viognier verpartnern sich in diesem Wein ganz köstlich. Durch den Fassausbau kommt eine leicht speckige Note dazu, die sich mit dem Duft aus Opas Zigarrenkiste vermengt. Im Mund kühlend, mittelgewichtig, mit einer etwas breiten, aber liebenswerten Säure.

IV. Bodegas Piedemonte Garnacha Rosado 2008

Rosé gekelterte Grenache aus Navarra. Erdbeerig, himbeerig, auch schokoladig. Trotz der klaren und allgegenwärtigen roten Aromatik hat man nicht den Eindruck, einen roten Wein im Mund zu haben, dafür ist er dann wieder zu frisch und leicht. Einen transsexuellen Eindruck machte der Wein auf mich aber auch nicht. Gut gelungener Balanceakt in einer immer wieder bespöttelten Kategorie.

V. Reichsrat von Buhl, Forster Pechstein Großes Gewächs 2008

Nach dem jüngsten GG-Performance-Check hatte dieser Pechstein nur wenige Pflichtaufgaben zu erfüllen. Aromatisch war alles da, was junger, ungestümer Pfalzriesling haben darf, Apfel, Melone, Aprikose und Pfirsich, sehr viel Schmiss und eine mitreissende Offenherzigkeit.

VI. Elena Walch, Beyond the Clouds 2007

Aus den Traminer Steillagen Castel Ringberg und Kastelaz stammen die Trauben für diesen eigenwilligen Wein. Chardonnay soll vorwiegend drin sein, aber auch Traminer und am Ende noch Sauvignon Blanc. Aber genaue Angaben fehlen leider. Sie hätten auch nichts an meinem Verdikt geändert: kein Wein, der mir geschmeckt hat. So filigran und einfallsreich wie eine Sonnenblume, so aromatisch wie Sonnenblumenöl. Von Säure keine Spur, dafür ein seltsam verlorenes Zuckerl. Vielleicht in fünf Jahren nochmal trinken, aber im Moment würde ich die Finger davon lassen.

Rot:

I. Château Citran 1996 Mise du Château de Preuilhé, en Magnum

Jedes Mal, wenn er auf den Tisch kommt, überrascht dieser Wein. Diesmal hatte ich mir als allerersten, sich mir sofort in der Nase auffälligen Ton getrockneten, mit Sesamöl eingepinselten und mild gesalzenem See-Lattich notiert, wegen der jodigen Note und weil er tatsächlich danach duftete – und ich bin ein großer Vertilger von getrocknetem, mit Sesamöl eingepinseltem und mild gesalzenem See-Lattich. Eine etwas scharfe Beerenfrucht kam noch dazu, wie ein Dessert aus Erdbeeren, Orangensaft und Pfefferkörnern. Obwohl ich nie ein Fan von Citran war, mit diesem Wein könnte ich es mir vorstellen.

II. Würtz-Weinmann Pinot-Noir 2005

Der Wärtz in rot, was ja gut passt. Knackig war er, die Runde rief sehr schnell und überwiegend "deutsch", vielleicht wegen dieser kühles Klima vermuten lassenden Knackigkeit, vielleicht wegen des für deutschen Spätburgunder typischen, hier aber nicht stereotypischen Charakters von Einmachobst und einer freundlich-warmen Waldboden- oder Humusnote. Verhaltene Kraft und einen süsslichen, entfernt an Weihrauch erinnernden Abgang hatte er ausserdem.

III. August Kesseler, Assmannshäuser Höllenberg Pinot-Noir 1990

Erdig, waldbodig und pilzig duftete dieser Wein. Mit Luft wuchsen die ersten roten Beeren aus dem Glas und lieferten sich einen Wettlauf mit der nicht unbeträchtlichen Säure. Das griffige Tannin spielte daneben keine grosse Rolle, viel spannender war es, den beiden Komponente bei ihrer Entwicklung beizuwohnen. Fast muss man sagen, dass der Wein mit seinen nunmehr zwanzig Jahren noch nicht am Ende der Fahnenstange angekommen ist, so wandlungsfreudig wie er sich zeigte.

IV. Warrenmang Estate Grand Pyrenées 1998

Dieser Bordeaux-Blend passte so gut zum Fleisch, wie nur dasselbe Fleisch selbst noch einmal gepasst hätte. Brombeer und Cassis waren so selbstverständlich da, als wären sie meine direkten Tischnachbarn, dazu kam noch ein neuweltliches, etwas minziges Tannin, das dem Wein ein schlankes, raffiniertes Gewand lieh. So soll Wein zum Fleisch schmecken.

V. Grand Puy Lacoste 1997

Meiner Meinung nach Kork. Wirkte aber unabhängig davon als sei er noch gut beisammen.

VI. Torbreck Juveniles 2001

Über David Powells Weine kann man viel philosophieren. Man wird aber immer auf die Person zurückkommen, die diesen Wein macht. Und ein Stück seiner Persönlichkeit, mehr als nur eine persönliche Randnotiz, steckt in jedem seiner Weine. Holzfäller und Weinmacher, Grobe Kraft und kunstsinniger Feingeist, das sind einige der Stichworte zur Person, an die man sich erinnert, wenn man seine Weine trinkt. Dieser Juveniles kam leider nicht in Höchstform ins Glas, zeigte aber die typischen tiefdunklen, aus den Wäldern der schottischen Highlands stammenden Beerenaromen. Aus 60% Grenache und jeweils 20% Mourvédre/Mataro und Shiraz gekeltert, im Stahltank vinifiziert.

VII. Pikes Merlot 2000

Hier zeigte ein Wein ab der ersten Sekunde, was er kann. Dem Assmannshäuser in der Beziehung verwandt. Mich erinnerte der Wein zunächst an Thymian und medizinische Präparate, dann trat aus dem dichten Schleier langsam der fruchtige, beerige Charakter hervor. Von seiner Art her kühl, hatte der Wein ein durchaus hanseatisches Auftreten. Mit diesem Wein werden in Hamburg-Pöseldorf die künftigen Schwiegersöhne bewirtet, bevor es ans Heiraten geht.

