Back to Top

Category Archives: Champagner

Hier dreht sich alles um Champagner.

Champagner Masterclass mit reifen Prestigecuvées in der Villa Hammerschmiede (*/17)

In der Villa Hammerschmiede, wo seit 1. September mit dem jungen Leonhard Bader ein Mann am Herd von Vorgänger Sebastian Prüssmann steht, der sich Meriten im Adlon und auf dem Süllberg erworben hat; logisch, dass die Villa Hammerschmiede mit ihren unerwartet günstigen Preisen und dem weithin unerreichten Gebäudecharme, ganz zu schweigen vom umsichtigen, freundlichen und flotten Team, als location für eine Prestigeprobe herhalten musste, die als Masterclass dem Thema Reife verschrieben war. 

Wilhelmshof Patina 2004 hatte kusperkaramelligen Schmelz und eine zwischen Quitten, Hagebutten und Äpfeln changierende Frucht. Wirkte bei aller vollmundigen Reife frisch und stark, was am späten Dégorgement liegen wird.

Königsberger Klops mit Garnele, Erbspuree und rotem Pülverchen; dazu de Venoge Louis XV. Millésime 1995 mit Phenol, war recht ölig und hätte um ein Haar dicklich gewirkt, wäre da nicht eine  packende Säure für 95, die auch sehr gut zu Endivie oder Birnenkimchi gepasst hätte.

Nicolas Feuillatte Palmes d'Or 1995, fifty-fifty Mix, vom Chardonnay stammen 20% aus Montgueux, der Champagner wirkt deshalb dicklicher, holziger, ja insgesamt eben montgueuxiger, als normale 50/50 Cuvées, die mehr auf Balance getrimmt sind, eine krachende Stangensellerie mit Ziegenfrischkäse würde dazu schon reichen. Der Unterschied zum Cuvéevorgänger Cuvée Speciale ist neben dem Zuwachs aus Montgueux im Übrigen der Verzicht auf Pinot Meunier.

Terrine von geräuchertem Bodensee-Aal und Foie Gras, dazu Pfefferkaramell und Butterbrioche vermengt, seltsam gut schmeckte das. Dazu gab es Bruno Paillard Nec Plus Ultra 1990, der wäre besser gewesen, wenn  er zu Aal und Foie Gras getrennt hätte wirken können, er kam mir aber sowieso etwas schwächer vor, als noch vor wenigen Wochen bei Helmut Thieltges in Dreis.

Coquilles St. Jacques, dicke Bohnenkerne, Meeresbohnen und Yuzu Beurre Blanc; Charles Heidsieck Champagne Charlie 1979 und damit: Achtung grosser, grosser Stoff. Kaffee, Toffee, Röstnoten, unfassbar frische Säure und für mich einer der Champagner des Jahres 2013. Eng gefolgt vom sahnigen Taittinger Comtes de Champagne 1983, der Milchschoki und Kautschuk auffuhr, was super zur Muschel und zur gigantisch guten Yuzubutter passte. Anders war der Taittinger Comtes de Champagne 1990. Weich, ultraeingaengig, 90er pur, mit etwas verführerischem Bouquet Garni, am rande wohl auch etwas Liebstöckel, abgerundet mit einem Schuss Apfelsaft. Geangelter Steinbutt aus der Bretagne, gegrillter Chicorée, Quinoa, gesäuerte Emulsion aus Kapern und Kalbsjus; perfekt dazu gab es mit dem sehr raren, weil allüberall ausgetrunkenen Taittinger Comtes de Champagne 1994 einen Champagner, der sich im Himmel dazu gepaart hat; leicht röstig, schwebte mit feiner Zitrusnote hinein ins Mahl, ein Zitrusdüftchen, das zum Steinbutt fabelhaft aufblühte, nachher kam noch etwas ältlicher Stöckel, der mich aber nicht störte, sondern zu Kaper und Kalbsjus sogar trefflich passte.

Limousin Lammrücken, Sellerie, eingelegte Birne, Bratensaft und Beurre demi-sel, dazu Leon Barral Jadis 2008, toll zum Jus, schicke Syrahpflaume und sexy Säure; Laurent-Perrier Grand Siècle Multi Vintage mit altem Label war noch superer zum Fleisch. Reif und leicht schlapp schon als Solowein, tiptop dagegen als Begleiter, wobei sich der letzte Rest Säure noch mobiliserte. Zum Sellerie waren beide Weine sehr gut.

Nicolas Feuillatte Special Cuvée 1987 en magnum hatte Phenol und Pilze, Akazien und Kastanienhonig, war sehr frisch, mit dem immer wieder staunenswerte Magnumfrischeeffekt in Reinform. Zusammen mit dem 94er Comtes war das wegen der geringen Jahrgangserwartung einer der beiden großen Überrascher des Abends. Nicolas Feuillatte Cuvée 225 Millésime 1997 war mit seinem feinen Barrique, danften Reduktionsnoten und dem nicht mehr ganz so cognacigen Aroma wie beim Marktstart ein starker Wein, der aber geradezu plump nach dem 87er Special Cuvée wirkte – und das obwohl ich den 225 immer als einen der eleganten Holzfasschampagner, zumal als einen der ersten offensiv von einem großen Erzeuger so kommunizierten Champagner, empfunden hatte.

Ein schlimmes Gastspiel hatte der SAV Birnenschaumschwein (Schweden) 2008, dessen Mischung aus Käsefuss und Physalis beim besten Willen keine Trinkfreude aufkommen ließ.

Dom Pérignon 1990, mein erster und bis heute in guter Form ganz weit oben angesiedelter Prestigechampagner war reif aber nicht auf der Höhe, die ihm eigentlich zusteht. Eine ganz andere Geschichte hatte dann der Dom Pérignon 1953 zu erzählen. Zwischen Gezehrtheit, Kork und Reduktion schwankte der Chapagner und zeigte nur sehr wenig Biss. Überhaupt kein Kaffee, kein Toast, kein Champignon, das war schade; interessant dagegen fand ich, dass auch jegliche Sherry-, Portwein- oder sonstige Nuss- oder Rancionote fehlte. Am Ende war das aber zu wenig für richtigen Trinkspaß, wenngleich die Ahnung von verblasster Eleganz noch immer zu beeindrucken wusste.

