Manchmal muss ich leider in Restaurants essen, in denen ich nicht unbedingt noch ein zweites mal essen möchte. Zum Glück kommt das nur selten vor, sehr selten, um genauer zu sein; eigentlich so gut wie nie, wenn ich es recht bedenke. In die Traube Tonbach, wo es nicht nur gutes Mittagessen in der Köhlerstube gibt, sondern wo ich auch Bekanntschaft mit Dr. Hegers fabuleusem Viognier, dem unwahrscheinlichen Côte Rôtie von Patrick Jasmin und dem schwer empfehlenswerten Sancerre von Gerard Boulay aus Chavignol machte, lasse ich mich hingegen immer gern ausführen. Die Küche unter Leitung von Florian Stolte lieferte letztes Mal:

 

Tatar vom sternanisgebeizten Thunfisch mit Soja-/Ingwersud, dazu Lanson Extra Age Blanc de Blancs, wobei mir besonders gut der Soja-/Ingwersud gefiel. Oft bekommt man diese Mixtur unausgewogen, mit schlechter oder dominanter Sojasauce, selten auch mit vordergründigem, zu scharfem Ingwer. Nicht so hier und das war toll. Zum Lanson passte der Sud außerdem noch, Schärfe, Säure, Würze und Chardonnayfett verbanden sich hier vorzüglichst, selbst der Anisfisch störte mich dabei nicht und das will etas heißen, da ich seit einer sehr häßlichen erfahrung mit einem Übermaß an Raki kein Anisfan mehr bin.

 

Konfierter Kabeljau mit Gartenkresseemulsion und Kartoffelkrusteln, dazu Devaux Cuvée D Brut; was war das für eine sensationelle Kresse und einmal mehr ein Beleg dafür, wie vermeintliche Kleinigkeiten einem Mahl den entscheidenden Reiz verleihen können.  

 

Gebratenes Kalbsfilet mit Steinpilzrisotto und getrüffelte Rotweinsauce, besonders hervorzuheben ist hier der Würfel aus Maske, Herz. Lunge und Backe vom Kalb. Eben kein Mischmasch aus Schlachtabfällen, sondern große Küchenkunst. Perfekt dazu war Palmer & Co. Amazone Brut, deren reife Honig-Trüffelnote sich 1a mit der Sauce verband und den köstlichen Würfel umspielte. Palmer & Co. ist ja eine der Genossenschaften neueren Typs (ähnlich wie Nicolas Feuillatte, Devaux oder Jacquart), die sich nicht dem Vorwurf aussetzen lassen müssen, sie würden nur herunternivellierenden Mickersaft vinifizieren und daraus hcöhstens passable Champagner machen. Im Gegenteil, Palmer ist durch die den Champagnern angedeihende großzügige Lagerdauer eher so etwas wie der Bruno Paillard unter den Winzerzusammenschlüsen. Der Vintage 2004 ist trotz seiner üppigen Dosage ein Champagner mit ausgeprägter Pinotdominanz und raffinierter Reife, einer Aura von Pilz und einem verwirrend komplexen Gegengewicht von getrockneten Apfelringen, Muscovadozucker und Ginger Ale. Übertrumpft wird der Vintage von der kämpferischen Amazone de Palmer, einem ganz schönen Dickschiff unter den Prestigecuvées, nicht die eleganteste Fassung für einen Multivintage, aber eine prunkvolle. Empfindsamen Trinkern ist das gewisslich too much, da ähnelt die Amazone entfernt den Palmes d'Or von Feuillatte, nicht aber der schlankeren, stahligeren Spitzenriege von devaux oder dem eleganten, wenn auch nicht besonders auf Langlebigkeit getrimmten Alpha von Jacquart.     

 

Abschließend gab es dann noch Champagnerschnee mit rosa Pampelmusensorbet und Beeren im Hibiskussud, dazu Laibles 2012er Traminer Auslese aus dem Durbacher Plauelrain, die mir aber nicht besonders schmeckte, a) weil ich mit der Rebsorte nicht viel anfangen kann, b) weil mir der Wein mit dem Dessert zu verbissen kämpfte. 

 

Versprechen werden beim Rotwein gegeben und beim Champagner gebrochen, resp. vice versa. Wo ich also gerade so ungezwungen über's Essen, den Wein und Champagner spreche will ich ganz ohne Anlass bekräftigen: Essen und Champagne bleibt 2016 ein wichtiges Thema für mich. Mit Guy Charlemagnes notorisch gutem Mesnillesime habe ich schon in unverjährter zeit feine Erlebnisse verbuchen können, vor allem mit salzigen Speisen natürlich. Tatar mit Sojasauce, krosser Schweinebauch, Bugs Bunny mit Pilzen und Fourme d'Ambert seien da nur beispielsweise genannt. Jérôme Prevosts La Closerie Les Beguines LC08 und Egly-Ouriets Meunier (aus Vrigny, unweit von Gueux: 2 km über die Autoroute de l'ext hinweg) sind ähnlich potente Kandidaten für eine besonders harte Gönnung.

 

Den von Heidsieck Monopole zu Vranken hinübergewanderten, einstmal gesuchten, begehrten und bis heute teilweise noch sehr fitten Cuvée Diamant Blanc de Blancs 2007 darf und muss man den Vorwurf machen, dass sie zu hoch dosiert ist. Das Niveau der früheren Kultcuvée erreicht der neue Diamant leider nicht. Henriots Brut Souverain jedoch, dem Namen Heidsieck bekanntlich dynastisch doppelt verbunden (einmal als Geschäftspartner von Charles-Camille Heidsieck im Jahr 1851 und dann 1976 nochmal, als Henriot sich Charles Heidsieck kurzzeitig einverleibte), der ist seit vielen Jahren eine Wucht unter den Bruts Sans Année. Ich vergleiche ihn den Wagen Pharaos, die Backen stehen lieblich in den Kettchen und der Hals in den Schnüren. Wir wollen dir goldene Kettchen machen mit silbernen Pünktlein, quillt es da beinahe besinnungslos aus mir heraus. Ähnliches fiele mir zu Horiot, Sève en Barmont Rosé Saignée ein, den ich bis zum Erntejahr 2007 immer ein wenig seltsam fand und seit 2008 für ein ganz exquisites, immer noch eigentümlich eigenständiges Getränk halte, das aber seither meine Synapsen doch frecher und freudiger befeuert, a complete breath of fresh air, wie die Franzosen sagen.