VIII. Robert Groffier Chambertin Clos de Bèzes 1995

Das folgende Gewächs kam von Groffier, der zu den Spitzenwinzern der Region zählt. Ich wusste nicht recht, ob sich der Wein hauptsächlich gegenüber meinem Gaumen, oder seinem eigenen fortschreitenden Alter so angriffslustig zeigte. Die Bewegung tat ihm jedenfalls gut. Eine mürbe, etwas mehlige, nussige Art konnte er nicht verhehlen, verkaufte das aber sehr gut als Esskastanie. Die vereinigte sich ausgesprochen glücklich mit gewissen Kirsch- und Beerenaromen, umspielt, oder besser gesagt umlaufen von einer sehr agilen Säure, die wie ein Schäferhund die Herde an noch frischen Aromen hütete.

IX. Fox Creek Reserve 1998

Sehr viel getrocknete Sellerieschnipsel und Brühwürfel. Unter diesem Konzentrat eine sehr dicht ineinandergewobene Mischung aus allem, was man in der Küche verwenden kann und dunkel ist. Schokolade, Crema di Balsamico, schwarzer Pfeffer, Morcheln, Nelken. Nicht leixcht zu trinken.

X. Léoville Poyferré 1996

Starker Wein für starke Männer. Hat aber auch den Frauen geschmeckt, soweit ich das beobachten konnte. Denn überwiegend habe ich entweder ins Glas geschaut, oder die Augen beim Trinken geschlossen. Nach kurzer Aufwärmphase schiessen saftige Frucht, seidenweiches, reifes Tannin und eine beides sehr dezent umklammernde Mineralität aus dem Glas. Rund und gut, ein Wein, für den man sich ohne falsche Scham prostituieren darf.

Schließer:

I. Horst Sauer, Escherndorfer Lump Riesling Auslese 2009 Fassprobe

Einen guten Riesling hat der Horst Sauer da ins Glas gebracht. Genauso topfit, wie er selbst. Nun bin ich kein großer Kenner der Frankenrieslinge und schon gar keiner der edelsüssen Frankenrieslinge. Das mag erklären, warum mir der Wein so schwer identifizierbar vorkam. Trotz vorhandener, junger, leider noch arg hefiger Frucht wirkte der reichlich massige Wein gebremst und nicht ganz balanicert. Ich hoffe, das renkt sich demnächst ein.

II. Dr. Crusius, Schlossböckelheimer Felsenberg Riesling Auslese 2008

Altersbedingt eine ganze Stufe weiter war der Riesling von Crusius. Quietschlebendig, mit einem pumucklhaften Übermut und Lust an der Komplementärfarbe. Grüne Aromen von Apfel, Kiwi und Stachelbeere standen knallroten Aromen von Johannisbeere und Cranberry gegenüber. Dazu kam Mirabelle, gelbe Pflaumen nicht zu vergessen. Also letztlich genau die Hausfarben vom bayrischen Kobold. Feiner Wein!

III. Fox Creek Vixen Sparkling Shiraz

Schoko und Kirsche in prickelnd. Wenn man ganz genau auf seine Geschmacksknospen horcht, hört man auch, wie sie "grüne Paprika" oder "ladybird taint" rufen. Darüber bin ich mir selbst nicht ganz sicher, aber je mehr ich darüber nachdenke, desto mehr glaube ich, das vernommen zu haben. Schliesslich passt es sogar ganz gut zu diesem in Deutschland völlig exotischen Wein.


Pommery POP Earth

"Ressourcen schonen!" tönt es allenthalben und nicht zuletzt der Weinbau ist unmittelbar angesprochen. Natürlich kann sich der König der Weine dieser Forderung nicht entziehen. Denn Champagner – das bedeutet nicht nur Luxus, Lifestyle und nach mir die Sintflut. Das Gegenteil ist der Fall, die Champagnerwinzer, egal ob groß oder klein, haben vielfach schon vor Jahren den ökologischen Weck-, bzw. Hilferuf gehört. Eine stattliche Anzahl kleiner Erzeuger hat sich der Association Interprofessionnelle des Vins de l’Agriculture Biologique de Champagne angeschlossen (AIVABC), von der Biochampagner-Verkostung hatte ich erst jüngst berichtet.

 

Stellt sich die Frage, was eigentlich die großen Häuser in Sachen Nachhaltigkeit so machen. Klar ist, dass bei denen die Umstellung von Produktionsprozessen etwas länger dauert. Umso erfreulicher ist es, wenn die ersten Resultate sichtbar werden.

 

Ein wichtiger Ansatzpunkt, über den sich die Champenois sehr viele nutzbringende Gedanken gemacht haben, ist das Gewicht der Champagnerflasche. Champagnerflaschen sind produktionstechnisch bedingt besonders dickwandig und schwer, immerhin müssen sie einem beträchtlichen Druck von an die 6 bar standhalten. Das ist doppelt so viel, wie ein gewöhnlicher Autoreifen im Normalfall an Druck hat und schon bei dem wünscht man sich nicht, dass der einem um die Ohren fliegt. Nach mehr als zehn Jahren intensiver Forschung und Erprobung hat der Champagnerdachverband Comité Champagne am 16. März 2010 eine neue Standardflaschenform vorgestellt. Diese neue Flasche hält demselben Druck stand, wiegt aber deutlich weniger und führt bei der Herstellung zu einem drastisch verringerten CO2-Ausstoss.

 

Ein weiterer wichtiger Punkt ist natürlich die Weinbergsarbeit. Gerade die großen Häuser und Kooperativen, die viele hundert Hektar bewirtschaften, können mit der Umstellung auf nachhaltiges Weinbergsmanagement die Umweltbelastung deutlich senken.

 

Schließlich kommt noch ein immer wichtiger werdender Aspekt hinzu, der Wasserverbrauch. Kaum ein landwirtschaftlicher Betrieb ist heute in der Lage, eine tragfähige Wasserbilanz aufzustellen. Das Ergebnis in Zahlen wäre wahrscheinlich bei den allerwenigsten Betrieben erfreulich. Allzu sehr gilt Frischwasser immer noch als praktisch unbegrenzt verfügbares Allgemeingut, über dessen Herkunft und über dessen Rolle im landwirtschaftlichen Produktionsprozess sich Gedanken zu machen nicht lohnt.

 

Über diesen und einigen anderen Aspekten umweltfreundlicher Champagnerproduktion hat man die letzten Jahre bei Vranken-Pommery-Monopole, einem der größten Champagnerhäuser gegrübelt. Das Haus hat sich im Laufe dieser Überlegungen ein betriebliches Umweltmanagementsystem nach ISO 14001 zertifizieren lassen.