Geeister Montélimar Nougat, Kaffeecrème Cassisragout riefen nach einem Banyuls oder aufgespritetem Zeugs. Doch wurde es nichts davon, sondern ein libellen-, nein kolibrihaft flatternder, Ardensig Wild Yeast Viogner (Südafrika) 2012, arge Säure und schwirrender Singsang, als würde man von tausenden Pfeilen beschossen. Wildes Zeug, nicht so wahnsinnig gut zum behäbigen Dessert, aber ein faszinierender Wein. Danach wirkte der nusssahnige Stoff von Michel Turgy, Brut 2005, zahm und lindernd. Ganz versöhnt wurde der Gaumen dann vom sagenhaften Forstmeister Zilliken Saarburger Rausch Riesling Auslese 1993, dessen Frische, Spiel und Mühelosigkeit fast schon unanständig aufreizend wirkten.

Fazit: Ein herrlicher Abend mit dem neuen Küchenchef der Villa Hammerschmiede. Das Essen dort ist weiterhin sternewürdig, kann aber eine Straffung der Handschrift vertragen. Aal und Foie Gras waren nicht verkehrt, item das Dessert, aber mehr Pfiff, weniger Pampe hätte ich mir da schon gewünscht, speziell natürlich zum Champagner, der damit locker umgehen kann – obwohl natürlich die gemächliche Ausgestaltung des Menus eine ebenso gut vertretbare Lösung darstellt.

 

 

Riedel ./. Zalto II/II – Masterclass in Helmut Thieltges’ Waldhotel Sonnora (***/19,5), Dreis

Ich kenne kein Glas, das leichter, standfester, eleganter und für den Einsatz als Champagnerglas trotz seiner anderen Zweckbestimmung besser geeignet ist, als das Süßweinglas von Zalto. Das klingt nach einem mutigen statement. Ist es das auch? Nein. Denn Glashersteller und vor allem die hochpreisigen Manufakturen machen sich Gedanken über den Zweck, den ihr jeweiliges Produkt erfüllen soll. Ein Champagnerglas von gleich welcher Manufaktur ist deshalb mutwillig genau so konzipiert, wie man es im Fachhandel kaufen kann. Weshalb also abweichen und ein Glas wählen, das der Hersteller für ganz andere Zwecke vorgesehen hatte? Na, weil sich Glasformen ähneln können zum Beispiel, und weil sich die Champagnerglasform nicht eindeutig auf die verbreitete Tulpe oder Flöte festlegen lässt. Im Gegenteil, immer wieder tauchen Schalen oder andere gestauchte Formen auf, im Moment ist der gedrungene Kelch am Zug. Der ähnelt denjenigen Gläsern, die von den Glasmanufakturen unserer Zeit vielfach für Sauternes oder sonstige Süßweine vorgesehen werden. Champagner in seiner heutigen Form (also mit einem Zuckergehalt meist schon unter 10 g/l) hat, so sollte man meinen, ganz andere Anforderungen an die Gläser, aus denen er getrunken werden will, als große Süßweine – oder täuscht das?

Ich meine, das täuscht. Champagner ist sehr vielgestaltig. Im 19. Jahrhundert kam er sehr süß, mit deutlich über 100 g/l Dosagezucker ins Glas, in der Schale verlor und verliert er naturgesetzlich schnell einen Großteil seiner Kohlensäure und offenbart seinen weinigen Kern, in den hochgeschlossenen Gefäßen tritt er ebenso verhüllt und nicht selten sogar völlig ausdruckslos auf. Was ihm immer schmeichelt, ist ein dünnwandiges, elegantes Glas mit ungehindertem Trinkfluss am Glasrand. Besonders wichtig ist die Ausprägung der Duftzone über der Flüssigkeitsoberfläche. Werden die Aromen von der aufsteigenden Kohlensäure blindlings herausgeschleudert, gehen sie im allgemeinen Umgebungsluftgemisch völlig unter oder können sie sich nasenfreundlich sammeln, werden sie von einer kanalisierenden Glaswand in Richtung Eintauchzone der Nase gebündelt und dort feilgehalten? Das letztere findet mit bemerkenswerter Effizienz und Kompaktheit bei den Süßweingläsern von Zalto statt, wenn man Champagner daraus trinkt. Sicher funktioniert dieses Glas nicht mit jedem Champagner gleichgut, aber nach meiner bisherigen Erfahrung funktioniert es mit mehr unterschiedlichen Chanpagnern besser, als bei den üblichen Flöten, mögen sie auch noch so schön bauchig geschwungen sein. Dieser Umstand hat das Zalto Süßweinglas für mich zu einer Referenz werde lassen, an der andere sich messen lassen müssen und die ich nachdrücklich empfehle. Doch darf man über solchen Glücksfällen und Zufallserrungenschaften nicht seinen Blick auf den Glaseinsatz schlechthin vergessen.

Ich habe mich deshalb entschieden, bei Zalto weiter zu forschen. Ich wollte herausfinden, ob die Bereiche, in denen das Süßweinglas Unzulänglichkeiten zeigt, von anderen Gläsern kompensiert werden können. Und ich wollte wissen, ob Platzhirsch Riedel Vergleichbares anzubieten hat. Darüber hatte ich erst kürzlich berichtet. Meine Erfahrungen mit den Zalto-Gläsern fügen sich in genau diesen Kontext ein, denn auch für ihre Erprobung war Schau- und "Arbeits"platz das Sonnora von Dreisternekoch Helmut Thieltges in Dreis.

Anschauungsobjekt war meine vorletzte Flasche Bruno Paillard Nec Plus Ultra 1990, dégorgiert im Juli 2002. Ein mächtiger Champagnerriese. Gläser, die diesem Champagner gerecht werden wollen, müssen Vieles können. Sie müssen mit Holznoten umgehen können, sie müssen Reifenoten am Gaumen ausliefern und sie müssen Säure an den Mann bringen können. Sie sollen den weinigen Charakter des Champagners betonen und die Herkunftslinien von Chardonnay und Pinot Noir nachzeichnen. Ein gutes Glas für diesen Champagner muss den Champagner reif und lebendig wirken lassen, seiner Komplexität und aromatischen Vielschichtigkeit gerecht werden, ohne den Trinker mit Eindrücken zu überfrachten. Meine stärksten Eindrücke waren diese:

1. Burgund:

Himbeerig, ätherisch, schwebend, fein, leicht; pilzig und feinmorbid

2. Bordeaux:

Konzentrierter im Mund, druckvoller als das Burgunderglas.

3. Universal:

Vanillig, Bäckereiaromen in der Nase, Apfelsäure im Mund.

4. Süßwein:

Reifenoten, pricklig, flott, kompakt.

5. Riesling:

Zurueckhaltende Nase, süsser Mund.

