Mir sagte Gusbourne nichts. In keiner Hinsicht, erst recht nicht in sprudelnder. Dabei ist das Weingut aus der Grafschaft Kent mit seinen insgesamt 202 Hektar nicht gerade klein, selbst wenn man berücksichtigt, dass davon derzeit nur 20 ha unter Reben stehen – alles Pinot Noir, Chardonnay und Pinot Meunier; 2014 kommen weitere 20 ha hinzu. Andrew Weeber und Jon Pollard stellen hier nicht nur nachhaltig produzierte, sondern vor allem nachhaltig beeindruckende Sparklings her, wie ich erfahren durfte.

1. Gusbourne Brut Reserve 2008
36CH 37PN 27PM
Eine anfänglich an höhere Schwefelgehalte hindeutende, durchaus kernig-erbsensuppige Nase wich schnell erfrischenden Noten von eingelegten Pfirsichen und Aprikosen. Der Wein, der als klassischer Rebsortenmix auftrat, hat mir nach der allerersten Irritation sehr gut gefallen; da war vor allem exotische, fruchtige Freigebigkeit, ungetrübt von jeglichem Luftton, gleichzeitig war diser Standardbrut auch nicht zu reduktiv und klinisch rein. Für gut 25 GBP Endverkaufspreis sicher keine Wahl, die einem sofort in den Sinn kommt, um ein Trinkgelage mit Partysprudel zu versorgen, aber eine sehr achtenswerte Attacke aus dem Norden auf das Stammgebiet der Champagne.

Update: der 2009er ist zusammengesetzt aus 77CH 14PN 9PM und setzt die Attacke mit unverminderter Härte fort.

2. Gusbourne Blanc de Blancs 2008
Gegenüber dem Standardbrut ein disziplinierterer, taillierterer Wein, mit frecher Attacke und forderndem Naturell, von Multivitamintönen durchsetzt, die dem Chardonnay wiederum einen leicht exotischen Charakter verleihen, wie man ihn von den Crus an der Marne kennt.

Update: der 2009er war insgesamt ein sehr guter Jahrgang für Gusbourne, wie sich beim Blanc de Blancs eindrucksvoll bestätigt. Davon muss unbedingt mehr getrunken werden. Allseits als besonders exquisit gefeiert wird ja der 2006er Blanc de Blancs, damals mit 9 g/l dosiert. Den fand ich leider etwas hinter den Erwartungen, also auch sehr gut, aber nicht altersgerecht entwickelt und einfach nicht mit derselben Perfektion und Größe, wie sie mein champagnerfixiertes Hirn vorgegeben hat.

3. Gusbourne Rosé
45PN 28CH 27PM, 2009er Basis, Rotweinzugabe
Erst der zweite Rosé von Gusbourne und schon eine sehr klare Linie. Obwohl er auf Anhieb leicht pappig wirken mag, gehört er zu den erfreulicheren Exemplaren; unverkitscht ist er, im Gegensatz zu einem anderen Schäumer mit starkem Englandbezug, dem ich das zuletzt sehr wohl zu attestieren geneigt war, die Rede ist von dem für mich schon fast qualvoll hoch dosierten Rosé von Pol-Roger. Im Gegensatz dazu ist der Gusbourne die kalkigere, churchillhaftere Ausgabe.

Update: der 2010er Rosé aus 39CH 40PN 21PM wahr immer noch gefährlich süß, aber ebenso immmernoch gut. Dieser Ritt auf der Rasierklinge ist trotzdem gefährlich.

Völlig ungefährlich ist der Genuss des Gusbourne Pinot Noir 2011. Der gefiel mir mit am besten und lässt nicht nur manchen Coteaux Rouge hinter sich, sondern auch den einen oder anderen vollwertigen Burgunder.

Fazit:
Gusbourne hat meinen Schaumweinhorizont merklich nach Norden hin erweitert. Ich erwarte von dort noch zahlreiche weitere und bestätigende Schaumweinerlebnisse.

Update:

Christian Holthausen, den ich aus seiner Zeit bei Piper-Heidsieck kenne und der sich vom englischen sparkling wine in den Bann ziehen ließ (indem er zu Nyetimber wechselte), ist einer von zwei Neuzugängen bei Gusbourne und allein schon mit seiner Persönlichkeit ein echter Gewinn für diesen führenden "Méthode Anglaise" Erzeuger, wie das Etikett bekennt. Der andere Neuzugang ist winemaker Charlie Holland, der von Ridgeview kommt und als Zugewinn hier so schwer wiegt, wie er dort als Verlust wahrgenommen werden muss. Gusbourne stehen also rosige Zeiten bevor.