 

Der Pommery POP Earth kommt ohne die von Champagnerproduzenten gern verwendete, lackierte Papp-Geschenkschachtel in den Handel. Die Flasche, bei deren Herstellung geringere Energiekosten als früher anfallen, ist eines von den neuen, leichten Modellen. Volle 24 Paletten statt bisher nur 22 passen jetzt auf die Ladefläche eines LKW, ein nicht unerheblicher Logistikvorteil. Die Verwendung des neuen Formats dürfte für Pommery zudem eine beträchtliche CO2-Reduktion mit sich bringen. Die Trauben für den pinotdominierten Champagner stammen aus nachhaltiger Bewirtschaftung und tragen zur günstigen Wasserbilanz bei: statt 1,67 Liter werden jetzt nur noch 0,5 Liter Wasser pro Flasche benötigt. Die Etiketten stammen aus dem Papierrecycling und sind ohne wasserunlösliche Stoffe bedruckt, bzw. auf die Flaschen geklebt. Insoweit ein begrüßenswertes Projekt, dessen Ausdehnung auf andere Produktlinien des Erzeugers nicht völlig unrealistisch erscheint. Herausgekommen ist ein Champagner, den ich unlängst zu verkosten hatte.

 

Die Herkunft aus der jungen und flippigen POP-Linie von Pommery zeigt, dass der Champagner nicht auf die gesetzte, klassische Jahrgangs- und Grand-Cru Champagnerkundschaft abzielt. Die LOHAS sollen es offensichtlich sein, ein Ansatz, gegen den man nichts einwenden kann. Ich denke auch, dass der Champagner genau dort richtig platziert ist. Optisch steht beim Etikett das POP noch vor dem Pommery im Vordergrund, das Etikett selbst fasst sich durch seine rauhe Oberfläche gar nicht schlecht an. Flink geöffnet und eingegossen, zeigt sich der Champagner in der Nase sehr freigebig, mit einer Wagenladung (Bio-)Melonen und Ananas, munteren, kleinen roten Früchten und einladender Süße. Im Mund bestätigt sich der Eindruck sorgloser Frische, mich erinnert der Champagner an einen gut gekühlten Fruchtjoghurt, sommers im Garten gelöffelt. Was dabei untergeht, ist die vom Chardonnay beizusteuernde Säure, wobei ich vermute, dass die typische POP-Kundschaft darauf gut verzichten kann. Was ihm außerdem fehlt, ist Länge, aber die kann man ja durch häufiges nachschenken ersetzen.

Renaissance des Appellations

I. Ngeringa Vineyards

Biodynamisch seit 1980

1. Assemblage Red Adelaide Hills 2007

Syrahbasis mit Pinot Noir, Sangiovese und Tempranillo, ein süffiger Roter, der mir mit einer gewissen Unbekümmertheit gegenüber den in Europa für die rebsorten typischen Rebstandorten hergestellt zu sein scheint. Vom Syrah kommt eine angenehme Kakaonote, Pinot, Sangiovese und Tempranillo steuern einen vielfach durchbrochenen, fruchtig-floralen Umhang bei.

2. Pinot-Noir Red Adelaide Hills 2007

Ziemlich europäisch, ja frnzösisch wirkt dieser Pinot. Frucht ja, aber nicht wie bei unseren Badischen Pinots, stattdessen mehr Mineralität und kräuterige, auch erdige Würze. Stattliche Säure und kraftvolles Tannin sorgen für Struktur, ohne dass der Wein konstruiert wirkt.

3. Syrah Red Adelaide Hills 2006

Nachdem ich diesen Syrah im Glas hatte, wünschte ich mir eine umgekehrte Probenreihenfolge , dann hätte ich den Blend ganz zu Beginn vielleicht besser einsortieren können. Holz, Schoko, Früchtemus und softes, aber lauerndes Tannin. Ein mittelgewichtiger, kätzischer, spannungsvoller Wein. Obacht geben, wie sich das Weingut entwickelt!

 

II. Chateau de Roquefort

Biodynamisch seit 1995. Kenne ich, seit ich dem 1999er Rubrum verfallen bin, dessen buchstäblich vielsagendes Etikett mich damals begeistert hat. Umso größer die Freude, als in den wenigen Jahren, in denen es seither wieder welchen gab, die Qualität immer wieder aufs Neue grandios war. Bei drunkenmonday steht, anhand der von Jahrgang zu Jahrgang unterschiedlich gestalteten Dudeln der abgebildeten Etikettenschönheit könne man die weingutseigene Einschätzung des Rubrum ablesen – das schreit nach einer Vertikalen!

1. Blanc Les Genets 2009

Clairette und Rolle machen diesen Wein zu einer Mischung aus flüssigem Fruchtfett und kalter Lava, bei dem man sich über einen gewissen Suchtfaktor im Klaren sein sollte, wenn man die Flasche öffnet.

2. Rosé Corail 2009

Sehr gewöhnlich kam mir der Corail vor. Fette, buttrige Art mit aufgesetzter Erdbeer-Himbeer-Krone. Wirkt wie das stereotypische dicke Mädchen mit dem guten Herz in amerikanischen Teenyromanzen.

3. Gueule de Loup 2007 – 2008

Ein blend aus zwei Jahrgängen. Der eine verkörpert das aparte Löwenmäulchen, der andere den schlimmen Wolfsrachen. Eine irriterende Mixtur jedenfalls, die mir nicht gefällt. Zu unausgeglichen, zu unruhig, für mich der erste Wein mit einer dissoziativen Persönlichkeitsstörung. Vielleicht legt sich das mit dem Alter.

4. Rouge Les Mures 2006

Nicht recht froh wurde ich mit dem Brombeerwein. 40% Grenache, 25% Carignan, 20% Syrah, 5% Cinsault, 5% Mourvèdre, und 5% Cabernet-Sauvignon sind drin. Alles alte Reben, alles ohne Schnickschnack sorgfältigst vinifiziert. Im Normalfall alles Garanten für einen bombigen Wein. Und trotzdem stimmte was nicht mit dem Kollegen. Nicht, dass da was gefehlt hätte oder, andersrum, dass er überladen gewirkt hätte. Vielleicht ist das einfach nicht meine Art von Wein, soll's ja geben.