Fazit:

Das Burgunderglas ist am stärksten und eine hervorragende Ergänzung zum Süßweinglas, wenn man es mit Champagnern zu tun hat, die durch ihre Reife und Macht zur Herrschsucht neigen. Das Universalglas und das für Riesling schienen mir am schwächsten, das Süßweinglas als Standard blieb nicht viel, aber merklich hinter Burgund zurück, wobei es die eckigere, ruppigen und harten Komponenten betonte. Dieser Unterschied rechtfertigt für mich eine Anschaffung der Burgundergläser selbst wenn ich wenig Stillwein trinke. Aber einige besondere Champagner haben es verdient, daraus getrunken zu werden.

Riedel ./. Zalto I/II – Masterclass in Helmut Thieltges‘ Waldhotel Sonnora (***/19,5), Dreis

Wenn man die Durchschnittsbevölkerung fragt, welche Sterneköche sie kennt, wird man sicher einige Nichtsterneköche genannt bekommen und eine ganze Reihe Köche mit einem Stern. Frank Rosin mit seinen neuerdings zwei Sternen ist da schon eine Ausnahme. Und Dreisterneköche? Kennt im Land kein Mensch oder nur ganz wenige, jedenfalls nicht so viele wie für die Bedeutung dieser zehn Männer angemessen wäre. Unter den Dreisterneköchen wiederum kennt man manche besser und manche weniger gut. Denn sie alle üben sich in medialer Zurückhaltung, nur manche von ihnen sind dennoch umtriebiger als die anderen. Der einzige Rheinland-Pfälzer, Helmut Thieltges, ist einer von den ganz ruhigen Vertretern, zumindest was seine Präsenz in der Öffentlichkeit angeht. Sein Waldhotel Sonnora in Dreis, vorbei an Tennisclub und Schützenverein, auf malerischer Anhöhe gelegen, ist deshalb für mich der ideale Ort, um in Ruhe zu "arbeiten". Ulrike Thieltges führt das kleine Restaurant so souverän und gastfreundlich wie ein langjähriges Kaffeekränzchen. Über ihre Zusage, meine Glasverkostung unterstützen zu wollen, habe ich mich riesig gefreut, denn sicher hätte ihr ausgesprochen freundliches Team sonst besseres zu tun gehabt, als dauernd neue Gläser für mich anzuschleppen und zu befüllen. Dafür mein besonderer Dank!

Was aber hat es mit der Glasverkostung auf sich? Nun, ich bin einfach mit der typischen, mal mehr mal weniger ausgebauchten Flötenform der meisten Champagnergläser schon lange nicht mehr zufrieden. Eine ganze Zeit lang habe ich deshalb statt der eigentlich für Champagnergläser vorgesehenen Gläser lieber Weißweingläser oder hochgezogene Bordeauxkelche genutzt. In der Champagne selbst wurde zwischenzeitlich das Vinalies zum Standard-Verkostungsglas entwickelt, das über einen gedrungenen Kelch verfügt und mit den klassischen Sauternes-, bzw. Süßweingläsern verwandt ist. Das gefiel mir und so kam ich vor einigen Jahren zum Süßweinglas von Zalto, meiner Meinung nach eines der besten und von mir meistgenutzten Gläser für anspruchsvollen Champagner. Aber was sagt der Platzhirsch unter den Glasherstellern, Riedel dazu? Was hat Riedel dem ultraeleganten Süßweinglas von Zalto abseits der üblichen Verdächtigen, auf ungewohntem Terrain entgegenzusetzen? Einiges, so die Familie Riedel selbstbewusst. Ich hatte in meiner laienhaften Naivetät auf das Sauternes-Glas aus der Sommeliers-Serie gesetzt, doch die Familie meinte, ich sollte es doch mal mit Vinum Extreme Eiswein, Vinum Extreme Riesling und Vinum XL Pinot Noir probieren. Gesagt getan.

Testgetränk war neben dem zwei Tage vorher im Essigbrätlein schon glänzend bewährten Billecart-Salmon Brut Réserve und dem Ayala Brut NV Rosé der großartige Bruno Paillard Nec Plus Ultra 1990, dégorgiert im Juli 2002. Das ist genau deshalb der beste Wein für die von mir geplante Verkostung, weil er zu 50PN 50CH aus Bouzy, Verzenay, Cramant, Oger, Le Mesnil besteht; Vinifikation und Ausbau erfolgen über zehn Monate in kleinen Holzfässern, die Dosage liegt bei 4 g/l und eine weitere Seltenheit kommt noch dazu: nach dem Dégorgement wandert der N.P.U. nochmal für ganze 18 Monate zurück in den Keller von Bruno Paillard, um dort die Dosage zu verarbeiten und echte Trinkreife zur Marktfreigabe zu erlangen. Das was sich beim ersten der bisher drei (bzw. mit dem jetzt kommenden 1999er sind es schon vier) Nec Plus Ultras tut, ist gigantisch. Pinot, Chardonnay und Holz schießen ihre Eigenschaften wie Bugplasma an den Gaumen, ungeheure Säuremengen entladen sich da, duftiger Pilz, Cherry Heering, Kaffeelikör, Île flottante stoßen großzügig dazu. Hätte ich diesen sensationellen Wein im Nürnberger Essigbrätlein dabeigehabt, wäre er eine von nur ganz wenigen Alternativen zum 98er Vouvray Demi-Sec von Huet gewesen.

Gruß 1: Vichyssoise mit Räucheraal, Kaviar und Lachsrillette. Ein Gruß von klassischer Schönheit. Unverpampt, trotz der vielen naturgemäß enthaltenen Stärke, unvefettet, trotz der fettreichen Zutaten, unversalzen, trotz der salzgeneigten Komponenten. Wer das so ausgewogen hinbekommt und vorzeigt, verfügt über so etwas wie das absolute Gehör, bezogen auf Aromen. Gut, das zu wissen.

Gruß 2: Hummergratin, Safranschaumsüppchen mit Muscheln, gebackene Edelfischpraline mit Mangochutney. Purer Hummer, reiner Safrangeschmack mit den ganz natürlich dazu passenden Muscheln, köstliches Chutney, dem man keinerley unnötige Säure oder übertriebene Aromatik abschmeckt, ein kongenialer Partner zur edelfischpraline, die allerdings auch gut ohne krosse Teigsträhnchen ausgekommen wäre.

Dazu schlägt Zaltos Süssweinglas das Riedel Eisweinglas: der Champagner wirkt feiner, jünger und eleganter im Zaltoglas und zwar genauso viel, wie das Zaltoglas selbst feiner und eleganter ist, als das sehr ähnliche Eisweinglas.

1. Bretonische Hummermedaillons, Spargel, Vinaigrette und Joghurtdressing. Fordernd auf den Champagner wirken vor allem Joghurt und Vinaigrette, beide stellen ja schon im Essen ein Spannungsfeld her, dass man sich wie im Umspannwerk fühlt. Zum Abisolieren eignet sich das Burgunderglas von Riedel einzigartig gut, die feine Hummernote und der perfekte Spargel bekommen so den richtigen Auftritt.

