Die Champagner von de Sousa, Philippe Gonet und Vazart-Coquart sind überwiegend chardonnaylastig und vermitteln nebeneinander getrunken gut nachvollziehbar das Nord-Süd-Gefälle der Côte des Blancs. 

Wir fangendeshalb wie jedes Jahr im Norden bei Vazart-Coquart an, der aus Chouilly Grand Cru kommt.

Alain Terrier, Kellermeister von Laurent-Perrier, hat von Tours-sur-Marne einen guten Zugriff auf die Grand Crus der Champagne, zu seiner Rechten die großen Pinot-Lagen und wenn er nach links abbiegt, fährt er direkt in die Kreidehügel der Côte des Blancs. Mit den verschiedenen Terroirs kennt er sich deshalb aus – und natürlich auch, weil er nicht wegen besonderer Kunstfertigkeit beim Hütchenspielen chef de cave geworden ist. Mit seinen Kenntnissen und Fertigkeiten steht er nicht allein da, aber sein Ausspruch, Chouilly sei wie eine kleine Champagne innerhalb der Champagne schon. Dabei ist das gar nicht so falsch und Winzer wie Vazart-Coquart versuchen, das weidlich auszunutzen, indem sie die verschiedenen Mikroterroirs bestmöglich vinifizieren. Ausdruck dieser Bodenverbundenheit ist bei Vazart-Coquart zudem das neue Etikett, das von Gänsen geziert wird, nach dem alten Namen des Orts: Chouilly-les-Oies. Bei dieser Sorte Winzer probiere ich immer gern und neugierig die Vins Clairs. Der 2012er Jahrgang ist ihm sehr gut geraten. Wie Rasierklingen, die man in Watte gepackt hat. Die schon 1982 begonnene Solera ist dagegen mollig weich. 

1. Blanc de Blancs Brut Reserve

Mit 10 g/l dosiert.

Sympathischer Standardbrut, der Puristen trotz seiner hohen Dosage nicht aus der Fassung bringt. Fein, seidig, glatt und bis zum Ende ohne Schwächemomente. 

2. Extra Brut

2008er Basis, mit 3 g/l dosiert.

Unausgewogen wirkte der Extra Brut auf mich. Sicher merkt man hier, dass deutlich weniger Dosagezucker enthalten ist, darauf hätte ich bei der Trinkreihenfolge besser achten müssen; was mich aber viel mehr störte, war ein für 2008 ganz ungewöhnlicher Bitterton zum Schluss. Der gehört da nicht hin, zumal der Champagner bis dahin eine wirklich angenehme weiche Komposition darstellt. 

3. Special Club Blanc de Blancs Millesime 2006 

Reift unter Naturkork, mit 6 g/l dosiert.

Solo fand ich den Special Club nicht so besonders, ganz im Gegensatz zu seinem Vorgänger, dem 2005er. Ziemlich herb, beim Bier so etwas wie das Jever unter den sog. Premium-Pilsnern. Wirklich aufgegangen ist die Kalkulation zum Essen, namentlich zu Wildlachs und zu Brioche. Da meinte ich, einen ganz anderen Champagner im Glas zu haben, so professionelle und enthusiastisch verpaarte sich der Special Club mit den Speisen. Fett zerschneidet er wie nichts und mit hefiger Süße kommt er besser zurecht, als jede Supernanny mit ADS-Kindern.

4. Blanc de Blancs Grand Bouquet Millesime 2004 

Während beim Special Club ein Jahrgangswechsel nach oben hin stattgefunden hatte, gab es beim Grand Bouquet diesmal nicht 2006 sondern den köstlichen 2004er. Der zeigte alles. Candy, Kräuter, Reife, Rauch und Toast, aber alles immer nur kurz und ganz verschämt, was ihn mso zauberhafter macht. 

Weiter mit de Sousa aus Avize Grand Cru, ziemlich in der Mitte. Auch hier lohnt es sich meistens, einen Schluck von den Grundweinen zu probieren. Die beiden 2012er, ein eichenfassausgebauter Chardonnay aus Avize von 50 Jahre alten reben und ein Cramant-Chardonnay aus dem Stahltank wirkten zufrieden, dicklich und arglos wie harmlose Pflanzenfresser auf einer Insel ohne Fressfeinde, die noch kein Mensch vorher betreten hat. Beide boten mehr Frucht als Säure.

1. Brut Réserve Blanc de Blancs Grand Cru

Chardonnay aus Avize, Oger, Le Mesnil und Cramant, 2008er Basis, Stahltank, mit 7 g/l dosiert.