5. Rouge La Pourpre 2006

Ein selten produzierter Wein ist der Pourpre, der wie alle Roquefort-Weine ein nicht nur stimmiges oder schönes, gelungenes oder stylishes Etikett hat, sondern DAS Chefetikett. Dieser Wein ist mehr, als eine technische Spielerei und am besten vielleicht nur vor biodynamischem Hintergrund zuverstehen: Syrah und Carignan, die beiden Counterparts des Weins, reifen genau entgegengesetzt. Nur wenn beide zur gleichen Zeit voll ausreifen, macht Raymond de Villeneuve den Porurpre. Und im Gegensatz zum Gueule de Loup ist ihm mit dem Pourpre ein Wein gelungen, der einen sofort in seinen Bann zieht. Der Wein zu Jean Reno in den purpurnen Flüssen. Unfassbar, dass der für 20 EUR regelrecht verschleudert wird! Kaufzwang!

 

III. M. Chapoutier

Biodynamisch seit 1991

1. Chante-Alouette 2006

Weißer Hermitage, bzw. die Rebsorte Marsanne sagt mir gar nichts, weil ich mich damit nie beschäftigt habe. Die Weine von Chapoutier sind insofern Fluch und Segen. Segen, weil dieser Chante-Alouette so frühlingshaft zwitschert und zum Leichtsinn verführt, zwischen Kamille und Orangenblütte, Quittenmus, kühler Minze, der Schärfe von Pinienkernen, dem Aroma aller mir bekannten Melonensorten und saftiger Nektarine findet sich wahrhaft genau das, was einen trockenen Weißwein zum Geschmacksfeuerwerk macht. Das ist gleichzeitig der Fluch dieses Weins, der mein Augenmerk so bezwingend und hypnotisch auf sich zieht.

2. De l'Orée 2006

Nochmal Marsanne, diesmal aus Ermitage. Ätherischer, strenger; Bienenwachs und Birne, mit einer prickligen, eine seriöse Munterkeit ausstrahlenden Art dann der De l'Orée. Wirkte gedankenverlorener, antiker (nicht antiquierter) und weihevoller, als der Chante-Alouette. Wegen seiner unverspielten Art und der offenbar zur Rebsortentypizität gehörenden, hier aber noch geringeren Säure sprach mich der Wein nicht im selben Maß an, wie der Chante-Alouette. Ganz ohne unangebrachtes Parker bashing: sehr gestaunt habe ich über Parkers 99 Punkte für diesen Wein. Ich wusste gar nicht, dass der so subtile Weine überhaupt wahrnimmt.

 

 

IV. Zind-Humbrecht

Biodynamisch seit 1997

1. Muscat Goldert Grand Cru 2007

Roch und schmeckte wie ein Riesling, der zu lange und zu dicht neben dem Apfelmost gestanden hat. Nicht mein Fall.

2. Riesling générique 2007

Solider, nicht besonders eindrucksvoller Gutsriesling.

3. Riesling Rangen de Thann Grand Cru Clos St. Urbain 2007

Kernig, tiefgründig und fett, aber nicht wabbelig, sondern von der festen, an Schweineschwarte erinnernden Sorte. Dazu Orangensaft mit scharf wirkendem Vitamin C. Schon sehr fordernd.

4. Riesling Brand Grand Cru Vieilles Vignes 2007

Gegenüber dem Rangen nicht so schwer und anstrengend, viel breiteres Fruchtspektrum, immer noch mit viel Säure, die hier jedoch harmonischer eingebettet ist und nicht alle anderen Aromen übertüncht. Schmelzig.

5. Pinot Gris Rotenberg 2006

Seltsam flüchtige Säure, derselbe etwas faulig-viezige Geruch wie beim Goldert, kein Vergnügen.

6. Gewuerztraminer Clos Windsbuhl 2006

Pricklig, etwas herb, kratzig wie ein zu enger Rollkragenpullover, das Säurefinish versöhnt nicht wirklich. Gehört zu den ernstzunehmenden Gewuerztraminern, ist aber auch nicht mein Fall.

7. Pinot Gris Clos Windsbuhl Vendange Tardive 2002

Das hier ist mein Wein, so gut habe ich Pinot Gris noch selten oder nie getrunken. Dramaturgisch perfekt, mit einer verspielten Exposition aus Puffreis, Popcorn, Karamell, Erdnussbutter und einer schleichend langsam untergemischten Säure, die den Wein zusammen mit minerlaischen Anklängen sogar kurzfristig trocken erscheinen lässt. Dann Verstrickung mit Weinbergspfirsich und Nektarine, Komplikation, Spannungsanstieg, Climax, Katharsis und schwupp, am Ende klingt der Wein so unschuldig und süss aus, als wäre vorher nichts gewesen. Sehr raffiniert. Top-Wein.

 

V. Domaine Kreydenweiss

Biodynamisch seit 1989

1. Andlau "Au Dessus de la Loi" Riesling 2008

Die helle Freude, Riesling wie aus besseren Zeiten. Kreydenweiss bringt Crème und Rasse, Butter und Säure unter einen extrem schicken Hut. Keine zu dick aufgetragene Frucht, kein mineralisches Gepolter, eine Säure, die ihren Platz kennt und ihre Rolle perfekt spielt, was will man denn mehr.

2. Clos du Val d'Eléon "L'Âme de la Terre" Riesling /Grauburgunder 2006

Rauchig, etwas stinkig, mit etwas Akazienhonig und Birne. Durchgegoren, knochentrocken; getrennt vinifiziert wäre vielleicht eher was nach meinem Geschmack daraus geworden. So war ich hin- und hergerissen zwischen Neugier, wie sich der Wein entwickelt und Ablehnung.

3. Wiebelsberg "La Dame" Grand Cru Riesling 2007

Apfel, Pektin, Weinbergpfirsich, Honigmelone. Leicht kalkig, mit einem gut dazu passenden Spritzer lime juice. Sehr apart. Kann noch.

4. Kastelberg "Le Château" Grand Cru Riesling 2007

Einerseits vollmundig, mostig, erinnert an Waffeln mit Calvados und gleichzeitig eine minimal salzige, zur Knackigkeit beitragende Note.

5. Kritt "Les Charmes" Pinot Blanc 2008

Blüten und Trockenkräuter ergeben hier einen süsslichen, vom üblichen Patchouli-Neroli-Rosenwassergewaber weit entfernten Duft, der mich durchaus anspricht. Im Mund erfrischend, nicht gerade schlank. Fett aber auch nicht. Proper würde ich sagen, mit einer Säure, die wie ein Stützstrumof wirkt. Gut.