2. Wachtel, Gänseleber mit Apfelspalte. Was für ein köstlicher kleiner Vogel die Wachtel doch ist, den sollte es ruhig mal in größer geben, finde ich. Dazu Gänseleber und Apfelspalte zu kombinieren wird vielen Essern nicht als besonders mutig erscheinen, ist es aber dann doch: eine so naheliegende, unexotische Kreation bedarf mittlerweile einer Rechtfertigung und die ist schnell gefunden: Thieltges schafft es, den Gang – den ich beim Blick auf die Karte innerlich als langweilig abgetan hatte – zum Erlebnis zu machen. Irgendwie gart er die Sachen anders oder stellt wer weiß was damit an, jedenfalls war das Wachtelchen so wunderbar spätrömisch-dekadent zusammen mit der Leber zu genießen, dass der Gang volle Dasinsberechtigung hat. 

Riedel XL Pinot Noir ./. Vinum Extreme Riesling. Das Burgunderglas gibt Jod und Reduktion frei, das Rieslingglas ist präziser, blumiger, aber auch lauschiger. Im Mund gibt sich der Champagner aus dem Burgunderbecher weicher, mit viel milderer Säure, was beim Hummer mit Vinaigrete und Joghurt superb wirkt, bei der Wachtel aber nicht so sehr überzeugt; aus dem Rieslingglas kommt der Champagner deutlich saurer, härter und konzentrierter rüber, in Verbindung mit dem Essen multipliziert sich der Säureeindruck zur Vinaigrettesäure und wirkt sicher für Viele überladen, ich fand es als Säurefreund jedenfalls schon grenzwertig. Umso besser dagegen das Rieslingglas zur Wachtel, der in sich geschlossene Gang wurde schön, allerdings nicht gerade schonend aufgebohrt und gewann eine ganz andere, neue Dynamik.

3. Seeteufel, Fenchel, Vinaigrette; hier nochmal eine gute, für manchen vielleicht sogar zu starke Vinaigrettesäure und ein perfekter Seeteufel. Das Rieslingglas zeigte sich auf Augenhöhe mit dem Burgunderbecher. Mit dem Seeteufel kamen beide sehr gut zurecht, die Sympathien des Burgunderglases gehörten dem Fenchel, das Rieslingglas verbündete sich lieber mit der Vinaigrette und tat dies etwas zurückhaltender als noch beim Hummergang. Unentschieden also. Das Eisweinglas schlug sich wacker, konnte aber auf dieser Höhe nicht mithalten.

4. Gegrillte Royal-Langustinen, Eisweinglacée und Chicorée. Herber Chicorée, Grillaromen, Langustinen und Wein. Nicht leicht, sich da hindurchzufinden, bei weniger guten Köchen sogar die Gefahr eines Totalreinfalls. Nicht so in Dreis. Glückwunsch geht nach Helmut Thieltges vor allem von mir an mich für die Auswahl des zu diesem Gang perfekt passenden Champagners, der im Burgunderglas herrlich dandyhaft wirkte und im Rieslingglas etwas forscher und spitzbübischer. Ich neige um Haaresbreite stärker dazu, dem Burgunderglas hier den Vorzug zu geben und gab auch dem Eisweinglas nochmal eine Chance. Das hatte durchgeschnauft und genug Puste gesammelt, um den Gang vernünftig begleiten zu können, ließ aber gegenüber den beiden anderen doch Federn. 

5. Eifeler Rehrücken mit karamellisierter Macadamiakruste, Sellerie, Griessriegel und Kumqat. Noch so eine schöne Kombination und zusammen mit dem Tartar-Kaviar-Törtchen einer von Thieltges' großen Klassikern. Anmutig wirkt dazu der Champagner aus dem Burgunderglas, knallig wirkt das Rieslingglas vor allem mit der Kumqat; Überraschungsstargast ist das Eisweinglas, das zu diesem feinen Reh die genau richtige Dosis Eleganz und Säure aus dem Champagner freilässt, der ja selbst von beidem genug hat.

6. Beeren mit minzig gelierter Mosel-Rieslingsektbowle, Verbene und Zitronengraseis. So schön, so einfach, nichts Überkanditeltes. Einen passenderen Abschluss kann man sich gar nicht vorstellen, einen spektakuläreren schon. Dazu hält die Karte auch manche Schweinerei bereit, aber in das Menu passt genau dieser erfrischende Fruchtspass. Champagner passt da nicht. 

7. Langres, Trappe d'Echourgnac, Mimolette, Morbier. Klar, zum Lokalmatadorenkäse der Champagne ist der Bruno Paillard ein Partner wie aus einem orientalischen Zwangseheversprechen. Zum walnussigen Trappe d'Echourgnac bestehen genauso enge verwandtschaftliche Aromabeziehungen, Mimolette ist noch nie problematisch zum Champagner gewesen und alter Mimolette auch nicht. Meine Glasbeobachtung dazu war nicht einfach. Burgund war zu fein, Riesling zu aggressiv und offensiv auf Mineralität plus Säure getrimmt, Eiswein einmal mehr eine gute und solide Empfehlung und das Sauternesglas feierte seinen schönsten Auftritt im Laufe des Menus. Denn unter Nasengesichtspunkten ist das Sauternesglas ein Champagnerkiller, vom mächtigen Paillard kam kaum etwas durch. Im Mund kamen dafür 110% der Säure am Gaumen an; zu den vier Käsesorten gut und vom Effekt her dem Riesling sehr ähnlich, ohne dass sich eine störende Nase einmischte. Die Käse konnten jeder für sich ihre starke Nase ausfalten, es gab keinerlei Verwirrung zwischen Glas und Käseteller. 

Fazit: das Riedel Vinum XL Pinot Noir holt sehr einfühlsam die sanften Noten aus reifem Großchampagner wie dem Bruno Paillard N.P.U. 1990, das Vinum Extreme Riesling forciert die rieslinghaften Seiten des Champagners, Säure und Mineralitaet bekommen in diesem Glas die Maske heruntergerissen. Ganz gegen meine Erwartung schnitt das Sommelier Sauternes nicht annähernd so gut ab wie das Extreme Eisweinglas und konnte nur zum Käse wirklich glänzen.