Schon ein ganz ordentlicher Chardonnay mit überschaubarer Säure und feinen Reifenoten aus der Brotrindenecke.

2. Cuvée 3A Extra Brut

50CH aus Avize, 50PN jeweils hälftig aus Ay und Ambonnay, 2008er Basis, mit 3 g/l dosiert.

Wenn der Brut Reserve sich noch gewirrig darstellt, so ist der 3A ein großer öffentlicher Platz, in Brüssel entspräche das zB dem Verlassen der Fressgasse und dem betreten des Grand Place. Ein oxidativer Brotton ist hier weiterhin spürbar, doch gibt es dafür keinen Punktabzug, weil der Champagner nicht drunter leidet.  

3. Cuvée des Caudalies Rosé Grand Cru, dég. 17. November 2011

90CH 10PN, 2008er Basis, Rotweinzugabe; der Rote aus 2007 verbringt ein Jährchen im Fass, bevor er mitspielen darf. Dosiert wird mit 6 g/l.

Einer jener Rosés mit weißer Seele, wie sie insbesondere Fred Panaiotis in Form des Dom Ruinart Rosé in bemerkenswerte Höhen führt. Der Caudalies Rosé ist aufschäumender und wilder als die meisten Spitzen-Rosés, die doch gern etwas gesetzt wirken. Bei aller Entfesselung geht die sowieso schon nicht besonders prononcierte Frucht unter, die wenigen Früchtecrèmetupfer, die bei diesem Champagner das Rotweinerbe repräsentieren, muss man schon suchen, wird aber zumindest nicht enttäuscht. 

4. Cuvée des Caudalies Blanc de Blancs Grand Cru Millésime 2006, dég. 18. November 2011

Am besten gefiel mir die Jahrgangscaudalie, die es meisterlich versteht, am Gaumen Dicke in zusammenhängende und genusstragende Länge umzuwandeln, wie der Metzger Schnitzel klopft oder der Bäcker Teig auswalzt.Hefe, Hagelzucker, karamellisierte Walnuss, frisch gepflückte Äpfel und Bratapfel wollen gar nicht von der Zunge weichen und verhalten sich wie Kinder, die man abends nachdrücklich ins haus rufen muss. Sympathisch und schön.   

Schließlich landen wir bei Philippe Gonet in Le Mesnil sur Oger Grand Cru, dem Munsalvaesche des Chardonnay. Natürlich muss ich hier die Grundweine probieren, denn Gonet hat in den beiden gegensätzlichsten Terroirs der Champagne Chardonnay stehen, in Montgueux und in Le Mesnil. Beide probierten 2012er haben vollen BSA durchlaufen. Ausgesprochen elegant defiliert der Montgueux über den roten Zungenteppich, maßvoll und meiner Spekulation nach nicht unbedingt zum besseren vom BSA herabgesetzt ist die Säure dann beim rasanten, typischen Chardonnay aus Le Mesnil.

1. Blanc de Blancs Extra Brut "3210"

Letztes Jahr überwog noch das aggressive Mesnilnaturell dieses aus den beiden Terroirs Montgueux und Le Mesnil zwangsvereinten Champagners, dieses Jahr zeigt er sich zahmer, erwachsener, nachvollziehbarer. Langsam zeigen sich die begehrten tiefgründigen Aromen großer Chardonnays, beim Mensilanteil blickt man in einen sehr tiefen Schacht, der in das kreidige Herz des Bodens hinabstösst und unergründlich zu sein scheint, der Montgueux mit seiner Fülle scheint kurz davor, dieses Danaidenfass der Mineralität mit warmherziger Buttrigkeit und Frucht zu füllen.

2. Blanc de Blancs Grand Cru Roy Soleil

Der Chardonnay aus dem neuen Holzfass reißt das Ruder wieder in Richtung Mineralität und Schärfe herum, kommt aber mit all seiner Zackigkeit nicht an den 3210 heran, der großherziger ist, breitschultriger, gutmütiger und nicht so gehetzt. Letztes Jahr war es noch umgekehrt.  

3. Blanc de Blancs Grand Cru Le Mesnil 2007

Klarer, reiner, stahliger, lichtdurchfluteter als der Roy Soleil und dieses Namens besser würdig. Offener, nicht so verbissen, mit charmanterer Säure, die in der Zunge keinen Kriegspfad sieht.

4. Blanc de Blancs Grand Cru Belemnita Extra Brut 2004, dég. 14. Mai 2012

Der Sorbetcharakter ist geblieben, die Aromen sind raffinierter als im letzten Jahr, das bedeutet für den Champagner, bzw. für mich, dass das trinken mehr Spass macht als je zuvor.