 

VI. Weingut Fürst Makashvili

Biodynamisch seit 2009

1. Grand Cru Akhoebi 2007

90% Rkatsiteli, 6% Mtsvane, 4% Khikhvi

Alttestamentarisch, grummelnd, sehr langsam und behäbig, so ähnlich muss man sich wahrscheinlich norwegische Gebirgstrolle vorstellen. In der Nase eine Mischung aus Scotch und Apfelessig, am Gaumen krallt sich dann ein Tannin fest wie ein abgestürzter Bergsteiger am Felsvorsprung. Zum Schluss versöhnliche Süsse. Ein elementares Erlebnis.

2. Grand Cru Tsarapi 2007

100% Rkatsiteli

Geradezu tänzerisch leicht wirkt danach der Rkatsiteli. Der passende Wein zur ersten Stripshow nach dem Ende der Sintflut, als die Frauen noch Hasenfellbikinis trugen.

3. Grand Cru Akhoebi 2006

100% Saperavi

Pfeffernase. Und zwar nicht nur bisschen, sondern richtig. Dass ich nicht vor Schreck reingeniest habe, liegt nur an der alles wieder nach innenziehenden, kräuterig-herben bis medizinalen Bitterkeit und dem Hasenfell, das sich auf Mund und Zähnen ausbreitete. Als hätte ich eine von den Urzeittänzerinnen bei lebendigem Leibe verspeist und es gar nicht gemerkt. Schwieriger, aber auch beeindruckender Wein.

 

VII. Movia

Biodynamisch seit 1989

1. Sauvignon-Blanc 2007

Angenehmer, internationaler Stil. Kann man nicht meckern, wird man aber auch nicht bejubeln.

2. Veliko Belo 2005

Ribolla, Pinot Gris, Sauvignon-Blanc

Weich und buttrig, aber nicht klischeehaft. Erinnert, bei sehr milder Säure, ein bisschen an reinsortigen Viognier. Gelungen.

3. Lunar 2007

100% Ribolla

Säurearm und mehlig. Nicht mein Fall.

4. Puro Rosé 2002

60% Pinot Noir, 30% Chardonnay, 10% Ribolla. Vierjähriger Ausbau der Grundweine im Holz, mis en bouteille 2006, dégorgé à la volée.

Bis auf die nur sehr schwach ausgeprägte Säure ist hier alles richtig gemacht worden, schon das öffnen gleicht einer Zeremonie und dürfte in manchen Restaurants zum Kult werden. Im Auge behalten.

 

VIII. Cascina degli Ulivi

Biodynamisch seit 1985. Italienischer Biodynamie-Pionier, mit einem schönen Portfolio. Bezahlbare Weine voller Leben, die das ganze Streben der Biodynamiker sehr lebendig wirken lassen. Dringende Empfehlung abseits ausgelatschter Pfade!

1. Bellotti Bianco 2008

Diesen Wein aus 100% Cortese gibt es mit zwei unterschiedlichen Etiketten. Das eine weist ihn ganz klassisch als Gavi aus, das andere, sehr fortschrittlich gestaltete, nicht. Ohne Schwefelzusatz. Der Wein selbst ist spritzig, stahlig und viel origineller, als ich gedacht hätte. Keiner von diesen fürchterlichen, austauschbaren Sommersonneterrassenweinen, auch wenn die zitronige Aromatik ihn dafür empfiehlt. Hier merkt man zusätzlich mindestens eine Komplexitätsstufe mehr, was vom Akazienholzfass herrühren mag. Sehr schön.

2. Filagnotti DOCG 2006

Der Wein hat auf dem Etikett einen niedlichen Hundi, bei dem ich von weitem zuerst dachte, es sei ein Eisbär. Die Reifung der hier verwendeten Cortesetrauben in Akazienholzfässern verleiht ihm eine auf Anhieb etwas irriterende Note, die mich erst nicht recht begeistern konnte. Mit mehrmaligem reinschnuppern und annippen gewöhnt man sich daran und findet es am Ende sogar gut.

3. Montemarino 2007

Dieser sehr konzentrierte Wein meldete sich mit einem äußerst appetitlichen Erdnussduft an. Lebhaft und sehr dynamisch war das zitronig-limettige Element, gebändigt nur von einem hölzernen Rahmen. Zu meiner großen Freude glitt der Wein nie ins kitschig eichenüberholzte ab, obwohl er eine ganze Weile darin verbracht hat. Stattdessen Konzentration, Kraftentfaltung und immer, wenn das Holz anfing, sich bemerkbar zu machen, eine neue aufmerksamkeitheischende Duft-, bzw. Geschmackskomponente. Sehr schöner Wein.

4. Bellotti Rosso 2008

Ein Mix aus Barbera (60%) und Dolcetto (35%), sowie 5% unbestimmter anderer Rebsorten. Auchn hier kein Schwefelzusatz und Ausbau in französischer und slowenischer Eiche. Spontangärung versteht sich von selbst. Handzahme, aber nicht zahnlose Säure und nicht sehr viel Gewicht, trotzdem straff genug, um nicht durchzuhängen. Normalerweise kann ich mit Dolcetto und Barbera nicht viel anfangen, weil mir die Weine oft zu gedämpft vorkommen. Das war hier nicht so. Der Wein war beweglich, ansprechend, agil, wie ein sehr gelehriger Welpe bei den ersten Trainigsstunden in der Hundeschule.

5. Mounbè Barbera 2005

85% Barbera, 10% Dolcetto und 5% Ancellotto. Frische Nase mit einem Hauch flüchtiger Säure, im Vordergrund stehen aber dunkelbeerige Aromen, auch eine etwas moosige Note, Haselnuss und Kirsche. Am Gaumen erst etwas Tannin, das angenehm nachfedert. Dann ein, zwei drei Wellen von Früchten, auch der Eindruck, gerade saftigen Kuchen zu essen war kurz da. Dass der Wein für gerade mal 12 € zu haben ist, kommt mir schon fast lächerlich vor.

6. Nibiô Dolcetto 2006

Sellerie und Brühwürfel kriegen erst mit viel Luft die sagenhafte Metamorphose zu Schattenmorelle und Pflaumenmus mit einer Untermalung von Aprikosenkernen hin. Am Gaumen wirkt das dann recht herb und pelzig, dabei sehr lang und über die ganze Länge schwierig, voller Ecken und Kanten, als müsste man einen Rubiks-Würfel im Mund zusammensetzen.