Mareuil trifft Ay: Champagne R. Pouillon – René Geoffroy

Mareuil sur Ay liefert sich einen gewissen Kleinkrieg mit dem berühmten Grand Cru Nachbarort Ay. Mareuil ist "nur" mit 99% auf der (für mich immer bedeutungsloser werdenden) échelle des crus ausgestattet, Ay hat die volle Punktzahl. Ay hat mit Bollinger, Deutz, Lallier und Gosset namhafte Häuser anzubieten, mit Henri Giraud, Goutorbe, de Meric, Fliniaux stehen außerdem Erzeuger bereit, die den hohen Ruf des Örtchens bedingungslos zu veretidigen bereit sind. Nur dass in Mareuil eben auch nicht gepennt wird. Billecart-Salmon und Philipponnat sprechen da eine sehr deutliche Sprache und eigentlich ist es heute überhaupt nicht nachvollziehbar, dass Mareuil neben Ay von Grand Crus wie Tours sur Marne, Oiry und Chouilly umgeben sein soll, ohne selbst Grand Cru sein zu dürfen. Ein wenig erinnert das an den Status von Mouton Rothschild bis 1971. 

Soweit die Ausgangslage. Aus den beiden Örtchen lohnt es sich, neben den schon angesprochenen und bekannten Erzeugern, die nachfolgenden beiden näher zu betrachten. Fabrice Pouillon ist einer der jungen Winzer aus dem feinen Örtchen Mareuil-sur-Ay, Jean-Baptiste Geoffroy von René Geoffroy ist sein Kontrahent in unserem kleinen match, wobei ich mit Ay ein wenig gemogelt habe, denn dort befindet sich zwar der Sitz des Hauses, aber die meisten Weinberge hat Geoffroy doch in der Vallée de la Marne westlich von Ay, besonders natürlich im Premier Cru Cumières. 

Pouillon:

1. Chardonnay Extra Brut

Je hälftig aus den Lagen Pu de Peigne in Le Mesnil und Les Valnons in Aÿ, unchaptalisiert, mit 6 (für mich eher bis 7) g/l dosiert, 25% Barrique, Rest Stahl

Im Laufe der Zeit hat sich der Chardonnay aus Ay die Oberhand in dieser Cuvée gesichert. Das war kein leichtes Unterfangen, wenn man die Kratzbürstigkeit von Chardonnay aus Le Mesnil bedenkt. Was in diesem Champagner für einen Sieg des Chardonnays aus Ay spricht, ist die deutliche, von der Dosage noch befeuerte Exotik, die mich leider zu sehr an Mango-Maracuja-Joghurts meiner Kindheit erinnert. Wenn sich das nicht mit der Zeit legt, wird der Champagner für mich uninteressant. Dass sich das legt, darüber bin ich guter Dinge, weil ich schlicht nicht glauben will, dass sich der Chardonnay as Le Mensil so mir nichts dir nichts verabschiedet haben soll.  

2. Brut Nature de Mareuil

Hälftig PN/CH aus der Einzellage Les Blanchiers in Mareuil sur Ay, 2007er Tirage aus 2006er mit 2005er, spontan mit weinbergseigenen Hefen in Eichenfässchen vergoren.

Eine der Herzfasern von Mareuil-sur-Ay. Wer den Champagner von dort verstehen will, sollte sich nicht nur mit den inkommensurablen Clos des Goisses und Clos St. Hilaire, sondern vor allem mit diesem hier beschäftigen. Eine Außenhaut die sich von der Mundschleimhaut und den Geschmackspapillen erst so wenig abtasten lässt, wie moderne U-Boote vom Sonar; aber Malz, Fenchel, Brot und Hefe in der Nase verraten den Klassechampagner und wenn man sich auf diesem Weg nähert, fallen einem Kamille, Apfelblüte, Birne, weißer Pfirsich und vereinzelte Zitrusfrüchte schnell in den Schoß. Stromlinienförmig gerundet, aber nicht um zu gefallen, sondern um im Ziel zu wirken. Und Ziel ist nicht die Massenkundschaft, sondern die kleine Gruppe echter Champagnerbegeisterter.  

3. 2XOZ

100PN, 2006er Basis, Süßreservezugabe für die Gärung

Hier drängte sich mir ein Vergleich auf zum letzten Blanc de Noirs noch ohne Lagenbezeichnung  von Ulysse Collin, der eine ähnlich reife, vollfruchtige und nur um Haaresbreite nicht schon ins Herbe  hinübergleitende Aromatik mit vernachlässigbarer Säure hatte. Blutorange und Grapefruit, Süßkirsche, mit einem Mundgefühl, das ich blind an der nördlichen Rhône oder vielleicht in Australien vermutet hätte, irgendwo zwischen Grenache von alten Reben und sparkling Shiraz, nur dass der Champagner dabei seinen Champagnercharakter so nachdrücklich behält, dass ich jedes mal noch lange darüber nachdenken muss, was ich da eigentlich im Mund hatte. 

 

Geoffroy:

400 Jahre Weinbauerfahrung bringt die Familie auf die Waage. Das ist schon was, das hat sonst vielleicht noch Tarlant und bei Gosset in Ay kann man sogar noch auf paar Jährchen mehr zurückblicken; jedenfalls verpflichtet die Tradition (zb wird auf BSA schon immer verzichtet, oder zumindest solange man weiß, was das überhaupt ist), knebelt im Hause Geoffroy aber nicht, weshalb Jean-Baptiste und Karine sich in der Truppe umtriebiger Aktivisten der Terres et Vins de Champagne engagieren, wobei Karine das Etikettendesign in augengefälligere Bereiche gebracht hat, als das noch vor 2009 der Fall war. Margaux, Sacha, Rosalie, Colombine und Azalée helfen nach Kräften mit.

1. Blanc de Rosé

60PN 40CH, 2010er Basis, zusammen ausgeblutet und mit 4 g/l dosiert
Schon das gemeinsame Ausbluten der beiden Rebsorten ist eine höchst selten anzutreffende Methode und wer weiß, vielleicht ist sie dafür verantwortlich, dass man dem Champagner gleich vom Start weg ein höheres Reifevermögen oder sogar die unausgesprochene Verpflichtung zur längeren Flaschenreife unterstellt. Aromenstark, mit deutlicher Rosenblüte und undeutlicher einem Bouquet anderer Blumen, wirkt aber unverkitscht und nicht so plumt und lahm, wie sich das mit den Blumen anhören mag, selbst wenn ein wenig mehr Säure im Spiel hätte sein dürfen.  

2. Cuvée Empreinte

70PN 10PM 20CH, 2007er Basis, Vinifikation im Eichenfass.D É G U S T AT I O N. 