7. Passito

Kirschig, Feigen, Kastanienhonig, das alles kommt sehr dick und konzentriert aus dem Glas. Herbstlich und reif wirkt der Wein und legt sich wie ein Latexbelag an den Gaumen, von wo er dann gar nicht mehr weg will. Besser zum Essen als solo.

ProWein-Champagner: Nachlese Teil I

I. Pol-Roger

Begrüßt vom freundlichen und gut gelaunten Laurent d'Harcourt ging es direkt medias in res. Der White Foil und sein junger Bruder Pure, beide als Drittelmix cuvéetiert waren die Starter. Nach einer Übergangsphase, in der sich der White Foil immer eine Spur zu süss präsentiert hat, ist mittlerweile scheinbar alles wieder im Lot. Der White Foil ist geschmacklich zur gediegenen Pinot-Eleganz eines racinggrünen Jaguar XJ6 zurückgekehrt. Der Pure hingegen ist eine Einladung an die Freunde englischer Sportwagentradition aus dem Hause Austin Healey, deren Zulademöglichkeiten bekanntlich sowieso nur auf ein Picknickgepäck in Form von zwei Flaschen Champagner nebst Gläsern beschränkt sind. Der 2000er Jahrgang bleibt mit seinem haustypischen 60% Pinotanteil im Glied, was nicht minder für seine sonstigen Eigenschaften gilt, womit ich ausdrücklich nicht sagen will, dass er stärker als andere Champagner aphrodisisch wirkt. Aber ein Landlord, der seinen volljährigen Sohn in das angesehenste Bordell der Hauptstadt mitnimmt, wird schwerlich auf einen Champagner dieses Schlages verzichten wollen. Seine Frau hingegen dürfte es sich, wenn sie nicht gerade zum Gin oder zur Gärtnerei neigt, derweil mit dem Gärtner und einer Flasche vom 2000er Rosé des ehrwürdigen Champagnerhauses bequem machen. Weil der nichts für reine Frauenkränzchen ist, sondern mit seinem Pinotgrundton auch Männer anspricht – und nicht nur die liebestollen. Eine völlig andere Geschichte ist der 99er Blanc de Blancs von Pol-Roger. Dieser Champagner, der früher nur als "Brut Chardonnay" verkauft wurde, ist so etwas wie der heimliche Star in der an sich schon illustren Kollektion. Man merkt's am Preis, aber vor allem am Geschmack und das am besten, wenn er reif ist. Der 99er war noch nicht reif, aber er war schon gut, obwohl er noch nicht Anlass zu der Hoffnung gibt, dass er die Höhen eines 88ers oder 89ers erreichen wird. Viel mehr Grund zur Freude und zum häufigen Anstaunen im perfekten Natursteinkeller haben Champagnerfreunde mit der Cuvée Sir Winston Churchill 1998. Die ist nicht so extrem wie 96, 90 oder 88, was ihr auch gar nicht stünde. Einen klassischen, guten, lange auf hohem Niveau haltbaren Winston dürfen wir meiner Meinung nach im 98er erblicken.


II. Jacquesson

Der stille Gigant aus Dizy musste natürlich mal wieder unter die Lupe genommen werden. Als Stéphane Gass von der Traube Tonbach und Gerhard Eichelmann an den kleinen Stand kamen, war der schmale Gang vollends verstopft und das Verkosten wurde zum Balanceakt. Gut, wenn man die Cuvées des Hauses schon ein bisschen kennt. Die Cuvée No. 734 erwies sich als so zuverlässig wie ein U-Bootsdiesel, was mich nicht wunderte. Ich bin nämlich offensichtlich nicht alleine mit dem Eindruck, dass diese immer nur geringfügig variierte Cuvée von Ausgabe zu Ausgabe besser wird. Über die anderen Champagner des Hauses werde ich eine gesonderte Notiz verfassen, weil ich beim nächsten Besuch in der Champagne bei den technischen Werten etwas nachfassen will.


III. Bruno Paillard

Wie jedes Jahr war Bruno Paillard mit einem viel zu kleinen Stand auf der ProWein, der überhaupt nicht die Bedeutung des Hauses in der Champagnerwelt abbildet. Der Standardbrut besteht zu 22% aus Pinot Meunier, 33% aus Chardonnay und 45% aus Pinot-Noir. Das ergibt ein leichtes Pinotübergewicht, dem der Holzfassausbau noch entgegenkommt. Paillards Kellermeister Robuchon arbeitet als Ausgleich mit einem Reserveweinanteil, der locker um die 40% liegen kann und bringt den dreißig Grundweinen seiner Cuvée damit die nötige Frische. Was nämlich manche gar nicht wissen: Reservewein ist nicht gleichbedeutend mit altem, kaputtem, oxidiertem Bodensatz aus leckgeschlagenen Fässern, sondern kann in vielen Fällen ein Frischekick für Cuvées aus säureschwachen Jahren (wie zuletzt 1997, 1999 und 2003) sein. Bei der stets sehr schön anzusehenden Rosécuvée scheint das leider nicht immer so gut zu gelingen, mir erscheint sie gelegentlich zu schwer, blütenbeladen, gar alkoholisch. Schuld sind dann die rot gekelterten Pinots aus den Toplagen des Hauses in Verzenay, Bouzy, Mailly und Les Riceys. Obwohl Monsieur Robuchon diese Weine manchmal sogar nur rosé ablaufen lässt, entfalten sie für meinen Geschmack einfach zu viel Wucht. Der Blanc de Blancs wiederum ist ein kleiner Leckerbissen mit nur ca. 4,5 bar Flaschendruck und wenig Reservewein. So kommt er zu einer besonders sahnigen Schaumkonsistenz, von der man leider nur dann etwas mitbekommt, wenn das Glas, die Temperatur und alle Umweltbedingungen tiptop sind. Ist das nicht der Fall, kann man immerhin eine vorbildliche Mineralität, einladende Apfelnoten und Mandelsplitter registrieren. Der 99er Jahrgang besteht zu 29% aus Pinot Meunier, 29% Chardonnay und 42% Pinot Noir. Damit handelt es sich von den Anlagen her um einen auf dem klassischen Standardbrut aufbauenden Champagner, nicht um eine Spezialcuvée. Diesem Irrtum kann man schnell unterliegen, wenn man auf die Künstleretiketten reinfällt, die seit dem 1981er (Gründungsjahr des Hauses!) den Jahrgangschampagner von Bruno Paillard schmücken. Die Künstlernamen sagen mir leider nichts, umso mehr dafür der Champagner. Reif, etwas frisch, aber säurearm und wahrscheinlich kein Langläufer. Im Moment jedenfalls gut zu trinken, mit seiner warmherzigen Fruchtigkeit und nur geringen Mineralität.


IV. Drappier

Im Messetrubel blieb nicht viel Zeit für mehr als für ein kurzes Händeschütteln mit Michel Drappier, wobei mir klar wurde, dass ich ihn bei nächster Gelegenheit in Urville aufzusuchen haben werde. Zu oft habe ich ihn nun mal hier, mal da, aber eben nicht in seinem eigenen Wirkungsbereich angetroffen, dabei sind seine Champagner so einprägsam, charaktervoll und sympathisch wie er selbst. Sein Blanc de Noirs Brut Nature folgt nicht der allgemeinen Mode, trotzdem liegt er gut am Gaumen an. Wir haben es hier entgegen der abschreckend wirkenden Etikettenangaben "Blanc de Noirs – Brut Nature" nicht mit einem Spezialistenchampagner zu tun, der nur ganz seltsamen Weinvögeln Freudentränen in die Augen jagt. Ungewöhnlich saftig und überhaupt nicht ausgetrocknet wirkt dieser Brut Nature. Ein Kunststück, das zu vollbringen vielen Trittbrettfahrern entlarvend schwer fällt. Ganz weich und schmeichelhaft war der Charles de Gaulle. Dieses Jahr ist zufällig das Charles de Gaulle Jahr schlechthin: vor 120 Jahren wurde der Panzergeneral geboren, vor 70 Jahren richtete er seinen berühmten Appell an die Franzosen und vor 40 Jahren verstarb er in Colombey-les-Deux-Églises, nur wenige Kilometer vom Sitz seines Lieblingswinzers Drappier entfernt. Die Hommagecuvée ist friedliebend, weich, ganz säurearm und von großer Typizität für die warme Aubegegend. Der Rosé, dessen ehemalige Bezeichnung sich von der Lage Val des Démoiselles ableitete, zog andere Saiten auf. Das Saignée-Fräulein war aufreizend schnippisch und etwas frech, nicht die Spur anstrengend, auch kein bisschen wabbelig oder von überhitztem Gemüt. Gravitätischer war hingegen die Grande Sendrée Blanc 2002, ein Ausnahmewein in dieser Preisklasse, obwohl ich ihn auch schon besser getrunken habe. Ich glaube nicht, dass dieser schöne Jahrgang bereits seinem Ende entgegenschreitet, er dürfte vielmehr langsam abtauchen und sich auf die Wandlung vorbereiten, die mit jedem neuen Reifestadium einhergeht. Ich freue mich schon auf ein Wiedersehen in ein, zwei Jahren.


V. Bauget-Jouette

Die Halle war praktisch leer, nur Monsieur Bauget war noch tapfer am Stand und erklärte die Hausphilosophie. Die ist auf Kontinuität ausgerichtet, so dass Jahrgänge selten sind, was man vor allem an der Prestigecuvée bemerken kann, die dem Multi-Vintage Konzept von Krug und Laurent-Perrier folgt. Angenehm frisch, mit 60% Chardonnay und gut 30% Meunier ausgestattet, trat die Carte Blanche auf. Äpfel, Reineclauden und ein Duft nach frischgewaschener Bettwäsche, gefolgt von einem eher süssen, gefälligen Mundeindruck, den ein Säurehaken am Ende vor dem Abgleiten ins Kitschige rettet. Enger und härter war der Extra Brut. Optimal wäre für meinen Geschmack ein geringfügig abgespeckter Carte Blanche oder ein etwas aufgehübschter Extra Brut. Der Assemblage-Rosé in der hübschen Rosenmusterflasche besteht aus 55% Chardonnay und 25% Pinot Meunier, der Rest ist Pinot Noir. In der transparenten Flasche sieht das natürlich schick aus und schmeckt sogar noch besser. Trotz des hohen Stillweinanteils bleibt der Champagner elegant, feinfruchtig und sehr verführerisch, was für die hohe Qualität des Chardonnays spricht. Der musste sich als Blanc de Blancs 2004 auch noch in Reinkultur zeigen und schnitt nicht ganz so gut ab. Die Anlagen waren zwar komplett vorhanden, aber nie bis ins letzte ausgebaut. Etwas mehr Kompromisslosigkeit würde ich mir von Bauget-Jouette wünschen, dann bekäme auch der BdB meinen ganzen Segen. Zum Schluss war die Cuvée Jouette dran, eine jahrgangslose Cuvée du Fondateur. Hälftig aus Chardonnay und Pinot Noir vinifiziert, wird dieser Champagner im pompösen Geschenkkarton präsentiert. Ebenso pompös schmeckt er dann tatsächlich. Crèmig und mundfüllend, fast ein wenig holzig, mit einer Andeutung von Al Capone's Cognac-Dipped Cigars.


VI. Henriot

Monsieur Huray stellte mit adäquater Begeisterung in der Esprit-Arena die Champagner von Henriot aus. Von der Irritation, die Stanislas Henriot mit seinem überraschenden Rücktritt von der Geschäftsführung ausgelöst hatte, war nichts zu merken. Erklärungen dazu gab es ebensowenig. Dabei wäre es sehr interessant gewesen zu erfahren, was an der Spitze dieses bedeutenden Hauses vor sich geht. Joseph Henriot, der lange die Geschicke von Veuve Clicquot geleitet hatte, übergab 1999 seinem Sohn Stanislas die Zügel seines eigenen expandierenden Champagnerhauses – zu Henriot gehört außerdem der Chablis-Spezialist William Fèvre und das Burgunderhaus Bouchard Père et Fils. Vom Genuss des klassisch-herben Brut Souverain konnte mich das alles nicht abhalten. Mir kam der Champagner zunächst verhalten und etwas wässrig vor, mit Luft füllte er diese Lücken später noch gut aus, wie Zaubertinte erschien aus dem Nichts ein filigranes Flechtwerk aus spröder Mineralität und viskoser Zitronigkeit. Der Blanc de Blancs heisst bei Henriot Pur Chardonnay und stammt von den großen Weinbergen der Champagne, darunter Chouilly, Avize, Le Mesnil und Vertus. Weniger als 5 mg/l freies SO2, 4,9 g/l Säure und pH 3,14 finden sich in diesem knackigen Stöffchen, das zum besinnungslosen Trinken schneller verführt, als einem recht sein kann. Ähnliche Machart zeigte der 98er Vintage. 51% Pinot Noir, 49% Chardonnay, alles wieder aus sehr guten bis exzellenten Lagen, 4,9 g/l Säure, bei einem pH-Wert von 2,95 kündigten ein gegenüber dem Chardonnay erhöhtes Marschtempo an und hielten es durch.