Sehr zeigefreudiger Champagner. Bereitwilligst werden hier getrocknete Sauerkirschen, Blüten, Kräuter und Morcheln ausgebreitet, bevor die Reise in den Magen angetreten wird. Damit hat Jean-Baptiste einen Abdruck des Gebiets champagnerisiert, der ähnlich stellvertretend wirkt, wie die Cuvée Nature von Pouillon und die sofort an einen Champagner gleichen Namens aus einem anderen Grand Cru, nämlich Ambonnay denken lässt, wo unter dieser Bezeichnung rebsortenrein Pinot Noir und Chardonnay interpretiert werden, dass mir schön beim drandenken das Wasser im Munde zusammenläuft. Aber zurück zu Geoffroy, bei dem mein Favorit eben auch die Cuvée Empreinte, diesmal sogar aus einem mauen Jahr war. Am wichtigsten für mich ist bei dieser Cuvée, dass sie den Eindruck einer königlichen Tafel vermittelt und hinterlässt, eine Opulenz und Eleganz, die Königen wie dem in diesem Zusammenhang und speziell von den Winzern aus Ay vielbemühten Henri IV. nachgesagt wird.

3. Millésime 2004 Extra Brut

71PN 29CH, Trauben aus alten Parzellen; ohne BSA vinifiziert wird im Eichenfass nur die erste Pressung, die zweite Gärung findet unter Naturkork statt, dosiert wird mit 2 g/l.

Als Ausgangsmaterial die Trauben der 2004er Ernte zu haben ist für alle Champagnerwinzer ein Geschenk gewesen und ich habe bisher ausnahmslos sehr gute Champagner aus diesem schönen Jahr getrunken. Unterschiede gab es vor allem bei der persönlichen Handschrift und das wünscht man sich ja nicht erst, wenn man etwas besser mit der Materie vertraut ist. Die Handschrift von Jean-Baptiste ist ohne allzugroßen Druck auf dem Federkiel, schnörkellos und entschieden männlich. Pfeffrig, toastig, mit zimtigen und zedrigen Noten, agrumes, erdiger Würze, mehr Parfum als Wein, aber ohne spürbaren Alkohol, ohne die Schwere in der Nase und mit dem Versprechen, die nächsten Jahre stetig noch eins draufzulegen.


 

Dom Pérignon 2004

Der 2004er Dom Pérignon kursiert schon seit Monaten als Vorabprobierfläschken in Kritiker- und Meinungsmacherkreisen und durch eine Häufung glücklicher Zufälle hatte ich gleich mehrmals die Möglichkeit, diesen von mir sehnlichst erwarteten Champagner zu probieren um meine eigene Flasche möglichst lange zu schonen. Denn Dom Pérignon ist der Champagner, der mich mit dem 90er Jahrgang überhaupt erst restlos für den Champagner entflammt hat und seither hat er einen besonderen Stellenwert in meinem Champagneruniversum. Ich muss einräumen, dass ich nach dem 90er Dom nicht nahtlos schöne Erfahrungen anknüpfen konnte, meine Beziehung zu dieser speziellen Cuvée ist sogar eine eher schwierige, waren doch 92, 93 keine ganz großen Würfe und selbst nach ein paar obligatorischen Jahren der Flaschenreife keine Sextoys. Vom 95er dagegen war ich sofort angetan und heute bin ich sogar begeistert, auch 96 ist eine sichere Bank, von zu vielen Korktreffern abgesehen. Doch dann wurde es schwer, 98, 99, 00 schlugen stilistisch einen japanisch anmutenden Weg ein, reduzierte, reduktive Ausstattung, alles schlicht, meditativ, zenhaft, jodig, mineralisch, meergeprägt, algig und ganz ohne die sagenhafte Schwerelosigkeit, die ich am Dom Pérignon, insbesondere nachdem ich mich den reiferen Jahren bis zum fabelhaften 1959er und darüber hinaus 1955 (demnächst sogar dem seltenen 1953er) genähert hatte, immer so bewundert habe. Dann kam 2002, eine erste Abkehr vom japanischen Irrweg, doch ich wusste zwei Dinge: es würde auch noch ein schwieriger 2003er kommen. Aber: dann käme 2004 und eine Reihe von Jahrgängen, unter denen 2008 und vielleicht 2012 herausragen werden, bei anderen Erzeugern leuchten sie schon gleißend hell.

Jetzt ist es soweit. 2004 markiert für mich den neuen Dom Pérignon Weg. Lebensfroh, fremd, aber nicht so wie Japan, sondern eher wie die quirligen Teile der westlich orientierten Türkei. Daher vielleicht meine entfernte Assoziationen an Harem, Opiumhöhle, Safran, Nougat, Rosenwasser, Orangen- und Zimtblüte. Kreiselnd, derwischhaft, geheimnisvoll, mystisch, orientalisch, hochkultiviert. Umfassend und verwirrend, sagt Richard Geoffrey, er erschließt und verschließt sich gleichzeitig, sagt Richard Geoffrey. Und damit trifft er bei aller Offen- und Unbestimmtheit den Nagel auf den Kopf. Ich weiß, dass ich mir davon viel hinlegen werde, trotzdem alles viel zu schnell ausgetrunken sein wird und ich dann viel nachkaufen muss, aber mit einem sehr guten Gefühl. 

Champagne Paulet ./. Champagne Horiot

Hubert Paulet und Olivier Horiot stehen im Schatten der Champagner-Winzer aus dem Marnetal, der Côte des Blancs und der anderen üblichen Gegenden, in denen sich Kultweinmacher finden, deren Namen mittlerweile schon fast jeder Sekttrinker daherbeten kann. Grund genug, sich die beiden Buben immer wieder mal genauer anzusehen.

Das was Monsieur Paulet nicht an Billecart-Salmon sendet, verarbeitet er mit gutem Erfolg selbst. Von den zuckrigen Weinen hat er Anschied genommen und pendelt sich bei einer weinorientierteren Aromatik ein.

1. Brut Tradition Premier Cru

50PM 25CH 25PN, 2008er Basis, nach 7 und 4,5 in den vergangenen Jahren jetzt mit anmutigen 4 g/l dosiert.

Weich wirkt der Champagner, aber nicht zuckerwattig weich, sondern weich, weil er eine zuckerlose Härte nicht nötig hat, d.h. aus Reifegründen weich und mit sich ankündigenden, schokoladigen, milchschokoladigen Noten. Für einen Brut Tradition ist das nicht ganz ungefährlich, weil es seltsame Signale aussendet. Das mit der Portfoliokonsistenz ist bei Paulet aber sowieso ein eigenes Thema, der einzige Zusammenhalt ging hier nämlich immer vom Zucker aus, sonstige Gemeinsamkeiten sah ich sonst nicht. Auch dieses Jahr zue ich mich schwer damit, ein anderes tertium comparationis zu finden. Das tut der Güte des charmanten Einsteigerchampagners aber keinen Abbruch.

2. Mazerationsrosé 

80CH 20PM, 2005er Basis, drei Tage auf der Maische, gegenüber sonst 6,5 g/l jetzt 6 g/l

Joghurette mit Spuren von Bitterschokolade, gegenüber dem Vorjahr besser, seriöser, nicht zugezuckert und auf einem guten Weg. Damit kann man jetzt nicht mehr nur einfältige Frauen betören, sondern auch eine Klasse darüber noch punkten.

3. Cuvée Risleus

47CH 32PN 11PM ohne BSA, bâtonnage; ungeschönt, ungefiltert. Happige 7,5 g/l Dosage.

An diesem Champagner gibt es schon seit Jahren nichts zu meckern und nur von Jahr zu Jahr mehr zu loben. Dieses Mal ist Paulets Schmuckstück nicht so markant und knochig, auch nicht mit so deutlich nebeneinander gestellter Rebsortenaromatik ausgestattet. Hier fügt sich alles so nahtlos ineinander, wie eine besonders raffiniert versteckte Geheimtür in einer Holzintarsienwand. Röstig, mit Schokolade und feiner Säure, tatsächlich ganz das Bild einer Wand im Büro von Prof. Dumbledore. 

Horiots Pinot stammt von verschiedenen Argile- und Calcaireböden, die er parzellengenau vinifiziert. Pinot heißt dabei, dass es nicht nur Pinot Noir, sondern auch Pinot Blanc gibt, an der Aube ja nicht gar so ungewöhnlich. Der Weißburgunder von Horiot gehört zu den besseren, jedenfalls nicht störenden und von Grund auf ablehnungswürdigen Weißburgundernchampagnern. Zuletzt habe ich zwei Champagner probiert, die neu ins Programm gekommen sind und daher wieder mal vor dem Problem standen, bzw. mich vor das Problem gestellt haben, noch so jung zu sein, dass eine vernünftige Meinungsbildung unmöglich erscheint. Vom Sève, dem Champagner aus der Lage hatte ich in den letzten Jahren einen immer besser gewordenen Eindruck erhalten, die Verkostungslage war also perspektivisch ganz gut.

1. Métisse

50PN 50PB, 09er Cuvée auf Basis einer Minisolera auf 06er Basis mit 07 und 08; 2 g/l Dosage. 

Ganz gefällig, kräftig bis gedrungen, was mir für den Weißburgunder angemessen und klug gemacht vorkommt, aber im Ergebnis leider eher kurz.

2. Sève en Barmont Rosé Saignée

2007er Basis

Hinter einem schwer durchdringbaren Schleier leicht angegammelter Erdbeeren fand ich Rosenblüte, Weingeist, Mahagoni. Kein leichter Rosé, eher etwas für den Ziegenkäse oder ein Vollkornbrot mit dick Butter und etwas Salz oder beides.  

Champagne Bérèche

Von Raphael Bérèche habe ich schon eine stattliche Zahl Champagner getrunken, die so umsichtig und klug gemacht waren, dass es mir immer wie Sünde vorkam, diese Kunstwerke einfach so zu trinken; es hilft aber alles nichts, getrunken werden müssen die Champagner nunmal und also habe ich mich wieder ans Werk gemacht. 

1. Chardonnay Les Beaux Regards Brut Nature 2009

2/3 Ludes 1er Cru, Parzelles: Les Clos, Les Hautes Plantes, Les Beaux regards; 1/3 Mareuil le Port, Parzelle Les Misy. Ein sehr fordernder Champagner, den ich den Jason Statham unter den Champagnern nennen will, insbesondere drängen sich mir Vergleiche zu seiner Rolle in Crank auf. Letzthin hat er sich vom hochgeputschten Adrenalinjunkie in Richtung einer sanfteren, buttrigeren Note mit Gras, Heu, Blüten und einer kaktusartigen Struktur entwickelt.

2. Le Cran 2006

Dick, reif, fett, konzentriert, nicht gerade argsauer, obwohl der Champagner aus Einzellage und von tüchtig alten Reben keinen BSA durchlaufen hat. Bei aller Masse trotzdem sehr agil, so wie Steven Seagal in seinen mittelspäten Werken.  

3. Campania Remensis Rosé

Mittelgewichtig, nicht gerade wahnsinnsfruchtig, pendelt zwischen wenig Säure und zu viel Wasser. Das ist kein schlechtes Zeichen, denn oft genug habe ich erlebt, dass solche Champagner schleichend aber unaufhörlich Aromen in diese Lücke nachfluten lassen wie ein klassisches Sommerhochwasser.

Vinocamp 2013 in Geisenheim: Pearls, pearls, pearls! #VCD13

Großes steht bevor! Das diesjährige Vinocamp wird eine Schaumparty der Extraklasse und die Leitveranstaltung zum Thema Schaumwein nicht nur des Monats, sondern mindestens des ganzen Jahres und des halben Kontinents. Warum? Weil die einzelnen Sessions und Verkostungen alles haben, was für ein denkwürdiges Ereignis dieser Art, dieser Größenordnung und mit diesem inneren wie äußeren Anspruch notwendig ist. 

In der Lehrweinprobe im großen Hörsaal widme ich mich z.B. den wichtigsten und aufregendsten Schaumweinregionen. Vorbereitet habe ich 

1. Champagner, Nicolas Feuillatte Bdb 2005

2.1 Deutscher Sekt, Immich-Batterieberg Jour Fixe Riesling Brut Zéro 2008

2.2 Deutscher Sekt, Raumland Blanc et Noir

3. Österreichischer Sekt, Szigeti Grüner Veltliner

4. Australischer Sparkling, Cumulus Rolling Pinot Grigio/Chardonnay

5. Südafrikanischer Sparkling/Cap Classique, Simonsig Kaapse Vonkel Brut Reserve

6. Spanische Cava, Recaredo Brut Reserva 2006

7.1 TrentoDOC, Endrizzi Riserva

7.2 TrentoDOC, Zeni Cuvée Maso Nero

8. Südtirol, Arunda Vivaldi

9. Franciacorta, Bellavista Pas Opere

10. Portugal, Ortigao Extra Brut Reserva

11. Kalifornien, Roederer Estate Quartet Brut

12.1 Loire, Nerleux La Folie des Loups

12.2 Loire, Domaine des Noels Cremant de Loire 2010

12.3 Loire, Château de Parnay Cuvée J. Delmare

13. Griechenland, Karanika Brut Cuvée Speciale 

Zur Veranstaltungsseite geht's hier: http://vinocamp-deutschland.net/2013/06/champagner-sekt-cava-co/