VII. Bollinger

Am Bollinger-Stand ein Plätzchen zu finden, ist nicht leicht, dennoch hat es dieses Jahr wieder geklappt – wegen Termindrucks konnte ich mir leider nicht die aktuellen Ayala-Champagner zu Gemüte führen. Zur Special Cuvée notiere ich fast immer nur noch semper idem und seit es den jahrgangslosen Rosé von Bollinger gibt, verdient er sowieso das größere Maß an Aufmerksamkeit. Denn noch kann man zu diesem Champagner wenig sagen. Außer vielleicht, dass er gut schmeckt. Aber langsam: bevor ich eine neue Cuvée nicht über die ersten Reifestadien hinweg beobachtet habe, fällt mir die Einordnung immer schwer. 62% Pinot Noir, 24% Chardonnay, 14% Meunier, 5% still vinifizierter Pinot Noir aus der Côte aux Enfants, eine Dosage von 10 g/l, 4,1 g/l Gesamtsäure helfen als technische Werte nur bedingt weiter. Deutlich ist, dass die pinotige Cuvée wegen des niedrigen Säurewerts und ihres Dosagezuckers nicht gerade als Leichtbauchampagner geplant gewesen sein kann. Das entspricht voll und ganz dem Bollinger-Stil. Überraschend ist, dass der Champagner nicht annähernd so fleischig und schwer wirkt, wie die Konstruktion vermuten lassen könnte. Im Gegenteil, nur die delikatesten, zartesten Pinots scheinen Eingang in den Rosé gefunden zu haben. Insofern ist absehbar, dass die weitere Beobachtung dieses Champagners kein allzu hässliches Geschäft sein wird. Man könnte Bollinger zur gelungene Grande Année 2000 beglückwünschen. Meiner Meinung nach wäre das zu kurz gesprungen. Denn Bollinger hat schon mit den Grande Années 1997 und 1999 gegen alle jahrgangsbedingten Schwierigkeiten Champagner herausgebracht, die Lob verdienen. Unter den dreien ist der 2000er Primus. Nicht nur, dass er über die den beiden anderen ebenfalls eigene Eingängigkeit verfügt, er ist darüber hinaus ein Champagner, der einer etwas längeren Zukunft und Reifefähigkeit entgegenblicken dürfte. Überragend, selbst für Feinde des Roséchampagners, war die Grande Année Rosé 2002. Fein, aber wirklich sowas von fein, dass ich die Lobeshymne der Revue du Vin de France gut verstehen kann- dort erhielt die 2002er Grande Année volle 20/20 Punkte. Wer sich jetzt noch nicht mit dem Stoff eingedeckt hat, sollte zügigst zur Tat schreiten, sonst lassen uns Franzosen, Briten und Japaner nichts mehr davon übrig.


VIII. Nicolas Feuillatte

Pierre Hartweg strahlte am Tag der Verabschiedung von Frau de Keyser eine Engelsruhe aus und schenkte auch im härtesten Getümmel geduldig aus. Los ging es mit dem Brut Extrem', einem Champagner, der seinen sprechenden Namen wie kaum ein zweiter verdient hat. Gegenüber dem noch vor kurzem getrunkenen Vorgänger, einem 96er Blanc de Blancs, war der jetzt unter dem Etikett Brut Extrem' verkaufte Champagner einerseits von seiner Grundanlage her viel zahmer, andererseits konnte man die Verwandtschafte anhand der aggressiven Grundstimmung gut nachvollziehen. Ich denke, der jetzige Brut Extrem' wird nicht so lange brauchen, wie sein Vorgänger, um trinkbar zu werden und ich weiss nicht, ob er dann ebensoviel Spass machen wird. Zum polarisieren ist er natürlich schon jetzt ideal. Blanc de Blancs Grand Cru und Blanc de Noirs Grand Cru sind keine Lagenchampagner mehr, dadurch haben sie leider ein wenig von ihrem guten Potential eingebüsst. Jetzt nur noch solide. Sehr gern hatte ich die Cuvée 225 Blanc Vintage 1999 im Glas, ein Holzfasschampagner nach der Art, wie große Häuser sie gern machen. Üppig, weinig, in der Welt zu Hause und zur Zeit sehr ausgewogen zu trinken. Auf eine augenzwinkernde Art charmant wirkt der Champagner wegen seiner doch eher krachledernen, in einen feinen Loden gehüllten Herkunft. Getoppt wurde das Vergnügen von einer überaus starken Cuvée 225 Rosé Vintage 2002. Die war wesentlich brachialer, als die Jahrgangscousine von Bollinger und konnte in puncto Eleganz sicher nicht mithalten. Das dürfte aber auch nicht im Sinne des Erfinders sein, die Cuvée 225 Rosé ist vielmehr in einem engen Bezug zu ihrem Bruder, dem 99er Holzhackerbuam zu sehen. Dralle, authentische Erotik wie beim Trachtenstrip in der noblen Starnberger Bauernstube vom Allgeier-Sepp. Züchtig und etwas unterkühlt wirkte neben dieser prallen Lebensfreude die Palmes d'Or Blanc 2000. Dennoch sollte man diesen Champagner nicht unterschätzen. Im letzten Jahr hat mir eine 96er Palmes d'Or en Magnum gezeigt, wie mächtig dieser Champagner mit Flaschenreife aufdrehen kann. Bei diesem Champagner bin ich sehr vorsichtig, was meine Prognosen betrifft, denn die letzten Jahrgänge dieser Cuvée zeigten sich höchst unterschiedlich bis unberechenbar. Leider etwas zu kalt kam die entzückende Palmes d'Or Rosé 2002 ins Glas, die Mischung erinnerte an den süßen Duft von Freesie und Nachtkerze, mit Temperatur und Luft kam die ganze unvermeidliche Beerenbande dazu. Im Mund schien mir der Champagner zuerst, ich vermute temperaturbedingt, flach und wässrig, auch etwas klebrig, dann entwickelte sich eine griffigere, den Gaumen schon stärker fordernde Weinigkeit, die den Champagner auf Jahre hinaus bewegungsvoll und entwicklungsfreudig erscheinen lässt.