 

***

 

Neben der Lehrweinprobe veranstalte ich noch weitere Proben, so dass für jeden Geschmack etwas dabei ist. Für die Freunde exquisiter Winzerchampagner gibt es eine Mitmachprobe, bis jetzt sind gemeldet:

 

1. Agrapart Terroirs Extra Brut Blanc de Blancs

2. Egly-Ouriet Brut Tradition Grand Cru

3. Lancelot-Royer Blanc de Blancs Grand Cru

4. Paul Bara Millésime 2002

5. Champagne Laurenti

6. Jacques Lassaigne La Colline Inspirée Blanc de Blancs Extra Brut

7. Bruno Michel Brut Blanche

8. George Laval Cumières Premier Cru

9. Janisson-Baradon Tue Boeuf 2005

10. Gimonnet et Fils Blanc de Blancs Premier Cru

11. Doquet Blanc de Blancs Premier Cru

12. Francis Boulard Petraea XCVII – MMIV

13. Jannison-Baradon Chemin des Conges 2006

14. Eric Rodez Cuvée des Grand Vintages

15. Dosnon & Lepage Recolte Noir NV,

 

zur Veranstaltungsseite geht's hier: http://vinocamp-deutschland.mixxt.eu/networks/events/show_event.80701

 

***

 

Die Freunde reifer Champagner kommen bei einer anderen Probe auf ihre Kosten. Ich biete nämlich eine Session mit Prestigecuvées großer Häuser aus der Zeit bis 1990 an. Da werden unter anderem geöffnet

 

1. Dom Pérignon 1953

2. Comtes de Champagne 1988

3. Grand Siècle MV

4. Nicolas Feuillatte Cuvée Speciale 

 

und andere Spezereien. Zur Veranstaltungsseite geht es hier: http://vinocamp-deutschland.mixxt.eu/networks/events/show_event.80707

 

***

 

Abschließend gibt es dann noch eine Veranstaltung, die ich in Zusammenarbeit mit dem Champagnerdachverband Comité Champagne anbieten kann, nämlich eine Vergleichsprobe der unterschiedlichen Champagnerstile,

 

I.1 Champagne Duval Leroy – Clos des Bouveries 2005

I.2 Champagne de Saint Gall – Blanc de Blancs Premier Cru

 

II.1 Champagne Ayala – Brut Majeur

II.2 Champagne Ayala – Brut Nature

 

III.1 Champagne Egly-Ouriet – Les vignes de Vrigny

III.2 Champagne Soutiran – Blanc de Noirs

 

IV.1 Champagne Lemaire – Rosé de Saigné

IV.2 Champagne De Sousa et fils – Rosé Brut

 

Anmeldungen nehme ich bis Samstag noch – auf allen üblichen Kommunikationswegen – entgegen.

 

***

 

Champagne Laherte Frères

Die Champagner von Aurelien Laherte kann man gar nicht oft genug probieren und selbst ein nur kurzes reinspitzen erweist sich immer wieder als sinnreich. Den Grundweinen galt diesmal nicht mein besonderes Augenmerk, sondern vor allem den beiden weißen Ultraditions. Von den drei probierten Grundweinen blieb mir am besten der Meunier aus Boursault haften, der mit einer Mischung aus den dicken kugeligen Zitronenprickelbonbons meiner Kindheit und einer sehr schönen rotfruchtigen, auch rhabarberigen Note aufwarten konnte.

a) Blanc de Blancs Ultradition

Sehr vorteilhaft hat sich der schon im Frühjahr von mir belobigte Ultradition Chardonnay entwickelt, entgratet und behutsam dem Normaltrinkergaumen angepasst, ohne sich untreu zu werden. Das merkt man vor allem an der sehr lebendigen Vitamin C Aromatik und der immer noch nur langsam sich öffnenden Anlage, die vom Trinker Mitarbeit fordert und erschlossen werden will.   

b) Ultradition

mit 7 g/l dosiert
Für mich sehr hoch dosiert, trotzdem noch schmackhaft. Das offene Eingangstor für Durchschnittstrinker, die den Weg zum Winzerchampagner suchen,

c) Les Empreintes

Zum Schwärmen und zum Trinken laden nicht nur Saaleck und Rudelsburg ein, sondern ganz besonders diese außergewöhnliche Cuvée, deren Chardonnay-Muscaté für sich genommen wahrscheinlich keinen guten Champagner ergäbe, aber als Cuvéepartner so viel wohldosierte Exotik, Rondeur und aufscheuchende Andersartigkeit in den Champagner einbringt, dass man künftig um ihn einfach nicht mehr herumkommt, wenn man sich ernsthaft in der Tiefe mit Champagner befassen will.

Champagne David Leclapart

Bei kaum einem anderen Avantgardewinzer lagen bei mir Skepsis und Begeisterung so dicht nebeneinander, wie bei Lecalpart, nur bei Horiot hatte ich anfangs ähnlich gemischte Gefühle. Die letzten Jahre zeigen, dass es mehr Grund zur Begeisterung als zur Skepsis gibt, auch wenn bis heute nicht erwiesen ist, wie die Champagner von Leclapart reifen.

1. Artiste 2008

Seit drei, vier Jahren beobachte ich den Artiste intensiver und der 2008er ist für mich nicht nur der beste Artiste, sondern einer der besten Leclapart-Champagner überhaupt. Alle Stärken vergangener Jahre finden sich hier vereint und von der Uneinheitlichkeit und dem Wankelmut vergangener Versionen ist nichts mehr zu spüren. Der 2008er Artiste ist der entschiedenste, wallendste, auch der mit dem Ausdruck vollendetster Reife, ein Champagner, bei dem jeder Ton richtig getroffen wurde.

2. Apôtre 2007

Der 2007er Apotre ist wieder ganz anders als 2004, 2005, und 2006. Die Größe, die mich beim 2008er Artiste überrascht und begeistert hat, ist für den Apotre 07 so etwas wie eine Selbstverständlichkeit. Majestätisch, als würde er huldvoll grüßen, schaut er aus dem Glas raus und wirkt im Gegensatz zu den metaphsysisch angehauchten Vorgängern machtbewusst und weltlich.

3. Alchimiste 2008

Nachdem ich den 2006er Alchimiste in einer ähnlichen Gewichtsklasse wie den Terres Rouges von Jacquesson gesehen habe und statt Thai-Kickboxing plötzlich Sumoringen vorfand, ist der 2008er Alchimiste wieder ein Rosé, der dichter dran ist am Stein der Weisen. Mehr Schnittigkeit, Rasse und der für Alchimisten wohl unvermeidliche schweflige Laboratoriumsgeruch.